Experteninterview mit Prof. Dr. med. Karl-Dieter Heller - Endoprothetik

04.07.2025

Prof. Dr. med. Karl-Dieter Heller ist Chefarzt der Orthopädischen Klinik am Herzogin Elisabeth Hospital Braunschweig und zählt zu den renommiertesten Spezialisten auf dem Gebiet der Knie- und Hüftchirurgie. Seine besondere Expertise liegt in der Implantation und dem Wechsel von Endoprothesen sowie in der Behandlung komplexer Gelenkerkrankungen. Patienten schätzen ihn nicht nur für seine fachliche Kompetenz, sondern auch für seine empathische und individuelle Betreuung.

Sein Schwerpunkt liegt auf der Hüft- und Knie-Endoprothetik, der Wechselendoprothetik bei bereits eingesetzten Hüft- und Kniegelenken sowie auf der arthroskopischen Chirurgie, der Knorpeltherapie und der Meniskuschirurgie. Mit großer Erfahrung und Präzision führt Prof. Dr. Heller sowohl minimalinvasive als auch komplexe operative Eingriffe durch und setzt modernste Robotiksysteme zur optimalen Knieprothesenimplantation ein. Die von ihm geleitete Orthopädische Klinik Braunschweig gehört zu den größten orthopädischen Einzelkliniken Deutschlands und ist die einzige orthopädische Fachklinik in der Region.

Mit einem hochqualifizierten Team von Oberärzten und Assistenzärzten werden hier alle Bereiche der orthopädischen Chirurgie abgedeckt. Besonders hervorzuheben ist neben der Endoprothetik die Spezialisierung der Klinik auf die Wirbelsäulenchirurgie und Kinderorthopädie, die jeweils durch erfahrene Sektionsleiter geführt werden. Prof. Dr. Heller verfügt über eine umfassende Ausbildung in Orthopädie und Unfallchirurgie, Rheumatologie, Sportmedizin sowie spezieller orthopädischer Chirurgie. In zahlreichen Spezialsprechstunden wird gemeinsam mit den Patienten ein individuelles Behandlungskonzept entwickelt, das auf modernsten medizinischen Standards basiert.

Die hohe Zahl an durchgeführten Endoprothesen-Implantationen und Wechseloperationen, die exzellente technische Ausstattung sowie die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit innerhalb des Herzogin Elisabeth Hospitals gewährleisten eine bestmögliche Versorgung der Patienten. Ergänzt wird das medizinische Angebot durch ein engagiertes Pflegepersonal und eine umfangreiche physiotherapeutische Betreuung, die unmittelbar an die Operation anschließt und den Heilungsprozess nachhaltig unterstützt.

Die Redaktion des Leading Medicine Guide konnte in einem Gespräch mit Prof. Dr. Heller mehr zum Thema Endoprothetik erfahren.

 

Die Endoprothetik ist ein zentraler Bestandteil der modernen Orthopädie und ermöglicht es, geschädigte Gelenke durch künstliche Implantate zu ersetzen. Ziel dieser Eingriffe ist es, Schmerzen zu lindern, die Beweglichkeit wiederherzustellen und die Lebensqualität der Patienten nachhaltig zu verbessern. Besonders häufig werden Hüft-, Knie- und Schultergelenke ersetzt, wenn Verschleißerkrankungen wie Arthrose oder unfallbedingte Schäden die natürliche Funktion erheblich beeinträchtigen. Dank stetiger Weiterentwicklungen in der Implantat-Technologie und in den Operationsverfahren kann heute eine große Bandbreite an individuellen Lösungen angeboten werden, die optimal auf die Bedürfnisse der Patienten abgestimmt sind. Die Endoprothetik zählt damit zu den erfolgreichsten und sichersten Verfahren in der chirurgischen Versorgung chronischer Gelenkerkrankungen. 

Ob ein Gelenkersatz notwendig ist oder ob zunächst konservative Therapien weiterverfolgt werden sollten, hängt von einer sorgfältigen individuellen Abwägung ab, die sowohl klinische als auch radiologische und patientenbezogene Faktoren berücksichtigt. 

Die Frage, wann konservative Maßnahmen bei Gelenkerkrankungen ausgeschöpft sind und ein Gelenkersatz notwendig wird, lässt sich nicht pauschal beantworten. Grundsätzlich wünschen wir uns, dass die Patienten, bevor sie bei uns landen, bereits verschiedene konservative Therapien durchlaufen haben. Dazu gehören der Einsatz von Medikamenten, Physiotherapie und gegebenenfalls auch Injektionen in das betroffene Gelenk – zum Beispiel ins Hüft- oder Kniegelenk – um die initialen Beschwerden bei einer Arthrose zu lindern. Für eine belastbare Indikationsstellung ist zwingend ein eindeutiger Röntgenbefund erforderlich. Ohne einen schweren Röntgenbefund würde ich niemals eine Hüfte operieren – eine Ausnahme bilden hier Fälle von Hüftkopfnekrosen, die sich manchmal radiologisch noch nicht eindeutig zeigen.

Parallel dazu brauchen wir einen klaren klinischen Befund: eine Bewegungseinschränkung des Gelenks mit endgradiger Schmerzhaftigkeit. Liegen diese beiden Kriterien und ein entsprechender Leidensdruck vor, ist es an dem Patienten, die Entscheidung zu treffen. In diesem Zusammenhang ist das Prinzip des ,shared decision making´ entscheidend. Es geht nicht darum, dass der Arzt allein entscheidet oder dem Patienten die Entscheidung abnimmt, sondern darum, den Patienten umfassend zu beraten und ihn dazu zu befähigen, selbst einzuschätzen, ob die Lebensqualität durch die Beschwerden so stark eingeschränkt ist, dass er eine Operation wünscht. Manchmal sehen wir Patienten, die von ihrem Orthopäden geschickt werden, weil sie schwere Arthrosen haben, die aber selbst berichten, kaum Beschwerden zu haben. Auch dann besteht kein Grund zur Operation, denn der Hüftknochen wird bei Arthrose nicht instabil oder bricht zusammen – er wird eher dichter.

Entscheidend bleibt also eine offene und faire Kommunikation: Liegen klare Befunde vor, wird mit dem Patienten gemeinsam abgewogen, ob ein Eingriff sinnvoll ist oder nicht“, erklärt Prof. Dr. Heller zu Beginn unseres Gesprächs und kommentiert noch die konservativen Optionen: 

Wenn es um die Spritzentherapie geht, handhaben wir das so, dass zunächst unter Bildwandlerkontrolle eine Kortison Injektion in die Hüfte verabreicht wird, wenn wir uns über das Stadium der Erkrankung noch nicht ganz sicher sind oder wenn wir die Beschwerden zunächst noch konservativ hinauszögern wollen. Die Hyaluronsäure kommt erst später zum Einsatz, meistens über die niedergelassenen Kollegen. Es gibt Patienten, die nach einer Spritze ein Jahr lang beschwerdefrei sind. Andere berichten schon nach sechs Wochen, dass die Beschwerden wieder voll da sind.

Diese Zeiträume sind ein wichtiger Anhaltspunkt bei der Entscheidungsfindung: Je kürzer das Intervall bis zum Wiederauftreten der Beschwerden wird, desto eher rückt eine Operation in den Vordergrund. Gleichzeitig dienen Injektionen auch zur Diagnosefindung, vor allem, wenn Unsicherheit besteht, ob die Hauptquelle der Beschwerden wirklich im Hüftgelenk liegt oder vielleicht in der Wirbelsäule. Verschwinden die Beschwerden nach einer gezielten Injektion vollständig, gibt das eine höhere Sicherheit, dass eine spätere Prothesenoperation tatsächlich die richtige Therapie ist“. 

Moderne Endoprothesen unterscheiden sich heute in wesentlichen Aspekten wie dem verwendeten Material, ihrer Haltbarkeit und ihrer biologischen Verträglichkeit deutlich von früheren Generationen. 

Im Bereich der Hüftendoprothetik hat es in den letzten Jahren keine massiven Materialveränderungen gegeben. Die großen Neuerungen liegen eher im chirurgischen Bereich, insbesondere bei den Zugängen. Früher wurden standardmäßig lange Prothesenschäfte eingesetzt, doch da die heutigen Operationszugänge deutlich gewebeschonender und kleiner geworden sind, sind die klassischen Schäfte oft schlicht zu lang. Aus dieser Not heraus entwickelte sich der Trend hin zu Kurzschaftprothesen. Diese Kurzschäfte und kurzen Schäfte sind allerdings keine völlige Neuheit; der sogenannte Methaschaft stammt beispielsweise bereits aus dem Jahr 2005, der Optimys-Schaft etwa aus 2010.

Der große Vorteil dieser Schäfte liegt in ihrer einfacheren Implantierbarkeit sowie in der Art der Verankerung: Sie ermöglichen eine körpernahe, also proximale Verankerung, was bedeutet, dass die Lastaufnahme näher an der natürlichen Hüfte erfolgt. Dadurch bleibt der Knochen im oberen Bereich der Hüfte belastet und kräftig. Im Gegensatz dazu führte früher die Verwendung von distal verankerten Prothesen dazu, dass der Knochen im oberen Bereich entlastet und damit zunehmend schwächer wurde – was bei einem späteren Prothesenwechsel erhebliche Probleme bereiten konnte. Mit den heutigen Kurzschäften hat man in der Regel auch bei einer Revision noch tragfähigen Knochen zur Verfügung, was die Möglichkeiten im Falle eines Prothesenwechsels deutlich verbessert“, so Prof. Dr. Heller und führt weiter aus: 

Auch bei den verwendeten Kunststoffen gab es bedeutende Weiterentwicklungen. Früher wurde normales Polyethylen eingesetzt, heute verwenden wir ultrahochmolekulares Polyethylen, das zusätzlich mit Vitamin E stabilisiert ist, was eine längere Haltbarkeit verspricht. Als ideale Materialkombination gilt für mich nach wie vor die Keramik-Keramik-Gleitpaarung. Keramik hat den großen Vorteil, extrem abriebfest zu sein, was die Lebensdauer des Implantats deutlich verlängert.

Kritiker bemängeln gelegentlich, dass Keramik brechen könne, doch Brüche sind extrem selten und treten meist nur bei technischen Fehlern während der Implantation auf. Ein weiteres mögliches Problem bei Keramik-Keramik-Gleitpaarungen ist das Quietschen. Allerdings ist das sehr selten: In den letzten 25 Jahren habe ich vielleicht drei solcher Fälle erlebt. Meist liegt das Problem darin, dass die Pfanne nicht optimal implantiert wurde und sich leicht verkippt hat. Idealerweise wird die Pfanne in einem Winkel von 45 Grad eingebracht; weicht der Winkel erheblich ab, kann eine Eckenbelastung entstehen, die zu einem quietschenden Geräusch führt. Keramik verzeiht keine groben Implantationsfehler – weder beim Aufsetzen des Keramikkopfes noch bei der Positionierung der Pfanne. Was das Kniegelenk betrifft, sieht es ähnlich aus. Auch hier haben sich die Materialien selbst in den letzten Jahren kaum verändert.

Es gibt einen kleinen Trend zur zementfreien Implantation, sowohl bei Teilprothesen (Schlittenprothesen) als auch bei bikondylären Vollprothesen. Aber die eigentliche Qualität der heutigen Knieimplantate ist bereits so hoch, dass es keine dramatischen Materialinnovationen mehr braucht. Der Fokus liegt nun darauf, die Implantate korrekt zu implantieren, denn viele der auftretenden Probleme wie Lockerungen oder frühzeitiges Versagen gehen nicht auf Materialschwächen, sondern auf Fehler beim Einbau zurück. Damit wird die Erfahrung des Operateurs zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor“. 


Ein wichtiger Punkt betrifft die Kosten und die Versorgung

„Viele denken, dass sie durch eine private Krankenversicherung automatisch hochwertigere Implantate erhalten. Das stimmt aber nicht. Die Fallpauschale, die das Krankenhaus für eine Operation erhält, ist für gesetzlich und privat versicherte Patienten identisch. Privatpatienten zahlen lediglich für Wahlleistungen wie eine bessere Unterbringung oder eine Chef- oder Wahlarztbehandlung, aber das verwendete Implantat bleibt das gleiche. Das halte ich auch für richtig: Die Qualität des Implantats darf nicht vom Versicherungsstatus abhängen. Sie sollte generell hochwertig sein“, macht Prof. Dr. Heller deutlich.


Patientenspezifische Faktoren haben einen erheblichen Einfluss auf die präoperative Planung und die intraoperative Anpassung moderner Endoprothetikverfahren. 

Bei der präoperativen Planung werden zunächst die üblichen Standardaufnahmen gemacht, begleitet von der notwendigen Aufklärung des Patienten. Hinsichtlich der eigentlichen Planung setzen wir verschiedene Prothesenplanungssysteme ein, die heute nicht nur medizinisch sinnvoll, sondern auch juristisch gefordert sind. Diese Systeme ermöglichen es, schon vor der Operation recht genau abzuschätzen, welche Prothesengröße benötigt wird.

Für mich persönlich liegt der Hauptwert der Planung aber nicht allein in der Festlegung der Prothesengröße, da ich ohnehin im Operationssaal nochmals unter Röntgenkontrolle arbeite und mir die Situation selbst anschaue. Viel entscheidender ist das intensive Auseinandersetzen mit jedem einzelnen Fall. In unserem Haus stehen uns für die Hüfte fünf verschiedene Prothesentypen zur Verfügung. Zwar deckt ein Standardmodell rund 80 Prozent der Fälle ab, doch es gibt eben auch besondere anatomische Situationen: sehr steile oder sehr flache Hüften, extrem kurze Schenkelhälse – und diese lassen sich nicht einfach mit einem Standardimplantat versorgen. Deshalb ist es unerlässlich, verschiedene Modelle vorzuhalten und im individuellen Fall sorgfältig zu planen, wie Offset und Beinlänge angepasst werden können, um die ursprüngliche Anatomie möglichst präzise wiederherzustellen.

Gerade bei speziellen Konstellationen, etwa bei einem sehr flachen Schenkelhalswinkel kombiniert mit einem langen Schenkelhals, kann es ohne passende Implantate leicht zu Problemen kommen. Wenn keine Prothese mit hohem Offset gewählt wird, bleibt oft nur die Möglichkeit, Spannung über eine Beinverlängerung aufzubauen. Das führt jedoch zu deutlich verlängerten Beinen – und ein Patient, der plötzlich ein zwei Zentimeter längeres Bein hat, wird in aller Regel nicht zufrieden sein. Durch eine kluge Planung kann man auf spezielle Prothesenmodelle mit höherem Offset zurückgreifen und die Spannung korrekt einstellen, ohne die Beinlänge unnatürlich zu verändern. Diese präoperative Planung ist deshalb nicht nur wichtig, sondern ermöglicht auch eine sehr hohe Vorhersagbarkeit des späteren Ergebnisses“, verdeutlicht Prof. Dr. Heller. 

Früher verfolgte man das Prinzip "One-Size-Fits-All", heute ist die Implantatversorgung wesentlich individueller. 

Hierzu kommentiert Prof. Dr. Heller: „Das zeigte sich zum Beispiel, als es eine Phase gab, in der sogenannte ,Frauenknie´ beworben wurden. Es wurde damals viel diskutiert, doch letztlich stellte sich heraus, dass die Unterschiede weniger zwischen Mann und Frau bestehen als vielmehr zwischen verschiedenen Konstitutionstypen. Manche Menschen haben eben breitere, andere schmalere Knie – unabhängig vom Geschlecht.

Moderne Kniesysteme tragen dem Rechnung: So umfasst unser System zwölf Größen, die jeweils noch in schmal und breit angeboten werden, was eine sehr genaue Anpassung ermöglicht. Die Idee der Individualprothese wurde auch bei Hüftimplantaten verfolgt, beispielsweise in Fällen von kindlichen Voroperationen oder ausgeprägten Dysplasien, bei denen Standardimplantate an ihre Grenzen stoßen. Allerdings sind solche Situationen extrem selten. Wenn ein Krankenhaus über ein gutes Prothesenportfolio verfügt und sorgfältig plant, kommt man in der überwältigenden Mehrzahl der Fälle hervorragend mit den gängigen Modellen zurecht. Wirkliche Vorteile durch maßgeschneiderte Individualprothesen sehe ich nur in absoluten Ausnahmefällen“. 

Minimalinvasive Techniken bei der Implantation von Hüft- oder Knieprothesen bieten gegenüber klassischen Operationsmethoden eine Reihe bedeutender Vorteile, die sowohl den kurz- als auch den langfristigen Heilungsverlauf positiv beeinflussen können. Im Zentrum steht dabei die Schonung von Weichteilstrukturen wie Muskeln, Sehnen und Kapseln. 

Heute wird größtenteils minimalinvasiv operiert – wobei der Hautschnitt an sich eigentlich nicht das Entscheidende ist. Natürlich ist es kosmetisch schöner, wenn der Schnitt kleiner ist, aber für den Heilungsverlauf des Patienten spielt das kaum eine Rolle. Viel wichtiger ist, wie in der Tiefe gearbeitet wird – nämlich möglichst muskel- und gewebeschonend. Dabei gibt es grundsätzlich drei minimal-invasive Zugänge: den anterioren (von vorn), den anterolateralen (seitlich-vorn) und den posterioren Zugang (von hinten), jeweils in einer minimal-invasiven Variante. Bei allen Methoden gelingt es, zwischen zwei Muskelgruppen hindurchzugehen, ohne sie zu durchtrennen.

In unserer Klinik bevorzugen wir den anterolateralen Zugang, da er eine Rückenlagerung des Patienten ermöglicht und ein intraoperatives Röntgen zulässt. Grundsätzlich gibt es aber keine gravierenden Unterschiede in der Ergebnisqualität zwischen den verschiedenen Zugängen. Standard ist heute auf jeden Fall ein minimal-invasives Vorgehen – und zwar bezogen auf den Umgang mit der Muskulatur, nicht auf die Länge des Hautschnitts.

Früher, bei klassischen lateralen Zugängen, musste ein Muskel längs gespalten, zur Seite geklappt und nach der Operation wieder angenäht werden. In etwa zehn Prozent der Fälle hielt die Naht nicht, was dann häufig zu dauerhaftem Hinken führte. Durch die modernen minimal-invasiven Techniken, bei denen die Muskeln intakt bleiben, tritt dieses Problem heute kaum noch auf. Voraussetzung ist allerdings, dass die Prothese trotzdem sicher implantiert werden kann. Dafür wurden die Prothesen angepasst: Sie sind heute kürzer und von der Form her so gestaltet, dass sie sich leicht ,in einem Bogen´ einführen lassen. Während klassische gerade Schäfte parallel in den Markraum eingebracht werden müssen und dabei die Muskulatur stärker beanspruchen, können die moderneren kurzen Schäfte und Kurzschäfte schonender eingesetzt werden – sie folgen eher einer bananenartigen Krümmung“, schildert Prof. Dr. Heller und fügt an: 

In der primären Endoprothetik, also bei der ersten Implantation eines künstlichen Gelenks, ist das selten der Fall. Nur wenn etwa bereits frühere Operationen mit ungewöhnlichen Zugängen vorliegen, kann es zu Ausnahmen kommen. Häufiger stellt sich diese Frage bei Wechseloperationen: Wenn eine alte Prothese entfernt und eine neue eingesetzt werden muss, reicht der minimal-invasive Zugang oft nicht aus. Gerade bei Wechselprothesen, die meist wieder gerade und tief im Knochen verankert werden müssen, braucht man mehr Platz, um sicher arbeiten zu können. Hier wird der Zugang dann entsprechend erweitert. In der primären Endoprothetik jedoch ist die minimal-invasive Technik heute absoluter Standard – und keine Ausnahme mehr“. 

Die Wechselendoprothetik, also der Austausch eines bereits implantierten künstlichen Gelenks, stellt sowohl chirurgisch als auch organisatorisch eine deutlich größere Herausforderung dar als eine primäre Endoprothesenimplantation. 

Prof. Dr. Heller verdeutlicht die Besonderheit von Wechseloperationen: „Die Wechselendoprothetik stellt eine deutlich komplexere Herausforderung dar als die primäre Endoprothetik. Sie sollte deshalb unbedingt nur von sehr erfahrenen Ärzten durchgeführt werden. Dabei sehen wir derzeit im deutschen Gesundheitssystem durchaus gewisse Gefahren, durch ein zu hohes Angebot weniger erfahrener Anwender.

Ein wichtiges Steuerungsinstrument könnte hier die Einführung von Mindestmengen sein: Eine Klinik oder Abteilung müsste eine bestimmte Anzahl an Operationen pro Jahr nachweisen, um Eingriffe überhaupt anbieten zu dürfen. Beim Kniegelenk gibt es diese Vorgabe bereits: Eine Abteilung muss mindestens 50 bikondyläre Knieprothesen jährlich implantieren, sonst verliert sie die Zulassung. Allerdings bezieht sich die Regelung auf die Abteilung als Ganzes, nicht auf den einzelnen Operateur. Für Schlittenprothesen und insbesondere Wechseloperationen existieren bisher keine verbindlichen Mindestmengen – ein Mangel, der dringend behoben werden sollte.

Das derzeit diskutierte Krankenhausreformgesetz strebt eine gewisse Rationierung an, indem kleinere Kliniken mit wenigen Protheseneingriffen aus der Endoprothetik herausgenommen werden. Kliniken mit unter 100 Prothesen und mehreren Operateuren pro Jahr sollen sich künftig nicht mehr auf diesem Feld betätigen. Diese Maßnahme könnte die Qualität steigern und gleichzeitig verhindern, dass zu häufig unnötige Operationen durchgeführt werden – ein Problem, das in Deutschland durchaus besteht. Zu oft werden Eingriffe auch bei Patienten vorgenommen, bei denen noch nicht zwingend eine OP-Indikation besteht. Speziell bei der Wechselendoprothetik wäre eine Mindestmengenvorgabe besonders sinnvoll. Aus den Auswertungen großer Krankenkassen geht klar hervor: Operateure oder Abteilungen, die mindestens 25 Wechseloperationen pro Jahr durchführen, erzielen deutlich bessere Ergebnisse hinsichtlich Komplikationen und Sterblichkeit als solche mit geringerer Fallzahl. Kurzum: Bestimmte Eingriffe muss man regelmäßig machen, um eine hohe Qualität sicherzustellen“. 


Neben der reinen Fallzahl spielen aber auch die Struktur- und Prozessqualität einer Klinik eine wichtige Rolle. Zertifizierungen, etwa als Endoprothetikzentrum (EndoCert), stellen sicher, dass Standards eingehalten werden – ein zusätzlicher Schutz für die Patienten.


 „Bei ausgeprägten Defekten kann es notwendig sein, individuell angefertigte Implantate zu verwenden, etwa CT-gesteuerte Spezialpfannen, die exakt an die verbliebene Knochensituation angepasst werden. Auf der Schaftseite werden modulare Baukastensysteme eingesetzt: Man verankert zunächst einen Basis-Schaft und baut darauf sukzessive die weiteren Komponenten wie Halsverlängerungen und modulare Hülsen auf. Der Schwierigkeitsgrad einer Wechseloperation spiegelt sich auch in der OP-Dauer wider: Während eine Primärimplantation einer Hüftprothese – bei geübtem Operateur – in etwa 40-50 Minuten durchgeführt werden kann, dauert ein durchschnittlicher Wechsel rund zwei bis zweieinhalb Stunden. Komplizierte Fälle können sogar noch deutlich länger dauern“, stellt Prof. Dr. Heller fest. 

Strukturierte Rehabilitationsprogramme spielen eine zentrale Rolle für den langfristigen Erfolg nach der Implantation einer Endoprothese. Bereits unmittelbar nach der Operation beginnt die gezielte Rehabilitation, die darauf ausgerichtet ist, Funktion, Beweglichkeit und Belastbarkeit des operierten Gelenks schnellstmöglich wiederherzustellen. 

Nach einer Hüftoperation bleiben die Patienten heutzutage nicht mehr lange in der Klinik. Auch hier folgt man zunehmend dem sogenannten Fast-Track-Ansatz, bei dem Patienten im Durchschnitt nach vier bis fünf Tagen entlassen werden. Zwar wären noch kürzere Aufenthalte möglich, aktuell wird dies jedoch noch nicht aktiv forciert. Wichtigste Entlassungskriterien sind eine trockene Wunde, ausreichende Mobilität und natürlich die Zufriedenheit des Patienten. Nach der Entlassung erfolgt die Nachbetreuung im Regelfall nicht mehr direkt durch den Operateur.

Die Patienten werden an ihre niedergelassenen Orthopäden übergeben. Sollte es Komplikationen geben, etwa Wundheilungsstörungen oder Luxationen, wird eine direkte Wiedervorstellung in der Klinik ausdrücklich gewünscht. Routinekontrollen hingegen finden nicht mehr statt, um die knappen Sprechstundenzeiten für neue Patienten freizuhalten. Dieses Vorgehen hat sich bewährt und trägt zu einer effizienten Nutzung der Ressourcen bei. Viele Patienten nehmen anschließend eine Rehabilitation in Anspruch. In der eigenen ambulanten Reha-Einrichtung der Klinik werden Patienten regelmäßig ein- bis zweimal wöchentlich durch das Ärzteteam nachbetreut. Werden sie in externe Rehakliniken oder ambulante Zentren überwiesen, übernehmen dort andere Ärzte die weitere Betreuung. Rückmeldungen aus der Reha erhält die Klinik nur im Falle von Problemen“, so Prof. Dr. Heller. 

Aufgrund von Personalmangel in Rehakliniken und organisatorischen Hürden bei kurzfristigen Aufnahmen kommt es zunehmend zu Engpässen. Dennoch besteht ein gesetzlicher Anspruch auf Rehabilitation, und der Wunsch vieler Patienten nach Reha bleibt hoch – auch wenn andere Länder oft ganz auf solche Programme verzichten. „Es ist unbestritten sinnvoll, nach einer Endoprothetik eine strukturierte Nachbetreuung zu erhalten.Eine Reha hilft dabei, Mobilitätsdefizite aufzuarbeiten und Beweglichkeit zu fördern. Allerdings sind die Erwartungen der Patienten oft höher als die Realität: Während sie in der Klinik mehrere intensive Behandlungen täglich erhalten, reduziert sich die Therapie in der Reha oft auf ein bis zwei Einheiten pro Tag. Grund dafür ist die finanzielle Ausstattung der Rehaeinrichtungen – mit etwa 110 Euro pro Tag inklusive Unterkunft, Verpflegung und Therapie sind die Mittel knapp bemessen. Ob eine stationäre oder ambulante Reha sinnvoller ist, hängt von der individuellen Lebenssituation ab: Alleinstehende ältere Patienten profitieren meist von einer stationären Reha, während mobilere Patienten mit Unterstützung zu Hause auch gut ambulant rehabilitiert werden können. In vielen Fällen reicht sogar eine gezielte physiotherapeutische Betreuung aus, um ein gutes Behandlungsergebnis zu erzielen“, empfiehlt Prof. Dr. Heller. 

Ein wichtiges Qualitätsmerkmal bei der Wahl einer Klinik für eine Endoprothetik ist die Erfahrung des Operateurs und des gesamten Teams. Im Herzogin Elisabeth Hospital Braunschweig werden jährlich rund 2.400 Prothesen eingesetzt, und ein erheblicher Teil der Eingriffe wird von einem der leitenden Ärzte persönlich durchgeführt – allein etwa 700 Operationen pro Jahr führt Prof. Dr. Heller selbst durch. 

Das Besondere am Kliniksetting ist die Kombination aus Größe und individueller Betreuung: Trotz der umfangreichen orthopädischen Abteilung herrscht eine persönliche Atmosphäre, die es erlaubt, Patienten individuell zu begleiten und zu behandeln. Ein weiterer Schwerpunkt der Klinik ist das konsequente Fast-Track-Konzept. Ziel ist es nicht, Patienten möglichst schnell zu entlassen, sondern sie möglichst schnell wieder mobil zu machen. Bereits zwei Stunden nach dem Eingriff können Patienten unter Anleitung wieder aufstehen. Moderne Techniken zur Blutersparnis führen dazu, dass bei primären Endoprothesenoperationen in der Regel keine Bluttransfusionen mehr notwendig sind. Insgesamt hat sich das perioperative Management in den letzten Jahren erheblich verbessert – was auch Patienten bestätigen, die nach einem zweiten Eingriff von völlig neuen Erfahrungen berichten.

Patienten sollten sich bewusst für eine Operation entscheiden. Nicht das Röntgenbild allein, sondern der tatsächliche Leidensdruck muss entscheidend sein. Vor jeder Operation sollte eine konservative Behandlung – etwa mit Schmerzmedikamenten oder Physiotherapie – ausgeschöpft worden sein. Zudem sollte sich jeder Patient genau über den Operateur informieren. Patienten sollten ruhig nachfragen, wie viele Eingriffe ihr Arzt im Jahr durchführt. Erfahrung ist ein entscheidender Faktor für den Operationserfolg, und diese Information sollte Teil der Entscheidungsfindung sein – ohne falsche Zurückhaltung“, so der abschließende Rat von Prof. Dr. Heller. 

Besten Dank, Professor Dr. Heller für dieses aufklärende Gespräch!

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