Der Nystagmus gehört zu den am häufigsten vorkommenden Krankheitsbildern in der Augenheilkunde. Das Wort Nystagmus stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet nicken.
Der Nystagmus ist für Patienten sehr unangenehm, da das Augenzittern unkontrollierbar auftritt. Da es auch andere Menschen bemerken, stellt es für Betroffene eine große psychische Belastung dar.
Das Augenzittern erfolgt typischerweise gleichseitig und zur selben Zeit. Diese unkontrollierten Bewegungen bezeichnet man als konjugiert (=gleichsinnig): Bewegt sich der rechte Augapfel auf die rechte Seite, dann folgt der linke Augapfel ebenfalls auf die rechte Seite. Bewegt sich der linke Augapfel zur linken Seite, so richtet sich der rechte Augapfel ebenfalls zur linken Seite aus.
Es gibt viele verschiedene Ausprägungen des Nystagmus, die Experten anhand unterschiedlicher Kriterien voneinander differenzieren.
Allen Formen ist gemein, dass sich der Nystagmus aus einer langsamen und einer schnellen Bewegung zusammensetzt. So entsteht das typische Augenzittern.
Das Augenzittern kann in verschiedenen Formen auftreten:
- Am häufigsten tritt Nystagmus mit horizontalen Schlag- und Pendelbewegungen auf.
- Der vertikale Nystagmus und rotierende Bewegungen gehören allerdings zum gleichen Krankheitsbild.
Eine Möglichkeit zur Klassifizierung des spezifischen Nystagmus ist beispielsweise der Zeitpunkt des Auftretens des Augenzitterns. Dadurch unterscheidet sich:
- Der angeborenene Nystagmus
- Der erworbene Nystagmus
Weitere Klassifizierungen werden vorgenommen nach Schlagform und Schlagrichtung, nach Ursache und Auslösbarkeit des Augenzitterns:
- Das Auftreten des Nystagmus in Ruhestellung der Augen bezeichnet man auch Spontannystagmus.
- Beim Provokationsnystagmus tritt das Augenzittern beim Lagewechsel des Körpers oder des Kopfes auf.
Generell unterscheiden Ärzte ebenfalls, ob es sich um folgende Arten des Augenzitterns handelt:
- physiologisch
- pathologisch (krankhafte)
Physiologisch
Bei der physiologischen Nystagmusform handelt es sich um ein Auftreten des Nystagmus ohne negative Auswirkungen auf den Organismus. Der Nystagmus dient hier der natürlichen Anpassung der Augen an die Umwelt bzw. dem Ausgleich der Bewegung des Körpers.
Der Nystagmus ist nötig, damit der Patient beispielsweise bei einem Blick aus dem fahrenden Zug scharfe Bilder sehen kann. Diese Form nennen Experten auch optokinetischer Nystagmus. So kann das Bild, welches durch die Linse projiziert wird, möglichst konstant auf der Netzhaut bleiben.
Beispiele für den physiologischen Nystagmus sind:
- Provokationsnystagmus: Durch Temperaturreize oder Drehung ausgelöster Nystagmus.
- Optokinetischer Nystagmus: Dieser physiologische Nystagmus tritt bei gesunden Menschen auf, wenn sie Objekte in Bewegung fixieren.
- Kalorischer Nystagmus: Wird der Vestibularapparat im Ohr durch Hitze oder Kälte gereizt, entsteht im Hirn der Eindruck einer Drehung. Gesunde Menschen reagieren in der Regel mit einer Sakkade nach links beziehungsweise rechts.
- Rotatorischer bzw. postrotatorischer Nystagmus: Wird der Körper für längere Zeit gedreht, treten Schwindelgefühle und rotatorischer Nystagmus auf. Bei postrotatorischem Nystagmus versuchen die Augen, durch Gegenbewegungen Schwindel zu reduzieren.
- Vestibulärer Nystagmus: Tritt nach einer schnellen Drehbewegung des Kopfes auf.
- Mikrosakkaden sind minimale Augenbewegungen, die dem gesunden Menschen das scharfe Sehen erleichtern. Ein- bis drei Mal pro Sekunde passt ein gesundes Auge die Blickrichtung auch im Ruhezustand minimal an. Diese Bewegungen schränken das Sehen in keinster Weise ein und sind mit bloßem Auge kaum zu registrieren.
Optokinetischer Nystagmus
Pathologisch
Pathologische Formen des Nystagmus gehören zur Familie der sogenannten supranukleären Augenbewegungsstörungen. Sie sollten unbedingt vom Neurologen oder HNO-Arzt behandelt werden, wenn sie nicht nur temporär oder einmalig auftreten.
Nystagmus tritt temporär auch als Nebenwirkung mancher Suchtmittel auf (z.B. Ecstasy). Dieser Nystagmus ist dann eine Folge der mangelnden Koordination von Gleichgewichtssinn und Sehen.
Andere Nystagmusformen, die kontinuierlich auftreten, können auf neurologische Erkrankungen hinweisen. So können Hirnstamm oder Kleinhirn pathologisch anders sein. Auch Erkrankungen des Gleichgewichtsorgans weisen manchmal einen Nystagmus als Begleiterscheinung auf.
Bei andauerndem Augenzittern sollten Sie in jedem Fall einen Facharzt aufsuchen.
Beim den pathologischen Nystagmus bestehen folgende Formen:
- Spontannystagmus: Schlag- und Pendelbewegungen treten auch im Ruhezustand auf.
- Blickrichtungsnystagmus: Augenzittern tritt nur bei einer bestimmten Ausrichtung der Augen auf, zum Beispiel beim Blick nach links oder rechts.
- Downbeat bzw. Upbeat Nystagmus: Das Auge schlägt in seiner Neutralposition regelmäßig nach oben oder unten aus.
- Fixationsnystagmus: Das Auge schlägt schneller und stärker aus, wenn der Patient ein Objekt zu fixieren versucht.
- Dissoziierter Nystagmus: Nystagmus, der vorwiegend in nur einem Auge auftritt oder auf einer Seite deutlich stärker ausschlägt als auf der anderen.
- Latenstyp-Nystagmus: Hier treten bei Fixation mit dem linken Auge Schlagbewegungen nach links auf. Bei Fixationen mit dem rechten Auge Schlagbewegungen nach rechts. Wird ein Auge verdeckt, verstärkt sich der Effekt.
Zunächst erfolgt ein Anamnesegespräch zwischen Arzt und Patient, in dem sie Vorerkrankungen des Patienten sowie familiäre Belastungen klären.
Diese Informationen sind wichtig, damit der Arzt unterscheiden kann, ob eine angeborene oder erworbene Form vorliegt.
Der Arzt bittet Sie in diesem Gespräch, das Augenzittern genau zu beschreiben. Er stellt Ihnen einige Fragen, damit er den Nystagmus genau einordnen kann.
Außerdem fordert er Sie auf, unterschiedliche Kopfpositionen einzunehmen. Anschließend beschreiben Sie, wie sich die Sehschärfe bzw. das Augenzittern verändert.
Folgende Diagnosemethoden sind möglich, um einen Nystagmus festzustellen:
Eine Untersuchung mit der Frenzelbrille hat sich in den letzten Jahren sehr bewährt. Die Fenzelbrille setzt der Patienten wie eine herkömmliche Brille auf. Sie ist allerdings ein wenig größer und schwerer.
Die Fenzelbrille als Untersuchungsmethode wenden Ärzte zur Diagnostik eines Spontannystagmus ein. Die speziellen Linsen der Frenzelbrille vergrößern zum einen die Augen und zum anderen verhindern sie eine scharfe Wahrnehmung. Trägt der Patient die Brille, kann er keine Gegenstände im Raum scharf sehen.
So kann eine fehlerfreie Diagnostik erfolgen, da der Patient nicht abgelenkt ist. In der Regel führen Ärzte die Untersuchung in einem abgedunkelten Raum durch. Durch die LEDs im Inneren der Brille kann der Arzt das Augenzittern exakt beobachten.
Frenzelbrille
Eine weitere Untersuchungsmöglichkeit des Nystagmus ist der Elektronystagmographie (abgekürzt: ENG) als bildgebendes Verfahren. Hier bringt der Arzt Elektroden auf der Stirn, unter den Augen und im Nasenbereich des Patienten an. Diese zeichnen das Augenzittern elektrisch auf.
Die Elektroden lassen sich leicht über Klebeflächen anbringen. Der Patient kann sie nach der Untersuchung schmerzlos entfernen.
Potenzielle Begleiterscheinungen, die im Rahmen dieser Untersuchungsmethode auftreten, sind Übelkeit, Erbrechen und Schwindel.
Wie in jedem medizinischen Bereich ist die Diagnose des Arztes entscheidend. Die Behandlung von Nystagmus richtet sich nach der spezifischen Art, Schwere, Ursache des Augenzitterns und den vorhandenen Kompensationsmethoden.
Der Patient kann beispielsweise Augenzittern durch Kopfpositionsänderung kompensieren und abschwächen. Das Therapieziel ist in erster Linie die Verbesserung der Sehschärfe des Patienten. Hierzu gibt es zahlreiche Behandlungsmethoden.
- Medikamentöse Behandlung von Nystagmus
Bei der Behandlung mit Medikamenten verschreibt der Arzt vorzugsweise Memantin oder Gabapentin.
Ärzte setzten Memantin normalerweise in Europa und in den Vereinigten Staaten ein, um Demenzerkrankungen zu behandeln.
Auch findet das Präparat Verwendung in der Parkinsontherapie. Nebenwirkungen von Memantin sind Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel, Müdigkeit, Erbrechen und Verwirrtheit.
Gabapentin nutzen Ärzte, um Schmerzen innerhalb des peripheren Nervensystems oder Epilepsien zu behandeln. Wichtig ist, dass der Patient keinen Alkohol oder Morphin konsumiert, da es zu starken unerwünschten Nebenwirkungen kommen kann.
Die Meinung der Experten zur medikamentösen Behandlung von Nystagmus ist eher kontrovers. Manche Forscher und Ärzte zweifeln die Wirksamkeit dieser Präparate zur Behandlung des Augenzitterns an.
Viel gängiger dagegen ist die operative Behandlung, die bei einigen Formen zur Anwendung kommt.
- Vorgehen bei der Operation des Nystagmus
Bei etwa 50% der Patienten können Ärzte mit operativen Maßnahmen den angeborenen Nystagmus reduzieren. Durch spezielle Voruntersuchungen ermitteln Experten das geeignete Operationsprinzip.
Es muss geklärt werden, ob der Patient bei einer bestimmten Kopfhaltung weniger Augenzittern zeigt und ob eine Kopfzwangshaltung vorliegt.
Außerdem müssen Ärzte feststellen, ob der Patient Gegenstände in der Nähe oder in der Ferne besser erkennen kann. Auf Basis dieses Wissens kann der Facharzt zwischen zwei gängigen Operationsverfahren wählen.
- Verminderung des Augenzitterns
Ein Verfahren besteht in der Verminderung der Ausprägung des Nystagmus. Dies kann zum Beispiel durch eine oder mehrere Augenmuskeloperationen oder eine Injektion von Botulinumtoxin (Botox) erfolgen. Botulinumtoxin ist ein Nervengift mit sehr starker Wirkung, das seit den 1980er Jahren in der Medizin zum Einsatz kommt. Neben dem Einsatz in der Schönheitschirurgie zur Faltenreduktion kann Botox auch als Alternative zu Augenmuskeloperationen helfen.
Die Behandlung mit Botulinumtoxin bringt jedoch zwei elementare Nachteile mit sich:
- Die Wirkung des Nervengifts lässt zum einen nach einer bestimmten Zeitperiode nach und führt nicht zu dauerhaften Behandlungserfolgen.
- Zum anderen ist Botox schwer zu dosieren, was vor allem bei Behandlung der sensiblen Augenregion gefährlich ist.
Daher behandeln Ärzte den Nystagmus bevorzugt durch Operationen.
Botox kann die unkontrollierten Augenbewegungen bei Nystagmus reduzieren, obwohl die Ergebnisse nicht lange anhalten @ Oleksandr /AdobeStock
- Kompensationsmechanismen stärken
Das andere Operationsverfahren hat das Ziel, die Kompensationsmechanismen des Patienten gegenüber dem Augenzittern zu verstärken. Es gilt herauszufinden, durch welche Kompensationsmaßnahmen (z.B. veränderte Kopfhaltung) der Patient das individuelle Augenzittern minimiert.
Manche Patienten haben ein weniger starkes Augenzittern im Seitenblick. Der Arzt nutzt diesen Effekt, indem er in der OP die Augen verschiebt, sodass das Augenzittern im Geradeausblick aufhört. Diese Methode heißt auch Parallelverschiebung nach Kestenbaum.
So läuft der Vorgang ab:
- Im ersten Schritt erhält der Patient eine Narkose. In der Regel ist das eine Vollnarkose. Eine lokale Betäubung ist auf Wunsch des Patienten alternativ möglich.
- Zur Vorbereitung dieser Operation dreht der Arzt den Kopf des Patienten nach links und wendet beide Augen nach rechts.
- Der Arzt fixiert die Augäpfel, damit sich einige äußere Augenmuskeln zurücklagern.
- Andere äußere Augenmuskeln entfernt der Arzt operativ.
Manche Patienten berichten dagegen von weniger starkem Augenzittern im Nahblick, also wenn sie Gegenstände in unmittelbarer Nähe betrachten. Der Arzt spricht in diesem Falle von der sogenannten Nystagmusberuhigung durch Konvergenz.
Auch diese Form des Nystagmus können Ärzte besonders gut operativ behandeln. Das Ziel dieses operativen Eingriffs ist es, das im Nahblick reduzierte Augenzittern auch im Fernblick zu vermindern.
Das bevorzugte Operationsverfahren ist die Artifizielle Divergenz nach Cüppers. Dabei verlagert der Arzt spezifische äußere Augenmuskeln zurück.
Die Augen gehören zu den wichtigsten Sinnesorganen des Menschen. Somit können potenzielle Komplikationen, die während der Operationen des Nystagmus auftreten, die Lebensqualität des Patienten stark beeinflussen.
Wird die Operation unter anderem an den schrägen äußeren Augenmuskeln durchgeführt, kann es zu stärkeren Blutungen kommen. Der Grund ist die enge Lagebeziehung zu einem venösen Blutgefäß (sog. Vortex- oder Wirbelvene).
Der Arzt sollte nicht zu viele äußere Augenmuskeln gleichzeitig operieren, um die Versorgung der Augenmuskeln möglichst konstant zu halten. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, mehrere Operationstermine zu vereinbaren.
Durch das Abtrennen mehrerer Augenmuskeln kann die Durchblutung der vorderen Augenabschnitte beeinträchtigt werden.
Als Nebenwirkung bei der Therapie kann eine Infektion des Auges auftreten.
In der Regel sind die operativen Maßnahmen gegen das Augenzittern jedoch mit geringen Risiken verbunden. Vor allem dauerhafte Schädigungen der Augen kommen sehr selten vor.
Vor der Operation sollte der Patient ein ausführliches Gespräch mit dem Anästhesisten führen, damit er eine risikolose Narkose erhält.
Wenn Sie allergisch auf bestimmte Substanzen sind, dann sollten Sie das der Anästhesistin mitteilen. Sie sollten außerdem realistische Erwartungen an die Operation haben.
Sie sollten nicht davon ausgehen, nach der Nystagmus-OP deutlich besser sehen zu können. Den meisten Patienten fällt jedoch nach der Operation das Sehen leichter.
In der Regel bleiben Patienten nach der Operation für einige Tage stationär im Krankenhaus. So kann das Krankenhauspersonal die postoperativen Wunden fachgerecht versorgen.
Ärzte können so den Therapieerfolg überwachen und eventuelle Komplikationen und Nebenwirkungen (z.B. Entzündungen) schnell erkennen und behandeln.
Patienten, die sich für eine ambulante Operation entscheiden, dürfen nach der Operation nach Hause gehen. Sie müssen jedoch die Kontrolltermine zur Nachuntersuchung wahrnehmen.
Nystagmus ist eine Augenerkrankung, die bis heute noch nicht heilbar ist. Das Zittern der Augen kann ein Hinweis für neurologische Erkrankungen oder für eine pathologische Veränderungen des Gleichgewichtsorgans sein.
Zurzeit können Ärzte nur die Ausprägung und Häufigkeit des Nystagmus vermindern. Dazu stehen mehrere medizinische Behandlungsmethoden zur Verfügung.
Besonders gängig ist die operative Therapie des Augenzitterns, da sie sehr erfolgreich ist und relativ wenige Risiken birgt. Der Patient erhält während der Operation eine Vollnarkose oder lokaler Betäubung.
Im Zuge der Operation verlagert der Arzt einzelne äußere Augenmuskeln, andere äußere Augenmuskeln entfernt er operativ.
Eine Alternative zur operativen Therapie ist die Behandlung mit dem Nervengift Botulinumtoxin (Botox) oder anderen medikamentösen Präparaten.
Diese werden allerdings eher kontrovers im Hinblick auf ihre Wirkung bzw. ihren Langzeiterfolg diskutiert. Welche Behandlung die richtige für den Patienten ist, lässt sich nur in einem Gespräch mit dem Facharzt abklären.