TAPE Gelenkembolisation: Experteninterview mit Prof. Vogl

24.10.2024
Leading Medicine Guide Redaktion
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Univ.-Prof. Dr. Dr. med. Thomas J. Vogl ist ein herausragender Spezialist in der interventionellen Radiologie, Strahlentherapie und Neuroradiologie. Als Direktor des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Klinikum der Johann Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main bringt er umfangreiche Expertise und Erfahrung in seine Arbeit ein. Prof. Dr. Vogl ist besonders bekannt für seine fortschrittlichen Entwicklungen in der medizinischen Bildgebung und Intervention, darunter der Angiographie-Roboter, der eine präzise und schonende Tumorbehandlung ermöglicht. Seine innovativen Ansätze in der Therapie, wie die Entwicklung der 3D-Kamera für die Computertomographie, haben wesentliche Fortschritte in der radiologischen Versorgung erzielt und bieten eine verbesserte Bildqualität bei reduzierter Strahlendosis.

Seine umfangreiche Forschung und seine zahlreichen Publikationen reflektieren nicht nur seine tiefe Fachkenntnis, sondern auch sein Engagement, die medizinische Versorgung kontinuierlich zu verbessern. Prof. Dr. Vogl hat bedeutende Beiträge zur Optimierung der Bildgebung und der Verfahren zur Tumorbehandlung geleistet und ist international für seine Expertise anerkannt. Durch seine engagierte Leitung und seine interdisziplinäre Zusammenarbeit innerhalb des Klinikums fördert er eine umfassende und qualitativ hochwertige Patientenversorgung. Sein Team profitiert von seinem Wissen und seiner Bereitschaft zum fachlichen Austausch, was zu einer kontinuierlichen Weiterentwicklung der medizinischen Standards beiträgt.

In seiner Rolle als Leiter des Instituts und in seiner Funktion im Rahmen der Kooperation mit dem Deutschen Fußball-Bund setzt Prof. Dr. Vogl Akzente in der medizinischen Versorgung von Profisportlern und in der wissenschaftlichen Forschung. Seine langjährige Erfahrung und sein Engagement spiegeln sich in der hohen Qualität der Versorgung und in den bedeutenden Fortschritten wider, die unter seiner Leitung erzielt wurden. Zu der in Deutschland noch recht jungen Therapieform der Gelenk Embolisation konnte die Redaktion des Leading Medicine Guide mit Prof. Dr. Vogl sprechen und mehr erfahren.

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Gelenke spielen eine entscheidende Rolle in der Beweglichkeit und Flexibilität des menschlichen Körpers. Sie ermöglichen es uns, alltägliche Aktivitäten durchzuführen, indem sie die Verbindung zwischen den Knochen herstellen und eine reibungslose Bewegung gewährleisten. Verschleiß und Erkrankungen der Gelenke, insbesondere in den Bereichen Schulter, Hüfte und Knie, sind häufige Probleme, die die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen können. Diese Gelenke sind besonders anfällig für Verschleiß, da sie kontinuierlich beansprucht werden und oft starken Belastungen ausgesetzt sind. Die Behandlung von Gelenkerkrankungen in Schulter, Hüfte und Knie erfordert eine differenzierte Herangehensweise, da jede Gelenkregion spezifische Herausforderungen und Bedürfnisse aufweist. Bei der Vielzahl möglicher Therapieformen ist es wichtig, maßgeschneiderte Lösungen zu finden, die sowohl die Symptome lindern als auch die zugrunde liegenden Ursachen der Erkrankungen angehen. Die therapeutischen Optionen reichen von konservativen Maßnahmen wie Physiotherapie, medikamentöser Schmerzbehandlung und gezielten Übungen, die darauf abzielen, die Beweglichkeit zu verbessern und Schmerzen zu reduzieren, bis hin zu invasiveren Verfahren wie minimal-invasiven Eingriffen und chirurgischen Interventionen. Seit einigen Jahren hat sich auch die sogenannte Gelenk Embolisation bewährt.

Die Gelenkembolisation ist ein medizinisches Verfahren, das in der interventionellen Radiologie angewendet wird, um bestimmte Gelenkerkrankungen zu behandeln. 

Die Embolisation an sich ist im weitesten Sinne ein etabliertes Verfahren und wurde ursprünglich einmal entwickelt, um Blutungen zu stillen. Dies ist ein minimalinvasives Verfahren, bei dem Blutgefäße verschlossen werden, zum Beispiel bei traumatischen Verletzungen, Magen-Darm-Blutungen oder nach chirurgischen Eingriffen. Daraus hat sich eine weitere Methode entwickelt, in dem man Erkrankungen wie etwa Tumore embolisiert, und sie wird mittlerweile auch bei gynäkologischen oder urologischen Erkrankungen angewandt, zum Beispiel bei Myomen oder bei einer Prostatavergrößerung, um die Blutzufuhr zu reduzieren. Seit mehreren Jahren wird das Embolisationsverfahren eingesetzt, um Entzündungen in Gelenken zu reduzieren, die bei Arthrose auftreten. Hierfür werden überall dort kleine Blutgefäße verschlossen, die an den reaktiven Veränderungen der Gelenke sitzen, wie an der Gelenkinnenhaut, der Synovia. Durch die provozierte Minderdurchblutung gehen Schwellungen und Reizungen zurück und damit auch Schmerzen, die der Patient hat. Oft wird dies kombiniert mit anti-inflammatorischen Medikamenten, um den Entzündungsreiz noch weiter zu reduzieren. Die Embolisation hilft bei Arthrose, bei einer Knorpeldegeneration, und könnte im Prinzip bei allen Gelenken angewandt werden. Am überzeugendsten funktioniert sie bei Knie, Hüfte und Schulter. Auch bei Arthrose im Fuß ist sie möglich, aber hier gibt noch nicht so viele Erfahrungswerte“, erklärt Prof. Dr. Vogl zu Beginn unseres Gesprächs.


Gelenkembolisation kann bei verschiedenen Erkrankungen eingesetzt werden:

Arthrose: Bei fortgeschrittener Arthrose kann die Gelenkembolisation dazu beitragen, Schmerzen zu lindern und die Funktion des Gelenks zu verbessern, indem die durch Entzündungen verursachten Schmerzen reduziert werden.

Synovitis: Diese entzündliche Erkrankung der Gelenkinnenhaut kann durch die Embolisation gezielt behandelt werden, um die Entzündung zu reduzieren.

Tumoren: In einigen Fällen kann die Gelenkembolisation auch zur Behandlung von Tumoren eingesetzt werden, die das Gelenk betreffen, um die Blutzufuhr zu den Tumoren zu verringern und deren Wachstum zu kontrollieren.

Verletzungen: Bei bestimmten Verletzungen des Gelenks, die zu chronischen Schmerzen oder Entzündungen führen, kann diese Methode zur Schmerzlinderung und Verbesserung der Gelenkfunktion beitragen.


Die Vorbereitung und Durchführung der Tape-Gelenkembolisation in der klinischen Praxis erfordert eine sorgfältige und umfassende Planung, um sicherzustellen, dass der Eingriff sowohl sicher als auch effektiv ist. 

Hierzu erläutert Prof. Dr. Vogl: „Für die Planung einer Gelenkembolisation ist eine umfassende Diagnostik nötig. Das Ausmaß der Arthrose muss bekannt sein, und auch alle konservativen Therapien wie Physiotherapie und Schmerzmedikation müssen ausgeschöpft worden sein. Wenn es dann noch immer eine ausgeprägte klinische Symptomatik mit Schmerzen für den Patienten gibt, dann wird das Verfahren diskutiert. Hier im Klinikum verlangen wir zusätzlich immer eine Kontrast Magnetresonanztomografie, um genau sehen zu können, wo die Arthrose, die Kapselveränderungen und der Gelenkspalt sitzen. Und diese Bilder nutzen wir dann für den eigentlichen Embolisationsvorgang. Der genaue Beginn der Embolisationstherapie hängt dann ein bisschen von den Wartezeiten ab. Auch müssen immer zwei Dinge geklärt werden: Zum einen die Rücksprache mit dem behandelnden Orthopäden, Internist und Rheumatologen, und man braucht neben dem MRT noch die Blutwerte, um die Entzündungsparameter zu evaluieren. Schließlich muss die Frage des Kostenträgers geklärt werden. Für Privatversicherte sind die Therapiekosten in jedem Fall gedeckt, bei den gesetzlichen Krankenkassen muss angefragt werden. Der Patient erhält von uns hierfür einen Kostenvoranschlag, um eine Kostenübernahmeerklärung zu erwirken. Was die Behandlungsdauer betrifft, so ist die Therapie in der Regel eine tagesstationäre Therapie. Insofern passt diese Form der Therapie gut in das aktuelle Konzept der vom Bundesgesundheitsministerium angestrebten Ambulantisierung“. 

Bei der Tape-Gelenkembolisation wird eine spezielle Art von Substanz in das betroffene Gelenk injiziert, um gezielt bestimmte Gefäße zu verstopfen und damit den Blutfluss zu den krankhaften oder schädlichen Bereichen zu reduzieren. Dieser Eingriff zielt darauf ab, die Symptome der Gelenkerkrankung zu lindern und das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen.

Bei der Behandlung liegt der Patient auf dem Behandlungstisch. Im Falle einer Therapie des Knies wird beispielsweise das Bein von der Leiste aus punktiert, ein kleiner Katheter eingeführt, um mit einer dreidimensionalen Angiografie die Gefäße zu finden, die die Gelenkinnenhaut versorgen. Anschließend erfolgt die Injektion des antiinflammatorischen Medikaments und kleiner Kügelchen in die Gefäße. Die Kügelchen bestehen in der Regel aus biokompatiblen Materialien. Wir verwenden Kügelchen aus Polyethylen auf Acrylbasis (Harz), und sie haben eine Größe von 100-200 Mü (Mikrometer), sind vorgeformt und müssen ganz exakt in die Gefäße hineingegeben werden, die den Reizzustand versorgen. Die Kügelchen bleiben drinnen und werden im Laufe von 2-4 Jahren von den eigenen Körperzellen abgebaut“, so Prof. Dr. Vogl zu den Details der Therapie.

Während der Behandlung wird die Position des Katheters und die Verteilung des Embolisats kontinuierlich überwacht, um sicherzustellen, dass die Substanz genau dort wirkt, wo sie benötigt wird. Nach Abschluss der Injektion wird der Katheter entfernt und die Einstichstelle verschlossen. Der Patient wird dann für eine kurze Zeit überwacht, um sicherzustellen, dass keine akuten Komplikationen auftreten. In der Regel kann der Patient nach dem Eingriff relativ schnell wieder nach Hause gehen.

Viele Patienten kommen einmalig zur Therapie, manche kommen nach 4-5 Jahren zurück, wenn die Arthrose fortschreitet. Betroffene bemerken bereits nach ca. 3 Wochen eine deutliche Verbesserung der Schmerzsituation, nach ca. 3 Monaten kann man von einem Therapieergebnis sprechen. Bei einer Arthrose im Stadium IV macht eine Embolisation keinen Sinn, wenn also nur noch Knorpel auf Knorpel läuft. Auch wenn man zuvor im MRT erkennt, dass es keine Verbreiterung der Gelenkhaut gibt und der Patient sozusagen nur noch Knochen auf Knochen läuft. Das Verfahren aber hat sich gut durchgesetzt und ist auch erfolgreich. Hier in unserer Klinik machen wir 2-3 Therapien pro Woche, die Tendenz ist massiv steigend. Immer mehr Radiologen beschäftigen sich auch mit dieser Form der Therapie, sodass sie mittlerweile in vielen Krankenhäusern angeboten wird“, schildert Prof. Dr. Vogl und ergänzt: „Es ist keine 100 Prozent Methode, aber ca. 85% der Patienten sind sehr zufrieden, ca. 10% fühlen sich besser und 5% der Patienten bemerken keinen Unterschied“.

Das langfristige Ergebnis der Tape-Gelenkembolisation kann von Patient zu Patient unterschiedlich sein. Bei vielen Patienten kann die Schmerzlinderung und Verbesserung der Gelenkfunktion mehrere Monate bis Jahre anhalten. Die Dauer des Ergebnisses hängt von der individuellen Reaktion auf die Therapie, der Art der Gelenkerkrankung und der allgemeinen Gesundheit des Patienten ab. Um die Langfristigkeit der Ergebnisse zu sichern, wird eine regelmäßige Nachsorge empfohlen. Dies umfasst geplante Folgeuntersuchungen, bei denen der Fortschritt überprüft und gegebenenfalls Anpassungen an der Therapie vorgenommen werden können. Sollte es zu einer Rückkehr der Symptome kommen oder wenn der Patient nicht die erwartete Linderung erfährt, können zusätzliche Behandlungen oder alternative Therapiestrategien in Betracht gezogen werden.

Herzlichen Dank, sehr geehrter Herr Professor Dr. Vogl für den Einblick in diese erfolgversprechende Therapie!

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