Prof. Pascher: „Nur mit Interdisziplinarität können wir bestmögliche Therapien bieten!“

16.05.2023
Claudia Dechamps
Redakteurin

Univ.-Prof. Dr. med. Andreas Pascher ist einer der führenden Chirurgen Europas bei neuroendokrinen Tumoren – und bei seltenen Tumorerkrankungen des Magen-Darm-Traktes gilt der erfahrene Viszeralchirurg als absolute Koryphäe. 2018 wurde er für seine besonderen wissenschaftlichen Leistungen auf dem Gebiet der Darm- und Multiviszeraltransplantation mit dem Von-Langenbeck-Preis ausgezeichnet, einer der höchsten Ehrungen der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie. Am Universitätsklinikum Münster setzt er auf Interdisziplinarität und modernste onkologische Operationsverfahren. Der Leading Medicine Guide sprach mit dem außergewöhnlichen Mediziner über Visionen und den Weg, wie sich diese Ziele erreichen lassen.
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Viszeralchirurg Professor Dr. Andreas Pascher ist Spezialist für Leberchirurgie, Pankreaschirurgie, Magen-, Darm- und Speiseröhrenchirurgie sowie onkologische und robotische Chirurgie am Universitätsklinikum Münster. Dem Hochleistungsmediziner mit Herzblut und aus Überzeugung ist das interdisziplinäre Arbeiten sehr wichtig. „Nur so können wir universitäre Chirurgie mit optimaler Patientenbehandlung realisieren“, sagt der Leiter der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie am UK Münster. Die Interdisziplinarität eröffne viele Chancen. Auf der einen Seite gebe es in der Medizin eine immer tiefer gehende Spezialisierung, auf der anderen Seite müsse man über die fachlichen Grenzen hinweg sehen und arbeiten können. „Nur mit Interdisziplinarität können wir bestmögliche und umfassende Therapien bieten“, betont Prof. Pascher

Steile Hierarchien müssen sich ändern

Gerade in der viszeralen Medizin müssten Viszerale Chirurgie und Gastroenterologie zusammen gedacht werden. Im fachlichen Austausch miteinander werden dann sozusagen die Puzzleteile zusammengefügt, um einen individuellen und bestmöglichen Behandlungsplan zu entwickeln. Dabei ist dem erfahrenen Mediziner, zu dessen beruflichen Stationen die Charité, die Universitätsklink Berlins, und die Medizinische Hochschule Hannover gehören, klar, dass das interdisziplinäre Arbeiten nur in einen umfangreichen Change-Prozess eingebettet sein kann. „Im Krankenhaus, in der Medizin hat es traditionell sehr steile Hierarchien gegeben, diese Strukturen müssen sich ändern, heute arbeitet man überall in eher flachen Hierarchien zusammen. Es geht darum, die Einzelverantwortung zu stärken“, erklärt Prof. Pascher.

Teamführung steht im Vordergrund

Im Klinikalltag bedeutet es für den Spitzenmediziner, dass Teamführung im Vordergrund steht und der Gesprächsbedarf zwischen den Professionen Raum braucht. „Wir müssen mit allen Beteiligten kommunizieren, nicht nur die Mediziner der verschiedenen Fachrichtungen, sondern auch die Pflegenden, die Physiotherapeuten etc. miteinander. Es reicht nicht allein, hochanspruchsvolle chirurgische Operationen auszuführen, auch die anschließende Pflege muss den besten Standards genügen.“ Dazu müssten viele Beteiligte ihre Einstellungen verändern, ein nicht immer einfacher Prozess, der Überzeugungsarbeit erfordere. Denn wer schon lange im Betrieb arbeite, müsse vielleicht an manchen Stellen die eigene Position in Frage stellen.Pascher1.jpg

Offene Ohren im Universitätsklinikum Münster

Doch im Universitätsklinikum Münster trifft Prof. Pascher auf offene Ohren mit seinem Postulat nach Interdisziplinarität. Da spielt es sicher auch eine Rolle, dass der eigene Nachwuchs an der hauseigenen Krankenpflegeschule ausgebildet werden kann. „So können wir unsere Mitarbeitenden aufbauen und gute Teams auch dauerhaft halten“, beschreibt Prof. Pascher die auf der Hand liegenden Erfolge. Angesichts des akuten Fachkräftemangels ein nicht zu unterschätzender Baustein der Mitarbeiterstrategie. „Wir brauchen Visionen für unser Gesundheitssystem“, sagt Prof. Pascher.

Visionen für unser Gesundheitssystem

Er möchte daran mitwirken, das System zu verbessern. Um Visionen auch in den Krankenhausalltag übersetzen zu können, hat er noch zusätzlich ein MBA-Studium in Health Care Management absolviert. Mit Freude beobachtet er, dass der Ärztenachwuchs die Interdisziplinarität geradezu als eine Selbstverständlichkeit ansieht und intuitiv gut und gern im Team arbeitet. Wertschätzung, mehr Verantwortung für die Einzelnen, geringere Belastungen – das sind Stellschrauben, um dem Fachkräftemangel entgegen zu wirken.

Zum Konzept passt es, dass auf der Homepage seiner Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie am UK Münster nicht nur die Ärztinnen und Ärzte, sondern auch die Pflegeleitungen von OP-Bereich und Station aufgeführt sind. „Bei uns gilt in der Visite nicht mehr, dass der Arzt dem Pflegepersonal Anweisungen gibt, sondern gemeinsam besprechen sie das optimale Vorgehen für die Patientin oder den Patienten. Denn die Pflegenden haben ihr Fachwissen und ihren reichen Erfahrungsschatz und die Ärzte genauso. Zusammen ergibt das die bestmögliche Basis für gute Genesungschancen.“

Durchdachte Kommunikationsstrukturen

Auch im OP-Bereich sichern grundlegende Strukturen die höchstmögliche Sicherheit. Prof. Pascher erklärt das an einem einfachen Beispiel: „Wie kommunizieren unsere Teams miteinander? Bei uns gibt es die Zwei-Wege-Kommunikation. Der Chirurg sagt beispielsweise ‚ich brauche bitte das Instrument‘ und der OP-Assistent antwortet ‚ich gebe das Instrument an‘. So reduzieren wir Fehler, die aus unzureichender Kommunikation entstehen.“ Ein weiteres Beispiel, um Risiken zu minimieren, ist das umfassende Training im chirurgischen Bereich. „Wir verfügen über ein weit entwickeltes minimal-invasives und robotisches Chirurgieprogramm“, erklärt Prof. Pascher. „Obgleich der Schwerpunkt auf der minimal-invasiven und robotischen Chirurgie liegt, müssen wir trotzdem die Teams in allen drei Methoden schulen, der offenen, der minimal-invasiven und der robotischen Chirurgie.“

Nicht zuletzt stellen auch die Zertifizierungen durch die medizinischen Fachgesellschaften ein wichtiges Kontrollverfahren für die eigenen Qualitätsstandards dar. „Indem wir uns immer wieder zertifizieren lassen, stellen wir uns dem Prozess, die eigene Exzellenz zu pflegen“, beschreibt Prof. Pascher.

Viele Bausteine für das exzellente Ganze

Vizeralchirurg Prof. Pascher sieht sich dabei als Klinikleiter quasi wie einen Dirigenten oder Trainer. „Ich muss anleiten, aber genauso auch selbst mitspielen können“, erklärt er ein wenig schmunzelnd. Die guten Teams seiner Klinik erleichtern den Alltag allerdings sehr. Doch auch das entsteht nicht von allein. Prof. Pascher nennt ein Beispiel: „Heute ist die Chirurgie längst keine reine Männerdomäne mehr. Aber das erfordert Umdenken. Wesentliche Herausforderungen sind: Wie ändert sich dadurch unsere Führungskultur? Wie bringen wir die Kolleg:innen nach der Elternzeit wieder auf den aktuellen technisch-operativen Stand? Letzteres gelingt bei uns beispielsweise mit dem OP-Simulator. Und wie halten wir es mit der Arbeitszeitgestaltung, damit alle unsere Mitarbeitenden Familie und Spitzenmedizin auch verwirklichen können.“ Viele kleine Bausteine ergeben auch hier ein effizientes, gut funktionierendes Ganzes. Und immer über die Fachgrenzen hinweg, interdisziplinär, gemeinsam – und erfolgreich.

Herr Prof. Pascher, wir danken vielmals für das informative Gespräch.

Direkter Kontakt mit unserem Spezialisten kann über dessen Profilseite im Leading Medicine Guide hergestellt werden.

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