Die Hoden zählen zu den männlichen Geschlechtsorganen. Sie sind an der Produktion der Spermien entscheidend beteiligt und spielen daher natürlich auch eine Rolle in Sachen Zeugungsfähigkeit. Kommt es nun zu einer embryonalen Fehlentwicklung, kann es passieren, dass sich die Hoden nicht dort befinden, wohin sie eigentlich gehören. Statt im Hodensack können sie in der Leiste oder dem Bauchraum feststecken und so zu Problemen führen, die bis hin zur Zeugungsunfähigkeit reichen können. Bei Kindern, die an einem Hodenhochstand leiden, ist eine baldige Therapie notwendig. Wie diese aussehen kann und welche Formen des Hodenhochstands es gibt, lesen Sie im Folgenden.
Wenn man von einem Hodenhochstand (Maldescensus testis) spricht, dann bedeutet dies, dass sich entweder einer oder sogar beide Hoden nicht im Hodensack befinden. Die Ursache für Hodenhochstand ist noch nicht eindeutig geklärt. Vermutet werden entweder hormonelle Störungen oder aber auch anatomische Hürden, die verhindern, dass der oder die Hoden bis in den Hodensack rutschen.
Bei einem Hodenhochstand wird zwischen verschiedenen Arten unterschieden.
Leistenhoden
Bei einem Leistenhoden steckt der Hoden gewissermaßen im oberen Leistenbereich fest und kann nicht den Weg in den Hodensack antreten. Beim Leistenhoden handelt es sich um die häufigste Form des Hodenhochstands, die einer Therapie bedarf.
Bauchhoden
Bei einem Bauchhoden hat die Senkung des Hodens in den Hodensack bereits in der Bauchhöhle gestoppt. Auch diese Form des Hodenhochstands ist therapiebedürftig, da es später ansonsten zu gesundheitlichen Problemen wie etwa Zeugungsunfähigkeit oder sogar zu Tumoren kommen kann.
Gleithoden
Ein Gleithoden befindet sich knapp über dem Hodensack im Leistenbereich. Es gelingt hierbei sogar, den Hoden in den Hodensack zu verschieben – allerdings gleitet er dann wieder zurück in den Bereich oberhalb des Hodensacks. Daher kommt auch der Name Gleithoden. Grund für das Zurückgleiten ist ein zu kurzer Samenstrang.
Pendelhoden
Der Pendelhoden liegt zwar grundsätzlich im Hodensack, kann aber durch bestimmte Reaktionen oder Reflexe nach oben gezogen werden. Hierbei wird ein bestimmter Muskel, der musculus cremaster, angespannt. Kälte oder sexuelle Erregung können hier Faktoren sein, die die Anspannung dieses Muskels begünstigen.
Ein Hodenhochstand kann sowohl genetische Ursachen haben als auch durch äußere Einflüsse begünstigt werden. Zu den genetischen Ursachen zählt etwa ein Fehler in der Erbsubstanz, der nicht nur den Hodenhochstand, sondern auch andere Fehlbildungen mit sich bringen kann. Diese können dann den korrekten Abstieg des Hodens in den Hodensack erschweren oder sogar ganz behindern. Zu den äußeren Einflüssen können zum Beispiel das Rauchen oder der Alkoholkonsum während der Schwangerschaft gehören. Aber auch andere Einflüsse wie Umweltgifte oder eine Diabeteserkrankung der Mutter können zu einem Hodenhochstand beitragen.
Ein Geburtsgewicht unter 2,5 kg sowie Frühgeburten sind ein Risikofaktor für einen Maldeszensus. Insuffizienz der Plazenta, also eine mangelhafte Versorgung des Kindes mit Sauerstoff und Nährstoffen sowie mit verminderter Human-Chorion-Gonadotropin(HCG)-Sekretion (e4) scheinen ebenso eine Rolle zu spielen wie ein verminderter mütterlicher Östrogenspiegel.
Zusätzlich können besondere Medikamente während der Schwangerschaft zum Beispiel Paracetamol-Einnahme ein erhöhtes Risiko für Kryptorchismus (Hodenhochstand) verursachen. Einige Studien haben Hinweise auf einen derartigen Zusammenhang aufgezeigt ("schwach signifikante Assoziationen"). Weitere Studien sind allerdings erforderlich, denn ein direkter Zusammenhang zwischen der Paracetamol-Einnahme während der Schwangerschaft und dem späteren Hodenhochstand des Kindes sind nicht erwiesen.
- genetische Ursachen
- Rauchen in der Schwangerschaft
- Alkoholkonsum in der Schwangerschaft
- Umweltgifte
- Diabetes mellitus der Mutter
- Frühgeburten
- Niedriges Geburtsgewicht (7% bei Geburtsgewicht kleiner als 2000g)
- Beckenendlage
- Weitere Faktoren: Präklampsie, positive Familienanamnese
Der Hodenhochstand ist die häufigste Genitalfehlbildung bei männlichen Babys: 3 % der Neugeborenen und 30 % der Frühgeborenen werden mit einem Hodenhochstand diagnostiziert. Aus diesem Grund wird bereits bei Neugeborenen darauf geachtet. Um die Art und Weise des Hodenhochstands festzustellen, wird der Arzt einige Untersuchungen vornehmen. Wenn der behandelnde Arzt den Hoden beispielsweise in den Hodensack streichen kann, dieser sich dann aber sofort wieder zurückzieht, dann liegt ein Gleithoden vor. Steckt der Hoden im Leistenkanal fest und kann nicht aus diesem hinausbewegt werden, dann spricht man von einem Leistenhoden.
Auch ein Abtasten der Hoden ist ein probates Mittel, um zu kontrollieren, ob diese an Ort und Stelle sitzen. Durch eine körperliche Untersuchung des Kindes wird der Hodenhochstand diagnostiziert. Die Sonographie kann bei klinisch nicht palpablem (= unter der Haut fühlbaren) Hoden zur Objektivierung der Hodenlage eingesetzt werden. Zeigt sich beim Ultraschall kein Hoden, sollte eine laparoskopische Hodensuche durchgeführt werden.
Ein Hodenhochstand kann im schlimmsten Fall zur Zeugungsunfähigkeit führen. Der Grund: In der Bauchhöhle oder im Bereich der Leiste ist die Temperatur ein wenig höher als im Hodensack. Zu den weiteren Gefahren können auch Hodentumore zählen. Die Wahrscheinlichkeit eines Tumors steigt bei einem unbehandelten Hodenhochstand an. Die Schäden können übrigens nicht nur an dem betroffenen Hoden auftreten, sondern an beiden. Gleichwohl ist die Zeugungsunfähigkeit bei einem einseitigen Hodenhochstand nicht zwingend ein Thema, da der andere Hoden im Zweifel die Aufgabe übernehmen kann.
Ein Hodenhochstand sollte möglichst zeitnah behandelt werden. Ziel ist, mit Vollendung des 12. Lebensmonats die Behandlung abgeschlossen zu haben. Bei Frühgeborenen gilt das korrigierte Alter.
Je früher desto besser
Um Infertilität und irreversiblen Schäden des Hodengewebes vorzubeugen, muß die Therapie bei Hodenhochstand, bis zur Vollendung des 1. Lebensmonats Lebensjahres abgeschlossen sein.
Die Therapie des nicht deszendierten Hodens sollte nach sechs Monaten beginnen. Neue Erkenntnisse legen nahe, in den ersten sechs Monaten auf einen spontanen Deszensus zu warten.
Während der ersten 6 Lebensmonate wird ein Zuwarten empfohlen, da hier noch die Möglichkeit eines spontanen Deszensus besteht. Nach dem 6. Monat stehen eine konservative Therapie (Hormontherapie) beim Gleithoden mit GnRH allein (über 4 Wochen) oder hCG (über 3 Wochen) oder als kombinierte Therapie mit GnRH mit der nachfolgenden Gabe von hCG erfolgen. Bei allen anderen Formen erfolgt primär eine operative Therapie.
Hierfür gibt es mehrere Methoden. In vielen Fällen leider nicht sehr erfolgsversprechend ist die Hormontherapie. Hierbei werden Hormone verabreicht, die auch während der Schwangerschaft für den normalen Abstieg des Hodens verantwortlich sind. Wie bereits erwähnt, ist diese Therapieform nicht sehr oft von Erfolg gekrönt, denn statistisch gesehen schlägt die Hormontherapie nur bei jedem fünften Patienten an. Darüber hinaus kann es hier zu diversen Nebenwirkungen wie zum Beispiel Schamhaarwuchs oder Vergrößerung des Geschlechtsteils kommen. In den meisten Fällen wird daher eine operative Therapie bevorzugt. Hierfür kommen diverse Verfahren zum Einsatz. Zu diesen Verfahren zählen zum Beispiel die Laparoskopische Hodenhochstand-OP oder die offene Hodenhochstand-OP.
EAU-Empfehlung:
- Beim beidseitigen Hodenhochstand sollte eine Hormontherapie angeboten werden.
- Eine Hormontherapie beim einseitigen Hodenhochstand (unilateralen MDT) ist in Hinblick auf die spätere Paternitätsrate nicht von Vorteil.
In den Leitlinien werden zwei Ziele für eine Hormontherapie verfolgt: der hochstehende Hoden soll sich wieder in die anatomisch korrekte Lage bewegen. Gleichzeitig soll die Keimzellreifung und Proliferation (Zellenvermehrung) stimuliert werden, um die Fruchtbarkeit (Fertilität) zu verbessern.
Je eher die Operation durchgeführt wird, desto geringer ist das Risiko für Folgeerkrankungen. Bei einigen Patienten wurde eine Atrophie des Hodens als Komplikation nach der OP festgestellt. Hierbei verkümmert der Hoden aufgrund eines Gewebschwundes. Weitaus seltener kommt es zu einem Rezidiv, bei dem sich der Hoden wieder in die Leiste zurückzieht. Auch bei Patienten, bei denen der Hodenhochstand operiert wurde, ist es wichtig, auf bestimmte Veränderungen – zum Beispiel das Anwachsen der Hoden – zu reagieren und einen Arzt aufzusuchen. Von daher ist es ratsam, dass Patienten schon früh lernen, auf solche Anzeichen zu achten. Der Arzt der Wahl ist bei einem Hodenhochstand und dessen Begleiterscheinungen der Urologe.