Experteninterview mit Prof. Dr. med. Christian Taube zum Thema COPD

13.09.2023

Professor Dr. med. Christian Taube, Spezialist für Allergologie, Pneumologie, Lungenkrebs in der Ruhrlandklinik, Universitätsmedizin Essen, hat sich bei Asthma, Bronchitis einen herausragenden Ruf erworben sowie bei Lungenkrebs und COPD. Gerade bei seltenen Lungenerkrankungen ist die Expertise des erfahrenen Klinikdirektors gefragt. Die Ruhrlandklinik zählt als Westdeutsches Lungenzentrum zu den führenden Krankenhäusern für die operative und medikamentöse Behandlung aller Erkrankungen der Atmungsorgane. Als Teil der Universitätsmedizin Essen arbeiten die Fachmediziner der Ruhrlandklinik interdisziplinär mit vielen weiteren Spezialisten und Schwerpunktzentren des Universitätsklinikum Essen zusammen.

Die Klinik für Pneumologie bietet sämtliche Behandlungen der Lungenheilkunde auf medizinisch höchstem Niveau. Das Spektrum der Untersuchungsmöglichkeiten umfasst alle gängigen aktuellen Verfahren der Lungenheilkunde wie Lungenfunktionsmethoden, Belastungsuntersuchungen und Rechtsherzkatheter. Neben nuklearmedizinischen Verfahren kommen Ultraschall und endoskopische Eingriffe auf der Suche nach Krankheitsursachen zum Einsatz. Mit der Sektion für Interventionelle Bronchologie bietet die Klinik für Pneumologie eine der größten bronchoskopischen Abteilungen Deutschlands und ist mit modernster Technik ausgestattet.

Unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Christian Taube ist die Klinik auf Krankheitsbilder wie chronisch obstruktiven Atemwegserkrankungen, Lungenkrebs, berufsbedingten Lungenerkrankungen, Infektionskrankheiten, genetischen Erkrankungen der Lunge und des Rippenfells und auch auf seltene Lungenerkrankungen spezialisiert. Schwerpunkte bilden dabei die Behandlung von Lungenemphysem, Asthma bronchiale, pulmonale Hypertonie und Mukoviszidose und COPD. Die Redaktion des Leading Medicine Guide wollte das Thema COPD ("Chronic Obstructive Pulmonary Disease", auf Deutsch: Chronisch obstruktive Lungenerkrankung) genauer unter die Lupe nehmen und nutzte die Gelegenheit zu einem Gespräch mit Professor Dr. Christian Taube.

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COPD ist eine fortschreitende und nicht heilbare Lungenerkrankung, bei der die Atemwege chronisch entzündet und verengt sind. Die beiden Hauptformen von COPD sind chronische Bronchitis und Lungenemphysem. Leider ist COPD ist eine weit verbreitete Erkrankung. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind weltweit mehr als 200 Millionen Menschen von COPD betroffen. Die Erkrankung ist vor allem in Ländern mit hoher Tabakkonsumrate verbreitet, da Rauchen eine der Hauptursachen für COPD ist. „In Deutschland leiden ca. 8 Millionen Menschen an COPD. Meist erkranken Menschen in ihrer zweiten Lebenshälfte, sind also 40-60 Jahre alt“, stellt Professor Dr. Taube zu Beginn unseres Gesprächs fest.

Die Symptome von COPD entwickeln sich oft schleichend und können sich im Verlauf der Zeit verschlimmern. „Zu den häufigen Symptomen gehören anhaltender Husten, Auswurf, Atemnot (besonders bei körperlicher Anstrengung), Engegefühl in der Brust, wiederkehrende Atemwegsinfektionen und ein pfeifendes Geräusch beim Atmen, das als `Giemen´ bezeichnet wird. Die Symptome können die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen und in fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung zu Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit führen. Die ersten Symptome bemerkt der Betroffene zunächst nur bei erhöhter Anstrengung. Je weiter die Erkrankung fortschreitet, desto mehr sind die Symptome auch im Ruhezustand spürbar“, erklärt Lungenspezialist Prof. Dr. Taube. Es ist wichtig, dass COPD frühzeitig erkannt und behandelt wird, um das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen und Komplikationen zu vermeiden. Raucherinnen und Raucher haben definitiv ein erhöhtes Risiko, an COPD zu erkranken, aber auch Ex-Raucherinnen und -Raucher sowie Menschen, die Schadstoffen am Arbeitsplatz oder in der Umwelt ausgesetzt sind, können an der Erkrankung leiden.

Die Diagnose von COPD basiert in der Regel auf einer Kombination aus medizinischer Anamnese, klinischen Untersuchungen und Lungenfunktionstests.

Der Arzt wird zunächst eine ausführliche Krankengeschichte erheben, um Informationen über die Symptome, Risikofaktoren wie Rauchen, berufliche Expositionen und familiäre Vorgeschichte von Lungenerkrankungen zu erhalten. Darüber hinaus wird eine körperliche Untersuchung durchgeführt, bei der auf Symptome wie Atemgeräusche, Atemnot und Brustenge geachtet wird. Professor Dr. Taube gibt einen entscheidenden Hinweis zur Diagnosestellung: „Ganz wichtig und entscheidend ist die Lungenfunktionsmessung, auch als Lungenfunktionstest oder Spirometrie bezeichnet. Sie dient dazu, die Funktionsweise der Lunge zu beurteilen und liefert wichtige Informationen über die Atemkapazität, den Luftstrom und andere Parameter der Atemwege. Die Bildgebung der Lunge, aber auch der anderen Organe klärt darüber auf, ob eine COPD-Erkrankung vorliegt. Denn reine Luftnot kann zum Bespiel auch vom Herzen herrühren“.

Die Untersuchung erfolgt in der Regel im Sitzen, sodass eine aufrechte Haltung ermöglicht wird. Wichtig ist, dass der Patient während der Messung ruhig sitzt und sich nicht bewegt. Mittels eines Atemschlauchs wird die Atemluft gemessen. „Mit dieser ersten Untersuchung wird die Enge der Atemwege und die Aufnahme von Sauerstoff geprüft, sodass im Zweifelsfall der Schweregrad einer Lungenerkrankung festgestellt werden kann“, schildert Prof. Dr. Taube. Während der Messung atmet der Patient in das Gerät ein und aus. Das Gerät zeichnet die Volumina und Geschwindigkeiten der Atembewegungen auf. Es misst verschiedene Parameter wie die Vitalkapazität (maximales Ein- und Ausatmen), die Einsekundenkapazität (Luft, die in der ersten Sekunde eines kräftigen Ausatmens ausgeatmet wird), die Gesamtluftkapazität usw. Oft wird die Messung mehrmals wiederholt, um konsistente Ergebnisse zu erhalten. Die besten Ergebnisse werden dann ausgewählt und zur Analyse verwendet.


Die wichtigsten Lungenfunktionstests zur Diagnose von COPD sind die Spirometrie und die Bodyplethysmographie. Bei der Spirometrie muss der Patient tief einatmen und dann so schnell wie möglich ausatmen. Dieser Test misst die Menge an Luft, die innerhalb einer Sekunde ausgeatmet werden kann (FEV1) und die Gesamtkapazität der Lunge (FVC). Die Ergebnisse ermöglichen es, den Grad der Luftflussbehinderung und damit den Schweregrad der COPD zu bestimmen. Die Bodyplethysmographie misst das Lungenvolumen und ermöglicht eine genauere Beurteilung der Lungenfunktion. Ein Röntgenbild der Lunge kann durchgeführt werden, um andere mögliche Ursachen der Symptome auszuschließen oder Lungenveränderungen im Zusammenhang mit COPD zu identifizieren. Zusätzlich kann eine Blutgasanalyse durchgeführt werden, um den Sauerstoffgehalt und den Kohlendioxidgehalt im Blut zu messen und den Schweregrad der Atemwegsveränderungen zu bewerten. Durch die Kombination dieser diagnostischen Verfahren kann der Arzt eine genaue Diagnose stellen, den Schweregrad der Erkrankung bestimmen und eine geeignete Behandlung planen. Es ist wichtig, dass COPD frühzeitig erkannt wird, um eine Verschlimmerung der Erkrankung zu verhindern und eine angemessene Behandlung einzuleiten.


Die Behandlung von COPD zielt darauf ab, die Symptome zu lindern, das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen und die Lebensqualität der Patienten zu verbessern.

„Sofern es sich bei dem Patienten um einen Raucher handelt, ist der wichtigste Schritt bei der Behandlung von COPD die Raucherentwöhnung. Rauchen ist der häufigste Risikofaktor für die Entwicklung von COPD, und das Beenden des Rauchens kann das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen und die Symptome verbessern. Hier können verschiedene Nikotinersatzpräparate helfen. Darüber hinaus kann medikamentös behandelt werden, etwa mit Inhalationspräparaten (Bronchodilatatoren) die die Atemwege erweitern. Sie können als kurz- oder langwirksame Inhalationsspray oder als Tabletten verschrieben werden. Wichtig ist dann weiterhin die körperliche Fitness – die Leistungsfähigkeit und das Empfinden von Luftnot muss unbedingt verbessert werden. Hierbei spielt die Rehabilitation eine entscheidende Rolle. Atemtherapie und Atemgymnastik können helfen, die Atemmuskulatur zu stärken und das Atmen zu erleichtern. Bei einer schweren COPD kann darüber hinaus eine Sauerstofftherapie eingesetzt werden, um den Sauerstoffgehalt im Blut zu erhöhen und die Belastung des Herzens zu verringern. Eine pulmonale Rehabilitation ist auch eine gute Möglichkeit, die Lunge wieder fit zu machen. Sie besteht aus körperlichem Training, Ernährungsberatung und Atemtherapie. In einigen Fällen, insbesondere bei schwerer COPD, kann eine Operation wie eine Lungenvolumenreduktion oder eine Lungentransplantation erwogen werden“, so Professor Dr. Taube zu den verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten.

Die Behandlung von COPD ist in der Regel eine langfristige Angelegenheit, und das Management der Erkrankung erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Patienten und dem behandelnden Arzt. Es ist wichtig, dass Patienten die verschriebenen Medikamente regelmäßig einnehmen, gesunde Lebensgewohnheiten beibehalten und sich an einen gesunden Lebensstil halten, um die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen und das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen.


Rauchen ist tödlich!

Das Rauchen von Tabak ist mit einer Vielzahl schwerwiegender Gesundheitsrisiken verbunden. Von Herz-Kreislauf-Erkrankungen über Lungenkrebs bis hin zu Atemwegsproblemen – die Liste der potenziellen Gefahren ist lang und beunruhigend. Jede Zigarette beeinträchtigt die Lunge und das Herz-Kreislauf-System. Die Gesundheitsprobleme, die durch das Rauchen verursacht werden, können nicht nur schmerzhaft sein, sondern die Lebensqualität erheblich einschränken. Die Entscheidung, mit dem Rauchen aufzuhören, kann allerdings nicht nur das eigene Leben verbessern, sondern auch die Leben der Menschen um einen herum schützen. Passivrauchen betrifft Kinder, Familienmitglieder und Freunde, die ungewollt den schädlichen Substanzen ausgesetzt sind, die Zigaretten enthalten. Der Weg zum Nichtrauchen mag eine Herausforderung sein, aber er ist es wert. Es gibt zahlreiche Ressourcen, Unterstützungsgruppen, Medikamente und professionelle Beratung, die helfen können, diesen Weg erfolgreich zu beschreiten. Der Wille und die Entschlossenheit sind die ersten Schritte zu einem gesünderen und erfüllteren Leben.


„Patienten, die aufhören zu rauchen und sich mehr bewegen, bemerken bereits nach wenigen Woche eine deutliche Verbesserung. Die Hustensymptomatik wird besser und das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden oder an Lungenkrebs zu erkranken, sinkt“, motiviert Professor Dr. Taube.

Aktuelle Forschung und Entwicklung zur Behandlung von COPD

Es werden laufend neue Medikamente entwickelt, die spezifisch auf die Pathophysiologie der COPD abzielen. Hierzu gehören zum Beispiel Medikamente, die auf Entzündungsprozesse in den Atemwegen abzielen und das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen könnten. Es wird auch erforscht, ob Stammzelltherapien zur Regeneration und Reparatur von geschädigtem Lungengewebe bei COPD-Patienten eingesetzt werden könnten. Forscher untersuchen weiterhin die Rolle genetischer Faktoren bei der Entstehung von COPD und suchen nach gezielten Therapieansätzen, die auf spezifische genetische Merkmale abzielen könnten. „Eine genetische Ursache von COPD ist sehr selten. In diesen Fällen handelt es sich um einen sogenannten Alpha1-Antitrypsin-Mangel, der nur dann auftritt, wenn sowohl mütterlicher als auch väterlicherseits defekte Gene vorhanden sind. Es wird dann eine bestimmte Art von Protein, das als Alpha1-Antitrypsin bezeichnet wird, in unzureichender Menge oder in einer abnormalen Form hergestellt. Dieses Protein spielt aber eine wichtige Rolle im Körper, um das Gleichgewicht von Proteasen, Enzymen, die Gewebeschäden verursachen können, zu regulieren. Normalerweise schützt das Alpha1-Antitrypsin vor einer übermäßigen Aktivität von Enzymen wie Trypsin, die das Lungengewebe angreifen könnten. Bei einem Mangel an Alpha1-Antitrypsin kann das Ungleichgewicht zwischen diesen Enzymen und ihrem Regulator zu Schäden im Lungengewebe führen“, führt Prof. Dr. Taube aus.

Die Möglichkeiten der Telemedizin kommen auch bei der Behandlung von COPD immer mehr zum Einsatz. „Die Nutzung von Telemedizin und digitalen Technologien kann die Versorgung von COPD-Patienten verbessern, indem sie den Zugang zu medizinischer Betreuung und Unterstützung erleichtern. Telemedizin bietet hier eine Möglichkeit, die Behandlung und Überwachung von COPD-Patienten zu optimieren, insbesondere in Situationen, in denen persönliche Arztbesuche erschwert sein könnten, erläutert Prof. Dr. Taube. Durch Telemedizin können COPD-Patienten von zu Hause aus in regelmäßigem Kontakt mit medizinischem Fachpersonal bleiben. Dies kann über Videoanrufe, Textnachrichten oder Telefonate erfolgen. In diesen virtuellen Konsultationen können Symptome besprochen, Fragen beantwortet und Behandlungspläne angepasst werden. Dies ermöglicht eine individuellere Betreuung, da die Patienten in ihrem gewohnten Umfeld bleiben können und dennoch medizinischen Rat und Unterstützung erhalten. „Telemedizinische Geräte können verwendet werden, um wichtige Gesundheitsparameter wie Sauerstoffgehalt im Blut oder Atemfrequenz zu messen und an das medizinische Team zu übertragen. So können mögliche Verschlechterungen frühzeitig erkannt werden, bevor sie zu schwerwiegenderen Problemen führen“, ergänzt der Lungenspezialist.

Der positive Einfluss von Lebensstiländerungen wie Raucherentwöhnung, körperliche Aktivität und Ernährung.

Der wichtigste Schritt bei COPD ist die Raucherentwöhnung. Rauchen ist der Hauptauslöser für die meisten COPD-Fälle, und das Beenden des Rauchens ist entscheidend, um das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen und die Lungenfunktion zu verbessern. Auch ein regelmäßiges Training kann die körperliche Fitness verbessern, was wiederum die Atemeffizienz steigert und die Müdigkeit reduziert. Gleichzeitig trägt Bewegung dazu bei, die Muskulatur zu stärken und den allgemeinen Gesundheitszustand zu verbessern. Und eine ausgewogene Ernährung, die reich an Obst, Gemüse, Vollkornprodukten und magerem Eiweiß ist, kann das Immunsystem stärken und Entzündungen reduzieren. Dies kann dazu beitragen, dass COPD-Patienten weniger anfällig für Infektionen sind und sich besser fühlen.

Es ist wichtig, sich vor Luftverschmutzung zu schützen und Orte mit hoher Luftverschmutzung zu meiden. Luftverschmutzung kann die Symptome von COPD verschlimmern und zu Atembeschwerden führen. „Arbeitsplatzbedingte Expositionen wie Staub, Chemikalien und Dämpfe können das Risiko einer berufsbedingten COPD erhöhen. Der Arbeitsschutz und die Förderung einer sicheren Arbeitsumgebung haben sich dabei deutlich verbessert, vor allem wenn man zum Beispiel nach Nordrhein-Westfalen blickt und an den Bergbau denkt. Die Belastung durch Feinstaub hat sich dagegen leider verschlimmert. Wer zu einer Risikogruppe gehört, sollte die vielen Früherkennungsprogramme und Screenings nutzen, um COPD in einem frühen Stadium zu erkennen“, empfiehlt Prof. Dr. Taube und schließt ab mit seinem persönlichen Appell: „Ein aktives Leben ist wichtig! Für eine gute Lebensqualität!“.

Professor Dr. Taube, vielen Dank für Ihre eindringlichen Worte und den guten Einblick in die COPD-Erkrankung!

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