Dr. med. Björn Drews über das Kniegelenk: Mit schonenden Verfahren zum Erfolg

31.01.2023

Ohne unsere Knie könnten wir die Beine nicht strecken oder beugen – es sind Menisken, Bänder, Sehnen und Muskeln, die unsere Bewegungen so führen und stabilisieren, dass wir überhaupt gehen können. Bei gesunden Menschen sind die Knochen des Kniegelenks mit einer mehrere Millimeter dicken, weißlichen Knorpelschicht überzogen, die eine schmerzfreie Beweglichkeit des Kniegelenks erst möglich macht. Im zunehmenden Alter kann es aufgrund von Verschleiß zu einem Knorpelschwund kommen, aber auch Fehlbelastungen führen dazu, dass der Knorpel zu stark beansprucht wird. Die Folge sind Schmerzen – und eine eingeschränkte Bewegung. Auch wenn die ganze Kniescheibe herausspringt oder sich verdreht, ist der Rat eines Kniespezialisten gefragt. Die Redaktion des Leading Medicine Guide sprach genau zu diesen Themenbereichen mit Dr. med. Björn Drews, der als Spezialist für Kniechirurgie und Sportorthopädie in der St. Vinzenz Klinik Pfronten im Allgäu praktiziert.

drews1.jpgWenn ein Mensch von achtzig Kilo eine Treppe hinaufgeht, wird das Kniegelenk mit dem dreifachen Gewicht belastet – dann liegen rund 240 Kilogramm Gewicht auf dem Kniegelenk, übrigens dem größten Gelenk unseres Körpers. Ein funktionstüchtiger Gelenkknorpel ist mit einem Stoßdämpfer vergleichbar und damit unerlässlich für einen reibungslosen Bewegungsablauf. Bei diesen Belastungen verwundert es nicht, dass viele Menschen gerade mit den Knorpeln in den Knien Probleme bekommen.

„Man muss zwischen einem unfallbedingten Knorpelschaden, einem generellen Verschleiß und einer genetischen Veranlagung für Knorpelschwund oder Knorpelabbau unterscheiden“, eröffnet Dr. Björn Drews unser Gespräch. „Bei einem unfallbedingten Knorpelschaden, zum Beispiel bei einem Kreuzbandriss, bei dem viel Energie auf den Knorpel kommt, können Knorpelveränderungen und Beschwerden auch erst später auftreten. Die Behandlungsmöglichkeiten hängen dann vom Status des Schadens ab. Ein nur oberflächlicher Schaden muss nicht unbedingt operativ behandelt werden“, erklärt Dr. Drews.

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Methoden der Knorpeltransplantation

Es gibt ein großes Portfolio an Möglichkeiten, wenn es um eine Knorpelregeneration geht. Eine davon ist die Transplantation von Knorpel: „Um eine Knorpeltransplantation durchzuführen, werden körpereigene Knorpelzellen im Labor vermehrt und anschließend dem Knie wieder zugeführt. Eine Transplantation eignet sich am ehesten bei jüngeren Patientinnen und Patienten, die einen umschriebenen Knorpelschaden haben. Um körpereigenen Knorpel zu generieren, werden aus einem unbelasteten Bereich des Knies in einer Operation Knorpelzylinder ausgestanzt, um diese dann zum Beispiel mit körpereigenem Blut anzureichern. Sie werden dann in einem Labor auf unterschiedlichen Trägermaterialien – der Matrix – zu einem großen Knorpeltransplantat oder in Form von kleinsten Kügelchen herangezüchtet, was ungefähr drei bis sieben Wochen dauert. In einem zweiten, meist offenen operativen Verfahren werden die gewonnenen Knorpelzellen der Patientin oder dem Patienten an der defekten Stelle zugeführt. Hieraus entsteht dann neuer Knorpel, der dem natürlichen sehr nahekommt“, erläutert Dr. Drews das Verfahren.

Innovatives Verfahren: die AutoCart-Methode

Menschen, bei denen aufgrund von Alter oder Defektgröße keine Knorpelzelltransplantation in Frage kommt, können alternativ mit der AutoCart-Methode in nur einer Operation mit körpereigenem Gewebe erfolgreich behandelt werden. „Die AutoCart-Methode beruht auf der sogenannten Knorpelchips-Technik, die vor gut vierzig Jahren entwickelt wurde und seitdem kontinuierlich verbessert und verfeinert wurde. Der abgelöste Knorpel wird hierfür in kleinste Stückchen geschnitten und mit körpereigenem Blut vermengt, mit plättchenreichem Plasma, sodass eine Art Knorpelgel entsteht. Dieses wird der Patientin bzw. dem Patienten wieder zugeführt, und es ist für dieses Prozedere auch nur eine Operation erforderlich, was insgesamt natürlich viel schonender und patientenfreundlicher ist“, verdeutlicht Dr. Drews diese moderne Transplantationsmethode.


Grundsätzlich wird eine Transplantation durch das Arzneimittelgesetz geregelt. Die Patientin bzw. der Patient darf maximal fünfzig Jahre alt sein, und der Knorpelschaden muss mindestens 2,5 cm² betragen. Nur bestimmte Knie-Areale dürfen mittels Transplantation ausgebessert werden.


„Die Ursachen für einen Knorpelabbau müssen immer mit behandelt werden. Liegen Beinfehlstellungen wie X- oder O-Beine vor, so muss dies auch korrigiert werden, um weitere Folgeschäden zu verhindern“, verdeutlicht Dr. Drews den Aufwand einer Knorpelbehandlung.

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Patella-Luxation – wenn die Kniescheibe rausspringt

Nur bei einer kleinen Bewegung kann die Kniescheibe plötzlich aus der Führungsrinne rausspringen. „Auch hier gibt es verschiedene Ursachen. Unfallbedingt passiert dies natürlich schnell, etwa bei einer falschen Drehbewegung. Oftmals liegt dem Phänomen aber eine entwicklungsbedingte Veranlagung zugrunde. Viele jüngere Menschen, vor allem Mädchen, sind in der Wachstumsphase betroffen. Wichtig für die Behandlung ist hier die richtige Diagnose“, zeigt Dr. Drews auf. Entscheidend ist es in jedem Fall, etwas zu unternehmen, da das Herausspringen der Kniescheibe permanent den Knorpel schädigt, was letztendlich zu einer Kniearthrose führen kann. „Bei manchen Patientinnen bzw. Patienten springt die Kniescheibe im Laufe der Zeit 300 bis 400-mal heraus“, so Dr. Drews, der interessanterweise auch erklärt, dass hier die Anatomie der von Hunden sehr ähnlich ist, bei denen vor allem Terrier oft an der Patella-Luxation leiden.


„Kniescheiben-Luxationen brauchen mehr Beachtung. Die richtige Diagnose ist ganz wichtig, um ungünstige Verläufe zu vermeiden, bei denen sich eine Arthrose zum Beispiel schon im jungen Alter von dreißig entwickeln kann“, mahnt Dr. Drews.


„Wenn die Führungsrinne am Oberschenkel zu flach ist, muss sich das so vorstellen, als würde man ein Ei auf einem anderen Ei balancieren wollen. Regelmäßige Schmerzen warnen davor, dass eine Instabilität der Kniescheibe vorliegen kann. Spätestens aber nach der zweiten Auskugelung der Kniescheibe sollte operiert werden. Wenn nämlich das Halteband, das in diesen Fällen instabil ist, nicht erneuert wird, dann wird es immer wieder zu Auskugelungen kommen. Das Halteband kann mit einer körpereigenen Sehne verstärkt werden. Bei einer zu flachen Gleitrinne muss diese neu geformt werden, was in einer recht aufwändigen Operation geschieht“, schildert Dr. Drews die Notwendigkeit eines operativen Eingriffs.


X- und O-Bein Fehlstellungen

Eine Beinachsenfehlstellung in Form von X- oder O-Beinen kann genetische Ursachen haben, durch einseitige Abnutzungen bedingt sein oder sie rührt von einem schlecht verheilten Bruch in der Vergangenheit. „Bei diesen Fällen lastet natürlich ein enormer Druck auf dem Knorpel, der sich dann entsprechend schneller abnutzt. Die Behandlungsmöglichkeiten hängen dann vom Status des Schadens ab. Bei fortgeschrittener Abnutzung sollte ein Knorpelaufbau und die Begradigung der Fehlstellung in jedem Fall angestrebt werden“, konstatiert Dr. Drews.


Was ist eine Pseudoarthrose?

Wenn ein Knochenbruch vorliegt, braucht das Knochengewebe, das sich dann neu bilden soll, Phosphat und Kalzium. Die Aufnahme von Kalzium wiederum wird durch Vitamin D gefördert. Wenn beide Baustoffe aber fehlen, kann eine Fraktur nicht gut verheilen. Bei einer Pseudoarthrose handelt es sich um schlecht oder nicht heilende Knochen. Statt Knochen bildet sich Bindegewebe aus. „Vor allem, wenn eine Patientin oder ein Patient aufgrund eines Sturzes etwa einen Trümmerbruch oder einen offenen Bruch erlitten hat und die Durchblutung der gebrochenen Knochenregion nicht mehr optimal ist, z. B. aufgrund von einer Diabetes-Erkrankung oder von Zigarettenkonsum, kann es zur Ausbildung einer Pseudoarthrose kommen. Auch ein Infekt mit Bakterien kann eine solche Entwicklung begünstigen. Die Regeneration des Knochens ist dann schwer beeinträchtigt“, erklärt Dr. Drews. Je nach Ursache kann ein erster konservativer Behandlungsansatz die Gabe von Vitamin D, Kalzium und Bewegung sein, um die Durchblutung anzuregen, was dafür sorgt, dass ausreichende Nährstoffe an die Bruchstelle transportiert wird.


Von einer Pseudoarthrose spricht man dann, wenn eine Knochenbruchheilung auch nach über sechs Monaten ausbleibt.


„Man kann eine beginnende Pseudoarthrose bzw. verzögerte Knochenbruchheilung auch mit einer Stoßwellentherapie behandeln, was in der Frühphase eine Alternative zu einer sofortigen Operation darstellen kann. Dies kann ambulant erfolgen“, schildert Dr. Drews. Auf die zu behandelnde Stelle wird der Fokus des Stoßwellengerätes gerichtet, und die Stoßwellen werden mit einer Frequenz von zwei bis vier Hertz in den Körper übertragen. Mit einer geringen Schmerzbelastung muss gerechnet werden, die aber vom Arzt durch Reduzierung der Energie oder durch Beendigung der Behandlung kontrolliert wird. Bis zu drei Sitzungen sind bei dieser Therapie nötig, und insgesamt werden zwischen tausend und zweitausend Stoßwellen verabreicht, um den nötigen Erfolg zu erzielen.


Bei einer Pseudoarthrose werden hochenergetische Stoßwellen eingesetzt, da größere Kräfte für eine erfolgreiche Therapie notwendig sind.


„Bei einer operativen Behandlung muss das fehlgebildete Bindegewebe entfernt werden. Der fehlende Knochen wiederum muss dann ersetzt werden, wofür meist körpereigenes Knochenmaterial z. B. aus dem Beckenknochen entnommen wird. In einigen Fällen ist zusätzlich ein Fixateur notwendig, um die Heilung zu begünstigen“, so Dr. Drews.

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Die Forschung ist auf einem guten Weg

„Wir sind auf einem guten Weg, was die Forschung betrifft. Die Therapien für die Regeneration von Knorpel sind erfolgreich, und Gelenke können heute sehr viel länger erhalten werden. Viele Verfahren aber sind teuer und werden seitens der Gesundheitspolitik nicht ausreichend vergütet. Auch sind die Verfahrensregelungen, zum Beispiel bei Transplantationen, oftmals zu streng, sodass einigen Patientinnen und Patienten hier nicht geholfen werden kann“, schließt Dr. Drews unser Gespräch.

Dr. Drews, herzlichen Dank für die interessanten Einblicke in unser Kniegelenk! Wer direkten Kontakt zu unserem Spezialisten aufnehmen möchte, kann dies über dessen Profilseite des Leading Medicine Guide tun.

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