Prof. Michael Hirschmann: „Das Knie stellt selbst für erfahrene Endoprothetiker eine besondere Herausforderung dar!“

28.02.2022
Claudia Dechamps
Redakteurin

Mit vielen nationalen und internationalen Auszeichnungen wurde der Orthopäde Professor Dr. Michael Hirschmann schon für seine Forschungen und Erfolge auf dem Gebiet der Knie-Endoprothetik geehrt. Als Leiter des Teams für Kniechirurgie und Sportorthopädie und Leitender Arzt der Orthopädie und Traumatologie im Kantonsspital Baselland hat er nicht nur dafür gesorgt, dass der Standort Basel auf der Weltkarte der Orthopädie einen festen Platz hat. Als erfahrener Kniespezialist hat Prof. Hirschmann auch internationales Renommee gerade bei der Wechselprothetik erlangt. Neben Wissenschaft und Forschung ist es Prof. Hirschmann ein großes Anliegen, sein Fachwissen an junge Ärzte und medizinische Kollegen weiterzugeben.

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Leading Medicine Guide: Herr Prof. Hirschmann, in Ihrer Jugend haben Sie bis zur Bundesebene Zehnkampf betrieben. Hat diese Zeit Sie geprägt?

Prof. Dr. Michael Hirschmann: Ich denke schon. Bei dieser Art Wettkampf muss man verschiedene Disziplinen unter einen Hut bringen und man ist einfach nicht in allen Sportarten gleich gut, das geht gar nicht. Also ist man gezwungen, eine gewisse Toleranz mit sich selbst zu entwickeln. Gleichzeitig habe ich gelernt, dass ohne harte Arbeit gar nichts geht. Und ich habe gelernt, anstrengende, fordernde, mühsame Phasen durchzuhalten.

Leading Medicine Guide: Ungewöhnlich ist auch, dass Sie in Bezug auf Ihre orthopädische Fachdisziplin Kniegelenk auf der ganzen Welt Erfahrungen gesammelt haben.

Prof. Dr. Michael Hirschmann: Ja, ich habe viele Austausche gemacht, international viel gesehen und auch das hat Spuren hinterlassen. Ich finde es sehr wichtig, dass man aus dem bekannten Umfeld rauskommt, anderes kennenlernt. Die gleiche Sache wird in jedem Land unterschiedlich angepackt. Da lernt man das Prinzip, das zugrunde liegt. Ich habe auch früh mit Austausch in der Forschung angefangen. Ein Jahr habe ich in London gearbeitet, das hat meinen Horizont stark erweitert. Dort sieht man Krankheitsbilder, zu denen kommt es bei uns gar nicht mehr. Die Menschen dort müssen Monate auf einen Arzttermin beim Spezialisten warten, das ist ein ganz anderes Gesundheitssystem. Die unterschiedlichen Herangehensweisen an das gleiche Thema, das waren wichtige Erfahrungen. In anderen Ländern wurde beispielsweise die Roboterchirurgie viel früher angewendet als bei uns.

Leading Medicine Guide: Von den unzähligen Preisen und Auszeichnungen, die Sie bekommen haben, welche bedeuten Ihnen am meisten?

Prof. Dr. Michael Hirschmann: Die Auszeichnung der American Academy for Orthopaedic Surgeons (AAOS), das ist die Amerikanische Orthopädiegesellschaft – die bedeutet mir sehr viel. Denn diese Ehrung erhielt bisher kaum ein Europäer. Mein Team und ich haben den Award of Excellence für unsere wissenschaftliche Arbeit zum Thema „Diagnostik und Behandlung der schmerzhaften Knieprothese“ bekommen. Ich beschäftige mich schon lange mit der Problematik der schmerzhaften Knieprothese, wie man die Ursache besser erkennen kann und was man dann tun kann. Mir ist bei all den erhaltenen Auszeichnungen aber auch wichtig, dass das gesamte Team sichtbar ist und dass meine jungen Assistenten Erfahrungen machen und etwas beweisen können.

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Leading Medicine Guide: Gemeinsam mit PD Dr. Dr. Andrej Nowakowski leiten Sie in einer Doppelspitze die Klinik für Orthopädie und Traumatologie am Kantonsspital Baselland. Sie beide ergänzen sich hervorragend, PD Dr. Nowakowski ist Spezialist für die Hüftendoprothetik, Ihr Fachgebiet ist das Knie. PD Dr. Nowakowski forscht und arbeitet an Innovationen der Hüftimplantate – wo liegt Ihr Fokus?

Prof. Dr. Michael Hirschmann: Neben der klinischen Forschung ist es ist mir ein großes Anliegen, Wissen weiterzugeben. Ich gebe mein Wissen in der täglichen Arbeit an meine Assistenten und Studenten, auf Kongressen und Meetings an andere Kollegen weiter. Zudem habe ich eine Vielzahl von Büchern rund um die Behandlung von Knieproblemen, vor allem der Knieprothetik, geschrieben. Das dickste Buch befasst sich mit dem Thema der „schmerzhaften Knieprothese“. Zudem bin ich in vielen nationalen und internationalen Fachgesellschaften in Komitees oder im Vorstand, um aktiv das Fachgebiet weiterzuentwickeln. Kongresse sind immer schöne Gelegenheiten, Wissen auszutauschen und weiterzugeben.

Zur Lehre gehört bei uns auch die praktische Anleitung. Wir besitzen an unserer Klinik einen Arthroskopiesimulator, daran können die jungen Ärzte die Handhabung der Werkzeuge und Techniken üben. Wir versuchen, mit unserer Ausbildung sehr innovativ zu sein. So haben wir beispielsweise einen Surgical Skills und Training Lab eingerichtet, denn die jungen Ärzte müssen, bevor sie unter Aufsicht am Patienten operieren dürfen, ein Training der Techniken durchlaufen. Das ist in der Ausbildung immer schwierig zu integrieren und hier helfen die Trainings. Das ist ein Projekt, das mir sehr am Herzen liegt.

Leading Medicine Guide: Sie haben international einen ausgezeichneten Ruf in der Revisions- oder Wechselprothetik erlangt. Erklären Sie uns doch, was es damit auf sich hat.

Prof. Dr. Michael Hirschmann: Das Knie stellt selbst für erfahrene Endoprothetiker eine besondere Herausforderung dar. Die Knieprothetik ist komplex aus vielerlei Gründen. Beim Knie finden wir ein kompliziertes Zusammenspiel von Bändern, Sehnen und Muskeln. Statik und Dynamik werden durch die individuelle Anatomie, die bei jedem Menschen minimal anders ist, definiert. Die Qualität der Prothetik ist weiter optimierbar. Wir wissen, dass ungefähr zwanzig Prozent aller Patienten nach einer Knieprothese nicht zufrieden und/oder schmerzfrei sind. In einem solchen Fall braucht es einen Experten, der sich diesen Patienten mit Kompetenz und Erfahrung annimmt. Die Kunst ist es, die Ursachen der Beschwerden zu erkennen und diese dann gezielt anzugehen. Wir haben für diese Patienten ein standardisiertes Abklärungsschema und auch spezielle Behandlungen entwickelt. Dies hat sich national und international herumgesprochen und unsere Patienten kommen daher aus ganz Europa.

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Leading Medicine Guide: Das muss eine sehr schöne und zufriedenstellende Arbeit sein, oder?

Prof. Dr. Michael Hirschmann: Ja, ich habe mit meiner Arbeit wirklich ein großes Privileg. Da bin ich sehr dankbar. Es immer wieder schön, die Patienten zu erleben, ihre Freude, schmerzfrei zu sein, ihre Dankbarkeit über die neue Beweglichkeit. Das macht meinen Beruf schön, da bin ich dankbar, so einen Beruf zu haben.

Leading Medicine Guide: Lassen Sie uns noch kurz über die gelenkerhaltende Chirurgie sprechen. Was gibt es hier an neuen Methoden?

Prof. Hirschmann: Der Erhalt des Kniegelenks ist immer unser oberstes Ziel. Es gibt heute eine Vielzahl von unterschiedlichen Therapieformen, die es möglich machen, das eigene Kniegelenk möglichst lange zu erhalten. Dadurch, dass wir alle Formen der Knorpelreparatur, z. B. Knorpelzelltransplantation, Knorpel-Knochen-Transfer, des Meniskuserhalts, wie etwa Nähte des Meniskus, Meniskusersatz, und Bandrekonstruktionen, z. B. für das vordere und hintere Kreuzband, Innen- und Außenband, als auch Korrekturen der Beinachse anbieten können, ist es möglich das Knie lange zu erhalten und erst dann eine Knieprothese zu empfehlen, wenn es nötig ist.

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© artstudio_pro / Fotolia

Das klingt wirklich nach einem komplexen Arbeitsfeld, bei dem noch lange nicht das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Professor Hirschmann!

Für weitere Fragen oder einen direkten Kontakt ist Professor Hirschmann auf seiner Profilseite des Leading Medicine Guide direkt zu erreichen.

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