Multidisziplinäre Herangehensweise: Effektive Therapie des Kolorektalen Karzinoms - Experteninterview mit Prof. Grünberger

20.12.2023

Primarius Prof. Dr. med. Thomas Grünberger gilt als herausragende Persönlichkeit im Bereich der Leber- und Gallenwegschirurgie sowie der Pankreas- und Darmkrebschirurgie in Wien. Seine umfassende Expertise und sein Engagement haben ihn zu einem führenden Facharzt auf seinem Gebiet gemacht, und seine Arbeit trägt maßgeblich zur Weiterentwicklung der gastroenterologischen Chirurgie bei. Prof. Dr. Grünberger leitet die modern ausgestattete Privatordination Grünberger in Wien. Seine Schwerpunkte umfassen die Behandlung von Lebererkrankungen, Gallenwegserkrankungen, Pankreastumoren sowie Darm- und Leberkrebs.

Mit einem beeindruckenden medizinischen Hintergrund und einer langjährigen Erfahrung hat er sich einen Ruf als Experte für komplexe chirurgische Eingriffe erworben. Als Spezialist für Leber- und Gallenwegschirurgie hat Prof. Dr. Grünberger zahlreiche innovative Verfahren entwickelt, um Patienten mit Leber- und Gallenwegserkrankungen optimal zu behandeln. Seine Fortschritte in der minimal-invasiven Chirurgie haben dazu beigetragen, die Genesungsdauer zu verkürzen und die postoperative Lebensqualität der Patienten zu verbessern. In der Pankreaschirurgie liegt sein Fokus auf präzisen diagnostischen Verfahren und modernen chirurgischen Techniken zur Behandlung von Pankreastumoren.

Sein ganzheitlicher Ansatz berücksichtigt sowohl die Wirksamkeit der Intervention als auch die Lebensqualität der Patienten nach dem Eingriff. Sein multidisziplinärer Ansatz integriert neueste Entwicklungen in der Onkologie und Chirurgie, um maßgeschneiderte Therapiepläne für jeden Patienten zu erstellen. Die kontinuierliche Forschung von Prof. Grünberger auf dem Gebiet der Hepatologie und Gastrointestinalchirurgie spiegelt sich nicht nur in seiner klinischen Arbeit, sondern auch in zahlreichen wissenschaftlichen Veröffentlichungen wider. Sein Engagement für die Ausbildung junger Ärzte und Chirurgen trägt dazu bei, sein umfangreiches Wissen und seine Erfahrung an die nächste Generation weiterzugeben.

Insgesamt ist Primarius Prof. Dr. med. Thomas Grünberger eine Schlüsselfigur im Gesundheitswesen von Wien, dessen Hingabe und Fachkenntnisse einen bedeutenden Beitrag zur fortschreitenden medizinischen Versorgung auf dem Gebiet der Hepatologie, Leber- und Gallenwegschirurgie, Pankreaschirurgie sowie der Behandlung von Darmkrebs leisten. Im Besonderen stellt die Diagnose eines metastasierten kolorektalen Karzinoms eine Herausforderung dar. Dieser fortgeschrittene Krebs, der sich über die ursprüngliche Stelle im Darm hinaus ausgebreitet hat, erfordert eine umfassende und individuelle Herangehensweise in der medizinischen Betreuung. Aus diesem Grund nutzte die Redaktion des Leading Medicine Guide die Gelegenheit, um mit Prof. Dr. Grünberger über diese Besonderheit zu sprechen.

Thomas Grünberger

Ein metastasiertes kolorektales Karzinom bezieht sich auf eine fortgeschrittene Form von Darmkrebs, bei der sich Krebszellen von der ursprünglichen Stelle im Darm lösen und in andere Teile des Körpers ausbreiten. Metastasen sind Tochtergeschwülste, die sich in entfernten Organen oder Geweben bilden und die Folge der fortgeschrittenen Krebserkrankung sind. Das kolorektale Karzinom beginnt typischerweise als gutartiges Wachstum, bekannt als Polyp, im Dickdarm oder Mastdarm (der letzte Anteil des Dickdarms unmittelbar vor dem Anus, auch Rektum genannt). Über die Zeit kann sich dieser Polyp in einen bösartigen Tumor entwickeln. Wenn Krebszellen aus diesem Tumor in die Blutbahn oder das Lymphsystem gelangen, können sie in andere Organe oder Gewebe transportiert werden und dort Metastasen bilden. Die Ausbreitung von Metastasen kann verschiedene Organe betreffen, wobei Leber und Lunge häufige Ziele sind. 

Ein kolorektales Karzinom, allgemein als Darmkrebs bekannt, zeigt sich durch vielfältige Symptome, die von Person zu Person variieren können. 

Zunächst kommt es bei den Symptomen darauf an, wo der Tumor sitzt. Sitzt der Tumor am Anfang des Dickdarms, kommt es meist durch ständiges Bluten des Tumors zu einer Blutarmut. Dies führt zu Symptomen wie Müdigkeit, Schwächegefühl, Kurzatmigkeit und Schwindel. Im frühen Stadium von Krebs im Mastdarm ähneln die Symptome denen des Dickdarmkrebses. Typischerweise treten veränderte Stuhlgewohnheiten auf, mit abwechselndem Durchfall und Verstopfung, zum Teil schmerzhafte Stuhlgänge oder das Gefühl einer unvollständigen Entleerung des Darms. Bei fortgeschrittenem Mastdarmkrebs können Blutungen aus dem Rektum, Schmerzen im Analbereich, Gewichtsverlust und ein Darmverschluss auftreten. Die Dauer, bis diese Symptome bemerkt werden, ist individuell und abhängig von Faktoren wie der Art des Tumors, seiner Lage und seiner Wachstumsrate. Wenn alle regelmäßig zur Vorsorge, zur Darmspiegelung, gehen würden, dann könnte man Darmkrebs eigentlich zum Großteil ausrotten. Ab dem 50. Lebensjahr sollte man das erste Mal zur Vorsorge gehen und dann im 5-jährigen Rhythmus, da Darmkrebszellen nicht so schnell wachsen bzw. es dauert, bis ein Polyp entsteht. Wenn aber Darmkrebs zu spät erkannt wird, was aufgrund der später auftretenden Symptome des aggressiveren rechtsseitigen Tumors, leider öfter passiert, streut der Krebs schnell in andere Organe wie in die Leber, die Lunge, oder es entwickeln sich Ablagerungen am Bauchfell, genannt Peritonealkarzinose“, erklärt Prof. Dr. Grünberger deutlich.

In der Behandlung des metastasierten kolorektalen Karzinoms haben sich in den letzten Jahren bedeutende Fortschritte ergeben, insbesondere durch die Einführung neuer Therapieansätze und Medikamentenkombinationen. 

Wenn Darmkrebs metastasiert, breitet sich der Krebs über den Darm hinaus auf andere Organe oder Gewebe im Körper aus. Typischerweise sind bei Darmkrebs Metastasen in der Leber und den Lungen zu finden. Metastasierter Darmkrebs kann zu weiteren Komplikationen führen und die Behandlungsmöglichkeiten beeinträchtigen. Die Prognose verschlechtert sich in der Regel mit der Ausbreitung des Krebses auf andere Organe. „Die Entwicklung von Metastasen ist abhängig von der Aggressivität des Krebses, der auf der rechten Seite aufgrund molekularer Unterschiede zumeist aggressiver ist als auf der linken Seite. Früher haben wir 80% der Patienten mit Metastasen operiert, die sich nach der Entfernung des Dickdarmkrebses im sogenannten Follow-up gebildet haben. Heute ist es in 80% der Patienten genau umgekehrt, wir behandeln Patienten, die gleichzeitig mit Dickdarmkrebs und Metastasen diagnostiziert werden“, stellt Prof. Dr. Grünberger fest.

Die Operation ist die primäre Behandlungsmethode für Darmkrebs, insbesondere in den frühen Stadien der Erkrankung. Sie ermöglicht die vollständige Entfernung des Tumors und der umliegenden Lymphknoten, um das Fortschreiten des Krebses zu stoppen. „Wenn operiert werden kann, ist das für den Patienten eine positive Nachricht. Es kann aber nicht immer operiert werden, speziell wenn der Tumor zu fortgeschritten ist oder sich bereits im Körper ausgebreitet hat. Eine Operation ist nur sinnvoll, wenn der Tumor und seine Metastasen zur Gänze reseziert werden kann; das OP-Risiko sollte dabei im interdisziplinären Setting evaluiert werden. Es hat sich aber in den letzten Jahren unheimlich viel getan in der Entwicklung neuer Therapien, z.B. in der Chemo- und Antikörpertherapie. Ca. 5% der Patienten haben eine Mikrosatelliteninstabilität, für die spezielle Immuntherapie entwickelt wurde, die in einem hohen Prozentsatz zur vollkommenen Tumorzerstörung führen kann“, erklärt Prof. Dr. Grünberger ermutigend.


Patienten mit Mikrosatelliteninstabilität (MSI) haben genetische Veränderungen, die dazu führen, dass diese wiederholten Sequenzen in ihrem Erbgut nicht stabil bleiben. Dies kann zu einer erhöhten Anfälligkeit für bestimmte Krebsarten führen, insbesondere für Darmkrebs, und kann auch auf eine familiäre Veranlagung für Krebserkrankungen hindeuten. Das Vorhandensein von MSI kann auch bei der Auswahl von Behandlungen eine Rolle spielen, da bestimmte Therapien spezifisch für Tumoren mit dieser Instabilität entwickelt wurden.


Es gibt keine signifikante Zunahme von Darmkrebspatienten.
Die Ursachen sind aber klar.

In Österreich erkranken relativ konstant ca. 5000 Menschen pro Jahr an Darmkrebs, in Deutschland sind es ca. 60.000, aufgrund der höheren Bevölkerungszahl. In Afrika zum Beispiel, wo viele Menschen unterernährt sind, gibt es eigentlich keinen Darmkrebs. Es ist eine Zivilisationserkrankung – so gab es früher in Asien auch nur selten Fälle von Darmkrebs. Jetzt, wo Fastfoodketten mit viel Fleisch Einzug gehalten haben, geht auch dort die Fallzahl nach oben. Fischesser sind deutlich weniger betroffen von Darmkrebs. Auch körperlich Aktive sind weniger betroffen, Fettleibigkeit stellt einen Risikofaktor da“, macht Prof. Dr. Grünberger deutlich.

Durch die Analyse genetischer und molekularer Merkmale des Tumors können Ärzte ein besseres Verständnis für die spezifischen Eigenschaften des Krebses eines jeden Patienten gewinnen. „Es ist grundsätzlich so, dass Darmkrebs erblich sein kann, daher sollte bei positiver Familienanamnese eine Dickdarmspiegelung bereits vor dem 50sten Lebensjahr durchgeführt werden!“, appelliert Primarius Grünberger. Die ganzheitliche Behandlung von Patienten mit metastasiertem kolorektalen Karzinom erfordert einen multidisziplinären Ansatz, bei dem verschiedene medizinische Fachrichtungen zusammenarbeiten. Eine optimale Koordination zwischen diesen Fachrichtungen ist entscheidend für die bestmögliche Versorgung der Patienten. 

Zusätzlich hat man herausgefunden, dass der Tumor unter einer Langzeit-Therapie oft völlig verschwindet. Das lässt sich dann durch die `watch and wait´ Methode gut kontrollieren, um festzustellen, ob sich wieder ein Tumor bildet, was bei ca. einem Viertel der Patienten der Fall ist“, erklärt Prof. Dr. Grünberger speziell zum Rektumtumor. „Was den Krankenhausaufenthalt betrifft, kommt es darauf an, ob es ein lokalisierter oder metastasierter Tumor ist. Ist er lokalisiert, und der Patient erhält eine Vorbestrahlung, variiert das zwischen der Kurzzeit- und Langzeitbestrahlung, die ambulant je Bestrahlung nur zwei Minuten dauert. Ist eine Chemotherapie geplant, kann dies stationär mit vier Tagen Aufenthalt erfolgen, oder auch ambulant oder sogar Zuhause im Fall von Tabletteneinnahme. Ist eine Operation geplant, muss man mit einem Krankenhausaufenthalt von ca. einer Woche rechnen, wobei die minimal-invasive Robotertechnik die Aufenthaltsdauer für Patienten um zwei Tage verkürzt hat. Hier dauert die Operation insgesamt zwar etwas länger, dafür ist der Eingriff aber für den Patienten viel schonender“, so Prof. Dr. Grünberger und ergänzt: „Die Patienten mit minimal-invasiver Operation sind weniger beeinträchtigt, und am Ende drückt sich das sicherlich auch in einem längeren Überleben aus, was aber noch nicht ausgewertet ist. Aber es ist einfach so, dass die Immunsuppression, die Unterdrückung des Immunsystems, bei minimal-invasivem Eingriff geringer ist als bei einer offenen Operation. Auch kommt es zu geringeren Komplikationen, allein schon durch die präzise Führung der Roboterinstrumente bei der Operation. Und Komplikationen sind auch immer Mitursache für die mögliche Bildung eines Rezidivs. Beim lokalisierten Kolorektalkarzinom, abhängig davon, wie weit fortgeschritten es ist, lebt der Patient zu 90% über einen Zeitraum von fünf Jahren Rezidiv frei, was sehr gut ist. Wenn es Lymphknotenmetastasen gebildet hat, sind es 75-80%, und diese Patienten benötigen nach der Operation zusätzlich eine Chemotherapie. Beim metastasierten Kolorektalkarzinom, das vollständig entfernt werden konnte, liegt die Überlebensrate bei ca. 5 Jahren“.

Die Lebensqualität von Patienten mit metastasiertem kolorektalem Karzinom unterliegt einer Vielzahl von Einflüssen. 

Diese können während und nach der Behandlung stark variieren und sind von verschiedenen Faktoren abhängig. Zu den entscheidenden Aspekten zählt das effektive Management der Symptome, wozu die Kontrolle von Schmerzen, Prävention von Übelkeit und das Management von Müdigkeit gehören. Die psychologische Unterstützung spielt eine ebenso wichtige Rolle, da die Diagnose und Behandlung psychisch belastend sind. Ängste, Depressionen und andere emotionale Herausforderungen können auftreten und erfordern eine entsprechende Betreuung, sei es durch Gesprächstherapie oder Gruppenunterstützung. Ein weiterer bedeutender Einflussfaktor ist das Ernährungsmanagement, da Patienten mit metastasiertem kolorektalem Karzinom häufig mit Gewichtsverlust, Appetitlosigkeit oder Verdauungsproblemen konfrontiert sind. Ein maßgeschneidertes Ernährungsmanagement ist entscheidend, um die Lebensqualität zu erhalten. Ebenso spielen Bewegung und Rehabilitation eine wichtige Rolle, um die körperliche Funktion zu bewahren, Müdigkeit zu reduzieren und das allgemeine Wohlbefinden zu steigern. Soziale Unterstützung durch Familie, Freunde und Unterstützungsgruppen kann die emotionale Bewältigung verbessern. Ein starkes soziales Netzwerk und die Möglichkeit zum Austausch mit anderen Betroffenen sind von großer Bedeutung. 

Wunsch nach besseren Tumorboards.

In regelmäßigen Besprechungen, in sogenannten Tumorboards, bestehend aus Ärzten verschiedener Fachrichtungen wie Onkologen, Chirurgen, Radiologen, Pathologen und weiteren Spezialisten, werden individuelle Patientenfälle diskutiert, und gemeinsam wird ein personalisiertes Behandlungskonzept entwickelt. „Es wird sicherlich noch mehr innovative Therapeutika geben. Wichtig aber ist, dass der Patient das Recht auf eine zweite Meinung hat. Das heißt, es muss innerhalb eines gut zusammengesetzten Tumorboards die Behandlung besprochen werden können und zwar mit Kollegen, die auch bezüglich der potentiellen Behandlungsmethoden auf dem letzten Stand der Wissenschaft sind und somit entscheiden können, welche Therapieabfolge die Erfolgversprechendste ist. Jedes Jahr werden neue Therapieformen entwickelt, und das gibt große Hoffnung auf Zunahme der Heilung im metastasierten Stadium. Und dem sei noch zum Schluss zur Prophylaxe und Unterstützung der Gesundheit empfohlen: Essen Sie einmal die Woche einen Fisch, und gehen Sie einmal die Woche einen Berg hoch!“, empfiehlt Prof. Dr. Grünberger zum Abschluss unseres Gesprächs.

Sehr geehrter Herr Professor Dr. Grünberger, vielen Dank für dieses so wichtige Gespräch!

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