Fortschritte in der Hernienchirurgie: Roboterassistierte Verfahren und die VR E-Learning Plattform SurgVRse - Experteninterview mit Dr. Kapitanov

11.11.2024

Als renommierter Spezialist auf dem Gebiet der Bauchwand- und Hernienchirurgie genießt der Chirurg Oberarzt Dr. med. univ. Teodor Kapitanov, FEBS – AWS national sowie international ein hohes Ansehen. Als Facharzt für Chirurgie und Viszeralchirurgie in Österreich und der Schweiz hat er sich in den vergangenen Jahren insbesondere im Umgang mit dem hochmodernen da Vinci® Robotersystem mit großem Engagement und unzähligen, erfolgreichen Eingriffen als einer der führenden Experten etabliert. Dr. Kapitanov ist als Oberarzt an der Klinik Floridsdorf in Wien tätig, wo er unter anderem die auf komplexe Fälle ausgerichtete Hernienambulanz leitet.

Im Rahmen des heutigen Experteninterviews sprach Dr. Teodor Kapitanov mit der Redaktion von Leading Medicine Guide über aktuellste Entwicklungen auf dem Gebiet der roboter-assistierten Hernienchirurgie und gibt Einblicke in sein neuestes Projekt, das Start-Up SurgVRse, eine VR-E-Learning Plattform.

OA Dr. Teodor Kapitanov, F.E.B.S. – AWS

In den letzten Jahrzehnten hat die Medizin bemerkenswerte Fortschritte gemacht, insbesondere in der Chirurgie, wo innovative Technologien kontinuierlich die Behandlungsergebnisse verbessern und die Patientensicherheit erhöhen. Ein besonders faszinierendes Gebiet ist die Hernienchirurgie, die durch die Einführung roboterassistierter Verfahren eine Revolution erfahren hat. 

Die roboterassistierte Chirurgie hat sich auch in der Hernienchirurgie erheblich weiterentwickelt und stellt einen bedeutenden Fortschritt gegenüber traditionellen Methoden dar.

Die robotische Chirurgie steht heute vor ähnlichen Herausforderungen und Einschränkungen wie die Laparoskopie vor über 30 Jahren. Die Vorteile der innovativen Technologie haben sich jedoch bereits in hohem Maße erwiesen, womit sie aus dem chirurgischen Alltag nicht mehr wegzudenken ist. Die robotisch-assistierte Hernienchirurgie befindet sich allerdings noch am Beginn ihrer Entwicklung, wobei hier anzumerken ist, dass die Resultate der robotisch-assistierten Hernienchirurgie denen der konventionell-laparoskopischen Verfahren keineswegs nachstehen. Im Gegenteil – die Grenzen der minimalinvasiven Möglichkeiten werden durch die Robotik nicht nur erweitert, sondern gehen auch mit einer bemerkenswert geringen Morbidität und außergewöhnlich guten Ergebnissen – insbesondere auch hinsichtlich der Extraperitonealisierung von Kunststoffnetzen – einher. Auf dem Gebiet der Bauchwand- und Hernienchirurgie ist weltweit ein signifikanter Anstieg an roboter-assistierten Eingriffen zu verzeichnen“, erklärt Dr. Kapitanov zu Beginn unseres Gesprächs und ergänzt noch: „Die durch zahlreiche Studien belegte Verkürzung der postoperativen Rekonvaleszenz sowie die geringere Komplikationsrate ist nach meinen robotischen Eingriffen deutlich zu beobachten. Die rekonstruktive Hernienchirurgie profitiert enorm von präziseren Operationstechniken, die das System durch seine Dreidimensionalität und zehnfache Vergrößerung des OP-Gebiets ermöglicht“.

Der Einzug roboter-assistierter Techniken in der Hernienchirurgie birgt einige Herausforderungen. Vor Beginn der Nutzung der robotischen Systeme bedarf es erst einer intensiven Einarbeitungszeit des Chirurgen.

Wie bei jeder Implementierung einer neuen Technologie ist auch bei der roboter-assistierten Chirurgie eine gewisse Einarbeitungszeit die Grundvoraussetzung – sie wird als sogenannte Lernkurve bezeichnet. Diese ist klar zu differenzieren von den einst mit den Einführungsphasen neuer Operationsverfahren assoziierten, höheren Komplikationsraten. Vielmehr handelt es sich hierbei um die Eingewöhnung des Chirurgen sowie sein allmähliches Herantasten an die zahlreichen, operativen Möglichkeiten und Grenzen der Robotik. Je nach bestehender Vorerfahrung auf dem Gebiet der minimalinvasiven Chirurgie kann die Lernkurve variieren. Manche roboter-assistierte Verfahren in der Hernienchirurgie nehmen mehr Zeit in Anspruch als andere. Die r-ventrale TAPP beispielsweise dauert in der Regel mit einer Konsolenzeit von ca. 44 Minuten deutlich kürzer als die r-TAR mit durchschnittlich 188 Minuten, wobei dies Durchschnittszeiten sind, welche wiederum mit zunehmender Erfahrung deutlich abnehmen. Aktuelle Studien belegen, dass sich bereits nach ca. 40 Fällen eine Reduktion der benötigten Operationszeit einstellt. Essentiell für die sichere Implementierung eines robotischen Programms ist das Training am Simulator, welche sich aus dem Basic-Skills-Training und virtuell geführten Operationen zusammensetzt, sowie das Dry-Lab- (Trockenlauf), und Wet-Lab-Training an Phantom- und Kadavermodellen. Um Teambuilding und Patientensicherheit weiter zu optimieren, sollten auch Non-Technical-Skills wie die korrekte Phraseologie bzw. Kommandosprache als Verhaltenstraining integriert werden. Obwohl die Roboterchirurgie dem Chirurgen ein hohes Maß an Autonomie bietet, ist die Zusammenarbeit mit einem gut ausgebildeten Operationsteam obligat. Idealerweise setzt sich das Kernteam aus Akteuren zusammen, welche aufgrund ihrer differierenden Entwicklungsstufen über unterschiedliches Knowhow verfügen. Schlussendlich wird diese Durchmischung des Kernteams bei der Implementierung eines robotischen Programms den wesentlichen Schritt zum Erfolg darstellen“, erläutert Dr. Kapitanov und fügt noch hinzu: 

Ebenso von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist der persönlich im Rahmen von Hospitationen oder optional auch virtuell geführte Erfahrungsaustausch mit Proktoren und das Interesse an internationalen, digitalen Plattformen und Onlinekursen mit anschließenden Wissenstests“.

Die VR E-Learning Plattform SurgVRse ist eine innovative Lernumgebung, um die chirurgische Ausbildung mithilfe von Virtual Reality (VR) zu verbessern.

Die VR E-Learning Plattform SurgVRse ist eine Virtual-Reality-E-Learning- und Trainingsplattform für robotisch-assistierte, immersive Operationslehre. Der Name setzt sich zusammen aus den Worten `surgery ́ (dt. Chirurgie) und VR, Virtual Reality (dt. virtuelle Realität), und dem Metaverse (dt. Metaversum), einem Konzept, bei dem ein digitaler Raum durch das Zusammenwirken virtueller, erweiterter und physischer Realität entsteht. Unser Unternehmen, bestehend aus dem Diplom-Ingenieur Michael Maier, einem langjährigen Berater im Digital- und Innovationsbereich mit starkem Vertriebs- und Marketing-Fokus sowie einschlägiger Führungserfahrung, und mir, wurde aus der Vision heraus gegründet, die Ausbildung im Bereich der robotisch-assistierten Chirurgie zu revolutionieren. Wir haben erkannt, dass herkömmliche Lehrmethoden wie klassische Lehrbücher bzw. 2D Videoformate nicht ausreichend sind, um die Komplexität und den Realismus einer robotisch-assistierten Operation zu vermitteln. Daher haben wir uns entschieden, die Kraft der Virtual-Reality-Technologie zu nutzen, um die Essenz der Dreidimensionalität und die Prägnanz der Instrumentenfreiheitsgrade von roboter-assistierten Eingriffen in das entsprechende immersive und realistisch geführte Lernerlebnis zu übertragen. Zusammenfassend ist SurgVRse eine ergänzende Innovation auf dem Gebiet der Roboterchirurgie, welche zu einer niederschwelligen und effizienteren Ausbildung von chirurgischen Assistenzärzten und zukunftsorientierten Chirurgen maßgeblich beitragen soll“, erläutert Dr. Kapitanov.

Die Nutzung von VR-Technologie kann die präoperative Planung und Durchführung von Hernienoperationen im Vergleich zu herkömmlichen Schulungsmethoden beschleunigen.

Aus unterschiedlichen Studien ist bekannt, dass Menschen immersive 3D Inhalte vier Mal schneller aufnehmen und verarbeiten können. Chirurgen können sich somit wie Formel-1-Rennfahrer im Sinne eines `Warm-Ups´ möglichst realitätsnah und zu jeder Zeit, 24/7 auf ihre bevorstehende Aufgabe vorbereiten“, betont Dr. Kapitanov.

SurgVRse bietet eine Reihe von spezifischen Funktionen und Features, die darauf abzielen, den Lernprozess für angehende Chirurgen zu optimieren und die praktische Chirurgie zu unterstützen. Diese Funktionen sind so gestaltet, dass sie eine umfassende und praxisnahe Ausbildung bieten, die sich nahtlos in die realen chirurgischen Anforderungen integrieren lässt.

Kernelement ist ganz klar die Kombination aus der Bereitstellung von einzigartigem, von einem hochqualifizierten, wachsenden Team ausgewählter, roboter-spezialisierter Chirurgen bereitgestelltem Videomaterial und den didaktisch aufgearbeiteten Simulationseinheiten, die mit Hilfe modernster VR-Technologie in 3D-Video- und Audiomaterial umgesetzt werden. Dies erlaubt es unseren Nutzern, ihre Lernkurve in der Roboterchirurgie deutlich zu verkürzen und schneller die notwendigen Skills zu erlangen, um diese Technologien sicher in ihren Alltag zu integrieren. Außerdem bieten wir nicht nur standardisierte Inhalte, sondern auch maßgeschneiderte Lösungen für Kliniken und medizinische Ausbildungsstätten, die ihre Mitarbeiter in der Roboterchirurgie einschulen möchten. Zukünftig werden wir Möglichkeiten zur Verbesserung und Weiterentwicklung des User Journeys (dt. Reise des Nutzers) mittels KI-Assistenz (dt. Künstliche Assistenz), integrieren. Basierend auf dem Knowhow unserer Experten können die Videos mit einem KI-Assistenten ausgestattet werden, der direkt während der Video- Konsumation auf individuelle Fragen und Problemstellungen eingehen kann“, hebt Dr. Kapitanov hervor.

Die Zukunft hält noch Einiges bereit.

Die robotisch-assistierte Chirurgie gewinnt zunehmend an Bedeutung. Weltweit betrug im Jahr 2023 die Gesamtanzahl der am da Vinci® System trainierten Chirurgen 76.000. Gleichzeitig hat sich auch die Virtual-reality-Technologie bereits als ein wirksames Instrument zur Verbesserung der medizinischen Ausbildung erwiesen. Der Markt für VR-E-Learning-Plattformen in der Medizinbranche wächst stetig. Dieses Wachstum wird durch die steigende Nachfrage nach effektiveren und realistischeren Ausbildungsmethoden in der medizinischen Industrie angetrieben. Der Anspruch an medizinische Ausbildungsinhalte, online und global 24/7 zugänglich zu sein, wird aufgrund der Globalisierung und Digitalisierung zunehmend höher. Unsere Plattform ermöglicht es uns, Kunden in verschiedenen Ländern zu erreichen und ihnen hochwertige und zeitgemäße Ausbildungsinhalte zur Verfügung zu stellen. Während traditionell oftmals die veraltete Methode `see one, do one, teach one´ propagiert wurde, so verlagert sich das Mindset in den chirurgischen Fachrichtungen zunehmend hin zu einer zeitgemäßen Ausbildungskultur. Denn: Die Lernkurve des Chirurgen darf nicht zur Leidenskurve des Patienten werden“, betont Dr. Kapitanov, und damit schließen wir unser Gespräch.

Vielen Dank, Dr. Kapitanov, für diesen intensiven Einblick in die innovative robotische Chirurgie. SurgVRse wird hierbei sicherlich noch für Furore sorgen!

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