Prof. Dr. El Hindy im Experteninterview über Bandscheiben Prothetik

09.06.2025

Prof. Dr. med. Nicolai El Hindy ist Chefarzt der Klinik für Neurochirurgie und Wirbelsäulenchirurgie am St. Marien Hospital Lünen und zählt zu den führenden Spezialisten für moderne, hochpräzise Wirbelsäulenchirurgie in Deutschland. Als Facharzt für Neurochirurgie mit der Zusatzbezeichnung Spezielle Neurochirurgische Intensivmedizin verbindet er umfassende wissenschaftliche Expertise mit innovativer Technik und langjähriger klinischer Erfahrung. Einen besonderen Schwerpunkt setzt Prof. El Hindy auf die robotisch navigierte Wirbelsäulenchirurgie.

Mit dem Einsatz des hochmodernen Systems ExcelsiusGPS® gehört er zu den Pionieren dieses minimalinvasiven Verfahrens in Deutschland. Hierdurch werden Operationen noch präziser, sicherer und schonender für die Patienten. Auch im Bereich der Bandscheibenprothetik, bei der Beweglichkeit und Lebensqualität erhalten bleiben, setzt Prof. Dr. El Hindy moderne Maßstäbe. Neben seiner Spezialisierung auf Wirbelsäulenerkrankungen behandelt er ebenso komplexe Hirnpathologien wie Tumore, Gefäßfehlbildungen oder spontane Blutungen – stets mit einem patientenorientierten, individuell abgestimmten Ansatz.

Sein Engagement geht weit über den OP-Saal hinaus: Prof. Dr. El Hindy ist international als Referent gefragt, bildet Kollegen weltweit in der roboterassistierten Chirurgie aus und fördert aktiv den medizinischen Nachwuchs durch Forschungsprojekte und Fellowships. Er ist Mitglied renommierter Fachgesellschaften wie der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie und der Deutschen Wirbelsäulengesellschaft und bringt sein Wissen auch in internationale Netzwerke ein. Im St. Marien Hospital Lünen, einem Haus mit christlich geprägter Wertebasis, prägt Prof. Dr. El Hindy die Klinik durch eine Verbindung von Spitzenmedizin, sozialer Verantwortung und menschlicher Nähe.

Patienten profitieren hier von einer interdisziplinären, hochqualitativen Versorgung und der Innovationskraft eines Arztes, der medizinische Exzellenz konsequent mit persönlicher Zuwendung verbindet.

Um die natürliche Beweglichkeit der Wirbelsäule trotz Verschleiß von Bandscheiben zu erhalten, kann eine Bandscheibenprothetik eingesetzt werden – hierzu sprach die Redaktion des Leading Medicine Guide mit Prof. Dr. El Hindy.

St. Marien Hospital Lünen - Prof. El Hindy

Die Bandscheibenprothetik ist ein modernes Verfahren in der Wirbelsäulenchirurgie, das Patienten mit schweren Bandscheibenschäden eine wichtige Alternative zur klassischen Versteifungsoperation bietet. Ziel dieser innovativen Technik ist es, die natürliche Beweglichkeit der Wirbelsäule zu erhalten, Schmerzen zu lindern und die Lebensqualität nachhaltig zu verbessern. Durch den Einsatz einer künstlichen Bandscheibe wird die Funktion der verschlissenen oder geschädigten Bandscheibe ersetzt, sodass Patienten oft schneller mobilisiert werden können und langfristig weniger Folgeschäden an benachbarten Wirbelsäulenabschnitten riskieren. Besonders bei gut ausgewählten Patienten bietet die Bandscheibenprothetik eine wirkungsvolle Möglichkeit, die Wirbelsäule funktionell und anatomisch bestmöglich wiederherzustellen.

Typische Indikationen sind chronische Rückenschmerzen aufgrund eines isolierten Bandscheibenschadens – entweder im Bereich der Lenden- oder Halswirbelsäule –, bei gleichzeitig erhaltener Stabilität der umliegenden Wirbelsäulenstrukturen. 

„Bandscheibenprothesen kann man im Wesentlichen in zwei Bereiche unterteilen: in die Prothetik der Halswirbelsäule und der Lendenwirbelsäule. Diese Unterscheidung ist wichtig, weil beide Regionen unterschiedliche Anforderungen an die Beweglichkeit stellen – gerade im Halsbereich hat man natürlich eine hohe Beweglichkeit. Geeignet ist so eine Prothese eher für Patienten, bei denen der Verschleiß noch nicht zu weit fortgeschritten ist. Denn Verschleiß bedeutet ja immer auch eine Einschränkung der Beweglichkeit. Der Körper beginnt dann häufig, selbst zu versteifen – indem er zum Beispiel Knochen anlagert. Wenn das zu weit fortgeschritten ist, ist es schwer bis unmöglich, die Beweglichkeit durch eine Prothese wiederherzustellen. Grundsätzlich richtet sich die Prothetik eher an Patienten, die noch beweglich und aktiv sind. Das sind oft sportliche Menschen oder solche mit einem sehr aktiven Alltag – sei es beruflich oder privat. Da gehört einfach mehr dazu als nur die Bandscheibe selbst, nämlich auch Muskeln, Bänder, das gesamte System. Und genau das funktioniert bei diesen Patienten oft besonders gut“, erläutert Prof. Dr. El Hindy zu Beginn unseres Gesprächs und ergänzt zur Diagnostik:

„Die Bildgebung bei Patienten mit Verschleißerscheinungen folgt im Prinzip einem standardisierten Ablauf. Zunächst wird in der Regel ein MRT durchgeführt – das ist die wichtigste Methode, um überhaupt beurteilen zu können, welche Pathologie der Symptomatik zugrunde liegt. Ergänzend kommen sogenannte Funktionsaufnahmen zum Einsatz, was bei Verschleißleiden durchaus üblich ist. Dabei führt der Patient gezielte Bewegungen aus, etwa ein Vor- und Zurückneigen des Kopfes im Bereich der Halswirbelsäule oder ein Beugen und Strecken im Lendenwirbelsäulenbereich. Diese Bewegungen werden im seitlichen Röntgenbild festgehalten, um zu sehen, ob in dem Bereich, der eventuell operiert werden soll, überhaupt noch eine relevante Beweglichkeit vorhanden ist. Solche Aufnahmen liefern auch Hinweise darauf, ob eine Bandscheibenprothese infrage kommt – oder eher nicht. Ein Ausschlusskriterium ist zum Beispiel eine Instabilität der Wirbelsäule. Das lässt sich in den Funktionsaufnahmen erkennen. Wenn sich die Wirbelkörper beim Beugen und Strecken zwar bewegen, aber dabei stabil übereinander bleiben, ist das grundsätzlich ein gutes Zeichen. Wenn jedoch ein Wirbel über den anderen rutscht – etwa, wenn der dritte Lendenwirbel beim Vorbeugen deutlich über den vierten hinausgleitet – spricht das für eine Instabilität. In einem solchen Fall wäre eine Prothese nicht geeignet“.

Die Langzeitprognose nach einer Bandscheibenprothetik unterscheidet sich in mehreren wesentlichen Punkten von der klassischen Versteifungsoperation (Spondylodese). Grundsätzlich ist das Ziel der Bandscheibenprothetik, die Beweglichkeit des betroffenen Wirbelsäulenabschnitts zu erhalten, während die Spondylodese auf eine vollständige Versteifung des entsprechenden Wirbelsäulensegments abzielt.

Der zentrale Gedanke hinter dem Einsatz einer Bandscheibenprothese ist der Erhalt der Beweglichkeit. Genau das unterscheidet sie von einer Versteifungsoperation: Das betroffene Segment bleibt beweglich. Studien und klinische Erfahrungen zeigen, dass dieser Bewegungserhalt langfristig zu weniger Problemen in den angrenzenden Wirbelsäulenabschnitten führt – sogenannte Anschlusssegmentprobleme treten seltener auf. Die Beweglichkeit bleibt also nicht nur in dem erkrankten Segment selbst erhalten, sondern auch die benachbarten Bereiche werden geschont, da sie weniger kompensatorische Belastung übernehmen müssen. Natürlich schreitet der natürliche Verschleiß im Laufe des Lebens weiter fort – ganz aufhalten kann man ihn nicht. Eine Prothese greift jedoch weniger stark in das biomechanische System der Wirbelsäule ein als eine Versteifung. Versteifungsoperationen sind dennoch in manchen Fällen unumgänglich. Häufig wird ihnen ein negatives Image zugeschrieben, doch viele Patienten, etwa nach einer einzelnen Versteifung, merken im Alltag keinen nennenswerten Unterschied. Kritisch wird es meist nur bei sehr großen Versteifungen, die sich etwa von der Brustwirbelsäule bis zum Becken erstrecken. Das sind allerdings eher Ausnahmefälle. In vielen Fällen lassen sich mit einer Prothese gute Langzeitergebnisse erzielen – bei gleichzeitigem Erhalt eines natürlichen Bewegungsgefühls“, verdeutlicht Prof. Dr. El Hindy. 

implantierte zervikale Prothesen

Moderne Bandscheibenprothesen sind hochentwickelte Implantate, die speziell dafür entworfen wurden, die natürliche Funktion und Beweglichkeit der menschlichen Bandscheibe bestmöglich zu imitieren. Dabei spielen sowohl die Wahl der Materialien als auch die technische Konstruktion eine entscheidende Rolle für Haltbarkeit, Biokompatibilität und Beweglichkeit.

Prof. Dr. Hindy kommentiert dazu: „Bandscheibenprothesen bestehen aus Materialien, die sich bereits seit Jahrzehnten in der Endoprothetik – etwa bei Knie- oder Hüftgelenken – bewährt haben. Die Prothese setzt sich typischerweise aus zwei Titanplatten zusammen, die oben und unten im Wirbelkörper verankert werden. Titan eignet sich besonders gut, da es vom Knochen gut angenommen wird und stabil einwächst. Zwischen den Titanplatten liegt ein beweglicher Kern aus Polyethylen. Dieser Kern funktioniert ähnlich wie ein Kugelgelenk und ermöglicht die natürliche Beweglichkeit des Wirbelsäulensegments. Die Technik ist erprobt: Die aktuell verwendeten Prothesenmodelle sind seit rund 30 Jahren im Einsatz. In dieser Zeit wurden umfangreiche Langzeitstudien durchgeführt, die gute Ergebnisse belegen. Auch Haltbarkeitstests simulieren mehrere Jahrzehnte Nutzung – in der Regel sind die Implantate für mindestens 40 Jahre ausgelegt. In der Praxis zeigt sich, dass diese Haltbarkeit keine Theorie ist. So gibt es Patienten, die bereits seit 30 Jahren mit einer solchen Prothese leben – mit anhaltend guter Funktion und erhaltener Beweglichkeit im entsprechenden Segment. Die Bandscheibenprothese ist damit nicht nur ein modernes, sondern auch ein bewährtes Implantat“.

Technisch gesehen sind Bandscheibenprothesen so konstruiert, dass sie mehrere Bewegungsrichtungen ermöglichen: Beugung und Streckung, Seitneigung und Rotation. Diese multidirektionale Beweglichkeit ist entscheidend dafür, die natürliche Dynamik der Wirbelsäule zu erhalten und Überlastungen benachbarter Segmente zu vermeiden. Einige Prothesenmodelle sind zusätzlich stoßdämpfend konzipiert, um die natürliche Druckverteilung auf die Wirbelsäule besser nachzubilden. 

Foto Typische kielgeführte Prothese.

Obwohl die Bandscheibenprothetik eine vielversprechende Alternative zur klassischen Versteifungsoperation (Spondylodese) darstellt, ist sie – wie jeder operative Eingriff an der Wirbelsäule – mit bestimmten Risiken und potenziellen Komplikationen verbunden.

Zu den allgemeinen Risiken einer Bandscheibenprothetik zählen Infektionen im Operationsbereich, Blutungen, Wundheilungsstörungen und die Verletzung benachbarter Strukturen wie Nervenwurzeln, Blutgefäßen oder der Rückenmarkshäute. Auch Thrombosen oder Embolien gehören zu den allgemeinen perioperativen Risiken. Spezifische Komplikationen im Zusammenhang mit der Bandscheibenprothese selbst betreffen vor allem die Positionierung und Funktion des Implantats. Wird die Prothese nicht exakt platziert, kann es zu Fehlbelastungen der Wirbelsäule, Fehlstellungen oder unphysiologischen Bewegungsmustern kommen. In der Folge können Schmerzen persistieren oder sich sogar verstärken. Durch den Einsatz moderner Techniken lassen sich viele dieser Risiken jedoch deutlich senken. Dazu gehören minimalinvasive Operationsverfahren, die das umliegende Gewebe möglichst schonen und eine schnellere Erholung ermöglichen. Extrem wichtig hierbei ist die hohe Expertise des behandelnden Arztes.

Bei der Operation einer Bandscheibenprothese – insbesondere an der Halswirbelsäule – ist der operative Zugang im Prinzip identisch mit dem einer klassischen Versteifungsoperation, die in Deutschland nach wie vor als Goldstandard gilt. Dennoch unterscheidet sich die Prothesenimplantation deutlich in der technischen Ausführung: Sie erfordert mehr Erfahrung und Präzision, da es nicht nur darum geht, den schmerzverursachenden Bandscheibenvorfall zu entfernen, sondern auch die Beweglichkeit des Segments zu erhalten. Gerade bei Prothesen müssen Implantatgröße und -position exakt stimmen. Wird etwa ein zu hohes Implantat verwendet, kann es zur Überstreckung der hinteren Facettengelenke kommen, was neue Beschwerden wie Nackenschmerzen zur Folge haben kann. Solche Probleme treten bei Versteifungen seltener auf, da in diesen Fällen die Beweglichkeit ohnehin aufgehoben ist. Die Auswahl des geeigneten Implantats ist ebenfalls entscheidend. Auf dem Markt gibt es viele verschiedene Modelle, die sich in Höhe, Breite, Mechanik und Material unterscheiden – manche enthalten zum Beispiel Nickel, was bei Allergien problematisch wäre. Für Frauen sind Implantate mit einer Mindesthöhe von 6 mm oft zu hoch. Auch die Stabilität spielt eine Rolle: Manche Prothesen benötigen besondere Verankerungstechniken, etwa durch Kiele, die in den Knochen geschlagen werden und von Anfang an eine gute Primärstabilität bieten. Die Prothesen müssen also individuell auf die Anatomie und Bedürfnisse der Patienten abgestimmt werden. Das setzt eine breite Auswahl an Implantaten und viel chirurgische Erfahrung voraus. Eine Prothese wird nicht ,von der Stange´ eingesetzt, sondern sorgfältig geplant und ausgewählt. Die eigentliche OP – zum Beispiel für eine Prothese an einem Segment der Halswirbelsäule – dauert im Durchschnitt etwa eine Stunde. Entscheidend für den Erfolg ist jedoch nicht nur die Dauer, sondern die präzise Vorbereitung und Durchführung im Detail“, betont Prof. Dr. El Hindy und führt weiter aus:

Patienten, die eine Bandscheibenprothese erhalten, können in der Regel relativ schnell wieder nach Hause. Bei einem Eingriff an der Halswirbelsäule ist das größte Risiko eine Nachblutung, die möglicherweise die Luftröhre einengen könnte. Daher bleiben Patienten mindestens eine Nacht zur Beobachtung im Krankenhaus. Nach dieser Zeit ist das Risiko für solche Komplikationen deutlich gesunken. Medizinisch gesehen könnten die meisten bereits am Folgetag entlassen werden – wie es in einigen anderen Ländern auch üblich ist. In Deutschland führen jedoch wirtschaftliche Rahmenbedingungen dazu, dass Patienten meist drei Nächte bleiben, weil eine kürzere Verweildauer finanzielle Einbußen für das Krankenhaus bedeuten würde. Diese Regelung ist bisher auch nicht im Zuge der Krankenhausreform verändert worden – die betrifft eher die grundsätzliche Frage, welche Kliniken bestimmte Eingriffe noch durchführen dürfen, nicht aber die Abrechnung von Verweildauern“.

Etwas aufwendiger ist die Operation an der Lendenwirbelsäule. Sie dauert in der Regel etwa zwei Stunden und erfolgt über einen Zugang durch den Bauch. Entsprechend liegt die durchschnittliche Krankenhausverweildauer bei vier bis fünf Tagen.

Auch wenn die Schnitte klein sind – etwa zwei Zentimeter im Halsbereich, fünf Zentimeter bei einer Höhe im Lendenbereich, sieben bis acht bei zwei Höhen – versteht man unter ,minimalinvasiv´ hier vor allem den schonenden Zugang: Statt wie bei Eingriffen von hinten die Muskulatur vom Knochen ablösen zu müssen, nutzt man beim vorderen Zugang natürliche Schichtverläufe. Die Gewebe werden lediglich zur Seite geschoben. Das schont die Muskulatur und macht den Eingriff insgesamt für den Patienten deutlich angenehmer – vor allem mit Blick auf die postoperative Beweglichkeit, bei der funktionierende Muskulatur entscheidend ist. Dieser Zugang von vorne ist keineswegs neu, wird aber zunehmend seltener beherrscht. Besonders bei Operationen an der Lendenwirbelsäule ist der Zugang technisch anspruchsvoll, weshalb in anderen Ländern häufig Gefäßchirurgen beteiligt sind. In Deutschland übernimmt meist das Wirbelsäulenteam selbst diesen Zugang. Selbstverständlich wird jeder Patient im Vorfeld umfassend über den Eingriff aufgeklärt – auch über mögliche Risiken, etwa Verletzungen von Luftröhre, Speiseröhre oder dem Stimmbandnerv im Halsbereich. Bei der Operation über den Bauch liegen Harnleiter, Blase und weitere Organe in der Nähe. Solche Risiken sind äußerst selten, werden aber stets thematisiert. Langzeitstudien belegen, dass diese Zugänge insgesamt sehr sicher sind“, erläutert Prof. Dr. El Hindy.

Nach der Operation mit einer Bandscheibenprothese ist zunächst Geduld gefragt – auch wenn die Patienten sich im Alltag meist relativ schnell wieder gut fühlen. Entscheidend ist nämlich, dass die Prothese zunächst fest im Knochen einwächst. Dieser Prozess dauert etwa drei Monate. In dieser Zeit muss die Wirbelsäule geschont werden, um eine stabile Verbindung zwischen Knochen und Implantat zu ermöglichen.

Prof. Dr. El Hindy empfiehlt dazu: „In den ersten vier bis sechs Wochen nach der OP sollten Patienten körperliche Belastungen weitgehend vermeiden. Leichte Spaziergänge, wechselnde Positionen (sitzen, liegen, stehen) und grundlegende isometrische Übungen (also Halteübungen ohne große Bewegungen) sind erlaubt – und werden auch im Rahmen einer begleiteten Physiotherapie angeboten. Belastung an Geräten oder intensives Training sind in dieser Phase jedoch tabu. Reha-Maßnahmen finden in der Regel nicht direkt im Anschluss an die Operation statt, sondern erst drei Monate später – wenn die Prothese stabil eingewachsen ist. Dann kann man mit gezieltem Aufbau- und Bewegungstraining beginnen, um die volle Funktionalität zurückzugewinnen. Nach etwa drei Monaten erfolgt zudem eine Kontrolluntersuchung. Dabei wird überprüft, ob die Prothese korrekt sitzt, gut eingewachsen ist und sich nicht verschoben hat. Erst wenn diese Kontrolle unauffällig ist, gelten Patienten als ,freigegeben´ für alle Aktivitäten. Für sportlich aktive Menschen gilt: Je nach Sportart ist unterschiedlich lange Schonung erforderlich. Bei Sportarten mit plötzlichen Bewegungswechseln oder hoher Belastung – etwa Tennis, Fußball, Golf oder Gewichtheben – sollte man drei bis sechs Monate warten, bevor man wieder einsteigt. Danach ist in der Regel eine Rückkehr zum alten Aktivitätsniveau problemlos möglich – viele ehemalige Patienten nehmen wieder uneingeschränkt an ihrem Sport teil“.


Anders als bei einer Versteifungsoperation (Spondylodese), bei der zwei Wirbelkörper dauerhaft miteinander verbunden werden und ihre Beweglichkeit verlieren, bleibt bei der Implantation einer Bandscheibenprothese die dynamische Funktion des Segments weitgehend erhalten. Diese Beweglichkeit hat einen entscheidenden Einfluss auf die Belastungsverteilung innerhalb der gesamten Wirbelsäule.


Die Gesundheit der Bandscheiben hängt von verschiedenen Faktoren ab, wobei genetische Veranlagungen insbesondere bei der Lendenwirbelsäule eine große Rolle spielen. Gerade bei jüngeren Patienten mit Problemen im unteren Rücken lässt sich oft kein eindeutiger Auslöser feststellen, was darauf hindeutet, dass die Veranlagung eine wesentliche Ursache ist. 

Bei der Halswirbelsäule hingegen zeigen sich häufiger Verschleißerscheinungen, die durch berufliche Belastungen entstehen. Besonders Menschen, die viel über Kopf arbeiten, wie Maler, Elektriker oder KFZ-Mechaniker, sind anfälliger für Schäden an den Bandscheiben. Auch intensiver Leistungssport in jungen Jahren kann die Bandscheiben im Bereich der Lendenwirbelsäule belasten. Um die Bandscheiben zu schützen, ist es wichtig, im Alltag rückengerecht zu bewegen. Das bedeutet zum Beispiel, beim Heben von Lasten immer in die Knie zu gehen und keine Drehbewegungen unter Belastung auszuführen, da diese besonders schädlich für die Bandscheiben sind. Ebenso wichtig ist das Stärken der Rumpfmuskulatur, also der Bauch- und Rückenmuskeln, da eine stabile Muskulatur die Wirbelsäule unterstützt und so Beschwerden vorgebeugt oder hinausgezögert werden können. Regelmäßige Bewegung und gezieltes Training, wie Rückenschule oder andere Kräftigungsübungen, sind dabei hilfreich. Außerdem sollte man langes Sitzen vermeiden, häufiger die Position wechseln und insgesamt lieber aktiv bleiben als sich zu schonen. Für die Halswirbelsäule gilt allerdings, dass Muskeltraining nur begrenzt hilft, da hier weniger Haltemuskulatur vorhanden ist. Deshalb ist es besonders wichtig, Überkopfbelastungen zu reduzieren und auf ergonomische Arbeitsbedingungen zu achten. Zwar lässt sich nicht alles beeinflussen, aber durch bewusste Bewegung, eine gute Körperhaltung und gezieltes Training kann man die Belastung der Bandscheiben deutlich verringern und so die Wahrscheinlichkeit von Problemen oder Operationen minimieren“, so der Rat des Wirbelsäulenspezialisten.

Am St. Marien-Hospital in Lünen werden jährlich ungefähr 100 Bandscheibenprothesen an der Halswirbelsäule und etwa 50 an der Lendenwirbelsäule eingesetzt. Dabei ist die Zahl der Operationen zuletzt sogar gestiegen, auch weil die beiden Standorte Lünen und Werne zusammengezogen wurden. 

Robotisch navigierte lumbale Bandscheibenprothese.

Besonders bei der Implantation an der Lendenwirbelsäule ist es wichtig, dass die Prothese sehr exakt mittig platziert wird, denn im Gegensatz zu einer Versteifung, bei der eine kleine Abweichung von wenigen Millimetern nicht so kritisch ist, muss die Prothese genau sitzen, um optimal zu funktionieren. Um diese präzise Platzierung zu gewährleisten, nutzt man im St. Marien-Hospital eine robotische Navigation, die eine dreidimensionale Orientierung ermöglicht und so die Mittellinie perfekt anzeigt. Diese Technik wurde dort vor etwa eineinhalb Jahren eingeführt und ist eine Besonderheit, da nicht viele Kliniken den Roboter für diese Art der Wirbelsäulenoperationen einsetzen. Ein weiterer Vorteil der robotergestützten Navigation ist die Reduktion von Röntgenstrahlung für Patienten und das OP-Team, da der Eingriff genauer und mit weniger Strahlenbelastung durchgeführt werden kann. In Zukunft wird die künstliche Intelligenz wahrscheinlich vor allem dabei helfen, besser zu entscheiden, welcher Patient für welche Art von Operation – Prothese oder Versteifung – geeignet ist. Dabei spielen Faktoren wie Rauchen, Osteoporose oder die soziale Situation des Patienten eine Rolle. Die KI könnte also bei der Auswahl der geeigneten Behandlung unterstützen, während die technische Durchführung der Operationen eher durch Roboter und navigierte Systeme präziser und schneller wird. Insgesamt bietet die Kombination aus Robotik und KI großes Potenzial, die Behandlung in der Wirbelsäulenchirurgie zu verbessern, auch wenn der technische Einsatz von KI im OP-Saal selbst bisher noch begrenzt ist. Die rasante Entwicklung der Robotik in Kliniken ist faszinierend und zeigt, wie moderne Technologien in vielen Fachbereichen sinnvoll eingesetzt werden können, auch wenn die Bedeutung von Robotern und KI je nach medizinischem Bereich unterschiedlich ist“, so Prof. Dr. El Hindy zum Abschluss unseres Gesprächs.

Herzlichen Dank, Prof. Dr. El Hindy, für diesen spannenden Einblick in den Umgang mit Bandscheibenprothetik!

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