Von affektiven Störungen spricht man, wenn eine Störung der Stimmung im Zentrum der Problematik steht. Das heißt, wenn die Stimmung entweder depressiv-gehemmt oder manisch-erregt ist.
Affektive Störungen treten typischerweise phasenhaft auf: Vor und nach der Depression oder Manie weist der Betroffene Stimmungslagen im Normalbereich auf. In vielen Fällen treten depressive und/oder manische Phasen mehrfach während des Lebens auf. Man spricht dann auch von wiederkehrenden oder „rezidivierenden“ Störungen.
Neben Depressionen und Manien gehören auch anhaltende affektive Störungen wie
- die Dysthymie (dauerhaft leicht depressive Stimmung) und
- die Zyklothymie (dauerhaft zwischen leicht depressiv und leicht gehoben wechselnde Stimmung)
zu den affektiven Störungen.
Depressionen werden nach ihrem Schweregrad unterteilt in leichte, mittelgradige und schwere depressive Episoden. Bei schweren Depressionen können weiterhin Depressionen mit und ohne psychotische Symptome (Verlust des Realitätsbezugs) unterschieden werden.
Manien werden unterteilt in hypomane (leichtere) und manische (schwerere) Episoden. Bei manischen Episoden können die Manien mit und ohne psychotische Symptome auftreten.
Neben reinen depressiven oder manischen Episoden können auch sog. gemischte affektive Störungen auftreten. Bei ihnen wechseln sich ein manisches und ein depressives Zustandsbild in rascher Folge ab. Man spricht dabei auch von bipolarer Störung.
Affektive Störungen beinhalten depressive oder manische Phasen oder eine Kombination aus beiden © Axel Bueckert | AdobeStock
Affektive Störungen können unipolar oder bipolar verlaufen. Bei einem unipolaren Verlauf treten ausschließlich manische oder depressive Phasen auf, wobei in den allermeisten Fällen nur Depressionen auftreten, während wiederholte reine Manien sehr selten sind.
Bei einem bipolaren Verlauf wechseln sich manische und depressive Episoden ab, wobei der Wechsel nicht regelmäßig ist. Unipolare Störungen sind sehr viel häufiger als bipolare.
Die meisten affektiven Störungen treten rezidivierend auf, also in mehreren Phasen. In nur ca. 15 Prozent aller Fälle treten Depressionen nur ein einziges Mal auf.
Affektive Störungen werden durch verschiedene Einflussfaktoren verursacht. Dazu können
- eine genetische Veranlagung,
- Belastungen in der Kindheit,
- körperliche Erkrankungen,
- aktuelle Stresssituationen oder Konflikte sowie
- hormonelle oder andere biologische Veränderungen
gehören.
Man nimmt an, dass Erbfaktoren eine erhöhte Veranlagung zur Erkrankung an affektiven Störungen verursachen.
Den Auslöser für die Krankheitsphasen stellen dann aber andere Faktoren wie Belastungssituationen oder hormonelle Veränderungen dar.
- Für die genetische Veranlagung (Disposition) sprechen Befunde, dass affektive Störungen gehäuft bei nahen Familienangehörigen auftreten. Diese Häufung zeigt sich auch dann, wenn z.B. Kinder nicht in der Familie des Erkrankten aufgewachsen sind. Allerdings sind die verantwortlichen Gene nicht genau bekannt.
- Frühe Verlust- und Trennungserfahrungen in der Kindheit treten bei Patienten mit Depressionen ebenfalls gehäuft auf.
- Körperliche Erkrankungen oder die Einnahme bestimmter Medikamente können eine affektive Störung auslösen.
- Aktuelle Stresssituationen spielen als Auslöser von affektiven Episoden eine Rolle, da sie im Vorfeld depressiver Erkrankungen gehäuft auftreten.
- Für den Einfluss biologischer Faktoren spricht u.a. die Wirkweise von Antidepressiva, da diese in die Botenstoff-(Transmitter-)übertragung im Gehirn eingreifen.
Etwa ein bis zwei Prozent aller Menschen erkranken im Laufe ihres Lebens an einer bipolaren Störung. Dabei wechseln sich depressive Episoden mit manischen, hypomanen oder gemischten Phasen ab. Bipolare Erkrankungen beginnen im Durchschnitt früher als reine Depressionen: Das Ersterkrankungsalter liegt bei durchschnittlich 16 bis 18 Jahren. Frauen und Männer sind gleich häufig betroffen.
Bipolare Störungen beginnen häufiger mit einer Manie als mit einer Depression. Sie verlaufen meist schwerer als reine („unipolare“) Depressionen, d.h. es treten mehr Episoden auf.
Wenn sich die depressiven Episoden mit ausgeprägten Manien abwechseln, spricht man auch von bipolar-I Erkrankungen. Beim ausschließlichen Auftreten von leichteren hypomanen neben den depressiven Phasen wird die Störung als bipolar-II bezeichnet.
Wie bei reinen Depressionen gehen auch die Episoden in bipolaren Störungen meist vollständig zurück. Dennoch sind 20 bis 30 Prozent der Betroffenen auch in den krankheitsfreien Phasen durch eine erhöhte Stimmungslabilität u.U. stark beeinträchtigt.
Der Verlauf bipolarer Störungen ist insgesamt schlechter als der Verlauf von unipolaren Depressionen. Die Rate an zusätzlichen psychischen Erkrankungen ist höher, die Suizidrate liegt mit 15 bis 30 Prozent ebenfalls höher.
Als Dysthymien bezeichnet man chronische (mind. zwei Jahre dauernde) leichtere depressive Störungen. Sie erreichen niemals den Schweregrad einer vollständigen Depression. Allerdings treten häufig im langfristigen Verlauf auch zusätzliche depressive Episoden auf.
Ca. 6 bis 10 Prozent aller Menschen sind betroffen. Früher hat man diese Formen auch als neurotische Depressionen bezeichnet.
Bei einer Zyklothymie besteht über mind. zwei Jahre ein Wechsel von depressiver und gehobener Stimmung, ohne dass die Kriterien einer bipolaren Störung erreicht werden. Sie treten bei 0,5 bis 1 Prozent der Bevölkerung auf und gehen in 15 bis 30 Prozent der Fälle in eine bipolare Störung über.
Eine Manie ist symptomatisch das Gegenteil einer Depression. Die wichtigsten Kriterien für die Diagnosestellung sind:
- Gehobene, ansteckende, teilweise auch gereizte Stimmung,
- Steigerung des Antriebs,
- ideenflüchtiges Denken (d.h. die Patienten kommen vom „Hölzchen“ aufs „Stöckchen“),
- fehlendes Krankheitsgefühl und mangelnde Kritikfähigkeit,
- extremer, kaum unterbrechbarer Redefluss,
- Selbstüberschätzung bis hin zu Größenideen,
- starke Ablenkbarkeit,
- vermindertes Schlafbedürfnis und Libidosteigerung.
Die gehobene Stimmung von manischen Patienten äußert sich durch extrem gute Laune, Ausgelassenheit und Heiterkeit. Allerdings ist sie leicht irritierbar. Das heißt, dass sie leicht in Gereiztheit mit deutlich aggressivem Unterton umschlagen kann. Das Selbstwertgefühl ist in Manien gesteigert, Selbstreflexion und insbesondere Krankheitseinsicht dementsprechend massiv eingeschränkt.
Auch die vegetativen Symptome bilden das Gegenbild zur Depression: Die Patienten
- benötigen kaum Schlaf,
- haben einen gesteigerten Appetit,
- fühlen sich besonders gesund und kraftvoll und
- haben häufig auch eine gesteigerte Libido.
Teilweise gehen manische Patienten deshalb auch rasch wechselnde sexuelle Kontakte ein.
Als ideenflüchtiges Denken wird bezeichnet, dass Maniker unbeständig, flüchtig und einfallsreich denken. Der Denkinhalt ändert sich ständig und Außenstehende kommen oft nicht mehr mit. Allerdings sind im Gegensatz zur schizophrenen Symptomatik die Verbindungen zwischen den Gedankengängen noch verständlich, also nicht zerfahren.
In Manien treten häufig Größenideen mit rasch wechselnden Inhalten auf: z.B. halten sich die Patienten in rascher Folge für einen begnadeten Sänger und einen hochraffinierten Unternehmer. Diese Vorstellungen können sich bis zum Größenwahn steigern.
Der gesteigerte Antrieb äußert sich in gesteigerter Aktivität und Bewegung und starkem Rededrang. Viele spontane Gedanken und Entschlüsse können kritiklos umgesetzt werden. Dies kann zu massiven sozialen Problemen führen, wenn die Patienten sich beispielsweise
- durch Umsetzen einer spontanen Geschäftsidee in den finanziellen Ruin stürzen,
- sich sexuell völlig enthemmt benehmen oder
- Dinge tun, für die sie sich nach Abheilen der Manie bitter schämen.