Lungenemphysem und COPD – wenn einem die Luft wegbleibt: Experteninterview mit Prof. Darwiche

20.10.2023

Die Ruhrlandklinik in Essen, als Teil des Westdeutschen Lungenzentrums, ist bekannt für ihre herausragende Expertise in der Behandlung von Atemwegs- und Lungenerkrankungen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der frühzeitigen Erkennung, symptomlindernden Maßnahmen und maßgeschneiderten Therapien. Professor Dr. med. Kaid Darwiche, Facharzt für Innere Medizin und Pneumologie, leitet die Sektion Interventionelle Bronchologie und pneumologische Palliativmedizin dieser Klinik und zeichnet sich durch seine außergewöhnliche Erfahrung und Fähigkeiten aus.

Die Klinik für Pneumologie unter der Leitung von Univ.-Professor Dr. Christian Taube ist auf die Behandlung verschiedenster Atemwegserkrankungen spezialisiert, darunter chronisch obstruktive Atemwegserkrankungen (COPD), Lungenkrebs, berufsbedingte Lungenerkrankungen, Infektionskrankheiten und seltene Lungenerkrankungen. In der Ruhrlandklinik steht die persönliche Betreuung der Patienten stets im Mittelpunkt.

Unter der Leitung von Prof. Dr. med. Kaid Darwiche, der über umfangreiche Qualifikationen in verschiedenen medizinischen Bereichen verfügt, nutzen die Spezialisten moderne medizintechnische Verfahren zur genauen Diagnosestellung. Hierzu gehören endoskopische und bildgebende Verfahren, wobei die Bronchoskopie eine herausragende Rolle spielt. Dieses Verfahren erlaubt die Echtzeituntersuchung der Atemwege mittels einer flexiblen Kameraoptik und einer Glasfaserleuchte, die durch Nase oder Mund eingeführt wird. Selbst kleinste Gewebeveränderungen können so in Echtzeit erkannt und Gewebeproben entnommen und vor Ort analysiert werden. Diese minimal-invasive Diagnosemethode vermeidet unnötige invasive Eingriffe und führt zu einer schnellen Diagnose.

Ein Schwerpunkt der Sektion liegt auf der interventionellen Behandlung von fortgeschrittenen Atemwegserkrankungen, wie Asthma und COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung), Lungentumor und Lungenemphysem. Die Redaktion des Leading Medicine Guide konnte mit Professor Dr. Darwiche sprechen, um das Lungenemphysem näher zu beleuchten.

Darwiche Bild

Das Lungenemphysem ist eine chronische Lungenerkrankung, bei der die Lungenbläschen (Alveolen) geschädigt werden und ihre Elastizität verlieren. Es gibt verschiedene Ursachen und Risikofaktoren, die mit der Entwicklung von Lungenemphysem in Verbindung stehen. „Der wichtigste Risikofaktor ist das Rauchen von Zigaretten. Die Chemikalien im Tabakrauch können die Lungenstrukturen angreifen und zu dauerhaften Schäden führen. So sind rund 90% der an COPD erkrankten Patienten Raucher. Es reicht hierbei nicht, wenn der Arzt dem Patienten empfiehlt mit dem Rauchen aufzuhören. Wir haben daher in der Ruhrlandklinik ein strukturiertes Raucher-Entwöhnungsprogramm etabliert mit einer medikamentösen und auch telefonischen Unterstützung, die sogenannte „Quit Line“, ein telefonischer Service der Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung. Wir schaffen es dadurch innerhalb eines Jahres ca. 40% der Patienten rauchfrei zu bekommen. Man darf auch nicht vergessen, dass selbst die Exposition gegenüber Passivrauch das Risiko für COPD und für die Ausbildungen eines Lungenemphysems mitbringt. Langfristige Exposition gegenüber schädlichen Luftschadstoffen, insbesondere in industriellen oder verschmutzten Umgebungen, kann ebenfalls das Risiko für Lungenemphysem erhöhen. In einigen Fällen kann eine genetische Veranlagung, wie der Alpha-1-Antitrypsin-Mangel, das Risiko erhöhen. Berufliche Exposition gegenüber schädlichen Substanzen wie Staub, Chemikalien oder Gasen kann ebenfalls ein erhöhtes Risiko für Lungenemphysem bedeuten. Das Risiko für diese Erkrankung steigt auch mit dem Alter, da die Lungenstruktur im Laufe der Zeit natürlichen Verschleiß erleidet. Wiederholte Infektionen der Atemwege können zu dauerhaften Lungenschäden führen und das Risiko für Lungenemphysem erhöhen“, beginnt Prof. Dr. Darwiche mahnend unser Gespräch.


Für Personen mit einem hohen Risiko für Lungenemphysem ist eine regelmäßige ärztliche Untersuchung wichtig, um Anzeichen der Krankheit frühzeitig zu erkennen. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass Lungenemphysem eine schwerwiegende Erkrankung ist und die besten Maßnahmen zur Risikoreduktion in der Prävention liegen. Wenn bereits Symptome von Lungenemphysem vorhanden sind, ist dringend ärztliche Hilfe erforderlich, da die Erkrankung zwar nicht rückgängig gemacht werden kann, die Symptome jedoch behandelt und kontrolliert werden können.


Ein Lungenemphysem entwickelt sich oft über Jahre hinweg, bevor Symptome auftreten. 

Atemnot ist eines der häufigsten Symptome von Lungenemphysem. Anfangs tritt die Atemnot möglicherweise nur bei körperlicher Anstrengung auf, verschlimmert sich jedoch im Laufe der Zeit und kann sogar in Ruhe auftreten. „Menschen klagen in erster Linie über die sogenannte Belastungsluftnot und sind im Alltag teilweise stark eingeschränkt, da sie bei jeder Anstrengung Atemnot verspüren. Auch ein anhaltender Husten, der sich verschlimmert, kann ein Hinweis auf Lungenemphysem sein. Manchmal kann es zu vermehrtem Auswurf kommen, der bei Infektionen gelb oder grünlich werden kann. Zudem kann ein Druck- oder Engegefühl in der Brust auftreten. Sobald einer dieser genannten Symptome auftaucht, gilt es frühzeitige Maßnahmen zu ergreifen in dem man zum Beispiel zum Hausarzt geht, um einen Lungenfunktionstest zu machen, der einen dann zum Lungenfacharzt weiterleitet“, rät Prof. Dr. Darwiche. 

Es ist wichtig zu beachten, dass das Lungenemphysem eine progressive Krankheit ist, die nicht rückgängig gemacht werden kann. Die Behandlung zielt darauf ab, die Symptome zu kontrollieren, den Krankheitsverlauf zu verlangsamen und Komplikationen zu verhindern. Zu den Behandlungsmöglichkeiten gehören Rauchverzicht, Medikamente zur Verbesserung der Atemfunktion, Atemtherapie, und in schweren Fällen kann eine Sauerstofftherapie erforderlich sein.


Ein ungewollter Gewichtsverlust kann bei einigen Menschen ebenfalls mit fortgeschrittenem Lungenemphysem auftreten. Meist hat der betroffene Patient auch ein allgemeines Gefühl der Müdigkeit und Erschöpfung. In fortgeschrittenen Fällen kann es zu Flüssigkeitsansammlungen in den Beinen und Knöcheln kommen.


Die Diagnose eines Lungenemphysems und die Bestimmung des Schweregrads erfolgen normalerweise durch eine Kombination von klinischen Untersuchungen und diagnostischen Tests. 

Der erweiterte Lungenfunktionstest ist besonders nützlich zur Bewertung von Lungenerkrankungen wie Lungenemphysem, Restriktionen der Atemwegsfunktion und obstruktiven Atemwegserkrankungen. Er ermöglicht eine präzisere Diagnose und hilft bei der Überwachung des Verlaufs dieser Erkrankungen. Es ist ein komplexerer Test als die sogenannte Spirometrie und erfordert eine spezielle Ausrüstung sowie die Anleitung eines erfahrenen medizinischen Fachpersonals. Ein "CT-Thorax" ist eine weitere medizinische Untersuchungsmethode, bei der ein Computertomographie (CT)-Scanner verwendet wird, um detaillierte Bilder des Brustkorbs, einschließlich der Lunge, des Herzens und der umgebenden Strukturen, zu erstellen. Der Ausdruck "Thorax" bezieht sich auf den Brustkorb, der den Bereich zwischen dem Hals und dem Bauch umfasst. Über eine Blutentnahme sollte zusätzliche eine mögliche genetische Ursache ausgeschlossen werden. Hierfür wird ein sogenannter Alpha-1-Antitrypsin-Mangel-Test durchgeführt, um einen eventuellen Mangel festzustellen. Auch eine Bronchoskopie kann in einigen Fällen sinnvoll sein“, schildert Prof. Dr. Darwiche die unterschiedlichen Untersuchungsmethoden.


Alpha-1-Antitrypsin (AAT) ist ein Protein, das vor allem in der Leber hergestellt wird und in der Lunge eine wichtige Rolle spielt. Ein Mangel an AAT kann zu schweren Lungenerkrankungen führen, insbesondere zu frühem Auftreten einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) oder einem Lungenemphysem.


Die Kombination dieser diagnostischen Tests hilft Ärzten dabei, ein Lungenemphysem zu identifizieren, den Schweregrad zu bewerten und andere Lungenerkrankungen auszuschließen, die ähnliche Symptome verursachen könnten. Die Spirometrie ist in der Regel der erste Schritt bei der Diagnose, gefolgt von weiteren Tests je nach Bedarf. Die Beurteilung des Schweregrads eines Lungenemphysems basiert oft auf dem FEV1-Wert, der den Prozentsatz der erwarteten Einsekundenkapazität im Vergleich zu einem gesunden Individuum angibt. Je niedriger der FEV1-Wert, desto schwerwiegender ist das Emphysem. 

Ein Lungenemphysem und COPD sind zwei eng miteinander verbundene Lungenerkrankungen, die oft gemeinsam auftreten, aber sie haben einige wichtige Unterschiede. 

Das Lungenemphysem ist eine spezifische pathologische Veränderung der Lunge, bei der die Lungenbläschen (Alveolen) überbläht und geschädigt sind, was zu einem Verlust an Elastizität der Lunge und zu Luftfalleffekten führt. Auf der anderen Seite ist COPD ein Sammelbegriff für chronische Lungenerkrankungen, zu denen Lungenemphysem gehört. Es umfasst auch chronische Bronchitis, bei der die Atemwege entzündet und verengt sind.

COPD hat zwei unterschiedliche Ausprägungen. Es gibt den Atemwegstyp und den Lungengewebstyp. Zweiteres ist ein Lungenemphysem. Auch ein Mischbild ist möglich. Fast alle Patienten, die ein Lungenemphysem haben, haben auch COPD, nicht aber umgekehrt. Beide Ausprägungen haben unterschiedliche Symptome und Ausprägungen“, erklärt Prof. Dr. Darwiche. Die Hauptsymptome des Lungenemphysems sind Atemnot, insbesondere bei körperlicher Anstrengung, sowie Husten und Auswurf. Bei COPD-Patienten können ähnliche Symptome wie Lungenemphysem auftreten, einschließlich Atemnot und Husten, aber sie können auch Symptome der chronischen Bronchitis wie anhaltenden Husten mit Schleimbildung haben. Die Behandlung des Lungenemphysems konzentriert sich auf die Linderung von Symptomen und die Verzögerung des Krankheitsverlaufs. Dies kann den Rauchstopp, Atemtherapie, Medikamente zur Verbesserung der Atemfunktion und in einigen Fällen Sauerstofftherapie umfassen. Die Behandlung von COPD umfasst ähnliche Maßnahmen wie beim Lungenemphysem, kann aber auch die Verwendung von inhalativen Medikamenten zur Erweiterung der Atemwege und die Behandlung von Infektionen umfassen. 

Die Behandlung des Lungenemphysems zielt darauf ab, die Symptome zu lindern, den Krankheitsverlauf zu verlangsamen und die Lebensqualität zu verbessern. Es gibt verschiedene Behandlungsoptionen, darunter medikamentöse und nicht-medikamentöse Ansätze. 

Die Basis der Behandlung ist das Vermeiden von Schadstoffen. Medikamente zur Linderung von Atemschwierigkeiten werden häufig in Form von Inhalatoren verabreicht und können langwirksame (zur täglichen Anwendung) oder kurzwirksame (bei akuten Symptomen) Bronchodilatatoren umfassen. In den letzten zehn Jahren kam eine neue interessante Komponente hinzu, nämlich Muskelkraft und Muskelaufbau, der die Lunge trainiert bzw. das Atemvolumen. Insofern schicken wir Patienten durchaus auch in den Kraftraum“, so Prof. Darwiche über erste Behandlungsoptionen und ergänzt: „Liegt eine genetische Form des Lungenemphysems vor, dass kann das fehlende Enzym substituiert werden. Eine chronische Bronchitis lässt sich medikamentös behandeln. Ist das Emphysem stark ausgeprägt, ist eine Lungenvolumenreduktion möglich, was operativ und endoskopisch durchgeführt werden kann. Wird das Lungenvolumen nämlich reduziert, erhält der besser funktionierende Lungenteil mehr Raum“. 

Eine Änderung des Lebensstils, wie das Aufgeben des Rauchens und regelmäßige körperliche Aktivität, kann sich positiv auf das Lungenemphysem auswirken und die Lebensqualität verbessern. 

Wer mit dem Rauchen aufhört, verringert eine weitere Schädigung der Lungen, da Rauchen die Hauptursache für Lungenemphysem ist. Bereits wenige Wochen nach dem Rauchstopp kann man eine Verbesserung der Atemfunktion und eine Verringerung der Symptome bemerken. „Es ist ganz einfach, sich das vorzustellen. Wer sich eine Zigarette ansteckt und den Rauch inhaliert, schädigt sofort die Zellkulturen in der Lunge. Dies sind die Flimmerhärchen tragenden Zellen, die für die Reinigung der Lunge zuständig sind. Sie stellen bei der Zugabe der Schadstoffe durch den Zigarettenrauch sofort ihre Arbeit ein. Was dann stattdessen eintritt ist der Husten, um die Lunge von Schleim zu befreien. Daher wachen viele Raucher morgens auf und müssen erst einmal husten, um ihre Lunge von Schleim zu befreien. Bei anhaltendem Husten, länger als sechs Wochen, sollte daher jeder sofort einen Arzt konsultieren, um einen Lungenfunktionstest machen zu lassen“, verdeutlicht Prof. Darwiche vehement.


  • Wenn Sie eine Zigarette rauchen, inhalieren Sie den Rauch, der aus Tausenden von Chemikalien besteht, darunter viele giftige Substanzen wie Teer, Kohlenmonoxid, Formaldehyd und Schwermetalle.
  • Der Rauch gelangt zunächst in die Luftröhre und von dort in die Bronchien. Sofort nach dem Einatmen können die Schleimhäute in den Atemwegen gereizt werden, was zu Husten führen kann.
  • Der Rauch erreicht schließlich die Lungenbläschen (Alveolen), die für den Gasaustausch verantwortlich sind. Dort kann es zu verschiedenen schädlichen Prozessen kommen: Die Chemikalien im Rauch können Entzündungen in den Alveolen und den umgebenden Geweben verursachen. Dies beeinträchtigt die Fähigkeit der Lunge, Sauerstoff aufzunehmen und Kohlendioxid abzugeben.
  • Die Lunge kann verstärkt Schleim produzieren, um sich gegen die Reizstoffe im Rauch zu schützen. Dies kann den Atemweg blockieren und zu chronischem Husten führen.
  • Bei langfristigem Rauchen kann der Rauch dazu führen, dass die Alveolen ihre Elastizität verlieren und zerstört werden. Dies führt zu einem Verlust der Lungenfunktion und kann zu einem Lungenemphysem führen.
  • Kohlenmonoxid aus dem Zigarettenrauch gelangt in den Blutkreislauf und verdrängt Sauerstoff aus den roten Blutkörperchen. Dies führt dazu, dass der Körper weniger Sauerstoff erhält, was zu Müdigkeit und Atemnot führen kann.

Um Raucher zu motivieren, mit dem Rauchen aufzuhören, ist es wichtig, sie über die unmittelbaren und langfristigen Auswirkungen des Rauchens auf die Gesundheit der Lunge aufzuklären. Das Risiko von Atemwegserkrankungen, Lungenkrebs und anderen ernsthaften Lungenerkrankungen steigt signifikant mit dem Rauchen. Je früher jemand mit dem Rauchen aufhört, desto besser sind die Chancen, die Lungenfunktion zu erhalten und das Risiko von schwerwiegenden Lungenerkrankungen zu reduzieren. 

Wir geben in Deutschland Millionen von Euros aus für die Behandlung von Lungenerkrankungen, nicht aber für die Prävention. So ist Deutschland eines der wenigen Länder, in denen es noch Zigarettenautomaten gibt. Die Zigaretten sind hierdurch frei zugänglich. Auch Raucherentwöhnungsprogramme müssen in der Regel von dem Patienten selbst bezahlt werden. Zigaretten sind darüber hinaus in Deutschland noch immer zu billig“, moniert Prof. Dr. Darwiche und fügt hinzu: „Für die Behandlung von COPD gibt es auch noch immer zu wenige medikamentöse Ansätze. Die, die wir haben, stoppen nicht das Fortschreiten, sondern lindern nur die Symptome. Zu guter Letzt appelliere ich an alle Raucher: Sie wissen, dass Sie aufhören sollen. Wir unterstützen Sie dabei!“. Mit diesem eindringlichen Appell schließt Prof. Dr. Darwiche unser Gespräch.

Professor Dr. Darwiche, vielen Dank für dieses so eindringliche Gespräch rund um die Thematik Lungenemphysem und COPD!

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