Die Norwood-Operation dient zur Rettung von Neugeborenen mit HLHS.
Anatomischer Hintergrund
Das hypoplastische Linksherz-Syndrom (abgekürzt HLHS) ist eine seltene, aber schwerwiegende Fehlbildung des Herzens. Es macht etwa 1,6 % aller angeborenen Herzfehler aus. Kinder, die mit diesem Herzfehler geboren werden, sterben noch im Neugeborenenalter, wenn nicht sofort eingegriffen wird. HLHS ist genetisch bedingt.
Bei HLHS ist die linke Herzseite, also der linke Vorhof und die linke Herzkammer, unterentwickelt. Auch der erste Abschnitt der Hauptkörperschlagader (Aorta) ist unterentwickelt oder gänzlich funktionsuntüchtig. Betroffen ist meistens der aufsteigenden Teil bis einschließlich der Aortenbogen. Unterentwickelt sind darüber hinaus auch die beiden Herzklappen des Linksherzens:
- die Mitralklappe zwischen linkem Vorhof und linker Herzkammer und
- die Aortenklappe zwischen linker Herzkammer und Aorta
Diese Klappen sind hochgradig verengt oder gänzlich blockiert und unterentwickelt.
Die Anatomie des gesunden Herzens © bilderzwerg | AdobeStock
Die Norwood-Operation
Prinzipiell bedeutet die Norwood-Operation eine Umstellung des Herzens auf ein Einkammersystem. Da die linke Herzseite ihrer Funktion nicht gerecht werden kann, muss die rechte Seite ihre Aufgaben übernehmen.
Die rechte Herzkammer versorgt dann den Körper mit sauerstoffreichem Blut aus dem Lungenkreislauf. Bei einem normal entwickelten Herzen ist das die Aufgabe des linken Herzens.
Diese Operation wurde Anfang der 1990er Jahre von William Norwood entwickelt. Die ersten so behandelten Patienten haben bereits ein Alter von etwa 30 Jahren erreicht.
Die Norwood-Operation ist nicht ein einziger Eingriff, sondern um ein dreistufiges Operationsverfahren:
- Die erste Stufe erfolgt in den ersten Lebenstagen.
- Die zweite Stufe schließt sich mehrere Monate später an, und
- die dritte Norwood-Stufe erfolgt in der Regel im Alter von eineinhalb bis drei Jahren.
Die ersten beiden Stufen der Norwood-Operation finden am nichtschlagenden Herzen statt. Das Herz muss also stillgelegt werden. Die Sauerstoffversorgung des Körpers erfolgt dann über den Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine.
Kinder mit HLHS in ihren ersten Lebenstagen
Normalerweise ist der Lungenkreislauf und der Körperkreislauf des Menschen getrennt. Beide treffen sich im Herzen, von wo aus das sauerstoffreiche Blut aus der Lunge in den Körper gepumpt wird.
Ungeborene Kinder können im Körper der Mutter noch nicht atmen. Deswegen sind der Körper- und der Lungenkreislauf in den ersten Stunden oder Tagen nach der Entbindung noch verbunden. Den Kurzschluss der beiden Blutkreisläufe halten
- die Gefäßverbindung zwischen der Lungenarterie und der Aorta, genannt Ductus arteriosus Botalli, sowie
- das Fenster (Foramen ovale) in der Scheidewand zwischen linkem und rechtem Vorhof
aufrecht.
Nach der Geburt baut der Körper diese Kurzschlussverbindungen allmählich ab. Bei Neugeborenen mit gesundem Herzen ist das wichtig für die Sauerstoffversorgung des Körperkreislaufs.
Für Kinder mit HLHS ist die allmählich erfolgende Trennung des Lungenkreislaufs vom Körperkreislauf dagegen lebensbedrohlich. Die unterentwickelte Seite des linken Herzens kann die nötige Pumpleistung nicht aufbringen.
Das Herz-Kreislauf-System des Menschen bei gesundem Herzen © LuckySoul | AdobeStock
Der erste Eingriff im Rahmen der Norwood-Operation ist daher bereits in den ersten Lebenstagen notwendig. Der Herzchirurg schafft dann eine künstliche Verbindung zwischen Lungen- und Körperkreislauf.
Der Chirurg arbeitet am nichtschlagenden Herzen. Er rekonstruiert zunächst das verkümmerte Teilstück der Aorta einschließlich des Aortenbogens. Zusätzlich schafft er eine künstliche Verbindung zwischen Aorta und Lungenschlagader (Arteria pulmonalis).
Die bei Geburt noch vorhandene natürliche Verbindung zwischen den beiden Blutkreisläufen legt der Herzchirurg still. Darüber hinaus entfernt er die Scheidewand (Septum) zwischen den beiden Vorhöfen.
Nun übernimmt die rechte Herzkammer die Pumpleistung für den Lungen- und den Körperkreislauf.
Allerdings vermischen sich noch das sauerstoffreiche Blut aus den Lungen mit dem „verbrauchten“, kohlendioxidreichen Blut aus dem gesamten Körper. Die Kinder neigen deshalb aufgrund der suboptimalen Versorgung mit Sauerstoff unter einer violett-bläulichen Verfärbung
- der Haut,
- der Lippen und
- der Schleimhäute (Cyanose).
In der zweiten Stufe der Norwood-Operation entlastet der Herzchirurg die rechte Herzkammer.
Auch die zweite Stufe der Norwood-Operation führt der Herzchirurg am offenen, nichtschlagenden Herzen durch. Er durchtrennt die obere Hohlvene und verbindet sie direkt mit der Lungenarterie (sogenannte Hemi-Fontan oder Glenn-Anastomose).
Die in der ersten Stufe implantierte Verbindung zwischen Aorta und der Lungenschlagader entfernt er wieder.
Danach setzt er in die rechte Herzkammer einen Patch (Flicken) ein. Dieser verhindert, dass sauerstoffarmes Blut aus dem unteren Körper unkontrolliert in die Lunge gelangt.
Die Operation entlastet ein Stück weit die rechte Herzkammer. Allerdings vermischt sich immer noch sauerstoffarmes Blut über die untere Hohlvene mit sauerstoffreichem Blut aus der Lunge. Die Sauerstoffversorgung ist deshalb immer noch nicht optimal.
Der letzte Eingriff sorgt für eine vollständige Trennung zwischen sauerstoffreichem und sauerstoffarmem Blut.
In einigen Spezialkliniken führen Herzchirurgen die dritte und abschließende Stufe der Norwood-Operation ohne Einsatz der Herz-Lungen-Maschine durch.
Der Chirurg verbindet nun auch die untere Hohlvene mit der Lungenschlagader. Nun kann sich das verbrauchte, kohlenstoffdioxidreiche Blut nicht mehr mit sauerstoffreichem Blut vermischen.
Der Unterschied zum Normalherzen besteht darin, dass die rechte Herzkammer die Funktion der linken Herzkammer übernimmt. Es pumpt sauerstoffreiches Blut aus der Lunge direkt in die Aorta. Das sauerstoffarme Blut aus dem oberen und unteren Körper gelangt direkt ohne Druck in die Lungenarterien. Das gesunde Herz pumpt das Blut aus der rechten Herzkammer zur Lunge. Nach der Norwood-Operation ist kein Pumpen notwendig.
Über die Lebenserwartung Betroffener lässt sich noch keine belastbare Aussage treffen. Das Operationsverfahren wird erst seit knapp 30 Jahren angewendet.
Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass Betroffene ein (fast) normales Leben führen können. Breitensport ohne körperliche Höchstleistungen ist möglich. Vieles spricht dafür, dass die Patienten eine normale Lebenserwartung haben.