Lebensretter im Takt: Herzschrittmacher und Defibrillatoren - Experteninterview mit Priv.-Doz. Dr. Kaya

18.03.2024

Priv.-Doz. Dr. med. Elif Kaya, Chefärztin des Departments für Rhythmologie am Clemenshospital Münster, ist eine herausragende Expertin in der Herz-Kreislauf-Medizin. Sie ist spezialisiert auf Herzschrittmacher- und Defibrillator-Therapien, bekannt als Device-Therapie, und bietet innovative Behandlungsmethoden für Patienten mit Herzrhythmusstörungen und anderen Herzkrankheiten an.

Das Clemenshospital Münster, Teil der renommierten Alexianer Misericordia GmbH, zeichnet sich durch seine exzellente medizinische Versorgung aus. Ausgestattet mit modernster Technologie in der kardiologischen Funktionsdiagnostik und hochmodernen Herzkatheter Messplätzen gewährleistet das Krankenhaus höchste Sicherheitsstandards und bietet den Patienten eine umfassende Betreuung.

Priv.-Doz. Dr. Kaya bietet innovative Lösungen wie kabellose Schrittmacher und implantierbare Defibrillatoren an. Ihre umfangreiche Erfahrung in der Implantation von internen Defibrillatoren (ICD) und subkutanen Defibrillatoren hat sie zu einer maßgeblichen Persönlichkeit bei der Gewährleistung bestmöglicher medizinischer Versorgung im Clemenshospital Münster gemacht.

Speziell zur Device-Therapie hat sich die Redaktion des Leading Medicine Guide mit Frau Priv.-Doz. Dr. Kaya unterhalten, um mehr zu dieser lebensrettenden Maßnahme zu erfahren.

Die Verwendung eines Defibrillators ist ein entscheidender Schritt in der lebensrettenden Medizin, insbesondere bei Patienten mit lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen. Der Einsatz eines Defibrillators zielt darauf ab, lebensbedrohliche Zustände wie Kammerflimmern oder ventrikuläre Tachykardie (eine gefährliche Herzrhythmusstörung, bei der die Herzkammern schneller schlagen als normalerweise) zu behandeln, die zu einem plötzlichen Herzstillstand führen können. Diese lebensrettenden Geräte geben eine Schocktherapie ab, um einen regelmäßigen Herzrhythmus wiederherzustellen. Neben externen Defibrillatoren gibt es auch implantierbare Defibrillatoren, die in den Körper implantiert werden und automatisch eingreifen können, um direkt lebensbedrohliche Arrhythmien zu behandeln, bevor es zu einem kritischen Zustand kommt. Diese implantierbaren Geräte spielen eine wesentliche Rolle bei der Prävention plötzlicher Herztodesfälle und bieten Patienten mit erhöhtem Risiko für lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen eine effektive Therapieoption.

Ein Kardioverter-Defibrillator (ICD = Implantable Cardioverter Defibrillator) ist ein implantierbares Gerät, das bei der Behandlung von Patienten mit einem Risiko für lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen eingesetzt wird. 

Dieses elektronische Gerät besteht aus zwei Komponenten: einerseits dem ICD-Aggregat, das aus der Batterie und der Elektronik besteht und der Elektrode. Das Aggregat ist meist etwa so groß wie eine Streichholzschachtel, wird unter den Brustmuskel implantiert und überwacht in Kombination mit der Elektrode kontinuierlich den Herzrhythmus. Wenn es zu gefährlichen Arrhythmien wie Kammerflimmern oder ventrikulärer Tachykardie kommt, interveniert der ICD, indem er eine Schocktherapie abgibt, um das Herz wieder in einen normalen Rhythmus zu bringen. „Implantierbare Defibrillatoren gibt es seit 1980, und die Patienten, die am meisten von einem Kardioverter-Defibrillator profitieren, sind solche, die etwa einen Herztod überlebt haben und diejenigen, die ein erhöhtes Risiko für lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen aufweisen. Die Geräte bieten eine Prävention und stellen eine lebensrettende Therapie dar, da das Gerät in der Lage ist, gefährliche Herzrhythmusstörungen zu erkennen und zu behandeln und den lebensbedrohlichen Zustand zu beenden. Menschen, die einen plötzlichen Herzstillstand überlebt haben, werden spätestens nach diesem gravierenden Einschnitt in ihrem Leben vom Kardiologen über die Therapie eines implantierbaren Defibrillators aufgeklärt. Hier gibt es auch klar formulierte Leitlinien, die darlegen, für welche Patienten sich eine solche Therapie genau eignet. Hierzu können beispielhaft strukturelle oder genetische Herzerkrankungen zählen“, erläutert Priv.-Doz. Dr. Kaya am Anfang unseres Gesprächs.


Indikationen für die Implantation eines Kardioverter-Defibrillators

  • Vorheriges Erleben von plötzlichem Herzstillstand oder gefährlichen Herzrhythmusstörungen.
  • Herzschwäche mit einer reduzierten Pumpleistung des Herzens.
  • Strukturelle Herzerkrankung oder genetische Erkrankungen, die das Risiko für den plötzlichen Herztod erhöhen.

Kardioverter-Defibrillatoren (ICDs) und herkömmliche Herzschrittmacher sind beide implantierbare Rhythmusimplantate, jedoch haben sie unterschiedliche Funktionen und Ziele.

Herzschrittmacher werden bei Patienten mit zu langsamen Herzschlägen eingesetzt, um den Herzrhythmus zu regulieren und sicherzustellen, dass das Herz in einem nicht zu langsamen Tempo schlägt. Diese Geräte werden verwendet, um Rhythmusstörungen zu behandeln, bei denen das Herz zu langsam schlägt oder Pausen im Herzrhythmus aufweist. Im Gegensatz dazu werden Kardioverter-Defibrillatoren bei Patienten eingesetzt, die ein höheres Risiko für lebensbedrohliche schnelle Herzrhythmusstörungen haben, wie Kammerflimmern oder ventrikuläre Tachykardien, die zu einem plötzlichen Herztod führen können. Der ICD überwacht ständig den Herzrhythmus und interveniert als Schock-Therapie, im Falle eines lebensbedrohlichen Arrhythmie-Ereignisses, um das Herz wieder in einen normalen Rhythmus zu bringen. Im Grunde genommen vereinen konventionelle Kardioverter-Defibrillatoren die Funktionen eines Herzschrittmachers mit der Fähigkeit, zusätzlich gefährliche Herzrhythmusstörungen zu erkennen und zu behandeln.“, schildert Priv.-Doz. Dr. Kaya.


Wie unterscheidet sich ein Defibrillator von einem Herzschrittmacher?

Ein Herzschrittmacher wird eingesetzt, wenn das Herz zu langsam schlägt. Er erkennt den zu langsamen Puls und gibt dann kleine, unmerkliche Stromimpulse ab, die jeweils die Herzmuskulatur erregen und einen Herzschlag auslösen. Ein Defibrillator hingegen therapiert auch, wenn das Herz anfängt, „chaotisch“ schnell zu schlagen. Er gibt dann eine Schocktherapie ab, die den schnellen Herzschlag auf „Reset“ setzt, damit der normale Herzschlag wieder einsetzen kann.


Die Implantation eines Kardioverter-Defibrillators (ICD) erfordert mehrere Schritte und erfolgt in der Regel unter örtlicher Betäubung. 

Es sind zunächst diverse Voruntersuchungen notwendig, um zu entscheiden, ob der Patient die Therapie mittels eines Kardioverter-Defibrillators benötigt und was für ein Defibrillator Typ sich am besten eignet. Dabei müssen viele Faktoren, u.a. die kardiale Grunderkrankung, Nebenerkrankungen sowie das Alter des Patienten berücksichtigt werden. Erst dann kann man sich auf die Wahl des geeigneten Systems konzentrieren. Hier gibt es verschiedene Typen. So wird z.B. bei dem konventionellen sog. transvenösen Einkammersystem die Elektrode über einen venösen Zugangsweg in die rechte Herzkammer (Ventrikel) implantiert. Bei Zweikammersystemen wird zusätzlich eine Stimulationselektrode im rechten Vorhof platziert. Dies ermöglicht eine präzisere Steuerung der Herzfrequenz und die Abläufe der Kontraktion der Vorhöfe in Bezug zu Herzkammern. Das Dreikammersystem erhält wiederum eine zusätzliche Stimulationselektrode im Koronarsinus. Dies ermöglicht die Synchronisation der Herzkontraktionen beider Kammern und ist ein etablierter Pfeiler in der Therapie von Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz. Neben den konventionellen, transvenösen Systemen haben sich auch ICD-Systeme mit komplett fehlender intrakardialer/-vaskulärer Lage sehr gut als effektive Therapie etabliert, so dass Sonden-assoziierte Probleme umgangen werden können. In Deutschland gibt es seit 2010 auch sogenannte subkutane Defibrillatoren, die die Besonderheit haben, dass sie komplett außerhalb des Herzens und von den Gefäßen liegen, aber dennoch eine effektive Schocktherapie abgeben können. Diese Systeme eignen sich besonders für jüngere Patienten, da diese noch lange mit dem Gerät leben sollen und das bitte ohne Komplikation. Auch eignen sich die Systeme für Patienten, die eine Chemotherapie hinter sich haben oder eine Dialyse benötigen. Diese Art von Systemen hat allerdings einen Nachteil – sie kann nicht zusätzlich stimulieren. Schlussendlich muss auch der Beruf des Patienten berücksichtigt werden. So können zum Beispiel Personen, die beruflich am Straßenverkehr Verantwortung tragen, ob Bus- oder LKW-Fahrer, Pilot oder Lokführer oder Personen, die beruflich starken Magnetfeldern ausgesetzt sind, ihre berufliche Tätigkeit nicht mehr verrichten“, erklärt Priv.-Doz. Dr. Kaya.

Die Implantation erfolgt üblicherweise unter örtlicher Betäubung. In gewünschten Fällen kann auch eine leichte Sedierung verabreicht werden. Die Sonde wird über eine Vene in der Nähe des Schlüsselbeins eingeführt. Das Aggregat wird dann meist unter dem Brustmuskel implantiert. Die genaue Anzahl und die Platzierung der einzelnen Sonden hängt von der Art des ICDs ab. Nach der Implantation werden Funktionstests durchgeführt, um sicherzustellen, dass der ICD ordnungsgemäß funktioniert und auf Herzrhythmusstörungen reagieren würde.

Die Operationsdauer ist abhängig von der Komplexität des Eingriffs und den individuellen Umständen des Patienten. Nach der Implantation bleibt der Patient für eine kurze Überwachungszeit unter ärztlicher Beobachtung im Krankenhaus, bevor er meist nach nur einer Nacht nach Hause entlassen wird. Die 1- und 2-Kammer Implantation kann auch ambulant durchgeführt werden“, so Priv.-Doz. Dr. Kaya. 

Obwohl die Implantation eines ICDs relativ sicher ist, birgt sie wie jede Operation gewisse Risiken. Zu den möglichen Komplikationen zählen Blutungen, Infektionen, Pneumothoraces, Sondendislokationen, Myokardperforationen oder andere Komplikationen, aber sie sind in der Regel selten. „Nach der Implantation erfordert ein ICD eine regelmäßige ärztliche Nachsorge, um sicherzustellen, dass es ordnungsgemäß funktioniert und auch keine Probleme im Langzeitverlauf auftreten. Der Patient wird mit einem ICD-Ausweis ausgestattet, der nachweist, dass sie ein solches System haben und von welchem Hersteller es ist. “, erklärt Priv.-Doz. Dr. Kaya.


Telefonieren mit dem Smartphone und Musikhören stört die Funktion heutzutage eingesetzter ICD nicht. Man sollte das Telefon aber nicht direkt auf die Hautstelle halten, unter der sich der ICD befindet.


Die Lebensqualität spielt eine bedeutende Rolle bei der Entscheidung für oder gegen die Implantation eines Kardioverter-Defibrillators (ICD). 

Die Wahl, einen ICD zu erhalten, kann das Gefühl der Sicherheit und des Schutzes vor plötzlich auftretenden lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen verstärken. Dies kann zur Verbesserung der psychischen Gesundheit beitragen und den Patienten mehr Vertrauen in ihre täglichen Aktivitäten geben. Jedoch kann die Implantation eines ICDs auch negative Auswirkungen auf die Lebensqualität haben. Einige Patienten können sich durch das Wissen, ein solches Gerät implantiert zu haben, in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt oder beeinträchtigt fühlen. 

Das Bewusstsein, ein medizinisches Gerät im Körper zu tragen, kann Ängste oder Sorgen hervorrufen und psychologische Belastungen verursachen. Es ist wichtig, dass Patienten und ihre Ärzte diese Aspekte sorgfältig abwägen, um die bestmögliche Entscheidung für die individuelle Situation zu treffen. Die meisten Menschen bevorzugen die Sicherheit, die ein ICD bietet, während andere die potenziellen Einschränkungen oder psychischen Belastungen berücksichtigen und alternative Behandlungsoptionen in Betracht ziehen möchten. Eine offene Kommunikation zwischen Patienten und Ärzten sowie eine eingehende Beratung über die möglichen Auswirkungen auf die Lebensqualität sind entscheidend, um die bestmögliche Entscheidung zu treffen. Einige Patienten, die einen Herztod bereits überlebt haben, haben oftmals sehr viel Angst und nehmen ein solches Implantat wie einen Schutzengel gut an. Alle 3-6 Monate wird das Gerät ausgelesen und es muss auch ggf. nachprogrammiert werden“, schildert Dr. Priv.-Doz. Kaya und erläutert noch zusätzliche Dinge zum allgemeinen Umgang mit dem neuen Alltag:

So muss der Patient z.B. vor einer anstehenden MRT-Untersuchung und z.B. bei den Sicherheitskontrollen vor einer Flugreise immer den Implantat-Ausweis vorzeigen. Patienten erhalten hierzu auch aufklärende Broschüren in denen beispielsweise auch erklärt wird, dass nach einer erfolgten Schocktherapie ggf. zunächst ein Fahrverbot gilt. Auch wie eine Schocktherapie verläuft, muss deutlich gemacht werden und wie unterschiedlich diese verlaufen kann. So geht zum Beispiel Frau Müller spazieren und könnte aufgrund einer plötzlichen Herzrhythmusstörung bewusstlos werden. Das System gibt eine Schocktherapie ab, sodass der Patient wieder zu Bewusstsein kommt – Frau Müller wird kurz irritiert sein, hat aber keine Schmerzen. Es gibt aber auch Patienten, wo noch kein Kreislaufzusammenbruch aufgrund einer Kammerrhythmusstörung vorliegt, sodass der Patient bei vollem Bewusstsein die Schocktherapie erlebt. Dies beschreiben Patienten so, als würde ein Elefant auf den Brustkorb treten. Das kann dann für den Patienten sehr traumatisierend und schmerzhaft sein und kann auch im Verlauf zu Phantomschmerzen führen. Daher ist es ganz wichtig, dass das Gerät nach ganz strengen Kriterien programmiert wird und nur dann eine Schocktherapie abgibt, wenn es erforderlich ist. Denn es gibt auch Fehlschocks, z.B. bei Geräteproblemen oder gutartigen Rhythmusstörungen. So können auch Kabel über die Jahre verschleißen, was wiederum Störsignale abgibt, die vom Gerät wie eine Rhythmusstörung wahrgenommen werden und eine Schocktherapie auslösen kann“.

Die Implantation eines Defibrillators ist ein wichtiger Schritt für Menschen mit bestimmten Herzrhythmusstörungen oder einem Risiko für plötzlichen Herztod. 

Neben den medizinischen Aspekten spielt die Rückgewinnung der Lebensqualität eine entscheidende Rolle, die ganz unterschiedlich wahrgenommen wird. Die meisten Patienten fühlen sich sicherer und haben nicht mehr so viel Angst vor dem plötzlichen Herztod, da sie einen Schutz haben und dadurch auch ruhiger schlafen können. Andere haben nach wie vor Ängste und fühlen sich eingeschränkt aufgrund eines Fremdkörpergefühls. Bei Patienten, die eine Implantation eines 3-Kammersystems hatten, kommt ein zusätzlicher großer Vorteil für den Alltag hinzu – nicht nur der Schutz vor dem plötzlichen Herztod ist gewährleistet, sondern auch eine Belastungsluftnotkann sich deutlich bessern. Menschen mit einem ICD können ganz normal leben. Es gibt keine absoluten Einschränkungen im Alltag“, sagt Priv.-Doz. Dr. Kaya zu den Empfindungen der Patienten.

Schützen Sie Ihr Herz, denn es ist der Motor Ihres Lebens! 

Indem Sie auf Ihre Gesundheit achten und bewusste Entscheidungen treffen, können Sie Ihr Herz stärken und vor Krankheiten schützen. Nehmen Sie sich Zeit für regelmäßige Bewegung, eine ausgewogene Ernährung und ausreichend Schlaf. Vermeiden Sie Rauchen und übermäßigen Alkoholkonsum. Achten Sie auf Ihr Stressmanagement, und finden Sie Wege, um Entspannung und Freude in Ihr Leben zu bringen. Indem Sie diese einfachen Schritte befolgen, investieren Sie in die langfristige Gesundheit Ihres Herzens und verbessern Ihre Lebensqualität. „Natürlich gibt es auch Faktoren, auf die wir gar keinen Einfluss haben wie bei einer genetischen Disposition oder schlicht und ergreifend beim Alter. In den letzten 10-15 Jahren ist unglaublich viel in der Entwicklung der ICDs passiert. Die Geräte sind immer kleiner geworden, und auch die schwer erkrankten Patienten können optimaler behandelt werden“, formuliert Priv.-Doz. Dr. Kaya positiv und schließt damit unser Gespräch.

Besten Dank, Priv.-Doz. Dr. Kaya, für Ihre Erläuterungen zu den lebensrettenden Maßnahmen dank eines Kardioverter-Defibrillators (ICD)!

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