Divertikelbildung – unerwünschte Ausstülpungen: Experteninterview mit Prof. Ehehalt

24.10.2023

Professor Dr. med. Robert Ehehalt ist ein renommierter Gastroenterologe und Experte auf dem Gebiet der Magen-Darm-Heilkunde. In seiner Praxis für Gastroenterologie in Heidelberg bietet er eine breite Palette von Dienstleistungen an, von der Krebsvorsorge bis zur Behandlung komplexer Magen-Darm-Erkrankungen. Die Praxis für Gastroenterologie in Heidelberg ist durch den Berufsverband Niedergelassener Gastroenterologen Deutschland als Schwerpunktpraxis im Bereich chronisch entzündlicher Darmerkrankungen (CED) zertifiziert.

Neben seiner Tätigkeit in der Praxis engagiert sich Prof. Dr. Ehehalt auch in der medizinischen Ausbildung. Als außerplanmäßiger Professor für Innere Medizin an der Universität Heidelberg gibt er sein Wissen an angehende Mediziner weiter. Darüber hinaus ist er international vernetzt und hält Vorträge vor erfahrenen Kollegen in seinem Fachgebiet.

Eine besondere Stärke von Prof. Dr. Ehehalt liegt in der Endoskopie, einer wichtigen Methode zur Untersuchung des Magen-Darm-Trakts. Diese nicht-invasive Technik ermöglicht es ihm, den gesamten Verdauungstrakt in Echtzeit zu untersuchen und frühzeitig auffällige Veränderungen zu erkennen. Mit dieser Methode kann er auch Polypen entfernen, was die Entwicklung von bösartigen Tumoren verhindern kann. Ein weiterer Schwerpunkt seiner Arbeit ist die Ernährungsmedizin und -beratung, die eine zusätzliche Unterstützung zur ärztlichen Behandlung bietet.

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Die Redaktion des Leading Medicine Guide hat die Gelegenheit wahrgenommen, um mit Prof. Dr. Ehehalt über Divertikelbildung zu sprechen.

Divertikel sind kleine, sackartige Ausstülpungen oder Beulen, die sich in der Wand des Verdauungstrakts, insbesondere im Dickdarm, bilden können. Sie sind häufig und treten oft im späteren Lebensalter auf. „Das vermehrte Auftreten von Divertikeln im Darm, auch als Divertikulose bezeichnet, ist in den meisten Fällen asymptomatisch und wird oft zufällig bei Untersuchungen wie einer Darmspiegelung (Koloskopie) entdeckt. Die meisten Menschen mit Divertikeln erfahren keine Probleme oder Symptome. In einigen Fällen (ca. 20%) können jedoch Beschwerden auftreten“, erklärt Prof. Dr. Ehehalt zu Beginn unseres Gesprächs. 

Von einer Divertikulitis spricht man, wenn sich eines der Divertikel entzündet oder infiziert. Dies kann zu Symptomen wie Bauchschmerzen, Fieber, Übelkeit und Veränderungen im Stuhlgang führen. In schweren Fällen kann es zu Abszessen, Darmverschlüssen oder Perforationen kommen, die eine dringende medizinische Behandlung erfordern. „Die genaue Ursache der Divertikelbildung ist nicht vollständig geklärt, aber es wird angenommen, dass durch den Druck im Darminnenraum Stellen in der Darmwand, welche angeboren etwas dünner sind, herausgedrückt werden. Im Grunde ist es wie eine Faltenbildung. Eine ballaststoffreiche Ernährung und ausreichende Flüssigkeitszufuhr werden oft empfohlen, um Komplikationen von Divertikeln zu verhindern oder zu reduzieren. Früher hat man angenommen, dass z.B. Kerne von Tomaten, Nüsse oder Chili eine Komplikation fördern können. Das ist allerdings mittlerweile überholt. Es ist stattdessen empfohlen, eine gesunde Mischkost auch mit Lebensmitteln wie Vollkornprodukte, Obst, Gemüse zu sich zu nehmen, was auch Hülsenfrüchte und Nüsse beinhalten kann. Wichtig sind ein breit aufgestelltes Mikrobiom und ein normalkonsistenter, eher weicher Stuhlgang“, schildert Prof. Dr. Ehehalt. In einigen Fällen kann der Arzt auch Medikamente verschreiben, um Symptome zu lindern oder Entzündungen zu behandeln. Bei schwerwiegenderen Fällen kann eine Operation erforderlich sein.

Eine ballaststoffarme Ernährung kann die Entwicklung von Divertikeln fördern, da sie zu einer Verstopfung und erhöhtem Druck im Darm führen kann. „Eine gesunde und faserreiche Mischkost ist zu empfehlen. Liegt eine konkrete Entzündung vor, sollte die Ernährung allerdings eher faserarm sein“, konstatiert Prof. Dr. Ehehalt.


Bewegungsmangel und Übergewicht sind Risikofaktoren für eine Divertikulitis. Ein inaktiver Lebensstil kann zu Verdauungsproblemen und Verstopfung führen, was wiederum das Risiko für eine Divertikulitis erhöhen kann. Eine regelmäßige körperliche Aktivität und gesunde Gewichtskontrolle können dazu beitragen, diesen Risikofaktor zu minimieren. Zusätzlich können auch genetische Faktoren eine Rolle spielen, da eine vermehrte und frühere Divertikelausbildung in einigen Familien häufiger vorkommt als in anderen.


Die akute Divertikulitis äußert sich durch verschiedene Symptome und Anzeichen, die sich oft schwierig von anderen Bauchbeschwerden unterscheiden lassen. 

  • Bauchschmerzen: Die Schmerzen sind meist im linken Unterbauch lokalisiert, dort wo sich in der Regel die meisten Divertikel befinden, und können sehr intensiv sein. Sie können plötzlich auftreten und über Stunden oder Tage hinweg anhalten.
  • Fieber: Bei einer Divertikulitis ist Fieber (Körpertemperatur > 38,5°C) das Zeichen einer schwerwiegenden Entzündung. 
  • Veränderungen des Stuhlgangs: Patienten mit Divertikulitis können Veränderungen im Stuhlgang bemerken, wie beispielsweise Durchfall oder Verstopfung.
  • Übelkeit und Erbrechen: Manche Menschen mit akuter Divertikulitis leiden unter Übelkeit und Erbrechen, insbesondere wenn die Entzündung schwerwiegender ist.
  • Empfindlichkeit des Bauches: Der Bauch kann bei Berührung empfindlich oder schmerzhaft sein, insbesondere im Bereich des linken Unterbauchs. 
  • Blähungen: Blähungen und ein allgemeines Unwohlsein sind ebenfalls mögliche Anzeichen für eine Divertikulitis.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Symptome der Divertikulitis denen anderer Bauchbeschwerden ähneln können, wie beispielsweise bei einer akuten Blinddarmentzündung, einer Magen-Darm-Infektion oder einem Reizdarmsyndrom. „Bei starken Bauchschmerzen, Fieber oder anderen schweren Symptomen sollte umgehend medizinische Hilfe in Anspruch genommen werden, da dies auf eine schwerwiegende Erkrankung hinweisen kann“, empfiehlt Prof. Dr. Ehehalt.

Die Diagnose einer Divertikulitis erfolgt in der Regel durch eine Kombination aus klinischer Untersuchung und verschiedenen diagnostischen Verfahren. 

Der Arzt beginnt oft mit einer gründlichen Befragung des Patienten zur Krankengeschichte und den auftretenden Symptomen. Während der körperlichen Untersuchung kann er den Bauch abtasten, um festzustellen, ob Schmerzen oder Empfindlichkeiten insbesondere im Bereich des linken Unterbauchs auftreten. Eine Blutuntersuchung kann erhöhte Entzündungsmarker wie C-reaktives Protein (CRP) und eine erhöhte Anzahl weißer Blutkörperchen (Leukozytose) zeigen, was auf eine Entzündung hinweist.

Um die Diagnose zu bestätigen und den Schweregrad der Divertikulitis zu beurteilen, können bildgebende Verfahren eingesetzt. 

  • Computertomographie (CT): Ein CT-Scan kann Entzündungen, Abszesse, Darmperforationen und andere Veränderungen im Bauchraum genau darstellen.
  • Ultraschall: Ein Ultraschall kann zur Untersuchung des Bauchraums eingesetzt werden und ist insbesondere bei schwangeren Patientinnen und jungen Patienten eine Option. Im Ultraschall lassen sich entzündete Darmschlinge sehr gut erkennen.
  • Endoskopie: In einigen Fällen kann eine Endoskopie, wie eine Koloskopie oder eine flexible Sigmoidoskopie, durchgeführt werden, um andere Erkrankungen auszuschließen und die Diagnose einer Divertikelkrankheit zu bestätigen. Eine Endoskopie sollte allerdings nicht zum Zeitpunkt einer aktiven Divertikulitis erfolgen, da dann eine hohe Verletzungsgefahr des Darms besteht.

In schwereren Fällen, insbesondere wenn Komplikationen wie Abszesse oder Darmperforationen auftreten, kann eine Krankenhauseinweisung und eine intensivere Behandlung erforderlich sein. Das `Worse Case Szenario´ ist, wenn eine spontane Perforation oder ein Darmriss stattfindet. Die Darmwand ist dünn, und im schlimmsten Fall entsteht ein Loch in der Darmwand. Bei schwerwiegenden Fällen ist dann ein operativer Eingriff nötig“, macht Prof. Dr. Ehehalt deutlich.

Die Rolle von Antibiotika bei der Behandlung von Divertikulitis ist unumstritten. 

Auch in milden Fällen können Antibiotika verschrieben werden, um eine Entzündung frühzeitig in Schach zu halten. Allerdings ist das nicht immer notwendig und muss sorgsam von Fall zu Fall abgewogen werden. In schwereren Fällen, insbesondere wenn Komplikationen auftreten, sind Antibiotika aber unerlässlich, um lebensbedrohliche Komplikationen zu verhindern. Die genaue Therapie hängt von der individuellen Situation des Patienten und dem Urteil des behandelnden Arztes ab. Statt Antibiotika zu verabreichen, kann in einigen Fällen eine Behandlung mit Diätänderungen, Stuhlregulation mit Quellmitteln oder komplexen Zuckermolekülen und ggf. auch Schmerzmitteln oder Spasmolytika ausreichen“ wägt Prof. Dr. Ehehalt ab.


Divertikel Prophylaxe

Ein hoher Konsum von fettreichen und fleischlastigen Mahlzeiten kann das Risiko einer Divertikelerkrankung erhöhen. Eine ausgewogene Ernährung mit Gemüse, magerem Fleisch und gesunden Fetten ist ratsam. 

Der Konsum von Alkohol und koffeinhaltigen Getränken sollte in vernünftigen erfolgen, da sie die Darmbewegung beeinflussen können.

Auch Stress kann sich negativ auf die Verdauung auswirken. Techniken zur Stressbewältigung wie Entspannungsübungen, Meditation oder Yoga können hilfreich sein. 

Das Rauchen kann das Risiko für Divertikulitis erhöhen. Raucher sollten auch deshalb in Erwägung ziehen, mit dem Rauchen aufzuhören. 

Übergewicht kann das Risiko für eine Divertikulitis erhöhen. Eine gesunde Gewichtsreduktion und -erhaltung können vorteilhaft sein.


In manchen Fällen breitet sich die Entzündung nahe einem Divertikel aus und führt zur Bildung eines Abszesses, einer Ansammlung von Eiter im entzündlichen Gewebe. Neben einer antibiotischen Therapie kann dann zur Behandlung auch ein chirurgischer Eingriff notwendig sein. Divertikel können auch die Bildung von Fisteln verursachen, ungewöhnliche Verbindungen zwischen dem Darm und anderen Organen oder Geweben, wie der Blase oder der Haut, die dann chirurgische Korrekturen erfordern“, so der Gastroenterologe Prof. Dr. Ehehalt. In schwerwiegenden Fällen kann eine Divertikulitis sogar zu einem passageren Darmverschluss führen, was schwere Symptome wie Erbrechen, Bauchschmerzen und Blähungen auslöst. Ein Darmverschluss ist ein medizinischer Notfall, der sofort ärztliche Hilfe erfordert.

Die Vermeidung von Komplikationen bei Divertikulitis bedarf vor allem einer rechtzeitigen Diagnose und angemessenen Behandlung. Sobald eine Divertikulitis diagnostiziert wird, sollte die empfohlene Behandlung auch befolgt werden“, empfiehlt Prof. Dr. Ehehalt und schließt damit unser Gespräch.

Professor Dr. Ehehalt, herzlichen Dank für die wertvollen Hinweise zum Thema „Divertikel“!

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