Revolutionäre Hüftendoprothetik: Die AMIS-Methode im Fokus der minimal-invasiven Lösungen - Experteninterview mit Prof. Holstein

14.02.2024

Prof. Dr. med. Jörg Holstein ist eine herausragende Koryphäe auf dem Gebiet der Hüft- und Knie-Endoprothetik. Seine Expertise erstreckt sich von minimal-invasiven Techniken bis hin zur Verwendung von Kunstgelenken auf höchstem Niveau. Internationale Anerkennung begleitet seine Fachkenntnisse, die er durch langjährige Erfahrung und enge Kooperationen mit führenden Experten in Europa und den USA erlangte. Mit fast 15 Jahren Tätigkeit am Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg, wo er auch als Stellvertreter des Klinikdirektors für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie verantwortlich war, prägte er die orthopädische Chirurgie maßgeblich.

Seit seiner Facharztprüfung im Bereich Orthopädie und Unfallchirurgie im Jahr 2010 erweiterte Prof. Dr. Holstein kontinuierlich seine Expertise durch zusätzliche Qualifikationen. Seine Schwerpunkte umfassen Spezielle Orthopädische Chirurgie, Spezielle Unfallchirurgie, Handchirurgie, Manuelle Medizin / Chirotherapie, Physikalische Therapie und Balneologie, Notfallmedizin sowie Röntgendiagnostik. Diese umfassende Qualifikationspalette unterstreicht seine medizinische Kompetenz und ermöglicht es ihm, seinen Patienten mit modernsten Behandlungsmethoden zu mehr Lebensqualität zu verhelfen.

Für Prof. Dr. Holstein ist der individuelle Patient das Zentrum seiner medizinischen Tätigkeit. Sein Anspruch, jedem Patienten eine maßgeschneiderte Therapie zukommen zu lassen, führte ihn im Oktober 2018 an die Privatklinik ETHIANUM in Heidelberg. Hier kann er sich voll und ganz auf die individuellen Bedürfnisse seiner Patienten konzentrieren und ihnen eine auf ihre Situation abgestimmte Behandlung bieten. Gleichzeitig bleibt er als Sektionsleiter für Endoprothetik am Krankenhaus Salem, einem Lehrkrankenhaus der Universität Heidelberg, tätig, wo er auch gesetzlich versicherte Patienten betreut.

Neben seiner klinischen Arbeit ist Prof. Dr. Holstein in verschiedenen Fachgesellschaften aktiv, wo er maßgeblich an der Entwicklung des orthopädischen Fachbereichs mitwirkt. Sein Beitrag zur Forschung spiegelt sich in einer umfangreichen Liste von Publikationen wider und festigt seinen herausragenden Ruf in der Kollegenschaft. Die Redaktion des Leading Medicine Guide sprach mit dem Experten für Hüft- und Knieendoprothetik und erfuhr sehr viel zur sogenannten AMIS-Technik, eine spezielle Methode in der Hüftendoprothetik.

Prof. Dr. med. Jörg Holstein

Die Hüftendoprothetik hat die Behandlung von Hüftproblemen revolutioniert und verbessert die Lebensqualität von Millionen von Menschen weltweit. Von traditionellen bis hin zu hochmodernen minimal-invasiven Techniken gibt es eine Vielzahl von Methoden, die dazu beitragen, Hüftschmerzen zu lindern und die Mobilität wiederherzustellen. Diese Bandbreite an Methoden und Innovationen verspricht individuelle Lösungen für eine Vielzahl von Patientenbedürfnissen.

Die AMIS-Technik (Anterior Minimally Invasive Surgery) ist eine Methode zur Hüftendoprothetik, die sich in ihrem Zugang und den technischen Abläufen von herkömmlichen Verfahren unterscheidet.

Um ein künstliches Hüftgelenk überhaupt implantieren zu können, muss ein Zugang zum Gelenk gewählt werden. Die AMIS-Technik ist eine besondere Zugangstechnik mit der man ohne Verletzung größerer Strukturen und vor allem der Muskelgruppen zur Hüfte gelangt. Im Vergleich zur Standardtechnik wird die Muskulatur nicht durchtrennt. Man nutzt vielmehr eine natürliche Muskellücke und hält die Muskeln an dieser Stelle wie Vorhänge zur Seite, so dass dann durch diese Lücke hindurch operiert werden kann. Hierfür benötigt man spezielle Operationsinstrumente sowie einen speziellen Operationstisch. In diesem Tisch wird das zu operierende Bein an einer mobilen Einheit befestigt. Das heißt, der Fuß des Patienten wird in einer Art Skistiefel in eine Bindung am Tisch geklickt, so dass man die Prothese sicher und exakt in der richtigen Position einbringen kann“, schildert Prof. Dr. Holstein die AMIS-Technik zu Beginn unseres Gesprächs und betont: 

Ein riesengroßer Vorteil ist der geringe Blutverlust, eben weil Muskelgewebe nicht durchtrennt werden muss und der vordere Zugangsschnitt sehr klein ist. Tatsächlich ist es so, dass der vordere Zugang bereits im 19. Jahrhundert von einem deutschen Chirurgen, Carl Hueter, entwickelt wurde, initial aber für andere Eingriffe verwendet wurde. Erst Anfang der 2000er Jahre war man in der Lage, den vorderen Zugang durch die Entwicklung spezieller Instrumente und Implantate für die Endoprothetik zu nutzen“.

Diese Technik erfordert spezielle Schulungen für Chirurgen, um die Vorteile dieser minimal-invasiven Methode optimal zu nutzen. „Für die Nutzung der AMIS-Technik braucht man eine gewisse Erfahrung. Die Lernkurve des Chirurgen ist bei dieser Technik definitiv länger, aber die Vorteile für den Patienten sind eben immens“, kommentiert Prof. Dr. Holstein.

Die AMIS-Technik (Anterior Minimally Invasive Surgery) in der Hüftendoprothetik ist ein moderner Zugang zur Hüftgelenksersatzchirurgie, der im Vergleich zu herkömmlichen Methoden bedeutende Vorteile bietet. 

Die AMIS-Technik hat mehrere positive Auswirkungen auf den postoperativen Verlauf. Patienten, die mit der AMIS-Technik operiert wurden, berichten häufig über weniger postoperative Schmerzen und ein schnelleres Erreichen der Mobilität. „Durch die besonders schonende Technik ist der Patient oft bereits am Tag der Operation wieder auf den Beinen und kann in der Regel nach drei bis vier Tagen mit Gehhilfen die Klinik wieder verlassen. Normalerweise ist auch keine stationäre Rehabilitation mehr notwendig. Zusätzlich ist das Risiko einer Luxation sehr viel geringer, also das Risiko, dass der Hüftkopf aus der Pfanne herausspringt. Das liegt daran, dass die Hüft-stabilisierenden Muskeln kaum beeinträchtig werden, und dass die Gelenkkapsel bei der Operation nur eröffnet, aber nicht entfernt wird. Was die Operationsdauer betrifft, so muss bei Anwendung der AMIS-Technik ein wenig mehr Zeit für die Präparation investiert werden, da die Muskelschichten identifiziert und vorsichtig mobilisiert werden. Im Vergleich – die Standard-Operation dauert im Schnitt 45 Minuten, mit der AMIS-Technik dauert der Eingriff etwa 60 Minuten, bei sehr aufwändigen Operationen auch mal bis zu 90 Minuten, was aber für den Patienten keinen zusätzlichen „Stress“ bedeutet. Grundsätzlich ist sowohl eine Vollnarkose als auch eine Spinalanästhesie (Rückenmarksnarkose) möglich“, verdeutlicht Prof. Dr. Holstein.

Eine präzisere Positionierung des Implantats ist natürlich auch in der AMIS-Technik entscheidend für die Langzeitstabilität und Funktion des künstlichen Hüftgelenks. „Man kann festhalten, dass die AMIS-Technik im Wandel ist. Als ich 2013 angefangen habe, mit der AMIS-Technik zu arbeiten, gab es in Deutschland nur eine Handvoll Ärzte, die die Technik auch angewandt haben. Mittlerweile hat die Zahl deutlich zugenommen. Da gibt es tatsächlich auch ein regionales Nord-Süd-Gefälle. Im Süden Deutschlands ist der Prozentsatz der AMIS-Operationen recht hoch – hier in Heidelberg sind wir beispielsweise ein großes etabliertes Zentrum für die AMIS-Technik. Ich bin aber davon überzeugt, dass sich die Technik in sämtlichen Regionen Deutschlands weiterverbreiten wird. Es entstehen aufgrund der AMIS-Technik keine zusätzlichen Kosten im Vergleich zur Standard-Variante. Insofern ist dies auch unproblematisch hinsichtlich der Kostenübernahme durch die Krankenkassen“, konstatiert Prof. Dr. Holstein. 

Die AMIS-Technik, ein innovatives Verfahren in der Hüftendoprothetik, das zahlreiche Vorteile bietet. 

Generell kann die AMIS-Technik bei nahezu allen Patienten mit Hüftgelenksarthrose angewandt werden. „Es gibt allerdings wenige Ausnahmefälle, bei denen die AMIS-Technik sich nicht so gut eignet, etwa wenn ein Patient komplizierte Voroperationen hatte. Sehr muskelkräftige oder auch adipöse Patienten sind für jeden Chirurgen auch immer eine besondere Herausforderung und anspruchsvoller zu operieren. Aber im Prinzip lässt sich die AMIS-Technik wie gesagt bei beinahe jedem Patienten problemlos anwenden“, erklärt Prof. Dr. Holstein. 

Eine umfassende Bewertung durch einen Orthopäden oder Chirurgen ist entscheidend, um zu bestimmen, ob die AMIS-Technik die beste Wahl für einen bestimmten Patienten ist oder ob alternative Verfahren besser geeignet sind. Dieser individuelle Ansatz ermöglicht es, die optimale Behandlung für jeden Patienten zu gewährleisten und eine erfolgreiche Genesung nach der Operation sicherzustellen.

Die präoperative Planung und Bildgebung spielen eine entscheidende Rolle bei der Anwendung der AMIS-Technik in der Hüftendoprothetik. 

Durch fortschrittliche bildgebende Verfahren wie Röntgenaufnahmen, Magnetresonanztomographie (MRT) oder Computertomographie (CT) können Chirurgen das Hüftgelenk des Patienten detailliert analysieren. Prof. Dr. Holstein erläutert hierzu: „Die Planung spielt immer eine wichtige Rolle, ob mit oder ohne AMIS-Technik. Denn durch die vorherige Visualisierung können potenzielle Herausforderungen oder Besonderheiten des Hüftgelenks erkannt werden, die während des Eingriffs berücksichtigt werden müssen. Ich weiß, wie groß das Implantat wird, die Beinlänge des Patienten wird vermessen, und während der Operation kann ich alles mit der Planung abgleichen, damit die Ergebnisse am Ende auch so sind, wie ich sie mir vorstelle. Dies umfasst natürlich auch die Bestimmung der optimalen Position und Ausrichtung der Hüftkomponenten“.

Bei der Anwendung der AMIS-Technik in der Hüftendoprothetik gibt es wie bei jeder chirurgischen Methode potenzielle Risiken und Komplikationen, die berücksichtigt werden müssen. 

Zu den möglichen Risiken gehören Infektionen, Blutungen, Schädigungen von Blutgefäßen oder Nerven, Ausrenkungen der Hüfte, Thrombosen oder Probleme im Zusammenhang mit der Anästhesie. „Abgeleitet dadurch, dass der Patient schneller auf den Beinen ist, ist nach Anwendung der AMIS-Technik beispielsweise das Thrombose-Risiko niedriger, und durch die sehr schonende Schnittführung bei der Operation verringert sich auch das Blutungsrisiko nach der Operation. Eine kleine Komplikationsmöglichkeit gibt es noch, die erwähnt werden sollte. Am Oberschenkel verläuft ein Hautnerv, der manchmal auch `Jeans-Nerv´ genannt wird, da dieser Nerv beim Tragen enger Jeans beeinträchtigt werden kann. Da der Nerv nahe am Zugang liegt, kann er während der Operation gedehnt werden, was dann in einem leicht pelzigen Gefühl unterhalb der Narbe resultieren kann. Das ist allerdings nicht allzu sehr beeinträchtigend und meist reversibel“, ergänzt Prof. Dr. Holstein. Die postoperative Betreuung spielt eine wichtige Rolle. Durch regelmäßige Kontrollen in der Rehabilitationsphase können potenzielle Probleme frühzeitig erkannt und behandelt werden. 

Die Anwendung der AMIS-Technik in der Hüftendoprothetik hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. 

Die AMIS-Technik erfordert eine spezielle Ausbildung und Training. „Es gibt Referenzzentren, die sich auf die Anwendung der AMIS-Technik in der Hüftendoprothetik spezialisiert haben. Diese Einrichtungen bieten Schulungen, Fortbildungen und spezifische Programme für Chirurgen an, um sie in dieser Technik zu schulen. Ich bin selbst als beratender Chirurg für Kollegen tätig, die sich mit der AMIS-Technik vertraut machen wollen. Es werden hierfür Kurse u.a. in einem anatomischen Institut angeboten. Die Lernenden können auch zu mir in die Klinik kommen, um als Assistent meinen Operationen beizuwohnen. Außerdem fahre auch ich als beratender Arzt zu ihnen in deren Klinik, um gemeinsam AMIS-Operationen durchzuführen. Als erfahrener AMIS-Chirurg kann man sich erst dann bezeichnen, wenn man viele hundert Operationen durchgeführt hat – persönlich kann ich auf eine vierstellige Zahl zurückblicken“, schildert Prof. Dr. Holstein. 

Natürlich hat sich die Hüftendoprothetik in den letzten Jahrzehnten stark weiterentwickelt. Ob da noch Luft nach oben ist, dazu äußert Prof. Dr. Holstein: „Robotik ist sicherlich ein Thema. Aber bei erfahrenen Chirurgen sind die Vorteile eher gering. Was die AMIS-Technik betrifft, so ist die Methode schon sehr ausgefeilt. Was sich bestimmt ändern wird ist das Gesamtsetting. Der Trend geht hin zur ambulanten Operation, dem amerikanischen System sehr ähnlich, auch wenn dies durchaus ein zweischneidiges Schwert ist. Am Ende muss immer das Wohl des Patienten im Vordergrund stehen, und die Medizin sollte im Idealfall auch für jeden zugänglich sein“. 

Sehr geehrter Herr Professor Dr. Holstein, herzlichen Dank für Ihre Zeit und diese spannenden Informationen rund um die AMIS-Technik!

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