Experteninterview mit Dr. med. Bernhard Drummer - Therapieoptionen bei Adipositas: Interdisziplinäre Ansätze für nachhaltigen Gewichtsverlust

02.07.2025

Dr. med. Bernhard Drummer ist Chefarzt der Allgemeinchirurgie am Klinikum Forchheim – Fränkische Schweiz und bringt über 30 Jahre operative Erfahrung mit. Als ausgewiesener Experte für Adipositaschirurgie hat er das Adipositaszentrum Oberfranken mit aufgebaut, das seit Mai 2022 als Kompetenzzentrum für Adipositaschirurgie von der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie zertifiziert ist. Zum Behandlungsspektrum zählen operative Verfahren wie Schlauchmagen und Magenbypass sowie der Magenballon, der ohne Operation oder Narkose eingesetzt wird. Zusätzlich bietet das Zentrum ein ärztlich geführtes, konservatives Abnehmprogramm an.

Hier begleitet ein interdisziplinäres Team aus Medizin, Ernährung, Bewegungstherapie und Psychologie die Patienten langfristig – mit Fokus auf neue Lebensgewohnheiten und Rückfallprävention. Dr. Drummer verfügt zudem über herausragende Erfahrung in der minimal-invasiven Chirurgie, insbesondere bei Refluxerkrankungen. Bereits seit 1997 führt er alle Refluxoperationen in Schlüssellochtechnik durch. Auch klassische allgemeinchirurgische Eingriffe – etwa bei Hernien, Schilddrüsenerkrankungen oder anderen abdominalen Beschwerden – gehören zum Leistungsspektrum unter seiner Leitung. Mit seinem integrativen und patientenzentrierten Ansatz verbindet Dr. Drummer moderne Verfahren mit einem tiefen Verständnis für die individuellen Bedürfnisse der Betroffenen – für nachhaltige Ergebnisse und eine spürbare Verbesserung der Lebensqualität.

Zum Thema Adipositas führte die Redaktion des Leading Medicine Guide mit Dr. Drummer ein spannendes Gespräch.

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Adipositas, oder krankhaftes Übergewicht, zählt zu den größten gesundheitlichen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Sie erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes Typ 2, Bluthochdruck, Schlaganfälle und bestimmte Krebsarten. Laut WHO sind weltweit über 650 Millionen Erwachsene betroffen, in Deutschland etwa 25 %. Ursachen sind ein langfristiges Ungleichgewicht von Kalorienaufnahme und -verbrauch sowie genetische, hormonelle, psychosoziale und Umweltfaktoren. Während zunächst Lebensstiländerungen wie gesunde Ernährung und Bewegung empfohlen werden, erfordert starkes Übergewicht oft medizinische Behandlung. Chirurgische Eingriffe wie Magenbypass oder Schlauchmagenoperation sind häufig notwendig, um nachhaltige Erfolge zu erzielen. Adipositas beeinträchtigt nicht nur die Lebensqualität, sondern belastet auch das Gesundheitssystem. Deshalb sind spezialisierte, ganzheitliche Behandlungsansätze wichtig, die neben der Chirurgie auch langfristige Verhaltensänderungen fördern. Moderne Adipositaschirurgie bietet mit multidisziplinären Konzepten vielversprechende Therapieoptionen. 

Wenn ein Patient mit Übergewicht einen Arzt aufsucht, beginnt der Arzt zunächst mit einer gründlichen Anamnese, um die Ursachen und mögliche Risikofaktoren des Übergewichts zu ermitteln. 

In der Regel kommt ein Patient mit dem Wunsch nach Gewichtsreduktion nicht direkt zu mir oder zu einem meiner Kollegen aus der Adipositaschirurgie. Natürlich gibt es Ausnahmen – etwa, wenn jemand mit massivem Übergewicht und akut lebensbedrohlichen Begleiterkrankungen unsere Hilfe sucht und eine schnelle medizinische Maßnahme notwendig ist. In solchen Fällen erfolgt eine sofortige Vorstellung beim Chirurgen. Doch im Normalfall wäre dieser direkte Weg nicht sinnvoll. Zunächst ist es wichtig, den Patienten richtig einzuordnen, um überhaupt beurteilen zu können, welche Optionen zur Gewichtsreduktion am besten geeignet sind. Dafür wird er bei uns zuerst unserer Adipositas-Koordinatorin vorgestellt. Sie verschafft sich einen Überblick über die individuelle Situation: Wie hoch ist das Gewicht? Welche Begleiterkrankungen liegen vor? Wo liegt das Hauptproblem? Zu diesem Zweck erhalten die Patienten auch eine spezielle Broschüre mit allen notwendigen Informationen. Die gesammelten Daten werden dann in unserem sogenannten Adipositas-Spot besprochen – ein interdisziplinäres Team aus einer Diabetesberaterin, einer Ernährungsberaterin, der Adipositas-Koordinatorin und mindestens einem Chirurgen berät gemeinsam. So kann individuell entschieden werden, ob der Weg eher in eine konservative, also ernährungstherapeutische Richtung geht oder ob ein chirurgischer Eingriff in Betracht kommt. Wenn ein Patient sagt: ,Ich bin zu dick, ich will etwas ändern´, dann bekommt er – sofern es sich nicht um einen medizinischen Notfall handelt – zunächst von uns per E-Mail oder persönlich ein Handbuch mit allen wichtigen Informationen. Damit kann er sich vorbereiten und erste wichtige Angaben zusammentragen. Mit diesen Unterlagen kommt der Patient dann zum Erstgespräch, bei dem wir gemeinsam überlegen, was überhaupt machbar und sinnvoll ist. Viele Menschen wissen gar nicht genau, was mit ihrem Körper passiert – sie wissen nur, dass sie zugenommen haben. Damit wir ein vollständiges Bild bekommen, brauchen wir jedoch fundierte Informationen. Sonst würden schon die ersten Schritte Stunden in Anspruch nehmen“, erklärt Dr. Drummer zu Beginn unseres Gesprächs und erläutert im Weiteren, welche Angebote hinsichtlich einer meist nötigen Ernährungsumstellung das Adipostiaszentrum Oberfranken bereithält:

Wenn es um eine ernährungstherapeutische Maßnahme geht, haben wir ein gut aufgestelltes Ernährungsteam. Dazu gehören unter anderem Kochkurse und persönliche wie auch Online-Ernährungsberatungen. In der Regel führen die Patienten über zwei bis drei Wochen ein detailliertes Ernährungsprotokoll: Was wird gegessen, was getrunken, in welchen Mengen? Das wird bei uns analysiert – wir prüfen beispielsweise die Kalorienzufuhr, den Anteil an Kohlenhydraten oder andere auffällige Muster – und besprechen das dann in einem persönlichen oder digitalen Beratungsgespräch. Wir bieten Programme wie Optifast oder weitere strukturierte Ansätze an. Unser Ziel ist immer eine individuelle, sogenannte ,tailored-approach´ Behandlung – also ein maßgeschneiderter Therapieplan. Jeder Patient ist anders, und deshalb müssen wir auch unterschiedlich bewerten, wohin die Reise geht. Natürlich kann man in erster Linie mit Operationen Geld verdienen, aber das darf niemals der vorrangige Gedanke sein – und ist es bei uns auch nicht. Denn wer vorschnell operiert, ohne dass der Patient wirklich geeignet ist, wird kaum langfristig erfolgreiche Ergebnisse erzielen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die psychische Situation. In vielen Fällen liegt ein psychologischer Zusammenhang mit dem Übergewicht vor – dieser Aspekt darf und wird in unserem Konzept keinesfalls ausgeblendet“. 

Adipositas wirkt sich langfristig in vielfacher Hinsicht negativ auf die Lebensqualität und Lebenserwartung der Betroffenen aus. Zunächst führt das übermäßige Körperfett zu einer Vielzahl von Begleiterkrankungen, die sowohl physische als auch psychische Gesundheitsaspekte betreffen. 

Häufige Begleiterkrankungen der Adipositas sind Typ-2-Diabetes, verursacht durch Insulinresistenz, der das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich erhöht. Bluthochdruck fördert Arteriosklerose, Herzinfarkt und Schlaganfall – führende Todesursachen. Das hohe Körpergewicht belastet Gelenke, besonders Knie und Hüfte, was Arthrose, Schmerzen und eingeschränkte Mobilität verursacht. Das Risiko für Darm-, Brust- und Gebärmutterkrebs ist ebenfalls erhöht. Atemwegserkrankungen wie das Obstruktive Schlafapnoe-Syndrom führen zu schlechtem Schlaf, Tagesmüdigkeit und kardiovaskulären Problemen. Lebererkrankungen, besonders die nicht-alkoholische Fettleber (NAFLD), können bis zur Leberzirrhose fortschreiten. Zudem wirkt sich Adipositas stark auf die psychische Gesundheit aus. 

Wir arbeiten mit spezialisierten Psychologen zusammen, die wir als feste Kooperationspartner eingebunden haben. Es gibt bei uns keine Operation, ohne dass zuvor eine psychologische oder psychiatrische Einschätzung erfolgt ist. Diese Untersuchung durch eine Fachperson ist ein entscheidender Schritt im gesamten Behandlungsprozess. Übergewicht lässt sich – genau wie Magersucht – nicht allein körperlich behandeln. Psychologische Faktoren spielen nahezu immer eine bedeutende Rolle. Wer versucht, das zu ignorieren, läuft Gefahr, langfristig keinen Therapieerfolg zu erzielen. Leider passiert es immer wieder, dass Patienten vorschnell operiert werden, ohne die seelische Komponente ausreichend zu berücksichtigen.

In solchen Fällen mag es zu einem kurzfristigen Gewichtsverlust kommen, aber die nachhaltige Wirkung bleibt meist aus, und viele Patienten entwickeln im weiteren Verlauf erneut gesundheitliche Probleme. Deshalb setzen wir auf ein multidisziplinäres Konzept. Dazu gehört bei uns nicht nur die psychologische Betreuung, sondern auch ein strukturiertes Bewegungsprogramm. Allein operative Maßnahmen greifen zu kurz – Adipositas verlangt nach einer ganzheitlichen Therapie. Wir haben in unserem Zentrum ein starkes Team mit engagierten Fachleuten aus verschiedenen Bereichen, die Hand in Hand arbeiten. Der Chirurg sollte im Behandlungsverlauf immer die letzte Station sein. Alles andere wäre medizinisch nicht sinnvoll – und oft eher wirtschaftlich motiviert. Bei uns steht jedoch die Verantwortung gegenüber dem Patienten im Mittelpunkt“, betont Dr. Drummer. 

Die Behandlung von Adipositas umfasst eine Vielzahl an Ansätzen, die je nach Schweregrad der Erkrankung, den individuellen Voraussetzungen des Patienten und etwaigen Begleiterkrankungen variieren. Die Auswahl der geeigneten Methode hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie etwa dem BMI (Body-Mass-Index), dem Vorliegen von Komorbiditäten (Begleiterkrankungen) und der Bereitschaft des Patienten, an seinem Lebensstil zu arbeiten. 

Für Patienten, bei denen konservative Maßnahmen nicht den gewünschten Erfolg bringen, und die an schwerer Adipositas leiden (BMI über 40 oder über 35 bei begleitenden Erkrankungen wie Diabetes oder Bluthochdruck), kommen chirurgische Eingriffe in Betracht. Zu den gängigsten Verfahren gehören der Magenbypass und der Schlauchmagen. Diese Eingriffe haben das Ziel, das Volumen des Magens zu verkleinern, um die Nahrungsaufnahme zu begrenzen und das Sättigungsgefühl schneller zu erreichen. Auch die sogenannte metabolische Chirurgie, die in erster Linie den Stoffwechsel beeinflusst, kann eine Option sein, besonders wenn auch Begleiterkrankungen wie Typ-2-Diabetes vorliegen. 

Dr. Drummer schildert die Kriterien, die wichtig für das richtige Operationsverfahren sind: „Bei der Wahl zwischen Schlauchmagen und Bypass spielt das individuelle Essverhalten eine zentrale Rolle. Patienten mit einem hohen Konsum an süßen Lebensmitteln profitieren in der Regel weniger vom sogenannten Schlauchmagen, da dieses Verfahren zwar das Magenvolumen reduziert, die Verdauung und Nährstoffaufnahme jedoch nicht wesentlich verändert. In solchen Fällen kann ein Magenbypass geeigneter sein. Bei diesem Verfahren wird nicht nur der Magen stark verkleinert, sondern auch ein Teil des Dünndarms ausgeschaltet, was die Nährstoffaufnahme deutlich einschränkt.

Auch das Vorliegen hormoneller Ursachen, etwa Erkrankungen der Nebenniere, oder psychische Belastungsfaktoren müssen in die Therapieplanung einbezogen werden. Nur auf Basis einer gründlichen interdisziplinären Einschätzung lässt sich ein individuell passendes Therapiekonzept entwickeln. Häufig erfolgt die Vorbereitung über mehrere Monate hinweg im Rahmen eines strukturierten Programms, das medizinische, ernährungsbezogene, psychologische und bewegungstherapeutische Elemente integriert. Ein solches Vorgehen entspricht auch dem von den Krankenkassen geforderten multimodalen Konzept (MMK). Während bei extrem hohen BMI-Werten eine primäre Indikation zur Operation vorliegen kann, wird im Zentrum grundsätzlich darauf geachtet, dass alle Patienten diese vorbereitenden Schritte durchlaufen. Ein vorschneller operativer Eingriff ohne fundierte Vorarbeit gilt als nicht zielführend. Die Wahl des geeigneten Operationsverfahrens hängt in jedem Fall von der Art der Nahrungsaufnahme ab. Patienten, die eher große Portionen herzhaft-kohlenhydratreicher Speisen zu sich nehmen, kein Sodbrennen und keinen Zwerchfellbruch aufweisen, kommen unter Umständen für eine Schlauchmagen-Operation infrage. Entscheidend ist dabei stets die strukturierte Einordnung im Rahmen eines spezialisierten Zentrums, in dem interdisziplinär ein individuell zugeschnittenes Behandlungsmodell erstellt wird“. 

In der Vorbereitung auf eine bariatrische Operation spielt zunehmend auch die medikamentöse Gewichtsreduktion mit sogenannten GLP-1-Analoga eine Rolle, insbesondere in Form der sogenannten "Abnehmspritze", die unter Markennamen wie Wegovy bekannt ist. 

Im klinischen Alltag wird die Spritze bei Patienten mit Adipositas Grad 3 durchaus als Teil der OP-Vorbereitung eingesetzt. Das Ziel besteht in einer vorläufigen Gewichtsreduktion, etwa um 10 bis 20 Kilogramm, um das Operationsrisiko zu senken. Weniger intraabdominales Fett bedeutet mehr Raum im Bauchraum und eine bessere Sicht sowie Beweglichkeit während des Eingriffs, was sich positiv auf die Sicherheit und Durchführung der Operation auswirkt. Parallel zu dieser medizinischen Anwendung gibt es jedoch auch zunehmend Menschen mit lediglich moderatem Übergewicht, die die Medikamente für einen begrenzten Zeitraum anwenden – etwa im Rahmen einer dreimonatigen Kur. Häufig wird dies von Personen genutzt, die sich damit eine Motivation und Starthilfe für eine Lebensstilveränderung erhoffen. Aus medizinischer Sicht besteht gegen eine solche kurzfristige Nutzung prinzipiell kein Einwand, sofern keine Kontraindikationen vorliegen.

Viele Menschen empfinden durch die verringerte Nahrungsaufnahme ein gesteigertes Gefühl der Selbstwirksamkeit, was wiederum zu positiven Verhaltensänderungen führen kann – etwa einer gesteigerten körperlichen Aktivität. Gleichzeitig muss jedoch auch auf die Grenzen dieser medikamentösen Therapie hingewiesen werden. Eine nachhaltige Wirkung stellt sich nur ein, wenn gleichzeitig auch die Lebensgewohnheiten dauerhaft verändert werden. Ohne eine begleitende Umstellung der Ernährung und des Bewegungsverhaltens führt ein Absetzen der Medikamente in vielen Fällen zum sogenannten Rebound-Effekt, bei dem das verlorene Gewicht wieder zugenommen wird.

Dieser Effekt ist vergleichbar mit anderen temporären Hilfsmitteln, wie etwa dem Magenballon, deren Wirkung ebenfalls endet, sobald sie nicht mehr angewendet werden. Zudem stehen potenzielle Nebenwirkungen unter Beobachtung. In jüngerer Zeit wurde beispielsweise über mögliche Sehstörungen im Zusammenhang mit der Anwendung von GLP-1-Analoga berichtet, wobei solche Hinweise aktuell noch wissenschaftlich weiter überprüft werden. Die Abnehmspritze kann als Teil eines umfassenden Behandlungskonzepts bei schwerem Übergewicht eine sinnvolle Ergänzung sein – insbesondere zur Risikominimierung vor einer Operation. Als alleinige Maßnahme ohne begleitende Verhaltensänderung bleibt ihr Nutzen jedoch begrenzt“, macht Dr. Drummer deutlich. 

In Bezug auf die Komplexität der bariatrischen Eingriffe lassen sich Schlauchmagen und Magenbypass aus chirurgischer Sicht gut miteinander vergleichen. Beide Verfahren gehören in spezialisierten Zentren längst zum operativen Standard. Der Magenbypass weist insgesamt eine etwas höhere Komplikationsrate auf als der Schlauchmagen, was jedoch im klinischen Alltag gut beherrschbar ist. 

Ein Schlauchmagen kann in der Regel unabhängig von der körperlichen Konstitution sicher durchgeführt werden. Schwieriger gestaltet sich der Magenbypass bei extrem adipösen Patienten, bei denen der verfügbare Operationsraum stark eingeschränkt ist. In solchen Fällen wird oftmals zunächst ein Schlauchmagen durchgeführt, um das Risiko zu minimieren. Nach einer ersten erfolgreichen Gewichtsreduktion kann dann zu einem späteren Zeitpunkt eine Umwandlung in einen Magenbypass erfolgen.

Dieses zweistufige Vorgehen ist insbesondere bei sehr stark übergewichtigen Patienten sinnvoll. Auch bei massiven Beschwerden wie starkem Sodbrennen nach einer Schlauchmagen-Operation kann eine Umwandlung in einen Bypass notwendig werden. Beide Verfahren, Schlauchmagen und Bypass, werden in etwa gleich häufig durchgeführt. Es existieren noch weitere, weniger verbreitete Methoden, doch in der Regel lässt sich mit diesen beiden Hauptverfahren eine wirksame und nachhaltige Behandlung realisieren. Zur präoperativen Vorbereitung stark adipöser Patienten, insbesondere bei extrem hohen Body-Mass-Index-Werten von 70 oder mehr, ist eine initiale Gewichtsreduktion unerlässlich.

So kann zum Beispiel ein Magenballon zum Einsatz kommen, um eine moderate Gewichtsabnahme zu erzielen. Zusätzlich erfolgt eine eiweißreiche Diätphase über mehrere Wochen, bestehend aus kohlenhydratfreien Shakes. Ziel ist es, die Leber zu verkleinern und den intraabdominellen Druck zu reduzieren, um so die Voraussetzungen für einen komplikationsarmen Eingriff zu verbessern. Dieses individuell abgestimmte Vorgehen – der sogenannte ,Tailored Approach´– bildet die Grundlage einer sicheren und effektiven Adipositaschirurgie“, macht Dr. Drummer deutlich. 

Nach einer adipositaschirurgischen Operation, wie sie beispielsweise bei einem stark übergewichtigen Patienten mit einem Ausgangsgewicht von etwa 180 Kilogramm durchgeführt wird, beginnt eine intensive Phase der Gewichtsreduktion. 

Häufig wird zunächst ein Schlauchmagen angelegt und später in einen Magenbypass umgewandelt, wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind. Im ersten Jahr nach dem Eingriff kann in der Regel mit einem Gewichtsverlust von etwa 25 bis 30 Kilogramm gerechnet werden, wobei individuelle Unterschiede beträchtlich sein können. Im Anschluss an die Operation ist eine strukturierte, postoperative Nachsorge unerlässlich. Diese umfasst eine regelmäßige Ernährungsberatung sowie medizinische Kontrollen. Da der Eingriff die Aufnahme von Nährstoffen verändert, müssen die Betroffenen lebenslang bestimmte Vitamine und Mineralstoffe supplementieren. Regelmäßige Blutuntersuchungen, die Kontrolle des Allgemeinzustands, die Hautbeurteilung sowie die Beobachtung möglicher Mangelsymptome wie Haarausfall oder Abgeschlagenheit sind essenziell. Eine engmaschige Betreuung hilft, Mangelernährungen und gesundheitliche Komplikationen zu vermeiden.

Ein weiteres Risiko liegt in der psychischen Stabilität der Betroffenen. Persönliche Krisen – etwa familiäre Probleme, Trennungen oder Verlusterfahrungen – können dazu führen, dass Patienten in alte Muster zurückfallen. Der Rückgriff auf übermäßiges Essen als emotionaler Ausgleich ist dabei keine Seltenheit“, so Dr. Drummer und führt weiter aus: 

Adipositas ist eine chronische Erkrankung erfordert eine lebenslange therapeutische Begleitung. Eine erfolgreiche Gewichtsreduktion durch chirurgische Maßnahmen allein reicht nicht aus, wenn sich das zugrunde liegende Essverhalten oder die Lebensgewohnheiten nicht nachhaltig verändern. Viele Patienten haben sich über Jahre in ein inaktives und ungesundes Lebensmuster eingefügt, das schwer zu durchbrechen ist. Die verhaltenstherapeutische Begleitung durch Psychologen ist daher ein zentraler Baustein jeder Therapie. Ziel ist es, eingefahrene Routinen zu erkennen und neue, gesündere Verhaltensweisen zu etablieren. Nur durch ein komplexes Zusammenspiel aus chirurgischer Maßnahme, psychologischer Betreuung, Ernährungsberatung und Bewegungstherapie kann ein nachhaltiger Behandlungserfolg erzielt werden“. 

Im Zusammenhang mit Adipositas und ernährungsbedingten Erkrankungen spielt die Nahrungsmittelindustrie eine bedeutende Rolle. Der heutige Überfluss an hochverarbeiteten, zucker- und fettreichen Produkten trägt maßgeblich zur Zunahme von Übergewicht in der Bevölkerung bei. Während früher in vielen Haushalten selbst gekocht wurde und Nahrungsmittel als etwas Wertvolles galten, ist Essen heute in vielen Fällen ein schnell konsumierbares Massenprodukt geworden – günstig, überall verfügbar und aggressiv vermarktet. Dieser Wandel hat tiefgreifende Auswirkungen auf das Essverhalten, insbesondere bei Kindern und sozial benachteiligten Gruppen. 

Sehr kritisch äußert hierzu Dr. Drummer: „Besonders problematisch ist, dass viele Produkte, die sich gezielt an Kinder richten, als gesund vermarktet werden – etwa durch den Hinweis auf enthaltene Milch oder Vitamine – obwohl sie in Wahrheit vor allem durch ihren hohen Zucker- und Fettgehalt auffallen. Eltern, die sich in der Flut an widersprüchlichen Botschaften nicht zurechtfinden, können kaum erkennen, was tatsächlich gesund ist und was nicht. Gerade bei geringerem Bildungsniveau fehlt häufig die kritische Distanz zu solchen Werbebotschaften, was dazu führt, dass vermeintlich gute Entscheidungen auf Grundlage von Fehlinformationen getroffen werden.

Zudem mangelt es in vielen Bildungseinrichtungen an systematischer Ernährungsbildung und praktischen Angeboten wie Kochkursen, die Kindern frühzeitig vermitteln, wie vielfältig und genussvoll gesunde Ernährung sein kann. Zwar existieren einige Initiativen, meist jedoch im Rahmen von gemeinnützigen Projekten oder auf privates Engagement zurückgehend. Eine flächendeckende, verpflichtende Integration in die schulische Bildung fehlt weitgehend. Hinzu kommt der Einfluss der Lebensmittelindustrie selbst, die durch starke wirtschaftliche Interessen getrieben ist. Lobbyismus spielt dabei eine erhebliche Rolle. Viele gesundheitspolitische Maßnahmen, etwa die Einführung einer Zuckersteuer oder strengere Werberegeln für Kinderprodukte, werden durch wirtschaftlichen Druck ausgebremst oder nur unzureichend umgesetzt. Werbekampagnen zielen dabei oft formal nicht auf Kinder, sondern auf Erwachsene, indem man beispielsweise kindliche Stimmen oder Comicfiguren mit erwachsenen Testimonials kombiniert.

So werden gesetzliche Vorgaben umgangen, ohne die Wirkung auf die kindliche Zielgruppe zu verlieren. Ein gesamtgesellschaftliches Umdenken wäre erforderlich, das bereits im Kindergarten beginnt und sich konsequent durch das Bildungssystem zieht. Nur so ließen sich langfristig gesunde Ernährungsgewohnheiten etablieren. Gesundheitliche Aspekte stehen in der Nahrungsmittelindustrie leider oft hinter wirtschaftlichen Interessen zurück. Die Verantwortung für eine gesunde Ernährung kann daher nicht allein bei den Verbrauchern liegen. Ohne politische Maßnahmen, gesellschaftliches Engagement und strukturelle Veränderungen bleiben viele Menschen, insbesondere Kinder, einem System ausgeliefert, das Übergewicht und ungesunde Lebensweisen systematisch begünstigt“. 


Adipositas-Zentrum Oberfranken

Das Adipositas-Zentrum Oberfranken der Klinik Forchheim – Fränkische Schweiz blickt auf über 25 Jahre Erfahrung in der Behandlung starken Übergewichts zurück und gilt als etabliertes Kompetenzzentrum. Die bestehende Zertifizierung bestätigt die hohen Qualitätsstandards in Diagnostik, multimodalen Therapieansätzen und interdisziplinärer Begleitung. In Kürze steht die Rezertifizierung an – ein wichtiger Schritt, um die kontinuierliche Einhaltung und Weiterentwicklung medizinischer und organisatorischer Kriterien sicherzustellen. Damit bleibt das Zentrum auch künftig verlässlicher Partner für eine ganzheitliche und nachhaltige Adipositasversorgung.


Ein Appell an stark übergewichtige Menschen, sich in Behandlung zu begeben, kann nur dann wirksam sein, wenn er nicht bloß von außen an sie herangetragen wird. Entscheidend ist, dass die Einsicht zur Veränderung aus dem eigenen Inneren wächst. Weder Druck noch gut gemeinte Ratschläge führen allein zum Ziel. Vielmehr ist es ein langer, oft mühsamer Weg, der über die bewusste Auseinandersetzung mit der eigenen Situation und der Bereitschaft zur Veränderung führt. 

Hilfreich ist dabei ein Gespräch mit einer vertrauenswürdigen Person – idealerweise mit medizinischem oder psychologischem Sachverstand. Eine Veränderung gelingt nur, wenn sie verstanden, gewollt und selbst getragen wird. Deshalb führt der direkte Appell – ,Lass dich operieren´, ,Iss weniger´ oder ,Tu etwas für deine Gesundheit´ – in der Regel ins Leere. Wer sich für eine Behandlung entscheidet, muss diesen Weg aus Überzeugung gehen. In der Realität geschieht das häufig erst dann, wenn die Beschwerden massiv geworden sind oder alle anderen Bewältigungsstrategien versagt haben – manchmal erst nach Jahren. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Menschen mit Adipositas seit Jahren deutlich zu. Das gilt nicht nur für Erwachsene, sondern auch für Kinder und Jugendliche. Ursachen liegen im Überangebot industriell gefertigter, stark zuckerhaltiger Lebensmittel und in einem zunehmend bewegungsarmen Alltag.

Noch vor wenigen Jahrzehnten war es selbstverständlich, den Großteil des Tages draußen zu verbringen – heute verbringen viele Kinder ihre Freizeit vor Bildschirmen. Die digitale Welt ist für viele zum Ersatz für reale Erfahrungen geworden. Lebensqualität wird zunehmend virtuell definiert: ein Spiel auf der Konsole, das den Mount Everest simuliert, ersetzt die reale Wanderung. Auch bei alltäglichen Beobachtungen zeigt sich der Wandel: Während Kinder früher stundenlang im Freien spielten, stehen heute oft die Eltern daneben und greifen ein, sobald ein bisschen Schmutz oder Sand ins Spiel kommt. Der übermäßige Schutz und das Leben in Innenräumen gehen mit einem Rückgang körperlicher Aktivität und einem veränderten Körpergefühl einher. Der Kontakt zur Natur, das Gefühl für den eigenen Körper, selbstbestimmte Bewegung – all das tritt mehr und mehr in den Hintergrund“, bemängelt Dr. Drummer und ergänzt: 

In dieser gesellschaftlichen Entwicklung stellt sich zunehmend die Frage nach dem langfristigen Wohlbefinden. Zwar liegt die Lebenserwartung heute deutlich höher als noch vor 60 Jahren, doch ein längeres Leben bedeutet nicht automatisch ein gesünderes. Adipositas beeinträchtigt nicht nur die körperliche Gesundheit, sondern auch die Lebensqualität – auch wenn viele Betroffene diesen Verlust kaum noch spüren, weil sich der Alltag längst an die Einschränkungen angepasst hat. Adipositasbehandlungen sind keine kurzfristigen Maßnahmen, sondern langfristige Prozesse, die ein stabiles Umfeld und eine fundierte Aufklärung voraussetzen. Auch Begleiterkrankungen wie Reflux oder Zwerchfellbrüche werden häufig mitbehandelt, um ein möglichst nachhaltiges Ergebnis zu erzielen. Entscheidend bleibt jedoch: Jeder Weg aus der Adipositas muss im Kopf beginnen. Die medizinische Unterstützung kann umfangreich sein – aber ohne den inneren Entschluss, das eigene Leben verändern zu wollen, bleibt sie wirkungslos“. 

Vielen Dank, sehr geehrter Herr Dr. Drummer, für die aufklärenden Informationen rund um die Volkskrankheit Adipositas!

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