Präzision und Innovation: Die Zukunft der Knietotalprothese mit roboterassistierter Chirurgie - Experteninterview mit Prof. Hirschmann

06.12.2023

Prof. Dr. med. Michael Hirschmann ist ein hoch angesehener Experte auf dem Gebiet der Kniechirurgie und Knieendoprothetik mit herausragender Expertise in allen Facetten des Kniegelenks. Seine beeindruckende Karriere wurde durch zahlreiche Preise und Auszeichnungen gewürdigt, insbesondere für seine innovativen Erfolge in der Endoprothetik, wo er international für seine herausragenden Leistungen bei Wechseloperationen bekannt ist. Im Jahr 2013 wurde Prof. Dr. Hirschmann zum Leiter des Teams für Kniechirurgie und Sportorthopädie sowie zum Leitenden Arzt der Orthopädie und Traumatologie im international bekannten Kantonsspital Baselland ernannt. Diese Ernennung wurde in der Region als Rückkehr eines Kniespezialisten mit internationaler Reputation gefeiert, der seine orthopädische Weiterbildung genau an diesem Ort absolviert hatte. Während seiner Zeit am Kantonsspital Baselland trug er maßgeblich dazu bei, Basel als einen festen Standpunkt auf der Weltkarte der Orthopädie zu etablieren und erlangte ein Renommee, das weit über die Region hinausreicht.

Prof. Dr. Hirschmann setzte sich mit sportlichem Ehrgeiz für seine kontinuierliche Spezialisierung ein und sammelte internationale Erfahrungen in Fellowships unter anderem in Deutschland, Italien, Frankreich, Finnland, Großbritannien und Australien. Besonders bemerkenswert war seine Teilnahme am internationalen Austauschprogramm der "Asian Pacific Knee Arthroscopy Society" (APKASS) in Asien. Der Kniespezialist ist nicht nur für seine fachliche Exzellenz bekannt, sondern auch für seinen patientenzentrierten Ansatz. Präzision, Sorgfalt und das Streben nach optimalen Ergebnissen kennzeichnen seine chirurgische Arbeit. Seine Klinik in Baselland profitiert von seinem Engagement und seiner transparenten Kommunikation, während seine Patienten nicht nur sein medizinisches Können schätzen, sondern auch die einfühlsame Betreuung.

Prof. Dr. med. Michael Hirschmann ist zweifellos eine Schlüsselfigur auf dem Gebiet der Kniechirurgie und Knieendoprothetik, dessen Fachkenntnisse, Forschungsbeiträge und patientenzentrierter Ansatz die orthopädische Versorgung auf höchstem Niveau sicherstellen. Die Roboterassistenz im Operationssaal setzt sich immer mehr durch, und so nutzte die Redaktion des Leading Medicine Guide die Chance, um von Prof. Dr. Hirschmann mehr über die roboterassistierte Operation der Knietotalprothese zu erfahren.

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Bei dem Verfahren der roboterassistierten Operation wird hochentwickelte Robotik eingesetzt, um Präzision und Genauigkeit bei der Platzierung und Ausrichtung der Implantate zu gewährleisten. Bildgebende Verfahren wie Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) können hierbei zum Einsatz kommen, um eine detaillierte 3D-Karte des Kniegelenks zu erstellen. Diese Bilder können dann in ein computergestütztes Navigationssystem eingespeist werden, das dem Chirurgen eine präzise Vorstellung von der Anatomie des Patienten verschafft. Aber auch die bildfreie Operation ist mit dem Roboter möglich. Die roboterassistierte Knietotalprothese bietet mehrere potenzielle Vorteile. Durch die präzise Platzierung der Implantate kann zum einen die Lebensdauer einer Prothese möglicherweise verlängert werden, und zum anderen wird die Wahrscheinlichkeit von Komplikationen oder eventuellen Nachoperationen reduziert. Darüber hinaus ermöglicht die Technologie eine sehr viel individuellere Anpassung an die anatomischen Gegebenheiten jedes Patienten.

Die roboterassistierte Knietotalprothese bietet eine verbesserte Präzision bei der Platzierung und Ausrichtung der Implantate im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren. 

Ein entscheidender Vorteil liegt in der präoperativen Planung, bei der zum Beispiel mithilfe von 3D-Bildgebungstechnologien ein detaillierter Plan für die individuelle Anatomie des Patienten erstellt wird. Dieser Plan wird während des Eingriffs vom Roboter assistiert umgesetzt, um die optimale Platzierung und Ausrichtung der Prothesenkomponenten zu gewährleisten.

Der größte Vorteil der roboterassistierten Operation einer Knietotalprothese besteht darin, dass man die Prothese wirklich exakt dahin platzieren kann, wo man sie haben möchte. Wenn man das hingegen konventionell macht, bleibt immer eine gewisse Streuweite, selbst bei erfahrenen Operateuren. Zum anderen kann man auch die Bandspannung optieren – ein echtes Navigation-Plus – über das gesamte Bewegungsausmaß des Knies. Man kann alles viel personalisierter einbauen, denn jeder Mensch hat schließlich ein jeweils anderes Knie, sowohl in der Form, in der Ausdehnung und in der Bandspannung“, erklärt Prof. Dr. Hirschmann als wir mit unserem Gespräch starten und fügt als Information hinzu: „Es gibt genau drei solche Knie-Roboter (Velys) in der Schweiz, die auch allen Patienten zugänglich sind. Zukünftig könnte es nötig sein, die Verwendung eines Roboters als Zusatzleistung zu klassifizieren“. 


Die Bandspannung im Knie bezieht sich auf die strukturelle Spannung oder den Grad der strukturellen Festigkeit der Bänder um das Kniegelenk herum. Die Bänder im Knie, wie das vordere und hintere Kreuzband oder die Seitenbänder, bieten Stabilität und unterstützen die Bewegungen des Gelenks. Die Bandspannung ist entscheidend, um das Kniegelenk in seiner stabilen und funktionalen Position zu halten, ohne zu locker oder zu straff zu sein. Eine ausgewogene Bandspannung ist wichtig, um das Knie vor Verletzungen zu schützen und die normale Beweglichkeit des Gelenks zu gewährleisten.


Durch die roboterassistierte Technologie können Chirurgen kleinste Abweichungen während des Eingriffs korrigieren und eine höhere Genauigkeit bei der Positionierung der Implantate erreichen. Diese präzisen Anpassungen und die individuelle Ausrichtung tragen dazu bei, das natürliche Bewegungsmuster des Knies wiederherzustellen und die Wahrscheinlichkeit von Komplikationen zu minimieren. 

Die roboterassistierte Technologie bei der Knietotalprothese stellt einen bedeutenden Fortschritt in der orthopädischen Chirurgie dar. 

Die präzise Ausrichtung trägt nicht nur zur individuellen Anpassung bei, sondern kann auch die Belastung gleichmäßiger auf das Implantat verteilen. „Dadurch wird die Abnutzung der Prothesenkomponenten minimiert, was potenziell die Lebensdauer der Prothese verlängern kann. Die Echtzeit-Korrektur während des Eingriffs hilft, mögliche Fehler zu reduzieren und die Genauigkeit der Implantat Platzierung zu maximieren. Ein weiterer Vorteil der roboterassistierten Technologie liegt in der schnelleren Genesung des Patienten. Durch die präzise Vorgehensweise kann der Patient sich schneller erholen, was auch einen positiven Einfluss auf die langfristige Funktionalität der Prothese hat. Die Operation selbst dauert ca. eine Stunde, und schon am ersten Tag kann der Patient sein Bein voll belasten, hat aber zusätzlich Gehstöcke zur Sicherheit. Er bleibt ca. 3-5 Tage im Krankenhaus und beginnt im Anschluss seine Rehabilitation, in der damit begonnen wird, das Knie intensiver zu bewegen. Bei 85% der Patienten hält eine Prothese ca. 15-20 Jahre und müsste dann im Zweifelsfall ausgetauscht werden. Manche Patienten haben die Prothesen sogar 30 Jahre. Insgesamt ermöglicht die roboterassistierte Knietotalprothese eine hochpräzise und personalisierte Operationsmethode. Dieser Fortschritt in der orthopädischen Chirurgie trägt dazu bei, die Lebensqualität der Patienten maximal zu erhöhen und die Effektivität der gesamten Knieendoprothetik zu optimieren“, so Prof. Dr. Hirschmann.

Die individuelle Anpassung an die anatomischen Gegebenheiten des Patienten spielt bei der roboterassistierten Knietotalprothese eine entscheidende Rolle. 

Es gibt zwei verschiedene Formen der roboterassistierten Operation: die bildgestützte und die bildfreie. Bei der bildgestützten Operation wird vorher ein sogenanntes Schichtröntgen gemacht und für den Arzt bei der Operation visuell eingespielt. Dieses ermöglicht eine genaue Analyse der Anatomie des Knies, einschließlich der Knochenstruktur, Ausrichtung der Gelenkflächen und individuellen Variationen. Bei der Roboterassistenz wird dieses 3D-Modell während des Eingriffs verwendet, um die präzise Platzierung der Implantate 100%ig zu gewährleisten. Man spiegelt das Bild, das man hat, auf den Patienten und hat dann alle notwendigen Informationen. Bei der bildfreien Operation tastet man als Chirurg während des Eingriffs mit einem Pointer verschiedene Punkte ab. Daraus wird eine Punktwolke, eine dreidimensionale Darstellung von Punkten im Raum, und ein Abbild des Knies (Model) wird generiert an dem man dann operiert. Die präzise Planung und Vermessung vor dem Eingriff ermöglichen es dem Roboter, die Bewegungen des Chirurgen während der Operation zu unterstützen. Logistisch einfacher ist das bildfreie Verfahren, aber beides ist gleichermaßen etabliert und gut“, erklärt Prof. Dr. Hirschmann.

In den letzten Jahren wurden bedeutende Fortschritte in der Entwicklung der roboterassistierten Knietotalprothese erzielt. 

Zu meiner Zeit in London, 2009, habe ich meine ersten Erfahrungen mit robotergestützten Operationen am Knie gesammelt und dann selbst auch weiterentwickelt. Wir im Kantonspital Baselland sind international wissenschaftlich führend auf dem Gebiet und haben ein hochmodernes Roboter- System, das erst seit fünf Jahren auf dem Markt ist. Es ist sehr klein und handlich, was gut ist, da ja ein Operationssaal oft auch nicht so groß ist“, erläutert Prof. Dr. Hirschmann. Mit zunehmender Anwendung der roboterassistierten Knietotalprothese wurden immer mehr klinische Studien durchgeführt, um die Sicherheit, Wirksamkeit und Langzeitergebnisse dieser Technologie zu evaluieren. Die gewonnenen Erkenntnisse tragen dazu bei, das Vertrauen in diese Methode zu stärken. Hierzu ergänzt Prof. Dr. Hirschmann: „Der Roboter ist momentan nur für Erstoperationen zugelassen, das heißt, wir können damit leider keine Revisionsoperationen durchführen. Eine Ablehnung der Robotertechnik seitens der Patienten selbst können wir nicht feststellen. Die meisten sind der Technik gegenüber aufgeschlossen, und wir erklären ihnen auch die Vorteile, dass bei der Operation einfach eine bessere Resektionsebene vorhanden ist – dass die Operation nach wie vor ausschließlich vom Operateur durchgeführt wird, das ist hierbei ganz wichtig zu betonen“.

Trotz dieser Fortschritte stehen noch einige Herausforderungen bevor.

Was sich definitiv weiterentwickeln wird ist der zusätzliche Einsatz der KI (Künstliche Intelligenz), um die individuelle Bandspannung und Ausrichtung eines Patienten noch genauer zu messen. Es werden gerade sogenannte Treatment Guidance Systeme entwickelt, die vermutlich in den nächsten zehn Jahren in der Orthopädie eingesetzt werden, mit denen man dann noch präzisere Echtzeit-Informationen erhalten kann, um Behandlungen besser zu planen und zu unterstützen. Das wäre hilfreich, da wir da noch nicht die wirklich ideale Lösung haben. Es wäre auch optimal, wenn wir Patientenvergleiche anstellen und Daten miteinander auswerten könnten. Wünschenswert wäre auch die Möglichkeit der roboterassistierten Wechseloperation, gerade weil wir hier in unserer Klinik auf Wechseloperationen spezialisiert sind und Patienten operieren, die mit bereits implantierten Knieendoprothesen, die aus verschiedenen Gründen wie Lockerung, Infektionen oder Abnutzung Schmerzen haben und extra zu uns kommen. Wenn hier die Roboterassistenz eingesetzt werden könnte, dann wäre auch die Wechseloperation sehr viel genauer und für den Patienten noch schonender“, so Prof. Dr. Hirschmann, der mit diesem Wunsch unser Gespräch schließt.

Vielen Dank, sehr geehrter Herr Professor Dr. Hirschmann, für den Einblick in den so zukunftsorientierten Bereich der Orthopädie!

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