Als kreative Verfahren bzw. Kreativtherapie können psychotherapeutische Behandlungsangebote definiert werden, die kreative Medien in die Behandlung psychisch oder psychosomatisch Kranker einbeziehen. Kreatives Tun kann bildnerisches und darstellerisches Handeln umfassen. Kreative Therapien haben sowohl diagnostische als psychotherapeutische Aspekte. Ziel ist es, die Emotionalität und den Ausdruck zu fördern.
In der Praxis durchgesetzt haben sich körperbezogene Verfahren, sprich die Körper-, Bewegungs- und Tanztherapie, sowie die Gestaltungs- bzw. Kunst- und Musiktherapie.
Die Gestaltungstherapie wird von der Ergotherapie abgegrenzt. Denn die Ergotherapie hat als Zielsetzung die Wiederherstellung verlorener bzw. den Erhalt vorhandener Fähigkeiten, das Einüben vorhandener Kenntnisse und Fertigkeiten, sowie die Förderung der Alltagsaktivität zum Ziel. Die Kunst- und Gestaltungstherapien dagegen haben das Verstehen intrapsychischer konflikthafter Prozesse als Ziel.
Die Gestaltung, und zwar das bildnerische Gestalten insbesondere, wird sehr häufig eingesetzt. Dabei spielt sowohl der Weg der Herstellung als auch das Produkt der Gestaltung (z.B. Bilder, Tonfiguren) eine gleichermaßen bedeutende Rolle. Gestaltungstherapie ist Psychotherapie mit gestalterischen Mitteln. Über die gestalterischen Mittel findet der Mensch den Bezug zu sich selbst. Die Gestaltung fördert seine Ich-Funktionen und dient der Analyse interaktioneller Prozesse.
Körper-, Bewegungs- und Tanztherapien sind seit den 1920er Jahren sehr stark differenziert worden. Es gibt solche, die mehr eine funktional-übende Orientierung haben und solche, die mehr eine konfliktorientierte, aufdeckende Orientierung haben. Körpertherapien sind z.B. in Form der konzentrativen Bewegungstherapie und der funktionellen Entspannung, aber auch der Tanztherapie ein zentraler Bestandteil der stationären Psychotherapie. Die körperbezogenen Verfahren der Kreativtherapie haben folgendes Ziel:
- Sie sollen helfen, das Körpererleben in das gesamte Leben der Persönlichkeit zu integrieren.
- Im Einzelnen geht es um Erfahrungen mit Körpergrenzen, um die Einstellung zum eigenen Körper und um die Körperzufriedenheit bezüglich motorischer Fähigkeiten und körperbezogener Eigenschaften, im interaktiven und zirkulären Geschehen zwischen Therapeuten und Patienten.
- Es geht darum, das Körper-Selbst als integralen Bestandteil des Gesamt-Selbst zu erschließen und sich im Prozess der therapeutischen Kommunikation auf verschiedenen Ebenen des Körpererlebens bewegen zu können.
Die Musiktherapie ist die gezielte therapeutische Anwendung von Musik, um therapeutische Ziele zu erreichen. Sie arbeitet als kreatives Behandlungsverfahren prozess- und erlebnisorientiert. Ziele der Musiktherapie sind
- die Wiederherstellung
- der Erhalt und die Förderung seelischer und körperlicher Gesundheit
- die Förderung von Eigen- und Fremdwahrnehmung
- die Förderung von Kommunikations-, Ausdrucks- und Konzentrationsfähigkeit
Durch Musiktherapie hat der Patient Gelegenheit, sich selbst und seine Umwelt besser zu verstehen, sich in ihr freier und effektiver zu bewegen und eine bessere psychische Stabilität zu entwickeln. Das spielerische Experimentieren mit Klängen, Melodien und Rhythmen kann außerdem den Ausdruck und die Wahrnehmung von Affekten fördern. Auch die Wahrnehmung und die Reflektion des eigenen Verhaltens ist durch die Interaktion möglich.
Die Musiktherapie wird als rezeptive Musiktherapie (Hören von Tonmaterial) und als aktive, expressive Musiktherapie (Musizieren) eingesetzt. Die wichtigste verwendete Methode der Musiktherapie ist die gemeinsame freie oder strukturierte Improvisation. Dabei sollen im Wahrnehmen, Zuhören und aufeinander Eingehen Ressourcen geweckt, Prozesse beobachtet und neue Erfahrungen gemacht werden. Weiter kommen Wahrnehmungs- und Achtsamkeitsübungen, musikalische Interaktionsübungen, das Singen von Liedern sowie das Hören von Musik bei der Musiktherapie zum Einsatz.
Im Gespräch können während der Musiktherapie die gemeinsamen Erfahrungen ausgetauscht und reflektiert werden. Als Voraussetzung der Teilnahme ist eine Bereitschaft des Patienten notwendig, sich auf die Musiktherapie einzulassen (Ausprobieren/Spielen der Instrumente, Experimentieren mit Rhythmen, Klängen, Melodien). Musikalität, Notenlesen, Beherrschung eines Instrumentes etc. ist dagegen für die Teilnahme an einer Musiktherapie nicht notwendig.
Die Kunsttherapie ähnelt in vieler Hinsicht der Musiktherapie, allerdings wird bei der Kunsttherapie als Medium die bildende Kunst eingesetzt. Auch die Kunsttherapie soll die Eigenwahrnehmung sowie Ausdrucks- und Konzentrationsfähigkeit schulen. Durch die Arbeit mit Farben oder anderen Materialien, die für die meisten Patienten völlig ungewohnt ist, können auch bei der Kunsttherapie Ressourcen entdeckt und neue Erfahrungen gemacht werden.
Arbeiten die Patienten in der Kunsttherapie individuell, so geht es thematisch häufig um die bildnerische Gestaltung innerer Prozesse, die mit der Erkrankung in Zusammenhang stehen. So können z.B. Patientinnen mit schweren Traumata in der Kindheit diese Erfahrungen häufig besser im Rahmen einer Kunsttherapie in Bildern ausdrücken als sie im Gespräch berichten. Über die gestalterische Darstellung können die Inhalte auch in die Psychotherapie eingebracht werden. Darüber hinaus bilden die von Patienten im Verlauf einer Kunsttherapie produzierten Kunstwerke häufig ihren inneren Entwicklungs- und Genesungsprozess ab.
Neben der Einzelarbeit wird Kunsttherapie häufig auch in Gruppen durchgeführt. Hier ist das Ziel meist in erster Linie, den Gestaltungsprozess zu verfolgen und über diesen Prozess zu kommunizieren. Der Anteil eines einzelnen Patienten im Gestaltungsprozess der Gruppe bietet häufig Metaphern für typische Probleme oder Eigenarten dieses oder auch anderer Gruppenteilnehmer.

Die psychiatrische Klinik Waldau (1921) des schizophrenen Adolf Wölfli
Kunsttherapie und Ergotherapie gehen teilweise fließend ineinander über. Auch die Ergotherapie nutzt Farben und Materialien zur Gestaltung sowie die Reflektion der Werke im therapeutischen Gespräch. Insgesamt liegt der Schwerpunkt der Ergotherapie in Abgrenzung zur Kunsttherapie jedoch stärker im Aufbau von Kompetenzen und Alltagsfertigkeiten und weniger in der Förderung des kreativen Ausdrucks an sich.