Lebensqualität neu definiert: Endoprothetik für Hüfte und Knie - Experteninterview mit Prof. Schräder

10.04.2024

Prof. Dr. Peter Schräder ist ein herausragender Experte auf dem Gebiet der Orthopädie und Unfallchirurgie und spielt eine maßgebliche Rolle im Bereich der Mobilitätserhaltung. Als Chefarzt und Ärztlicher Leiter der Klinik für Orthopädie und Traumatologie am OrthoCentrum Jugenheim OCJ in Hessen deckt Prof. Dr. Schräder ein breites Spektrum ab – von Erwachsenen bis hin zur Kinderorthopädie. Seine Expertise erstreckt sich über zahlreiche Fachbereiche, darunter Hüft- und Knieendoprothetik, Gelenkknorpelchirurgie, Sportchirurgie und -traumatologie sowie die orthopädische Rheumatologie. Mit einer hochspezialisierten Ausrichtung auf Endoprothetik genießt Prof. Dr. Schräder einen ausgezeichneten Ruf. Unter seiner Leitung werden sämtliche Aspekte der Behandlung des Stütz- und Bewegungsapparates abgedeckt.

Die Klinik in Jugenheim, idyllisch im Landkreis Darmstadt-Dieburg gelegen, ist nicht nur mit modernster Ausstattung versehen, sondern auch auf die individuellen Bedürfnisse jedes Patienten fokussiert. Prof. Dr. Schräder legt großen Wert darauf, nicht-operative Methoden zu priorisieren, um Beschwerden und Einschränkungen der Mobilität zu behandeln, bevor ein chirurgischer Eingriff in Betracht gezogen wird. Sein Ziel ist es stets, die Mobilität der Patienten so schnell und effektiv wie möglich wiederherzustellen. Dabei setzt er auf eine ganzheitliche Diagnose und Therapie, um die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen. Seine Klinik führt eine große Anzahl an Ersteingriffen durch, wobei ausschließlich hochwertige Implantate verwendet werden, um die Lebensqualität der Patienten zu verbessern. I

m gleichen Maß ist Prof. Dr. Schräder zusammen mit seinem Team spezialisiert auf Wechseloperationen. Die Anwendung modernster Technologien, wie beispielsweise eine neue Robotik- und Navigations-assistierte Operationstechnik bei künstlichen Kniegelenken, hat zu einer verbesserten Funktion und Lebensdauer der Prothesen geführt. Seine Herangehensweise zeichnet sich nicht nur durch fachliche Expertise aus, sondern auch durch ein hohes Maß an Empathie. Er etabliert ein Vertrauensverhältnis zu seinen Patienten, um die optimale Behandlung sicherzustellen. Insgesamt steht Prof. Dr. Peter Schräder für ein hohes Maß an Kompetenz, für eine ganzheitliche und individuelle Patientenversorgung sowie für innovative Ansätze in der Orthopädie und Unfallchirurgie, die darauf abzielen, die Lebensqualität und Mobilität seiner Patienten zu verbessern.

Die Redaktion des Leading Medicine Guide wollte mehr zum Thema Endoprothetik bei Hüfte und Knie wissen und konnte Prof. Dr. Schräder hierzu in einem Gespräch befragen.

Prof. Peter Schräder Leading Medicine Guide

Die Endoprothetik, auch als Gelenkersatzchirurgie bekannt, ist ein spezialisiertes medizinisches Verfahren zur Behandlung von Gelenkproblemen. Sie umfasst den Einsatz von künstlichen Gelenken, um die Funktionalität und Beweglichkeit von geschädigten oder erkrankten Gelenken wiederherzustellen und bietet eine breite Palette von Möglichkeiten zur Linderung von Schmerzen, Verbesserung der Mobilität und Wiederherstellung der Lebensqualität bei Menschen mit Gelenkerkrankungen oder schweren Verletzungen. 

Bei der Entscheidung für eine gelenkerhaltende Knorpeloperation im Vergleich zu einer Endoprothetik des Knies oder der Hüfte spielen mehrere spezifische Indikationen und Faktoren eine entscheidende Rolle. 

Zunächst einmal wird die Wahl zwischen einer gelenkerhaltenden Operation und einer Endoprothetik oft durch den Zustand des betroffenen Gelenks bestimmt. Knorpelersatzverfahren spielen beim Kniegelenk eine größere, beim Hüftgelenk nur eine untergeordnete Rolle. Beim Kniegelenk muss man grundsätzlich zwischen drei Gruppen unterscheiden: den gelenkerhaltenden Maßnahmen (zum Beispiel Knorpelregeneration), dem endoprothetischen Teilersatz und die Vollprothese. Wichtig ist, dass eine Klinik das gesamte Spektrum anbieten kann, von gelenkerhaltenden Maßnahmen bis zum Vollgelenk, damit man dem Patienten strategisch das anbieten kann, was er braucht. Das richtet sich dann danach wie groß der Knorpel- und Gelenkschaden ist und an welcher Stelle dieser Gelenkschaden lokalisiert ist“, erklärt Prof. Dr. Schräder zum Beginn unseres Gesprächs und ergänzt:

Weitere Faktoren bei der Entscheidung sind das Alter und das Gewicht des Patienten und wie die Beinachse aussieht. Das spielt alles eine Rolle, und man muss herausarbeiten, was der Patient perspektivisch erreichen möchte. Jüngere und aktivere Patienten haben oft ein höheres Interesse daran, ihr natürliches Gelenk zu erhalten, um die Bewegungsfreiheit und die Möglichkeit zur Teilnahme an sportlichen Aktivitäten zu bewahren. In solchen Fällen kann eine gelenkerhaltende Operation eine attraktive Option sein, da sie die Chance auf eine langfristige Erhaltung der Gelenkfunktion bietet und die Notwendigkeit einer späteren Prothesenrevision möglicherweise reduziert. Das sind die Gesamtfragen, die man sich stellt, und man kann dann den Patienten einsortieren“.

Darüber hinaus spielen auch individuelle Präferenzen und Lebensumstände eine Rolle bei der Entscheidung. Einige Patienten wollen unbedingt ihre natürlichen Gelenke erhalten, solange es medizinisch vertretbar ist, sodass eine gelenkerhaltende Operation bevorzugt wird. Schließlich werden auch die Risiken und potenziellen Komplikationen jeder Behandlungsoption berücksichtigt. Während gelenkerhaltende Operationen oft weniger invasive Eingriffe sind und mit einem geringeren Risiko von Komplikationen wie Infektionen und Blutgerinnseln verbunden sein können, können sie möglicherweise nicht die gleiche langfristige Haltbarkeit und Schmerzlinderung bieten wie eine Endoprothetik. Die individuellen Risikofaktoren und Präferenzen des Patienten werden daher sorgfältig abgewogen, um die geeignetste Behandlungsoption zu wählen, die den langfristigen Bedürfnissen und Zielen des Patienten am besten entspricht.

Ich erkläre es den Patienten immer wie folgt: Der liebe Gott hat einen großen Zoo gebaut, und die Menschen darin sind alle sehr unterschiedlich. Wenn ich einem Patienten erkläre, dass eine gewählte Teilprothese vielleicht nur 2-3 Jahre halten wird, gibt es diejenigen, die sagen `Ja, ich möchte auf jeden Fall alles probieren, bevor eine Vollprothese gewählt wird´, ist das ok, und wir können das machen. Andere Patienten wiederum sagen `Nein, dann möchte ich gleich die Vollprothese, dann habe ich das hinter mir´. Das bespreche ich mit den Patienten intensiv vor dem Eingriff, da ich nicht möchte, dass wenn zum Beispiel ein Knorpelersatzverfahren gemacht wird, das aber nur zwei Jahre hält, der Patient am Ende sagt `Wenn ich das mal vorher gewusst hätte … dann hätte ich mich gleich für eine Teil- oder Vollprothese entschieden´. Die Entscheidung trifft man mit dem Patienten gemeinsam. Zeit dafür besteht, da es sich um eine elektive Operation, also eine Wahl- und nicht um eine Notfalloperation handelt“, so Prof. Dr. Schräder. 

Die Entscheidung, eine Prothese so spät wie möglich einzusetzen kann genauso verkehrt sein wie so früh wie möglich. „Wenn der Patient sich beispielweise mit einer Knorpeltherapie am Ende ein bis zwei Jahre herumquält und man macht am Ende doch die Prothese, dann sollte man sich zugunsten der Lebensqualität des Patienten entscheiden. Und ob ich den Patienten mit 62 Jahren oder mit 65 Jahren operiere, das ist am Ende des Tages nicht relevant. Patienten sind auch teilweise recht jung, der Anspruch ist dann meist höher, und auch die Belastung der Gelenke ist teilweise höher, da die sportlichen Aktivitäten oftmals intensiver sind. Und dann steht der Wunsch des noch jungen Patienten im Raum, das Leben nach wie vor aktiv gestalten zu können“, schildert Prof. Dr. Schräder wichtige Aspekte der Entscheidungsfindung.

Moderne Implantate werden zunehmend aus hochwertigen Materialien wie Keramik, Metalllegierungen und hochfesten Polymeren hergestellt, die eine bessere Haltbarkeit und Abriebfestigkeit bieten. 

Die Haltbarkeit der Prothesen entwickelt sich in einer Zeitspanne von ca. 20 Jahren. Früher hat man von rund 15 Jahren gesprochen. Die längere Haltbarkeit liegt am Ende an den Komponenten und Materialien und natürlich auch an der sogenannten Gleitpaarung. Heute verwendete Prothesen entsprechen sehr viel mehr der Anatomie des natürlichen Gelenks und dessen Bewegung. Es ist die mögliche Roll- und Gleitbewegung, die hier den Ausschlag gibt, und man spricht dann gerade bei den künstlichen Hüftgelenken auch von dem `forgotten joint´ (dem vergessenen Gelenk) – das heißt, der Patient denkt gar nicht mehr daran, dass er ein künstliches Gelenk hat. Beim Kniegelenk ist das noch ein bisschen anders. Hier gibt es einen relevanten Anteil an Patienten, die immer wieder ein bisschen hier und ein bisschen da klagen und noch immer ein Fremdkörpergefühl verspüren. Das liegt zum Teil daran, dass Knie- und Hüftgelenk zwei unterschiedliche Gelenke sind – das Kugelgelenk und das Scharniergelenk – das ist schon einmal eine ganz andere Mechanik, die dahintersteckt. Beim Hüftgelenk gibt es einfach auch mehr Muskulatur und Gewebe, was das Gelenk stützt“, verdeutlicht Prof. Dr. Schräder vor allem das Empfinden des Patienten bei einem Hüft- und Kniegelenkersatz.


Die Gleitpaarung beim Kniegelenk bezieht sich auf die spezifische Art und Weise, wie die künstlichen Komponenten einer Knie Endoprothese miteinander interagieren, um die Bewegung des Gelenks zu ermöglichen. Bei einer Knie Endoprothese bestehen die Hauptkomponenten in der Regel aus Metall- und Kunststoffteilen, die an den Knochen befestigt werden. Die Gleitpaarung bezieht sich auf die Art und Weise, wie sich diese Komponenten bewegen, wenn das Kniegelenk gebeugt oder gestreckt wird.


Ein weiterer wichtiger Fortschritt betrifft die Verbesserung der chirurgischen Techniken und Instrumente. Minimalinvasive Operationstechniken ermöglichen präzisere und schonendere Eingriffe, die zu einer schnelleren Genesung und geringeren postoperativen Komplikationen führen können. Darüber hinaus haben Fortschritte in der Bildgebungstechnologie wie die Verwendung von präoperativen 3D-Bildern und computergestützten Planungssystemen dazu beigetragen, dass Chirurgen präziser arbeiten können, was die Passform und Ausrichtung der Implantate verbessert und die langfristige Stabilität fördert. Die Weiterentwicklung von Implantat-Befestigungstechniken spielt natürlich auch eine große Rolle. Moderne Implantate können sowohl mit zementfreien als auch mit zementierten Techniken sicher befestigt werden, wobei die Auswahl je nach individuellem Patientenfall getroffen wird. Darüber hinaus haben Fortschritte in der Oberflächenbeschichtungstechnologie die Integration von Implantaten mit dem umgebenden Knochen verbessert, was die langfristige Stabilität und Haltbarkeit der Implantate unterstützt.

Bewegung ist wichtig!

Wie der Verlauf nach dem Einsetzen einer Prothese ist, beschreibt Prof. Dr. Schräder wie folgt: „Die heute verwendeten Prothesen sind ab dem Tag der Operation voll belastungsfähig, und die Patienten werden sehr schnell früh mobilisiert und sollen möglichst schnell, ganz nach dem `Fast-Track-Konzept´ (Schnellspur-Konzept), wieder selbstständig in ihrer Bewegung sein. Das heißt, es geht nicht darum, den Patienten möglichst früh aus der Klinik zu entlassen, sondern ihn möglichst schnell wieder zur Selbstständigkeit zu führen. Es folgt dann eine ca. 4-6wöchige Rehabilitation mit begleitender Physiotherapie, und weitere ca. 3-6 Monate dauert es, bis der Patient wieder fit für sportliche Aktivitäten ist (bei einer Hüftprothese geht alles etwas schneller als bei einer Knieprothese). Wichtig beim Kniegelenk ist die muskuläre Führung, damit man gut und sicher gehen kann, und die zuvor abgebaute Muskulatur kann man auch nicht von jetzt auf gleich wieder aufbauen. Und es ist durchaus auch so, dass der Patient über einen längeren Zeitraum nach dem Eingriff Schmerzmittel benötigt. Wichtig ist, dass der Patient sich bewegt, und hier ist es besser, mehrfach kürzere Strecken statt eine lange Strecke zu gehen. Schmerz ist dabei ein Zeichen, das man nicht übergehen sollte, aber es bedeutet auch nicht, dann nichts mehr zu tun. An dieser Stelle ist daher eine motivierende Patientenführung durchaus wichtig. Die meisten Patienten bekommen dann das Maß an Bewegung hin, das passt“.

Die Wechsel Endoprothetik ist eine besondere Herausforderung

Im Gegensatz zur primären Endoprothetik, bei der ein intaktes Gelenk durch ein Implantat ersetzt wird, erfordert die Wechsel Endoprothetik spezielle chirurgische Techniken und Instrumente, um die alte Prothese zu entfernen und eine neue zu platzieren. Dies erfordert oft eine zusätzliche präoperative Planung und eine individuell angepasste Vorgehensweise, um die bestmöglichen Ergebnisse für den Patienten zu erzielen.

Die Erst-Operation ist immer hochstandardisiert. Eine Wechseloperation ist wiederum höchst individuell. Da ist jede Operation definitiv anders. Der zweite Punkt ist, dass das Gelenk bei einer Wechseloperation zwar locker ist – es ist aber nicht so, dass man das Gelenk einfach so wieder aus dem Knochen herausholen kann und das neue Gelenk einfach wieder hineinsetzt. Es liegt immer ein Zusatzschaden an dem Knochen vor. Man kommt auch nicht mit Standard-Implantaten zurecht, sondern benötigt spezielle Implantate sowohl für das Knie als auch für die Hüfte, die helfen, dass das Gelenk wieder genauso gut im Knochen verankert wird. Diese haben eine modulare Aufbauweise, bestehen aus mehreren Einzelteilen, und müssen während der Operation auch extra zusammengesetzt werden. Dadurch kann man bestehende Defizite gut ausgleichen, alle Eventualitäten berücksichtigen, kann ein Teil des Implantats ein bisschen nach links oder rechts drehen, damit am Ende alles gut passt. Das ist somit ein deutlich höherer technischer Aufwand als bei einer Erstoperation, was die Wechseloperation immer zur besonderen Herausforderung macht, die im Regelfall nie nach Standard verläuft“, betont Prof. Dr. Schräder.

Aufgrund dieser besonderen Herausforderung kann auch nicht jeder orthopädischer Chirurg in einer Klinik eine Wechseloperation durchführen. „Solche Operationen können nur in Kliniken durchgeführt werden, die über die notwendige Erfahrung verfügen. Das lässt sich auch in Zahlen ausdrücken. So heißt es in den Richtlinien, dass eine Klinik als Mindestmenge im Schnitt 50 Knieoperationen pro Jahr durchführen muss, um Wechseloperationen anbieten zu können. Das ist ein Witz – das wäre lediglich ein Knie pro Woche. Wir machen ca. 1000 Knie pro Jahr, nur um die Dimension einmal aufzuzeigen. Ein Arzt, der Wechseloperationen macht, sollte sehr sicher sein in der Implantation von normalen Prothesen, also bei Erstimplantationen und meines Erachtens nach mindestens 3-5 Jahre, nachdem er seinen Facharzt erreicht hat, eine Trainingszeit in einem Zentrum durchlaufen, welches eben nicht nur eine Handvoll Knie im Jahr operiert. Es ist schwer zu quantifizieren – es ist ein Handwerk – der eine braucht dafür etwas länger, der andere ist schneller. Die Anzahl der Operationen so zu beziffern ist am Ende schwierig, dient aber nur einem Erfahrungswert, auch weil man zusätzlich zwischen einfachen und komplexen Wechseloperationen unterscheiden muss“, macht Prof. Dr. Schräder klar.

Die Entwicklung von Materialien und Implantatdesigns spielt eine entscheidende Rolle bei der Erhaltung der natürlichen Beweglichkeit und Langzeitfunktionalität des Gelenks in der Orthopädie, insbesondere im Bereich der Gelenkersatzchirurgie. 

Moderne Materialien wie hochfeste Polymerkomposite, Keramiken und Metalllegierungen werden sorgfältig ausgewählt, um die natürlichen biomechanischen Eigenschaften des Gelenks nachzuahmen und gleichzeitig Haltbarkeit und Abriebfestigkeit zu gewährleisten. Ein wichtiger Aspekt bei der Materialentwicklung ist die Reibungs- und Verschleißminderung.

Bei der Primär-Endoprothetik hat sich grundsätzlich wesentlich mehr verändert als bei der Wechsel Endoprothetik, und hier geht es um mehr als `nur´ um Material. Hier haben sich auch die Operationszugänge verändert, die meisten Eingriffe können minimal-invasiv vorgenommen werden, die Vor- und Nachbehandlungszeit hat sich geändert, und hier in unserer Klinik nutzen wir oftmals auch die Robotik. Bei der Wechsel Endoprothetik gibt es ein breiteres Angebot an Material im Vergleich zu früher, und wir machen die Wechsel Operationen am Kniegelenk sehr gerne mit Navigationsunterstützung. Was das Material betrifft, so ist Titan in Verbindung mit hochvernetztem Polyethylen gut, damit sich die Prothese im Fall der zementfreien Operation gut mit dem Knochen verbindet. Es gibt auch die Keramik-Keramik-Gleitpaarung und eine spezielle Oberflächenbehandlung der Prothesen“, schildert Prof. Dr. Schräder.

Durch die Verwendung von Materialien mit geringer Reibung wie Polyethylen mit ultra-hochmolekularem Gewicht für Gleitpaarungen oder Keramikoberflächen für metallische Komponenten können Entzündungen und Abrieb minimiert werden, was die Langzeitfunktionalität des Gelenks unterstützt und die Wahrscheinlichkeit von Implantatversagen verringert. „Darüber hinaus spielen auch Fortschritte im Implantatdesign eine entscheidende Rolle bei der Erhaltung der natürlichen Beweglichkeit des Gelenks. Wir machen keine Designs, damit es besonders schick aussieht, sondern damit die Funktion optimiert wird. Moderne Implantate werden zunehmend anatomisch geformt und individualisiert, um eine bessere Passform und Ausrichtung im Gelenk zu erreichen. So sind wir bei den Kniegelenken bei asymmetrischen Designs angekommen, weil auch unser Kniegelenk nicht symmetrisch ist (ein Teil ist konkav, ein Teil ist konvex). Früher hat man dem Knie eine Form aufgezwungen, die es nicht natürlicherweise hat. Aus der Form ergibt sich auch ein unterschiedlicher Bewegungsablauf. Und aus der asymmetrischen Form ergibt sich eine sehr natürliche Kinematik, während man früher mit Einschränkungen rechnen musste. Bei den Hüftgelenken kann man zwischen Kurz- und Langschaftprothesen wählen, die sich unterschiedlich in den Knochen einfügen. Je natürlicher die Kraftverteilung ist, desto länger ist die Standzeit der Prothese“, erklärt Prof. Dr. Schräder zu den heute sehr modern verwendeten Prothesen. 

Gelenkerhaltende Techniken und präzisere Operationsmethoden haben einen erheblichen Einfluss auf die Entscheidung zwischen gelenkerhaltenden Knorpeloperationen und einer Endoprothetik, insbesondere im Kontext von Hüft- und Kniechirurgie. 

Gelenkerhaltende Techniken wie Knorpeltransplantationen, Mikrofrakturierung und autologe Chondrozytentransplantation (ACT) tragen dazu bei, lokale Knorpelschäden zu reparieren und die natürliche Gelenkfunktion zu erhalten. Diese Techniken zielen darauf ab, geschädigten Knorpel zu regenerieren oder zu ersetzen, anstatt das gesamte Gelenk durch eine Prothese zu ersetzen. Gesunde Knorpelzellen (Chondrozyten) werden aus einem intakten Bereich des betroffenen Gelenks entnommen, kultiviert und vermehrt. Anschließend werden diese Zellen in den beschädigten Bereich des Knorpels implantiert. Für Patienten mit lokal begrenzten Knorpelschäden, insbesondere jüngere und aktive Patienten, können diese gelenkerhaltenden Knorpeloperationen eine attraktive Option sein, um die natürliche Gelenkfunktion zu bewahren und die Notwendigkeit einer Endoprothetik zu verzögern oder zu vermeiden.

Die Größe des Knorpeldefekts ist ein wichtiger Parameter, den man über die Kernspintomografie feststellt. Und danach kann man entscheiden, ob man den Knorpel ersetzen kann oder nicht. Je großflächiger der Knorpelschaden ist, desto wahrscheinlicher ist ein Gelenkersatz oder zumindest –Teilersatz. Das Alter spielt auch eine Rolle, wobei das auch relativ ist, da im Alter grundsätzlich nichts besser wird. Wenn eine Knorpelrekonstruktion gemacht wird, muss sichergestellt sein, dass der Knorpel sich biologisch rekonstruieren kann. Daher gibt es keine fixe Altersgrenze. Das Gewicht des Patienten ist wichtig, weil Übergewichtige schlechter heilen. Auch eine mögliche Achsenfehlstellung wie X- oder O-Beine ist entscheidend – hier kann keine Knorpelregeneration stattfinden. Der Anspruch und die Beschwerden des Patienten sind auch relevant. Möchte er wieder Ski fahren können, oder hat er nur Beschwerden beim täglichen Gehen? Das sind Grundfaktoren, die abzuklären sind“, sagt Prof. Dr. Schräder zu den Kriterien für eine mögliche Knorpelregeneration.

Rehabilitative Maßnahmen und postoperative Protokolle spielen eine entscheidende Rolle bei der Minimierung von Komplikationen und der Verbesserung der Langzeitergebnisse nach gelenkerhaltenden Operationen sowie nach Endoprothetik-Eingriffen an Hüfte und Knie. 

Diese Maßnahmen zielen darauf ab, die Genesung zu beschleunigen, die Muskelkraft und Gelenkbeweglichkeit wiederherzustellen, Schmerzen zu kontrollieren und das Risiko von Komplikationen wie Thrombosen und Infektionen zu reduzieren. „Um mit dem Positiven zu beginnen: Die Endoprothetik gehört zu den erfolgreichsten Operationen überhaupt, und es gibt eine extrem geringe Rate an Komplikationen. Diese liegt nämlich bei nur 1-2%! Es kann immer zu einer Infektion kommen. Aus dem Grund wird im Regelfall in Spezialkliniken die höchste Hygienestufe 1A in den Operationssälen eingehalten. Dazu gehört, dass Patienten während der Operation eine Antibiotika-Prophylaxe erhalten, und es gibt auch speziell beschichtete Folien im Operationssaal. Darüber hinaus verwenden wir auch zweifach Handschuhe im Wechsel, haben längere Handwaschzeiten, und die Patienten erhalten ein Waschset mit antiseptischem Duschgel und Nasentropfen vor der Operation, sodass Keime von den Schleimhäuten vollständig verschwinden. Mit diesen Maßnahmen versucht man eine Infektion möglichst zu umgehen“, vermittelt Prof. Dr. Schräder die Prophylaxe Maßnahmen und erklärt weitere Komplikationsmöglichkeiten:

Es kann theoretisch zu Thrombosen oder Embolien kommen (auch hier erhalten die Patienten eine Thrombose Prophylaxe), ein Knochen kann während einer Operation auch brechen, was man mithilfe verschiedener Operationstechniken versucht zu verhindern. Und schließlich kann es zu Nerven- und Gefäßschäden kommen, was aber bei jeder Operation als Risiko genannt ist“, zählt Prof. Dr. Schräder bei den operativen Risiken auf. Bei den postoperativen Risiken nennt er: „Das Auskugeln einer Endoprothese ist möglich, und wenn, dann betrifft dies ausschließlich die Hüfte, was aber heute extrem rückläufig ist. Denn während der Operation werden unter Narkose und mit Röntgenkontrolle alle möglichen Bewegungen geprüft, und erst wenn alles in Ordnung ist, wird zugenäht. Die Luxation ist somit eigentlich kein Thema mehr. Auch durch die minimal-invasive Option der Operation und durch die frühzeitige Mobilisierung des Patienten ist der Muskel nicht zerstört und baut nicht so schnell ab“.

Ausblick

Die Robotik und die Navigation sind bei den Knien auf einem guten Weg. Bei der Hüfte sind wir noch ein bisschen weiter weg davon, diese Techniken hier anzuwenden. Eigentlich ist das, was wir hier tun eine Ersatzteilversorgung und optimieren diese. Ganz wichtig ist, dass Patienten in eine spezialisierte Klinik gehen, die mit dem `Fast-Track-Konzept´ und hoher Expertise ausgestattet ist. Wichtig ist auch, und damit arbeiten wir hier im OrthoCentrum Jugenheim, die sogenannte `Praeha´ – also die Praehabilitation, um den Patienten optimal auf die Operation vorzubereiten. Wir haben zum Beispiel ein eigenes Sportzentrum, sodass Patienten hier vor der Operation einem Training nachgehen können. Patienten haben oft eine Wartezeit von 3-4 Monaten bis zu einer Operation und können in dieser Zeit schon einmal viel für sich tun, um letztlich auch selbst zum Erfolg beisteuern zu können“, konstatiert Prof. Dr. Schräder, und damit beenden wir unser Gespräch.

Herzlichen Dank, sehr geehrter Herr Professor Dr. Schräder, für diesen umfangreichen Einblick in die Endoprothetik bei Hüfte und Knie!

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