Prof. Preyer: „Kehlkopfkrebs im frühen Stadium hat gute Heilungschancen“

19.06.2022
Claudia Dechamps
Redakteurin

Eine Fachärztin für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, die sich auf die Kopf- und Halschirurgie und auf die plastische Gesichtschirurgie spezialisiert hat - das ist Prof. Dr. med. Serena Preyer. Als Chefärztin der Hals-Nasen-Ohren-Klinik der ViDia Kliniken Karlsruhe leitet sie auch das zugehörige Kopf-Hals-Tumorzentrum des Onkologischen Zentrums der ViDia Kliniken Karlsruhe und den Ohren-Schwerpunkt Karlsruhe (OS.Ka). Die an Universitätskliniken und international bekannten Häusern ausgebildete Fachärztin und Chirurgin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde pflegt in ihrer Klinik einen hohen interdisziplinären Anspruch und legt großen Wert auf fachlichen, kollegialen Austausch. Gleichzeitig beeindruckt sie jeden mit ihrer empathischen, zugewandten Art. Es ist also nicht verwunderlich, dass Patientinnen und Patienten – und gerade Eltern mit ihren Kindern – bei medizinischen Problemen im Kopf-, Hals-, und Ohrenbereich aus ganz Deutschland in die von Prof. Preyer geleitete Klinik kommen. Leading Medicine Guide sprach mit der Expertin über den Kehlkopfkrebs und seine Heilungschancen.

Preyer0.jpgLeading Medicine Guide: Frau Prof. Preyer, Sie sind Spezialistin für den gesamten Bereich von Kopf und Hals. Dazu gehören Nase, Ohren, Kehlkopf – alles Gebiete mit filigranen, komplizierten Strukturen und vielfältigen Erkrankungen. Wie schaffen Sie es, da medizinisch immer auf dem aktuellen Stand zu bleiben?

Prof. Dr. med. Serena Preyer: Ja, das stimmt – die HNO ist medizinisch gesehen ein sehr umfangreiches Gebiet. Aber gerade das reizt mich. Ich bin an zwei Universitätskliniken und im Ausland ausgebildet worden. Da habe ich sehr viel gesehen an Krankheitsbildern. Und ich konnte viel lernen, was die Herangehensweisen und die Behandlungsmethoden betrifft. An einer Uniklinik gibt es eine enorme Vielfalt und ein hohes Niveau. Das ist einfach sehr schön zum Lernen und auch zum Arbeiten. Und ich lese sehr viel. Das mache ich wirklich konsequent!

Leading Medicine Guide: Von dieser „Lesewut“ profitieren Ihre Patientinnen und Patienten, aber auch das Kollegium der Klinik, die Sie seit 2008 leiten.

Prof. Dr. med. Serena Preyer: Das eigene Wissen weiterzugeben, andere daran teilhaben zu lassen – das ist eine wichtige Kultur, die ich in meiner Klinik pflege. Bei unseren regelmäßigen, klinikinternen Fortbildungen informieren wir uns gegenseitig. Wer einen Kongress besucht hat, erzählt davon. Wer an einer Fortbildung teilgenommen oder sich weitergebildet hat, teilt Wissen und neue Erfahrungen mit den anderen. Gemeinsam bewerten wir das dann und passen die Erkenntnisse auf unsere Klinik an. Dazu hat jeder Kollege, jede Kollegin noch ein Spezialgebiet, so dass wir in der Summe auf eine Menge hervorragendes und hoch aktuelles Fachwissen bauen können. Das ist mir sehr wichtig, denn ich finde es einfach auch spannend und interessant, weiterzukommen, nie stehenzubleiben.

Preyer3.jpgLeading Medicine Guide: Bei der breiten Fächerung – wo liegt Ihr persönliches Steckenpferd?

Prof. Dr. med. Serena Preyer: Mein Steckenpferd in der HNO, das ist die Onkologie. Auch hier haben wir mit den Tumorboards regelmäßige Konferenzen mit interdisziplinärem Austausch, wo jeder Patientenfall ausführlich besprochen wird. Es ist für die Patientin und den Patienten sehr gut, wenn viele Experten aus unterschiedlichen Bereichen zu dem Fall zusammenkommen und die beste Behandlungsstrategie diskutieren und festlegen. Ja, und die Otologie, also alles, was mit den Ohren zusammenhängt, das macht mir auch viel Freude.

Leading Medicine Guide: Onkologie im Halsbereich – das ist auch Kehlkopfkrebs. Was sind die Risiken, hier an einem Tumor zu erkranken? Gibt es Anzeichen für Kehlkopfkrebs und vielleicht auch Vorsorgeuntersuchungen?

Prof. Dr. med. Serena Preyer: Ein Vorsorgeprogramm gibt es leider nicht für den Kehlkopfkrebs. Wer aber raucht und Alkohol trinkt, der hat ein höheres Risiko, daran zu erkranken. Glücklicherweise merkt man die Symptome wie Heiserkeit und Schluckbeschwerden bei Veränderungen an den Stimmbändern recht früh. Und dann sollte man auch rasch einen Hals-Nasen-Ohren-Arzt hineinschauen lassen. Die Spiegelung des Halses ist eine kurze und schmerzlose Untersuchung, sie gibt Aufschluss über ein eventuelles Erkrankungsstadium. Wird der Tumor früh entdeckt, dann haben wir eine Heilungschance von 80 bis 100 Prozent. Das ist sehr erfreulich.

Preyer7.jpgMögliche Lokalisierungen von Kehlkopfkarzinomen © Henrie | AdobeStock

Leading Medicine Guide: Welche Stadien bekommen Sie in Ihrer Klinik hauptsächlich zu Gesicht?

Prof. Dr. med. Serena Preyer: Erfreulicherweise sehen wir doch viele frühe Stadien, aber wenn man es zahlenmäßig verteilen würde, dann entfiele ein Drittel auf frühe, ein Drittel auf mittlere und ein Drittel auf späte Stadien. Aber wie schon gesagt, gerade beim frühen Stadium sind die Heilungschancen gut.

Leading Medicine Guide: Können Sie uns die Behandlungsschritte oder -formen näher beschreiben?

Prof. Dr. med. Serena Preyer: Kleine weißliche Flecken werden komplett herausgeschnitten. Wir verwenden dabei den Laser und gehen endoskopisch vor. Über den Mund wird das Endoskop minimal invasiv eingeführt, es entstehen keine Schnitte und Wunden am äußeren Hals, wie das früher noch der Fall war. Für die Patienten ist das sehr viel schonender. In der Regel reicht eine Operation, eventuell muss noch einmal nachgeschnitten werden. Mit der modernen Bildgebung und unter dem Mikroskop können wir das millimetergenau festlegen. Wenn nach der Operation noch nachbehandelt werden muss, dann kommen in der Regel Bestrahlungen zur Anwendung. Chemotherapien eignen sich nicht für den Kehlkopfkrebs. Manchmal wird auch nur bestrahlt – auch damit werden gute Ergebnisse erreicht. Natürlich sind die Bestrahlungen nicht ohne Nebenwirkungen. Dann ist der Tumor zwar weg, aber der empfindliche Kehlkopf kann in Gewebe und Funktion verändert sein. Das Schlucken ist beispielsweise durch trockene Schleimhäute erschwert. Deshalb müssen wir bei jeder Patientin und jedem Patienten genau überlegen, welche Behandlung am sinnvollsten ist.

Leading Medicine Guide: Was gibt es an neuen Behandlungsmethoden bei Kehlkopfkrebs?

Prof. Dr. med. Serena Preyer: Da ist zum einen die Lasertherapie. Wir operieren heute fast ausschließlich mit dem Laser. Die Laserchirurgie ist in Deutschland gut etabliert. In dem Zusammenhang muss man doch einmal erwähnen, dass hier der Wissenstransfer nicht von den USA zu uns, sondern umgekehrt, von Deutschland aus in die USA gegangen ist. Zum zweiten sind die Immuntherapeutika dabei, sich in der Behandlung von Kopf-Hals-Tumoren durchzusetzen. Etwa 80 Prozent der Kehlkopftumore sind Plattenepithelkarzinome. Diese Tumorart im Kopf-Halsbereich spricht unter bestimmten Voraussetzungen sehr gut auf Immuntherapeutika an. Das dritte ist die Intensitätsmodulierte Bestrahlung. Diese hat sich sehr bewährt, weil sie weniger Nebenwirkungen hat. Bei dieser Art der Bestrahlung wird das Strahlenbündel immer nur kurz auf ein Feld gelenkt und dann wieder verändert. Der Tumor wird so von verschiedenen Seiten angegangen und die darüber liegende Haut zum Beispiel sehr gut geschont.

Leading Medicine Guide: Leider gibt es ja auch die fortgeschrittenen Stadien. Wie gehen Sie da vor?

Prof. Dr. med. Serena Preyer: Dann kann es sein, dass wir den Kehlkopf komplett entfernen müssen. Die Halsatmung und das Schlucken bleiben davon unberührt, die Stimme muss dann über ein Sprechventil rekonstruiert werden. Patienten tun gut daran, sich im Erkrankungsfall an ein zertifiziertes Tumorzentrum zu wenden. Mit dem hier gesammelten Expertenwissen ist das immer eine gute Anlaufstelle. Tumorzentren bieten auch eine gute, meist lebenslange Nachsorge und kümmern sich mit erfahrenen Expertenteams nach den manchmal sehr anstrengenden Behandlungen darum, dass die Patientinnen und Patienten wieder in ein normales Leben zurück finden. Hier im süddeutschen Raum arbeiten wir darüber hinaus z. B. gut mit dem Parksanatorium Aulendorf zusammen, einer Fachklinik für Onkologische Rehabilitation, die gerade auf Karzinomerkrankungen im Kopf-Halsbereich spezialisiert ist.

prof_Preyer_foto.jpgLeading Medicine Guide: Mit Ihrer Klinik beteiligen Sie sich auch immer wieder an Studien. Was läuft gerade aktuell?

Prof. Dr. med. Serena Preyer: Wie eigentlich alle Tumorzentren sind wir immer wieder an Studien beteiligt. Zurzeit ist ein großes Thema die Virusassoziation von Kopf-Hals-Tumoren mit Papillomviren. Die Humanen Papillomviren oder HPV, wie sie genannt werden, können Entzündungen und Hautveränderungen hervorrufen. Sie dringen in die Haut oder Schleimhaut ein und vermehren sich in den Zellen. Inzwischen kennen wir zweihundert verschiedene HPV-Typen. Manche Virustypen provozieren nur harmlose Warzen und heilen von allein wieder ab. Andere führen zu dem bekannten Gebärmutterhalskrebs oder aber – und das beobachten wir inzwischen häufiger – zu Krebserkrankungen im Mund-Rachenbereich, hier besonders zu Mandelkrebs. Aus Studien wissen wir bereits, dass etwa die Hälfte der Tumore des Mundrachens auf eine Infektion mit Papillomviren zurückgeht. Kehlkopfkrebs oder Krebs der Mundhöhle entstehen deutlich seltener durch HP-Viren. Auffallend ist beim Mandelkrebs, dass nicht mehr das Rauchen und der Alkohol der Risikofaktor für den Tumor ist, sondern die Infektion mit HPV. Es gibt also die Vermutung, dass die Papillomviren häufiger werden und deshalb beteiligen wir uns an verschiedenen Studien zu diesem Thema.

Frau Prof. Preyer, wir danken recht herzlich für das informative Gespräch und den interessanten Einblick in Ihr Fachgebiet. Direkten Kontakt mir unserer Spezialistin kann über ihre Profilseite des Leading Medicine Guide aufgenommen werden.

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