Das Glioblastom: Herausforderungen, Therapien und Hoffnungsschimmer - Experteninterview mit Prof. Gousias

04.12.2023

Professor Dr. Dr. med. Konstantinos Gousias ist zweifellos eine herausragende Persönlichkeit im Bereich der Neurochirurgie und eine Bereicherung für das Klinikum St. Marien Hospital in Lünen, Nordrhein-Westfalen. Seine beeindruckende berufliche Laufbahn und sein unermüdliches Engagement für seine Patienten zeichnen ihn als einen der führenden Experten auf seinem Fachgebiet aus. Mit einer umfangreichen medizinischen Ausbildung und einer beeindruckenden Karriere, einschließlich leitender Positionen in renommierten Tumor- und Wirbelsäulenzentren, bringt Prof. Dr. Dr. Gousias ein unübertroffenes Maß an Fachwissen und Erfahrung in die Patientenversorgung ein. Seine ständige Vertretung in deutschen und internationalen Kommissionen und Advisory Boards unterstreicht seine herausragende Expertise. Eine bemerkenswerte Spezialisierung auf die Chirurgie von Hirn- und Rückenmarkstumoren, Schädelbasischirurgie und komplexe Wirbelsäuleneingriffe macht Prof. Dr. Dr. Gousias zu einem begehrten Fachmann auf diesem Gebiet.

Die hochmodernen neurochirurgischen OP-Säle in Lünen ermöglichen seinem Team die Durchführung innovativer minimal invasiver Verfahren, was zweifellos das Leben seiner Patienten bereichert. Eine der größten Stärken des Klinikums in Lünen ist zweifellos das interdisziplinäre Neurozentrum INZ, das eine enge Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Fachabteilungen ermöglicht. Dies gewährleistet eine präzise und umfassende Versorgung von Patienten mit neurologischen und neurochirurgischen Erkrankungen rund um die Uhr. Eine präzise und individuelle Betreuung ist von größter Bedeutung, und dies ist ein Grundpfeiler von Prof. Dr. Dr. Gousias' Behandlungsphilosophie. Er und sein Team nehmen sich die Zeit, um jeden Patienten gründlich zu untersuchen, die Diagnose zu stellen und gemeinsam mit dem Patienten einen maßgeschneiderten Behandlungsplan zu erstellen.

Darüber hinaus ist Prof. Dr. Dr. Gousias nicht nur in der klinischen Praxis, sondern auch in der Forschung und Lehre äußerst aktiv. Seine zahlreichen wissenschaftlichen Veröffentlichungen und die Einbindung in renommierte Fachzeitschriften unterstreichen sein Engagement für die Weiterentwicklung der medizinischen Versorgung. Prof. Dr. Dr. Gousias ist durch die Deutsche Neurochirurgische Akademie sowie die Deutsche und Europäische Wirbelsäulengesellschaft im Bereich der Neurochirurgischen Onkologie und Wirbelsäulenchirurgie zertifiziert. Diese Zertifikate belegen seine fachliche Kompetenz, Expertise und Erfahrung in der Betreuung von Neurochirurgischen Patienten. Die Redaktion des Leading Medicine Guide sprach mit ihm speziell zum Thema Glioblastom – eine besonders aggressive Form des Gehirntumors.

Clin. Professor Dr. med. Dr. Konstantinos Gousias

Glioblastome sind eine der tückischsten Formen von Hirntumoren, die sowohl medizinische Fachleute als auch Patienten vor immense Herausforderungen stellen. Diese hochaggressiven Tumore im Gehirn sind bekannt für ihre schnelle Progression und die Schwierigkeit, sie zu behandeln. Ihre komplexen Eigenschaften und ihre Infiltration in das umliegende Gewebe machen sie zu einer besonderen medizinischen Herausforderung. Die Prognose ist oft düster, aber in der Wissenschaft und Forschung gibt es ständige Anstrengungen, um bessere Therapien und Behandlungen zu entwickeln, die die Überlebensrate und Lebensqualität der Betroffenen verbessern könnten.

Die genauen Ursachen der Entstehung von Glioblastomen sind nicht vollständig verstanden. 

Die Zahl der Neuerkrankungen an Glioblastomen, die in einem Jahr pro 100.000 Menschen auftreten, beträgt 4-5 Menschen. Das Risiko für Glioblastome steigt in jedem Fall mit dem Alter, und sie treten meist im Alter zwischen 55-65 Jahren auf. Es gibt wenig etablierte Risikofaktoren. Strahlung, insbesondere ionisierende Strahlung, wurde als ein potenzieller Risikofaktor für die Entstehung von Hirntumoren wie Glioblastomen identifiziert. Menschen, die bestimmten Strahlungsquellen wie ionisierender Strahlung beruflich oder medizinisch, wie bei einer Strahlentherapie zur Krebsbehandlung, ausgesetzt waren, können ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung dieser Art von Tumoren haben. Dann gibt es noch die genetische Veranlagung, etwas in Form einer Neurofibromatose, eine genetische Erkrankung, die das Nervensystem betrifft. Diese Risikofaktoren treffen allerdings auf die meisten Patienten gar nicht zu. 

Aktuell beschäftigt man sich ursächlich mit der familiären Prädisponierung, also die Neigung einer Familie oder bestimmter Familienmitglieder, eine bestimmte Erkrankung oder Störung zu entwickeln. Diese Neigung wird durch genetische Faktoren beeinflusst und kann dazu führen, dass Familienmitglieder ein erhöhtes Risiko haben, eine bestimmte Krankheit zu bekommen, basierend auf genetischen Veranlagungen oder gemeinsamen Umweltfaktoren. Es wurden hierfür bereits mehr als 50 Gene identifiziert. Auch diese Ätiologie ist nur für ungefähr 4% der Fälle ursächlich. Daher bleibt die Ursache des Tumors für die überwiegende Mehrzahl der Patienten noch unklar. Im Falle, dass man unbedingt sein Erbgut analysieren möchte, um das Risiko für einen Gehirntumor zu errechnen, könnte es eventuell zu unangenehmen stressigen Situationen kommen. Wir können ja dann nicht alle zwei Monate testen, ob ein Tumor sich bildet oder nicht. Eine jährliche Kontrolle durch ein MRT ist da nicht ausreichend, denn ein Glioblastom wächst rasend schnell, bereits in zwei bis drei Monaten. In Laborarbeiten konnten wir feststellen, dass die Tumorzellen sich in 36-48 Stunden verdoppeln können. Der Tumor ist somit unglaublich aggressiv, wächst im Gehirn auch diffus mit einer unkontrollierten Zellteilung, wobei die bösartigen Zellen sich noch mehr teilen. Leider sind wir in der Prävention noch nicht fortgeschritten“, erklärt Prof. Dr. Dr. Gousias, was die Entstehung dieses bösartigen Tumors betrifft. Es gibt somit keine spezifischen Maßnahmen zur Verhinderung der Entstehung dieser Tumoren. Stattdessen konzentriert sich die Forschung darauf, bessere diagnostische Verfahren und Behandlungsoptionen zu entwickeln.


Ionisierende Strahlung ist eine Form von Strahlung, die genug Energie hat, um Elektronen von Atomen zu entfernen oder sie aus ihrer Bahn zu verschieben, wodurch Ionen entstehen. Sie umfasst verschiedene Arten von Strahlung, einschließlich Röntgenstrahlen, Gammastrahlen und energiereiche Teilchen wie Alpha- und Betastrahlung.


Die Diagnose eines Glioblastoms beinhaltet eine Reihe von Schritten und bildgebenden Verfahren. 

Der Tumor wird sehr selten als Zufallsbefund festgestellt. Denn der Betroffene hat in der Regel unterschiedliche neurologische Beschwerden, die meistens plötzlich auftreten und in ihrer Heftigkeit abhängig sind von der Größe und der Lokalisation des Tumors. Typische Beschwerden in Form von spezifischen Symptomen sind zum Beispiel epileptische Anfälle, auch Lähmungen oder Sehstörungen. Aber auch unspezifische Symptome sind denkbar wie Kopfschmerzen oder Schwindel. Natürlich sollte man jetzt nicht panisch werden, wenn man mal Kopfschmerzen entwickelt! Zur Diagnose werden bildgebende Verfahren wie ein CT oder eine Kernspintomografie angewendet. Die letzte ist die Diagnostik der Wahl. Hier kann dann der Verdacht auf ein Glioblastom festgemacht werden. Die endgültige Diagnose wird dann durch die histologische und molekulare Untersuchung ausgesprochen. Das heißt, der Patient wird operiert, da der Tumor ja in jedem Fall entfernt werden muss. Das entnommene Präparat wird dann untersucht, und erst dann kann sicher festgestellt werden, ob es sich um ein Glioblastom handelt“, erläutert Prof. Dr. Dr. Gousias.

Die Diagnose eines Gehirntumors, insbesondere eines Glioblastoms, ist für Ärzte und Mediziner äußerst herausfordernd. 

Es ist eine emotionale und ethische Belastung, einem Patienten eine solch schwerwiegende und potenziell lebensbedrohliche Diagnose mitteilen zu müssen. Es erfordert viel Einfühlungsvermögen, Sensibilität und ein hohes Maß an Kommunikationsfähigkeit, um diese Nachricht angemessen zu übermitteln. Prof. Dr. Dr. Gousias schildert den vorsichtigen Umgang: „Als Arzt braucht man hier ein hohes Maß an Erfahrung. Der Patient und die Familie des Patienten wissen, dass da etwas im Kopf wächst, was da nicht hingehört. Es besteht vor der Operation ja nur der Verdacht auf ein Glioblastom. Die finale Diagnose erfolgt erst 2-3 Tage nach der Operation. Durch die Operation ist aber schon einmal der erste Kampf gewonnen. Schließlich ist der Tumor entfernt. Dann kann gemeinsam mit dem Patienten, der Familie und den Arztkollegen besprochen werden, wie der weitere Kampf geplant werden kann, insofern bleibt das Gespräch positiv. Ein Vertrauensklima muss hergestellt werden, und der Patient muss wissen, dass der behandelnde Arzt immer zur Verfügung steht“. Die Diagnose und Klassifizierung von Glioblastomen sind also sehr komplex, und die genaue Behandlungsplanung hängt von verschiedenen Faktoren ab, einschließlich des Tumorgrades und des allgemeinen Gesundheitszustands des Patienten. Die Zusammenarbeit zwischen Neurochirurgen, Onkologen und anderen Spezialisten ist entscheidend, um eine geeignete Therapie zu entwickeln.

Die wichtigsten Behandlungsmöglichkeiten für Patienten mit Glioblastomen.

Die Entfernung des Tumors durch eine Operation ist fast immer der erste Schritt in der Behandlung von Glioblastomen. Das Ziel ist die Entfernung so vieler Tumorzellen wie möglich, ohne dabei gesundes Hirngewebe zu beeinträchtigen. In einigen Fällen ist jedoch eine vollständige Entfernung nicht möglich, da Glioblastome infiltrativ in das umliegende Gewebe wachsen. „Wenn erst einmal der Verdacht auf ein Glioblastom gestellt ist, dann wollen wir zeitnah die Operation durchführen, meist 2-3 Tage später, nachdem ein Verdacht ausgesprochen wurde. Wir brauchen dafür eine gute Vorbereitung, das heißt, sehr viele Bilddaten und zwar nicht nur vom Tumor selbst, sondern auch der anderen Regionen, der Fasern und der Nervenbahnverläufe im Kopf, damit wir die genaue Lokalisation des Tumors ausmachen können und seine Relevanz für die Hirnfunktionen. Denn dies ist wichtig für die Operationstechnik, für die ganze Vorgehensweise. Es gibt zum Beispiel die oberflächlich lokalisierten Tumore, die einfach komplett radikal entfernt werden können. Und dann gibt es die, die in der Nähe der Motorik und der Sprache liegen. Die können wir nicht einfach so entfernen. Aber im Rahmen einer Wach-Operation können kritische Hirnregionen ausgemacht werden, so dass die beste Resektion stattfinden kann“, so Prof. Dr. Dr. Gousias.

Die Auswahl der optimalen Therapie hängt von der individuellen Situation des Patienten und den Empfehlungen des Behandlungsteams ab. Die Kombination von Chirurgie, Strahlentherapie und Chemotherapie ist die Standardbehandlung für Glioblastome, aber es können auch andere Therapieoptionen in Betracht gezogen werden. Es ist wichtig, mit dem medizinischen Team zusammenzuarbeiten, um eine individuell angepasste Therapie zu entwickeln und die neuesten Forschungsergebnisse und klinischen Studien in Betracht zu ziehen.

Die Glioblastomforschung konzentriert sich auf verschiedene Aspekte.

Die Identifizierung von genetischen Veränderungen und molekularen Markern in Glioblastomen hat dazu beigetragen, das Verständnis der Krankheit zu vertiefen und mögliche gezielte Therapieansätze zu entwickeln. Die Forschung im Bereich der Immuntherapie und zielgerichteten Therapien für Glioblastome ist voll im Gange, und es werden neue Ansätze zur Behandlung entwickelt. Prof. Dr. Dr. Gousias zeigt sich hierbei optimistisch: „Es verhält sich so, dass nach einer Tumorresektion immer sogenannte Satellitentumorzellen zurückbleiben. Ziel ist es, diese zu binden und zu zerstören. Hierbei bin ich ein großer Fan der Immuntherapie, die darauf abzielt, das Immunsystem des Körpers zur Bekämpfung von Tumorzellen zu aktivieren. Das machen wir auch hier im Marien Hospital, auch gemeinsam mit Kollegen aus Düsseldorf, und verwenden hierfür die sogenannten dendritischen Zellen. Hierfür werden dem Patienten Zellen aus dem Blut entnommen, die dann im Labor mit Antigenen von seinem in unserem OP-Saal entfernten Tumor beladen werden. Diese werden dem Patienten dann wieder verabreicht, die dann die verbleibenden Tumorzellen im Körper bekämpfen“. 

Ein Glioblastom kann das Leben von Patienten und ihren Familien erheblich beeinflussen, da es sich um eine aggressive und lebensbedrohliche Form von Gehirntumor handelt. Die Auswirkungen sind vielfältig und können emotional, physisch, sozial und finanziell sein.

Glioblastome können neurologische Symptome verursachen, die die Mobilität, die Sprache, die Wahrnehmung und andere Funktionen beeinträchtigen. Patienten können mit Beeinträchtigungen und Nebenwirkungen von Behandlungen wie Müdigkeit, Übelkeit und Schmerzen konfrontiert sein. Auch ist die Diagnose eines Glioblastoms für Patienten und ihre Familien äußerst belastend. Die emotionale Belastung, die mit der Krankheit einhergeht, ist erheblich, und Angst, Depression und Trauer sind häufige Reaktionen. „Die psychische Stabilität des Patienten (und der Familie) ist erheblich belastet, und der Patient durchläuft verschiedene Phasen. Es gibt Zeiten, in denen er Angst hat und Zeiten in denen er wütend ist. Und der Patient hat natürlich immer Fragen. Die psychologisch-onkologische Therapie kann hier dazu beitragen, dass neue Perspektiven entwickelt werden. Ziel ist es, zu motivieren. Die Patienten geben an dieser Stelle nie auf, weil sie ja bis dahin schon viel geschafft haben. Zusammen sehen wir immer optimistisch in die Zukunft, da ja auch die Lebensqualität eine sehr große Rolle spielt, manchmal eine größere als die Lebenserwartung selbst“, erzählt Prof. Dr. Dr. Gousias.

Unterstützung von Psychologen, Sozialarbeitern oder Beratern kann Patienten und ihren Familien helfen, mit den emotionalen und sozialen Herausforderungen umzugehen, die mit der Erkrankung einhergehen. Selbsthilfegruppen bieten eine Möglichkeit für Betroffene, Erfahrungen auszutauschen, Unterstützung zu finden und sich mit Menschen in ähnlichen Situationen zu vernetzen. In fortgeschrittenen Stadien der Krankheit kann palliative Pflege und Hospizpflege die Lebensqualität verbessern und den Patienten und ihren Familien Unterstützung bieten. Die Unterstützung von Freunden und Angehörigen, eine offene Kommunikation mit dem medizinischen Team und der Zugang zu Informationen über die Erkrankung sind ebenfalls entscheidend. Jede individuelle Situation ist einzigartig, daher ist es wichtig, die Bedürfnisse und Vorlieben des Patienten und seiner Familie zu berücksichtigen, um die geeigneten Unterstützungsmöglichkeiten zu finden.

Ein Blick in die Zukunft.

Die Forschung schreitet mit großen Schritten voran und hat in den vergangenen Jahren zu erheblichen Verbesserungen in der erfolgreichen Behandlung auch von Gehirntumoren bewirkt. „Verbesserungen wünsche ich mir jeden Tag. Die Operationen laufen meistens gut, und wir haben viele sehr gute Instrumente, so dass wir auch den schwierigsten Tumor gut entfernen können. Aber nach einer Operation folgt die systemische Therapie in Form von Bestrahlung und/oder Chemotherapie. Das letzte Medikament, das hierfür etabliert wurde, kommt aus dem Jahr 2005. Wir brauchen definitiv eine neuere und effektivere systemische Therapie. Da bin ich aber sehr optimistisch, da die momentan noch als experimentell bezeichnete Immuntherapie ein vielversprechender Therapieansatz der Zukunft ist. Warum? Weil wir körpereigene Zellen nutzen und gezielt den Tumor bekämpfen können. Wir haben dadurch auch keine Probleme mit Toxizität. Ich selber forsche seit mehr als 20 Jahren in der Immunologie und bin da sehr optimistisch“.

Prof. Dr. Dr. Gousias verlässt Ende 2023 das Marien Hospital und geht zurück in seine Heimat, nach Griechenland. „In Athen werde ich Chefarzt in einer privaten akademischen Klinik und werde dort meinen Kampf gegen die Tumore fortsetzen!“, erklärt Prof. Dr. Dr. Gousias enthusiastisch und beendet damit unser Gespräch.


Prof. Dr. Dr. Gousias, Director Dept. of Neurosurgery

Athens Medical Center 

Distomou 5-7, Marousi

Athens, Greece

www.athensmedicalgroup.com

k.gousias@iatriko.gr


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