Dr. Patrick Stark: „Ein Eingriff an der Aorta – das ist kein Spaziergang!"

29.06.2022
Claudia Dechamps
Redakteurin

Als Leiter der Klinik für Gefäßchirurgie am Katholischen Klinikum Koblenz Montabaur hat sich Dr. med. Patrick Stark den Ruf erworben, bei der Behandlung von Aortenaneurysmen zu den absoluten Spezialisten zu zählen. Er ist Facharzt für Gefäßchirurgie, Allgemein-, Viszeral- und Spezielle Viszeralchirurgie mit der Zusatzbezeichnung „Endovaskulärer Chirurg“ – das heißt, er beherrscht auch die seltene Kunst, innerhalb der Gefäße zu operieren. Im Katholischen Klinikum Koblenz steht Dr. Stark eine apparative Ausstattung im High-End-Segment zur Verfügung. Der Leading Medicine Guide sprach mit dem Spezialisten über eines seiner Spezialgebiete: Aneurysmen der Bauchschlagader – und über Menschen, die mit einer tickenden Zeitbombe im Bauch durchs Leben gehen. Denn so ist ein Aneurysma der Aorta von der Gefahr her einzuordnen.

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Leading Medicine Guide: Wie bemerkt man ein Aneurysma der Bauchschlagader oder Aorta – wie die Mediziner diese Hauptschlagader nennen?

Dr. med. Patrick Stark: Das bemerkt man nicht, es gibt keine Anzeichen dafür. Ein Aneurysma, eine Aussackung an der Bauchschlagader, ist leider eine sehr heimtückische Erkrankung und manchmal wird sie erst festgestellt, wenn es schon zu spät ist. Zu spät, das bedeutet, die Aorta ist an der Aussackung eingerissen und blutet in den Bauchraum hinein, das betrifft etwa ein Drittel aller Patientinnen und Patienten. Das ist dann allerdings der schlimmste Fall. Zwei Drittel der Aneurysmen der Bauchschlagader bluten bei einem Riss in das Gewebe hinter dem Bauchraum. Dadurch kann sich die Blutung selbst limitieren. Aber auch diese Patienten haben nur eine 50-prozentige Chance zu überleben, falls sie die Klinik lebend erreichen.

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Leading Medicine Guide: Gibt es im akuten Fall bestimmte Symptome für ein geplatztes Aneurysma der Aorta?

Dr. med. Patrick Stark: Die Betroffenen haben plötzlich stärkste Schmerzen, es ist ein ganz spitzer Schmerz. Dazu kommt ein Kreislaufversagen bis hin zum Schock, höchste Zeit, dann den Notarzt zu rufen. Der fährt dann mit dem „akuten Bauch“ unsere Bauch- und Gefäßchirurgie an, die Patienten kommen sofort in den Schockraum und dort im Ultraschall können wir schnell sehen, was los ist. Wenn der Patient kreislaufstabil sein sollte, lasse ich zusätzlich ein CT machen. Nach den Bildern entscheide ich, ob ich minimal-invasiv vorgehe oder eine offene OP ansetze.

Leading Medicine Guide: Trotzdem gibt es Menschen, die leben dauerhaft mit einem Aneurysma der Aorta. Können Sie uns das erklären?

Dr. med. Patrick Stark: Die allermeisten Aneurysmen werden per Zufall entdeckt. Oft ist es der Urologe, der beim Schallen der Blase einen kleinen Schwenk zur Aorta macht und dann Veränderungen feststellt. Von Aneurysmen der Aorta sind hauptsächlich Männer zwischen 60 und 70 Jahren betroffen, auf sechs bis sieben Männer kommt nur eine Frau. Wenn das Aneurysma unter 5,5 Zentimeter groß ist und nicht mehr als einen halben Zentimeter im halben Jahr zunimmt, dann wird nichts unternommen – außer regelmäßige Kontrollen.

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Leading Medicine Guide: Das klingt aber schon so, als habe man eine tickende Zeitbombe im Bauch. Woher kommt diese Sicherheit der Mediziner, nichts zu unternehmen, sondern Größe und Umfang zu überwachen?

Dr. med. Patrick Stark: Der Vergleich mit der Zeitbombe stimmt natürlich ein wenig, aber es gibt viele und umfangreiche Studien zur Gefährdung durch ein Aneurysma. Und man muss sich natürlich auch vergegenwärtigen, so ein Eingriff an der Hauptschlagader – das ist kein Spaziergang. Die Patientinnen oder Patienten sind nicht mehr jung, selten sind sie ganz gesund und deshalb möchte man als Chirurg nur eingreifen, wenn wirklich Gefahr im Verzug ist. Aber natürlich gibt es Menschen, die können mit der psychischen Belastung einfach nicht leben. Da habe ich auch gelegentlich – entgegen den medizinischen Leitlinien der Fachgesellschaft, die für uns Ärzte so eine Art Richtschnur sind – eine Operation angesetzt. In jedem Fall müssen natürlich im Vorfeld umfangreiche Untersuchungen stattfinden, wie Herzecho, Test der Lungenfunktion, Prüfung der Halsschlagader, manchmal sogar ein Herzkatheter.

Leading Medicine Guide: Wie gehen Sie bei der Operation vor? Welches Verfahren wird angewendet?

Dr. med. Patrick Stark: Bei etwa siebzig Prozent der Aortenversorgungen gehen wir endovaskulär vor. Das bedeutet, wir entscheiden uns für einen minimal-invasiven Eingriff. Wir setzen einen kleinen Schnitt an der Leiste, erreichen die Hauptschlagader und schieben die Prothese, die die Aortenwand von innen verstärken soll, in der Ader langsam vor bis zu der ausgesackten Stelle. Die endovaskuläre Aneurysma-Operation ist seit den 1990er-Jahren als Alternative zur offenen Operation stetig weiterentwickelt worden. Sie belastet den Patienten viel weniger, aber wie jede OP-Methode hat sie natürlich auch ihre Nachteile. Gerade, wenn wir jüngere Patienten haben, bei denen die Prothesen 20 bis 30 Jahre halten sollen, dann können mehrere Eingriffe im Laufe der Zeit notwendig werden.

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Minimal-invasive Stent-OP bei einem Aortenaneurysma © bilderzwerg | AdobeStock

Leading Medicine Guide: Bei der minimal-invasiven Operation arbeiten Sie innen im Gefäß und legen eine Prothese ein, die die Innenwände stabilisiert. Was machen Sie bei der offenen Aorta-Operation?

Dr. med. Patrick Stark: Bei der offenen Aneurysma-Ausschaltung gehen wir von außen an das Gefäß heran, das heißt, wir eröffnen den Bauchraum. Wenn das Aneurysma minimal-invasiv durch Engstellen in der Beckenschlagader nicht zu erreichen ist, oder die Lage des Aneurysmas, z. B. in Bezug zu den Nierenarterien, dieses Verfahren nicht erlaubt, ist die offene Operation angezeigt. Dann ersetze ich ein Stück der Aorta mit einer Prothese. Das hört sich jetzt ziemlich einfach an, aber die Aorta ist von einem dichten Nervengeflecht überzogen und da muss ich als Chirurg dran und das durchtrennen. Das wiederum kann erektile Dysfunktionen zur Folge haben. Dazu muss man umfassend aufklären.

Leading Medicine Guide: Wie gehen Sie vor, um sich ein genaues Bild des Aneurysmas zu machen?

Dr. med. Patrick Stark: Zur Diagnose erstellen wir ein umfangreiches CT, ein Dünnschicht-CT, das in Millimeter- oder in 0,5-Millimeter-Schritten Bilder macht. Auf diese Weise wird die Aorta genauestens vermessen.

Leading Medicine Guide: Was gibt es in der Aortenversorgung an medizintechnischen Neuerungen?

Dr. med. Patrick Stark: Die Materialien werden immer weiterentwickelt, inzwischen sind sie viel gleitfähiger. Heute können wir bei ausgedehnten Aneurysmen sogar ganz individuelle Prothesen herstellen lassen, die maßgeschneidert auf die Patientin oder den Patienten passen, ein Unikat.

Leading Medicine Guide: Nun haben Sie eine umfangreiche Expertise auf dem Gebiet der Aortenversorgung. Gibt es trotzdem noch Fälle, die Ihnen sozusagen Kopfzerbrechen bereiten?

Dr. med. Patrick Stark: Vor einer Operation diskutieren wir immer mit vielen Fachärzten den Fall. Gefäßchirurgie ist Teamarbeit, Entscheidungen werden in meiner Klinik immer im Team vorbereitet und besprochen. Bei schwierigen und komplexen Operationsindikationen spielen wir das Thema auch schon mal mehrere Tage durch und entwickeln so die OP-Strategie. Und – das ist meine Erfahrung – man muss immer einen Plan B und auch C im Kopf haben, denn während der OP können sich plötzlich Dinge auftun, die ein rasches Umdenken erforderlich machen. Darauf muss man als Operationsteam vorbereitet sein.

Stark2.jpgLeading Medicine Guide: Wie lange dauern Ihre Operationen im Schnitt?

Dr. med. Patrick Stark: Ein komplexer endovaskulärer Eingriff kann sich schon gut über dreieinhalb bis vier Stunden hinziehen, eine offene OP dauert meist zwischen eineinhalb und zwei Stunden. Aber ich hatte jetzt zuletzt auch eine Patientin, da war das OP-Feld sehr verwachsen und ich musste sie schon zum dritten Mal operieren – da hat das Ganze gut neun Stunden gedauert. Da brauche ich schon Kondition, das schlaucht. Doch während der Arbeit merkt man das nicht, erst nachher kommt der Erholungsbedarf. Oft setzen wir auch zwei Teams ein, die können dann an zwei Stellen zur gleichen Zeit arbeiten. So können wir schneller sein, das verkürzt die OP-Zeiten und ist besser für die Patientin oder den Patienten.

Stark1.jpgLeading Medicine Guide: Ihr Beruf ist herausfordernd und sehr vielfältig – was mögen Sie am liebsten an Ihrer Arbeit?

Dr. med. Patrick Stark: Das ist eine ganze Menge. Ich habe einfach Freude daran, mit Menschen zu arbeiten. Ich liebe die Arbeit im Team, das ist mir außerordentlich wichtig und macht mir viel Spaß. Hier an der Klinik habe ich wirklich gute Teams. Und dann mag ich das handwerkliche Arbeiten, das ist jedes Mal eine Herausforderung, die ich gerne annehme. Und der Mix macht es für mich. Ich bin nicht nur im OP, ich bin auch auf der Station, kümmere mich dort um die Kranken. Ich habe die Sprechstunden, wo ich mich meinen Patientinnen und Patienten widmen kann. Nicht zuletzt netzwerke ich sehr gern mit anderen Kollegen. Der Austausch gibt neue Impulse, erweitert den Horizont.

Herr Dr. Stark, wir bedanken uns für das interessante Gespräch und den Einblick in Ihr Fachgebiet!

Direkter Kontakt mit unserem Spezialisten kann auf seiner Profilseite des Leading Medicine Guide aufgenommen werden.

 

 

 

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