Experteninterview mit Dr. Zinser zu gelenkerhaltenden Hüft-Operationen

31.10.2023

Primarius a. D. (DE) Dr. med. Wolfgang Zinser ist ein angesehener Facharzt für Orthopädie und Traumatologie, der sich auf orthopädische und unfallchirurgische Fragestellungen und Krankheitsbilder spezialisiert hat. Seine internationale Expertise erstreckt sich insbesondere auf die Gelenkerhaltende Hüftchirurgie, Hüftarthroskopie inklusive Labrum- und Knorpelrekonstruktion, Korrekturen des Beckens bei Hüftdysplasie durch minimalinvasive PAO (periazetabuläre Osteotomie) sowie Korrekturosteotomien des Femurs (Oberschenkel).

Mit über 2000 Knorpelzelltransplantationsbehandlungen an Knie, Hüfte und Sprunggelenk zählt er zu den erfahrensten orthopädischen Chirurgen weltweit. In seiner modernen Praxis, der OrthoExpert Ordination, bietet Dr. Zinser eine umfassende Diagnostik und Therapie auf höchstem wissenschaftlichen Niveau gemäß aktuellen Leitlinien an. Die operativen Eingriffe führt er in der bestens ausgestatteten Privatklinik Graz Ragnitz durch, in der die Patienten eine erstklassige stationäre Betreuung genießen können. Sein vorrangiges Ziel ist es, seinen Patienten eine ganzheitliche Betreuung zu bieten, die eine schnelle Rückkehr zu ihren normalen Aktivitäten ermöglicht und ist spezialisiert darauf, Gelenke zu erhalten, wann immer es möglich ist.

Seit zwei Jahrzehnten engagiert er sich national und international als Ausbilder, Referent und Ratgeber sowohl für Patienten als auch für Kollegen im Bereich der Gelenk- und Knorpelregeneration. Dr. Zinser war von April 2007 bis Januar 2022 Chefarzt im St. Vinzenz-Hospital Dinslaken und behandelte dort jährlich etwa 1000 Patienten mit gelenkerhaltenden Operationen. Seit dem 1. Juli 2022 hat Dr. Zinser seinen beruflichen und privaten Lebensmittelpunkt in der Steiermark in Österreich und gründete ein Zentrum für Gelenkerhaltende Orthopädie. Als Präsident der Gesellschaft für Knorpelregeneration und Gelenkerhalt (QKG) ermöglicht er seinen Patienten dank seiner umfangreichen Erfahrung und Expertise in der Orthopädie und Sportmedizin die bestmögliche Behandlung.

Dr. Zinser verfügt über einen persönlichen sportlichen Hintergrund als ehemaliger Leichtathletik-Nationalkaderathlet im Dreisprung, wodurch er ein besonderes Verständnis für die Bedürfnisse und Probleme verletzter Sportler hat. Neben seinen operativen Spezialgebieten bietet er eine breite Palette moderner konservativer Therapien an, darunter Hyaluronsäure Injektionen, PRP-Injektionen (Platelet Rich Plasma) und knorpelschützende Physiotherapie. Die Redaktion des Leading Medicine Guide hatte die Gelegenheit mit PD Dr. Zinser über gelenkerhaltende Behandlungen der Hüfte zu sprechen, um die einzelnen Optionen herauszuarbeiten.

Primarius a. D. (DE) Dr. med. Wolfgang Zinser

Die Bedeutung der gelenkerhaltenden Behandlung der Hüfte liegt in der Möglichkeit, die natürliche Gelenkfunktion zu erhalten oder wiederherzustellen, ohne das Gelenk durch eine Endoprothese (künstliches Hüftgelenk) ersetzen zu müssen. Gelenkerhaltende konservative und nicht operative Maßnahmen sind bei geeigneten Patienten von großer Bedeutung, da sie dazu beitragen können, Schmerzen und Bewegungseinschränkungen bei Patienten mit Hüftproblemen zu lindern. Dazu gehören konservative Therapien wie Physiotherapie, Gewichtsmanagement und medikamentöse das Gelenkmilieu modulierende Therapien und Schmerztherapie. Diese Ansätze zielen darauf ab, die Muskulatur zu stärken, die Gelenke zu stabilisieren und Entzündungen zu reduzieren.

Wenn ein Patient an Schmerzen und Mobilitätseinschränkungen in der Hüfte leidet, ist die gezielte Physiotherapie oft eine gute Maßnahme, um das Hüftgelenk zu trainieren. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt 150 Minuten Training pro Woche. Denn sogar eine unspezifische Muskelbeanspruchung führt zu einer Ausschüttung von Stoffen, die antientzündlich wirken, gerade wenn es um Übungen zur Gelenkentlastung geht. Auch das Tragen von Orthesen trägt zu einer Entlastung bei, gerade bei Menschen mit X- oder O-Beinen“, beginnt Dr. Zinser in unserem Gespräch. Darüber hinaus spielen nicht-invasive Behandlungen wie Injektionen von Hyaluronsäure oder Plättchen Reichem Blutplasma (PRP), das aus eigenem Patientenblut gewonnen wird, eine wichtige Rolle. Das PRP hat zunehmend die wiederholten Cortison Injektionen abgelöst, da PRP ähnliche Effekte wie Cortison am Gelenk entfaltet, aber nicht die negativen Nebenwirkungen des Cortisons aufweist. Zunehmend wird eine Kombination aus Hyaluronsäure und PRP verwendet, was die Behandlungsergebnisse weiter verbessert. Diese Therapien können die Gelenkfunktion verbessern und Schmerzen vorübergehend lindern. Derartige Therapien sind besonders in Anfangsstadien von Gelenkverschleiß, Arthrose oder anderen degenerativen Gelenkerkrankungen von großer Bedeutung.

Auch Nahrungsergänzungsmittel, und sogenannte `slow acting drugs for osteoarthritis´ (SYSADOAs), mit Vitamin D, Chondroitin, Glucosamin und Antioxidantien unterstützen den Knorpel-Knochenstoffwechsel und können helfen, das Gelenkmilieu zu verbessern. Hier empfehle ich unter anderem häufig Kombi-Präparate, etwa der Marke Orthomol, die eine breite Palette von Nahrungsergänzungsmitteln und Vitaminpräparaten herstellt und vertreibt. Diese Produkte sind darauf ausgerichtet, zusätzliche Vitamine, Mineralstoffe und andere Nährstoffe in die Ernährung von Menschen zu integrieren, um eventuelle Mängel auszugleichen oder spezifische Gesundheitsziele zu unterstützen. Außerdem spielen bestimmte Aminosäuren und Proteine eine wichtige Rolle. Die Produkte auf dem Markt sind in verschiedenen Varianten und Zusammensetzungen erhältlich, darunter Multivitaminpräparate, Proteinpräparate, Präparate zur Stärkung des Immunsystems, Nahrungsergänzungsmittel für Sportler und andere spezielle Formulierungen“, empfiehlt Dr. Zinser.

Sehr effektiv ist die Behandlung mittels Injektion mit Plättchen reichem Plasma, PRP (englisch: Platelet-Rich Plasma). Hierzu wird dem Patienten Blut entnommen, um danach durch Zentrifugation aus dem Blut das Plasma und konzentrierte Blutplättchen zu gewinnen, die eine entzündungshemmende und heilende Wirkung haben. Diese werden zum Beispiel an Gelenken mit spezieller Hyaluronsäure kombiniert und dem Patienten wieder injiziert. Auch die Stammzellentherapie ist eine Option, auch wenn diese in derzeitigen Studien noch nicht die beste Wirksamkeit und Überlegenheit zu PRP zeigt. Hier werden aus menschlichem Fettgewebe Vorläuferstammzellen extrahiert und aufbereitet, die dann in das Gelenk gespritzt werden. Klinische Erfahrungen zeigen, dass diese Therapie in Kombination mit einer arthroskopischen Gelenkspülung und `Gelenksäuberung´ bessere Wirksamkeit aufweist“, führt Dr. Zinser an.

Insgesamt ist die gelenkerhaltende konservative Behandlung der Hüfte ein ganzheitlicher Ansatz, der darauf abzielt, die Mobilität und Lebensqualität der Patienten zu erhalten und Schmerzen zu minimieren, ohne invasive Eingriffe zu erfordern. Die Auswahl der geeigneten Maßnahmen erfolgt in enger Absprache zwischen Patienten und Orthopäde, um die individuellen Bedürfnisse und Ziele zu berücksichtigen.

Die Hüftarthroskopie spielt eine entscheidende Rolle bei der Erhaltung der Hüftgelenke, insbesondere für Patienten mit bestimmten Hüfterkrankungen. Dieses minimal-invasive Verfahren ermöglicht es Orthopädischen Chirurgen, die diese schwierige Operationstechnik beherrschen, das Hüftgelenk durch winzige Schnitte zu untersuchen, diagnostizieren und behandeln.

Die therapeutische Hüftarthroskopie kommt zum Einsatz, wenn bei der klinischen Untersuchung und durch sorgfältige Analyse der erforderlichen Röntgen- und MRT-Spezialaufnahmen Schmerzursachen gefunden werden, die durch die Hüftarthroskopie gut therapiert werden können. Sie ist besonders nützlich bei der Therapie von Schäden am Labrum (Gelenklippe) oder am Gelenkknorpel und vor allem beim sogenannten Hüftimpingement. Orthopäden können während des Eingriffs Hüftdeformitäten, die zu einem frühzeitigen Verschleiß führen, korrigieren, beschädigtes Gewebe reparieren oder entfernen, Entzündungen lindern und damit nachhaltig eine verbesserte Gelenkfunktion ermöglichen. Per Hüftarthroskopie können heute sehr erfolgreich verschiedene Hüftgelenkserkrankungen minimalinvasiv behandelt werden, die noch vor wenigen Jahren durch große offene Schnitte operiert wurden. Vor allem Formstörungen und Veränderungen der Hüfte, die unbehandelt zu einer vorzeitigen Arthrose (Gelenkverschleiß) führen können, müssen rechtzeitig erkannt und operativ behandelt werden, damit das eigene Gelenk langfristig belastbar erhalten werden kann. Dies ist besonders wichtig für jüngere Patienten, die noch viele Jahre mit ihrem Hüftgelenk leben müssen.


Eine Hüftarthroskopie ist ein minimalinvasiver chirurgischer Eingriff, bei dem ein Arthroskop (eine Art dünnes, starres Röhreninstrument mit einer Kamera und Beleuchtung) in das Hüftgelenk eingeführt wird, um eine genaue Inspektion und gegebenenfalls Reparatur oder Behandlung mit speziellen weiteren Instrumenten durchzuführen.


Im Vergleich zu traditionellen offenen Hüftoperationen ist die Erholungszeit nach einer Hüftarthroskopie in der Regel viel kürzer. Patienten können schneller wieder mobil sein und ihre normalen Aktivitäten aufnehmen. „Die Hüftarthroskopie ist oft die bevorzugte Option für jüngere Patienten, die an Hüfterkrankungen wie Labrumschäden, Femoroazetabulärem Impingement (FAI) oder Synovitis leiden. Auch Athleten mit Hüftverletzungen oder Problemen profitieren nachweislich anhaltend von der Hüftarthroskopie, da sie die Gelenkfunktion wiederherstellen und die sportliche Leistungsfähigkeit erhalten kann. Vor allem Sportler aus dem Bereich Fußball, Eishockey oder Kampfsport sind häufiger betroffen und sollten frühzeitig behandelt werden“, so Dr. Zinser. Je früher Hüftprobleme diagnostiziert werden, desto besser sind die Erfolgsaussichten der Hüftarthroskopie. Sie kann helfen, den Gelenkverschleiß zu vermeiden oder zu verlangsamen und das Fortschreiten der Erkrankung zu verhindern.

Die periazetabuläre Beckenosteotomie (PAO) ist ein chirurgisches Verfahren, das in der orthopädischen Chirurgie zur Erhaltung des Hüftgelenks bei Hüftdysplasie angewendet wird.

Diese Operation ist besonders wichtig und notwendig, wenn der Patient an einer Hüftdysplasie leidet, einer Fehlbildung des Hüftgelenks, bei der die Hüftpfanne den Hüftkopf nicht ausreichend überdacht. Dies führt zu einer ungleichmäßigen übermäßigen Belastung des Gelenks und zu vorzeitigem Gelenkverschleiß. Früher kam die Fehlbildung des Hüftgelenks häufiger vor. Durch die Anwendung der durch Prof. Reinhard Graf (Österreich) entwickelten Früherkennung im Säuglingsalter per Säuglingssonographie und entsprechende Therapie z.B. Spreizhosen, hat sich die Häufigkeit in vielen europäischen Ländern auf ca. 1/5 reduziert. Nachteilig ist heute aber, dass dadurch viele Mediziner verlernt haben, eine Dysplasie zu erkennen und zu behandeln“, schildert Dr. Zinser.

Die Funktionsweise der PAO beinhaltet mehrere Schritte. Zunächst erfolgen der Zugang und die Vorbereitung des Patienten unter Vollnarkose. Der Chirurg macht einen Schnitt in der Leistengegend, um das Hüftgelenk zu erreichen. Dann erfolgt die Osteotomie, wobei der Chirurg die Hüftgelenkspfanne aus dem Beckenkochen heraustrennt und neu positioniert, um die Anatomie des Hüftgelenks zu korrigieren. Dies ermöglicht eine bessere Lastenverteilung und schützt den Gelenkknorpel. Die umgestellten Knochenfragmente werden dann in der richtigen Position fixiert, mit Hilfe von Schrauben. Nach der Fixierung erfolgt der Wundverschluss. „Ich persönlich operiere nach der minimalinvasiven Methode des dänischen Chirurgen Kjeld Soballe, bei der man die Hüftpfanne nach einem ca. 8 cm großen Schnitt ohne Ablösung von Muskeln oder Sehnen schonend in die richtige Richtung dreht und verschraubt. So kommt der Patient viel schneller wieder auf die Beine und hat die gute Chance, nie eine Prothese zu benötigen. Allerdings müssen Patienten dann frühzeitig kommen. Denn wenn erst einmal der Knorpel angegriffen oder gar zerstört ist, nützt die Operation nicht so lange wie üblich!“, erklärt Dr. Zinser.

Die Knorpelregeneration im Knie-, Hüft- und Sprunggelenk umfasst verschiedene Methoden und Technologien, die darauf abzielen, geschädigten Knorpel zu reparieren und die Gelenkfunktion zu verbessern.

Wichtig zu wissen ist, dass Gelenkknorpel zu 80% aus Wasser besteht, keine Gefäße und Nerven hat, und nur über die Gelenkflüssigkeit ernährt wird. Die Knorpelzellen machen lediglich 4-8% des Knorpels aus. Ein lokalisierter begrenzter Knorpelschaden am Knie ist häufig Folge eines Unfalls oder von Fehlstellungen (z.B. X-Bein/O-Bein). Am Hüftgelenk ist ein lokalisierter Knorpelschaden häufig Folge eines Impingements. Das Impingement, auch als Femoroacetabuläres Impingement (FAI) bekannt, ist eine Erkrankung, bei der es durch Formstörungen des Hüftgelenkes zu abnormen Kontakt- oder Kollisionssituationen zwischen den Knochenstrukturen des Oberschenkelkopfes (Femur) und der Hüftpfanne (Azetabulum) kommt. Diese unnatürlichen Kollisionen können zu Schäden an den umliegenden Strukturen, einschließlich des Gelenkknorpels, führen. Das Impingement kann in verschiedenen Formen auftreten, darunter das "Cam-Impingement" und das "Pincer-Impingement". Im Falle des Cam-Impingements ist der Oberschenkelkopf nicht rund, sondern eher abgeflacht oder gar übermäßig vorgewölbt, was dazu führt, dass er unregelmäßig gegen das Hüftgelenk reibt. Dieser wiederholte Kontakt kann den Gelenkknorpel übermäßig beanspruchen und im Laufe der Zeit zu Knorpelschäden führen. Das Pincer-Impingement hingegen ist durch eine vermehrte Überbedeckung des Oberschenkelkopfes durch die Hüftpfanne oder eine übermäßige Ausprägung der Hüftpfanne (Azetabulum) gekennzeichnet, was ebenfalls dazu führen kann, dass der Gelenkknorpel am Pfannenrand abgenutzt und die Gelenklippe (Labrum) geschädigt wird“, verdeutlicht Dr. Zinser.

Knorpel lässt sich auf verschiedenen Wegen wieder aufbauen.

Bei der Matrix-assoziierten Knochenmarkstimulation (mBMS von englisch Bone-Marrow-Stimulation) wird eine Membran, z.B. aus Kollagen- oder Hyaluronsäuregeflecht mit Blut aus dem Knochenmark (das Stammzellen enthalten kann) in den defekten Bereich eingebracht. Dies fördert die Knorpelregeneration und kann bei mittelgroßen Schäden (eine Defektgröße von 1,5-3 cm2) wirksam sein. Ab einer Defektgröße von 2,5-3 cm2 gilt als internationaler Gold-Standard die matrixassoziierte autologe Knorpelzelltransplantation (mACI) als die langanhaltend erfolgversprechendste Therapie der Wahl. Dies ist ein orthopädisches Verfahren zur Behandlung von Knorpelschäden in Gelenken, insbesondere im Knie und an der Hüfte. Bei dieser Technik werden kleine gesunde Knorpelstückchen des Patienten aus einem gesunden Bereich des betroffenen Gelenks entnommen und zu einem zertifizierten Labor gesendet. Dort werden aus den Knorpelstückchen die Knorpelzellen isoliert und anschließend über einen Zeitraum von 3-6 Wochen vermehrt. Diese vermehrten Knorpelzellen werden dann in einer 2. Operation in den beschädigten Bereich des Knorpels transplantiert. Wichtig für den Patienten ist in Folge eine tägliche Bewegungstherapie mithilfe einer Motorschiene. Nur so können die Zellen dann auch druckentlastenden Knorpel bilden. Leider wird diese sehr erfolgreiche und seit 25 Jahren bewährte Methode wegen fehlgeleiteter gesundheitspolitischer Anreize viel zu selten angewandt. Wir konnten jüngst in einer großen Studie zeigen, dass bei rechtzeitiger korrekter Anwendung damit ca. 21% der Knieprothesen vermieden werden könnten“, so Dr. Zinser zu den modernen Knorpeltherapien.


Fortschritte in der regenerativen Medizin erforschen die Verwendung von Stammzellen und Wachstumsfaktoren, um die Knorpelregeneration zu fördern. Dies ist ein vielversprechendes, aber noch experimentelles Gebiet.


Die Genesung und Rehabilitation spielen eine entscheidende Rolle im Kontext des Gelenkerhalts für Hüfte und Knie. Nach einer Operation oder anderen gelenkerhaltenden Maßnahmen ist es entscheidend, die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen, und hier kommt die Rehabilitation ins Spiel.

Die Wiederherstellung der Gelenkfunktion ist ein zentrales Ziel der Rehabilitation. Dies umfasst die schrittweise Wiederherstellung des normalen Bewegungsbereichs und der Stabilität im betroffenen Gelenk. „Die Muskulatur rund um das Gelenk spielt eine entscheidende Rolle bei der Unterstützung und Entlastung des Gelenks. Deshalb sind gezielte Übungen zur Stärkung der Muskulatur von großer Bedeutung. Ich empfehle die sogenannte Assessment- und Phasenbasierte Physiotherapie. Hierbei werden in regelmäßigen Abständen bestimmte objektive Parameter erfasst, wie z.B. der Muskelumfang, die Hauttemperatur, die Gelenkschwellung, die Kraft… Wenn die Parameter dann den gewünschten Bereich erreichen, geht es dann in die nächste Belastungsphase. Da die Belastung am Anfang nach einer Knorpeltherapie zum Schutz des Knorpelregenerates eingeschränkt sein muss, nutzen wir bei manchen Übungen das sogenannte Blood Flow Restriction Training. Dabei wird der Oberschenkel abgebunden und damit der Blutfluss in den Oberschenkel während der Übung mit den sehr geringen Belastungen und Gewichten vermindert. Der Muskel reagiert durch die geringere Durchblutung allerdings mit derselben Wachstumsantwort, als ob hohe Gewichte verwendet würden. Auch die Elektro-Muskelstimulation wird für den Muskelaufbau und schnellere Rückgewinnung der Muskelfunktion eingesetzt“, klärt Dr. Zinser auf.

Der langfristige Erfolg und die Lebensqualität bei Patienten, die sich für den Gelenkerhalt an Hüfte und Knie entscheiden, sind nach aktuellem wissenschaftlichem Wissen sehr vielversprechend. Durch den Gelenkerhalt wird das Ziel verfolgt, die natürlichen Gelenke so lange wie möglich zu erhalten. Dies ist besonders bedeutsam bei jüngeren Patienten mit hohem Anspruch an Mobilität und Lebensqualität.

Obwohl Gelenkersatzoperationen bei älteren Patienten in vielen Fällen bei richtiger Indikation erfolgreich sind, sind sie doch mit gewissen Risiken und begrenzter Haltbarkeit der Implantate verbunden. Durch den möglichst langen Erhalt der Gelenke können Gelenkersatzoperationen mit deren Risiken und vor allem Wechseloperationen mit deutlich höheren Risiken vermieden bzw. deutlich hinausgeschoben werden. Dies hat einen unmittelbaren Einfluss auf die Lebensqualität einer Bevölkerung mit hoher Lebenserwartung und dem Anspruch auf Mobilität bis ins hohe Alter, da Schmerzen den Alltag und die Teilnahme an Aktivitäten erheblich beeinträchtigen können.

Eine der zentralen Komponenten des Gelenkerhalts ist die Erhaltung der Mobilität. Eine gute Mobilität ermöglicht den Menschen, ihre Unabhängigkeit und Lebensqualität zu bewahren, da sie alltägliche Aufgaben bewältigen und an Aktivitäten teilnehmen können. Darüber hinaus kann der Gelenkerhalt die Gelenkfunktion und die Aktivität verbessern. Dies kann die Fähigkeit zur Teilnahme an Sport- und Freizeitaktivitäten einschließen, was die Lebensqualität erheblich steigert. Der Kenntnisstand und die Fähigkeiten rund um den Gelenkerhalt sind noch nicht dort, wo sie sein sollten. Daher bieten wir hier in der Praxis OrthoExpert und in dem Fachverband QKG (Gesellschaft für Knorpelregeneration und Gelenkerhalt, www.qkg-ev.de), in dem ich Vorstandsvorsitzender bin, Fortbildungen und Workshops an, damit die Therapiemethoden von vielen Kollegen:innen erlernt werden können. Unsere Grundbotschaft ist: Die gelenkerhaltende Chirurgie ist wirksam. Man darf nicht vergessen, dass ein Knorpelschaden eine tickende Zeitbombe ist. Denn Knorpel tut ja wegen der fehlenden Nerven im Gewebe nicht weh. Aber häufig entsteht aus einem unbehandelten Knorpelschaden eine Arthrose, die nun einmal nicht heilbar ist. Daher ist eine Früherkennung so wichtig, denn durch eine rechtzeitige Therapie spätestens innerhalb 3 Jahre nach Entstehung des Knorpelschadens kann sie eine verfrühte Arthrose Entstehung aufhalten oder verzögern – je früher, desto besser! Die Komplikationen bei einer Knorpeltherapie sind sehr gering. Und wenn sie nicht beim ersten Mal gelingt, kann ich sie wiederholen und das Gelenk ist nach wie vor erhalten. Das gilt für das Einsetzen von künstlichen Gelenken nicht, da gibt es keinen Weg zurück! Wir versuchen daher in den verschiedenen Gremien sowohl unter Fachkollegen, als auch gesundheitspolitisch und bei Patienten den Sinn für Gelenkerhalt zu schärfen“, plädiert Dr. Zinser und beendet damit unser Gespräch.

Herr Dr. Zinser – besten Dank für diesen fokussierten Einblick in gelenkerhaltende Therapien!

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