Abnehmspritzen: Neue Wege zur Gewichtsreduktion – Chancen und Risiken: Experteninterview mit Dr. med. Markus von der Groeben

04.05.2025

Dr. med. Markus von der Groeben ist ein anerkannter Facharzt für Chirurgie mit dem Schwerpunkt Viszeralchirurgie und gilt als ausgewiesener Experte auf dem Gebiet der Adipositasbehandlung. Seit 2018 leitet er das Adipositaszentrum am Spital Muri im Kanton Aargau, wo er als leitender Arzt für Viszeralchirurgie und Bariatrie tätig ist. Mit umfassender klinischer Erfahrung und fundiertem Fachwissen hat sich Dr. von der Groeben auf die Behandlung stark übergewichtiger Patienten spezialisiert und zählt heute zu den führenden Spezialisten in der Schweiz in diesem Bereich. In seiner Tätigkeit vereint Dr. von der Groeben chirurgische Expertise mit einem ganzheitlichen Verständnis für die komplexen Ursachen der Adipositas.

Als Mitglied mehrerer namhafter Fachgesellschaften, darunter die Verbindung der Schweizer Ärzte (FMH), die Schweizerische Gesellschaft für Chirurgie (SGC) und die Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV), setzt er sich aktiv für die Weiterentwicklung und Qualitätssicherung der Adipositastherapie ein. Dabei verfolgt er einen modernen, patientenzentrierten Ansatz, der neben operativen Verfahren auch konservative Behandlungsoptionen einschließt.

Das Adipositaszentrum am Spital Muri ist interdisziplinär aufgestellt und bietet ein umfassendes Therapieangebot – von der Ernährungstherapie und Verhaltensberatung bis hin zu chirurgischen Eingriffen wie der Sleeve-Gastrektomie oder dem Magenbypass. Ergänzt wird das Spektrum durch innovative medikamentöse Optionen wie die sogenannte „Abnehmspritze“. Gemeinsam mit seinem spezialisierten Team entwickelt Dr. von der Groeben maßgeschneiderte Behandlungsstrategien, die auf eine nachhaltige Gewichtsreduktion und eine Verbesserung der Lebensqualität abzielen.

Das Spital Muri selbst bietet mit seiner modernen Infrastruktur, seinem breiten fachärztlichen Angebot und einer starken interprofessionellen Vernetzung den idealen Rahmen für eine hochwertige medizinische Versorgung. Seine engagierte Arbeit trägt maßgeblich dazu bei, das Verständnis für Adipositas als chronische Erkrankung zu stärken und den Betroffenen wirksame Wege zu einem gesünderen Leben aufzuzeigen.

Die sogenannte Abnehmspritze – etwa mit dem Wirkstoff Semaglutid (Wegovy) – eröffnet neue Möglichkeiten in der Therapie von Übergewicht und Adipositas. Für viele Betroffene kann sie eine sinnvolle Ergänzung zu Ernährung, Bewegung und Verhaltenstherapie sein – besonders dann, wenn klassische Maßnahmen allein nicht ausreichen. Doch was kann die Spritze wirklich leisten, für wen ist sie geeignet und wo liegen die Grenzen? Hierzu konnte die Redaktion des Leading Medicine Guide mit Dr. von der Groeben in einem Gespräch mehr erfahren.

Dr. von der Groeben

Übergewicht ist längst nicht mehr nur ein ästhetisches Thema – es beeinflusst die Gesundheit, die Lebensqualität und oft auch das Selbstwertgefühl. Viele Menschen kämpfen über Jahre mit Diäten, Sportprogrammen und Lebensstilveränderungen, doch der gewünschte Erfolg bleibt häufig aus. In den letzten Jahren hat sich jedoch eine neue Möglichkeit auf dem Gebiet der Adipositastherapie etabliert: die sogenannte Abnehmspritze. Medikamente wie Ozempic oder Wegovy versprechen, das Abnehmen deutlich zu erleichtern – indem sie den Appetit zügeln und das Sättigungsgefühl verstärken. Was nach einem einfachen Ausweg klingt, wirft zugleich viele Fragen auf.

Bevor eine Therapie mit der sogenannten Abnehmspritze (Wegovy) – begonnen wird, steht ein ausführliches ärztliches Beratungsgespräch im Mittelpunkt. 

Vorerkrankungen wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Beschwerden oder hormonelle Störungen spielen ebenso eine Rolle wie frühere Diätversuche, das aktuelle Gewicht und die psychische Verfassung. Gemeinsam werden die individuellen Ziele der Therapie besprochen und realistische Erwartungen formuliert. Der Patient wird darüber aufgeklärt, wie das Medikament wirkt – nämlich durch die Regulierung des Appetits, die Verzögerung der Magenentleerung und eine Verbesserung des Blutzuckerhaushalts. Wichtig ist dabei auch der Hinweis, dass es sich nicht um ein Wundermittel handelt, sondern um eine medizinische Unterstützung im Rahmen eines umfassenden Behandlungskonzepts. 

Momentan sehen wir eine sehr große Nachfrage nach der Wegovy-Therapie. Wir werden regelrecht überrannt, weil wir das Medikament verschreiben dürfen und es bei entsprechender Indikation auch von der Krankenkasse übernommen wird. Es ist tatsächlich so, dass vielleicht einer von zwanzig Patienten für eine bariatrische Operation infrage kommt. Die überwiegende Mehrheit möchte es zuerst mit Wegovy versuchen – auch bei einem hohen Body Mass Index. Das erscheint vielen einfacher: eine Spritze, etwas weniger essen, und schon nimmt man ab. Das funktioniert auch gut, aber gerade bei sehr hohem BMI bleibt die Operation langfristig die effektivere Maßnahme. In Deutschland ist es meines Wissens so, dass der Body Mass Index deutlich höher liegen muss, damit eine Operation überhaupt bewilligt und bezahlt wird. In der Schweiz liegt die Schwelle für eine Operation bei einem BMI von 35 kg/m2, oder bereits bei 30 kg/m2, wenn zusätzlich ein schwer einstellbarer Diabetes mellitus Typ 2 vorliegt“, so Dr. von der Groeben und führt weiter aus:

Wenn nun jemand, sagen wir, mit einem BMI von 28 kg/m2 zu mir kommt, dann erkläre ich ihm zuerst einmal genau, was möglich ist. In der Schweiz ist es so, dass auch für die Wegovy-Therapie klare Kriterien gelten: Entweder ein BMI ab 35 kg/m2 oder zwischen 28 und 35 kg/m2, wenn zusätzliche Erkrankungen bestehen wie Bluthochdruck, Prädiabetes, Diabetes oder eine Fettstoffwechselstörung. Wir führen dann bei allen Patienten ein großes Labor durch. Das heißt, wir prüfen die Vitamine, die Schilddrüsenwerte, Cholesterin, Triglyceride und einiges mehr. Wenn dabei ersichtlich ist, dass eine dieser Begleiterkrankungen vorliegt – etwa eine arterielle Hypertonie – kann ich bei der Krankenkasse eine Kostenübernahme für die Wegovy-Therapie beantragen. Gleichzeitig informiere ich die Patienten auch über mögliche Nebenwirkungen. Dafür habe ich ein Informationsblatt, in dem typische Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen oder Durchfall erklärt werden. Ebenso kläre ich darüber auf, dass während der Therapie keine Schwangerschaft eintreten darf. Und wir sprechen natürlich auch über seltenere, aber schwerwiegendere Nebenwirkungen wie die Bauchspeicheldrüsenentzündung. Wenn die Kostenübernahme geregelt ist, bekommen die Patienten eine Einführung in die Therapie. Sie werden geschult, was zu beachten ist, auch hinsichtlich der Nebenwirkungen, und sie gehen in die Ernährungsberatung. Das ist verpflichtend. Ab dem Beginn der Therapie mit Wegovy gelten dann auch klare Ziele: Sie müssen innerhalb von vier Monaten sieben Prozent ihres Körpergewichts abnehmen. Und nach weiteren sechs Monaten noch einmal fünf Prozent. Das sind Vorgaben, die erfüllt sein müssen, damit die Therapie weitergeführt werden kann. Die Krankenkasse übernimmt die Kosten für insgesamt drei Jahre. Ob man das dann wirklich so lange macht oder vielleicht auch früher wieder aussteigt, hängt vom Verlauf ab. Wenn jemand zum Beispiel auf einen BMI von 25 kommt, dann übernimmt die Krankenkasse die Therapie nicht mehr. Dann stellt sich auch die Frage, ob man es nicht zunächst ohne Spritze weiterprobieren kann“.

Vor allem dann, wenn konventionelle Maßnahmen wie Diät, Bewegung und Verhaltenstherapie alleine nicht den gewünschten Erfolg gebracht haben, kann eine medikamentöse Unterstützung sinnvoll sein. Ozempic und Wegovy enthalten beide den Wirkstoff Semaglutid, gehören zur Gruppe der GLP-1-Rezeptoragonisten und wirken im Körper auf ähnliche Weise: Sie fördern das Sättigungsgefühl, verzögern die Magenentleerung und beeinflussen den Blutzuckerspiegel günstig. Der wesentliche Unterschied liegt jedoch in der Dosierung und damit auch im Einsatzgebiet.


Ozempic wurde ursprünglich für die Behandlung von Typ-2-Diabetes entwickelt und ist in entsprechend niedrigeren Dosierungen zugelassen. Es verbessert die Blutzuckerregulation und kann dabei als positiver Nebeneffekt auch zu einer Gewichtsabnahme führen. Wegovy hingegen wurde gezielt für die Adipositastherapie entwickelt. Es enthält eine höhere Dosis Semaglutid und ist ausschließlich zur Gewichtsreduktion bei übergewichtigen oder adipösen Menschen zugelassen – auch dann, wenn keine Diabeteserkrankung vorliegt.


In den letzten Jahren hat sich das Thema Gewichtsreduktion und Behandlung von Adipositas stark weiterentwickelt. Es gibt die Hoffnung, dass Patienten durch eine erfolgreiche Therapie eine dauerhafte Veränderung ihres Lebensstils erreichen und ihr Gewicht langfristig halten können. Doch wie in der Vergangenheit bei vielen Diät-Therapien ist es auch hier eine Herausforderung, das erreichte Gewicht nach Abschluss der Behandlung zu halten. Sobald die Therapie beendet ist, besteht die Gefahr, dass die Patienten wieder zunehmen. Die Frage, ob Patienten ihr Essverhalten und Bewegungsverhalten dauerhaft ändern, hängt von ihrer Einstellung ab. Eine Veränderung kann nicht durch eine Spritze allein erreicht werden, sondern erfordert auch eine bewusste Entscheidung, die Ernährung insgesamt gesünder zu gestalten und aktiv zu bleiben. In diesem Zusammenhang ist die Ernährungsberatung ein wesentlicher Bestandteil der Therapie. Wenn Patienten die Therapie mit einer entsprechenden Beratung kombinieren, gibt es durchaus gute Erfolge. In manchen Fällen müssen Patienten die Therapie jedoch aufgrund von Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen oder Durchfall abbrechen. Diese Nebenwirkungen sind jedoch relativ selten“, schildert Dr. von der Groeben.

Der Adipositasspezialist betont allerdings: „Für Patienten mit höherem BMI wird jedoch häufig die chirurgische Behandlung empfohlen. Eine Kombination von medikamentöser Therapie und chirurgischem Eingriff kann eine sinnvolle Option darstellen, insbesondere wenn die medikamentöse Therapie nicht den gewünschten Erfolg bringt. In Fällen von extremem Übergewicht könnte der Einsatz von Wegovy vor einer Operation in Betracht gezogen werden, um das Gewicht der Patienten zu reduzieren und den chirurgischen Eingriff zu erleichtern. In der Praxis ist diese Vorgehensweise jedoch noch nicht vollständig zugelassen, obwohl sie in vielen Fällen sinnvoll erscheinen würde. Patienten, die mit Wegovy eine Gewichtsreduktion erzielt haben, könnten mit einem leichteren Gewicht vor der Operation profitieren, da sich ihre Lebergröße verringert und die chirurgische Durchführung vereinfacht wird. Es bleibt jedoch eine Frage der Kosten und der Zulassung durch die Krankenkassen, weshalb diese Kombination bisher nicht weit verbreitet und zugelassen ist“.

Eine erfolgreiche und dauerhafte Gewichtsreduktion erfordert einen interdisziplinären Ansatz, der neben der medikamentösen Behandlung auch eine angepasste Ernährung, regelmäßige Bewegung und psychologische Unterstützung umfasst. 

In unserer Einrichtung arbeiten wir mit einer Psychosomatikerin zusammen, die als Internistin fungiert und die Patienten umfassend betreut. Zusätzlich bieten wir psychologische Ernährungsberatung an, auf die ich die Patienten teilweise auch hinweise. Ideal wäre es, wenn wir eine weitere Psychologin direkt in unserem Haus hätten, was wir derzeit in Erwägung ziehen. Die Praxis, mit der wir kooperieren, ist eine Privatpraxis für Psychiatrie und Psychosomatik und befindet sich gegenüber unserer Einrichtung. Es wäre hilfreich, eine weitere Psychologin vor Ort zu haben, um den Patienten noch besser helfen zu können, insbesondere nachdem sie eine Operation hinter sich haben. Denn wenn Patienten in ihre alten Verhaltensmuster zurückfallen, ist oft keine psychiatrische, sondern eine psychologische Unterstützung erforderlich, um neue Bewältigungsstrategien zu entwickeln. Wir arbeiten gerade daran, diese Möglichkeit in unsere Betreuung zu integrieren, da wir der Meinung sind, dass dies für die Patienten sehr wichtig ist“, verdeutlicht Dr. von der Groeben.

Die Anwendung von GLP-1-Rezeptoragonisten zur Gewichtsreduktion ist eine vielversprechende Option, die jedoch mit bestimmten Risiken und Nebenwirkungen verbunden ist, insbesondere bei langfristiger Einnahme. 

Es gibt bestimmte Risikofaktoren, bei denen ich vorsichtig bin und den Einsatz der Therapie eher zurückhalte. Ein Beispiel sind Schilddrüsenkarzinome, aber auch Patienten mit früheren Verwachsungen im Bauch oder einer Geschichte von Bauchspeicheldrüsenentzündungen sind problematisch. Solche Patienten sollten sorgfältig evaluiert werden, bevor man eine Behandlung beginnt. Zu den häufigsten Nebenwirkungen gehören Übelkeit, Erbrechen und Durchfall. Bei Patienten mit Nierenerkrankungen gibt es auch einige spezifische Überlegungen. Bei diesen Patienten muss die Nierenfunktion regelmäßig überwacht werden, insbesondere wenn die Behandlung mit Wegovy zu starken unerwünschten Magen-Darm-Effekten führt. Sollte eine chronische Niereninsuffizienz vorliegen, würde ich von einer Behandlung eher absehen. Auch bei Hämodialysepatienten ist Vorsicht geboten, da die Behandlung mit Wegovy in solchen Fällen nicht ideal ist“, und kommentiert noch den gefürchteten JoJo-Effekt:

Ich kann aktuell noch nicht viel sagen, da wir die Therapie erst seit etwa einem Jahr anwenden. In diesem Zeitraum haben wir noch nicht genügend Langzeiterfahrungen. Generell gehe ich jedoch davon aus, dass ein JoJo-Effekt möglich ist. Ein Zeitraum von drei bis vier Monaten, in dem etwa 7% des Körpergewichts verloren werden, ist noch relativ kurz, um wirklich einen nachhaltigen Lebensstil zu etablieren. In einem solchen Zeitraum ist es schwer, genug Veränderungen zu erzielen, die dauerhaft zu einem aktiveren Lebensstil führen. Es ist wichtig, dass Patienten verstehen, dass neben der Gewichtsreduktion auch eine langfristige Veränderung der Ernährung und der Bewegungsgewohnheiten notwendig ist, um den Erfolg zu sichern“.

Die zunehmende Verbreitung von Abnehmspritzen wie Ozempic und Wegovy wirft eine Vielzahl von ethischen und gesellschaftlichen Fragen auf, die sowohl die medizinische Versorgung als auch die breiteren sozialen und kulturellen Implikationen betreffen. 

In einer Kultur, die stark von Schönheitsidealen geprägt ist, könnte die Verfügbarkeit solcher Medikamente zu einer verstärkten Fokussierung auf Gewichtsverlust als Mittel zur Verbesserung des persönlichen Wertes führen. Es besteht die Gefahr, dass die Gesellschaft das Gewicht von Menschen noch stärker als Indikator für ihre Gesundheit, ihren Erfolg oder ihren Wert betrachtet, was die psychische Gesundheit und das Selbstbild vieler Menschen beeinflussen könnte. Der Druck, "perfekt" zu sein und den Körper zu optimieren, könnte durch den breiten Einsatz dieser Medikamente verstärkt werden, insbesondere in einer Zeit, in der der Körperkult in sozialen Medien und anderen öffentlichen Foren eine dominante Rolle spielt.

Dr. von der Groeben kommentiert hierzu: „Es gibt tatsächlich Anfragen von sehr jungen Menschen, die über soziale Medien stark beeinflusst werden und das Gefühl haben, ein paar Kilo zu viel zu haben. In diesen Fällen wird oft der Wunsch geäußert, eine Abnehmspritze wie Wegovy zu verwenden. Wir erhalten auch Überweisungen von Hausärzten, die die offiziellen Richtlinien nicht einhalten, aber dennoch Patienten mit diesem Anliegen zu uns schicken. Für uns ist jedoch klar, dass wir bei Patienten unter einem BMI unter 28 kg/m2 keine Wegovy-Therapie anbieten, Die Anwendung von Medikamenten allein zur Gewichtsreduktion aus ästhetischen Gründen lehne ich ab, da eine Gewichtsreduktion von nur 5 bis 6 Kilogramm in der Regel auch ohne Medikamente erreicht werden kann, indem man die Ernährung anpasst und auf zuckerhaltige Getränke verzichtet. Der hohe Leistungsdruck in Bezug auf das Aussehen ist heutzutage bei jungen Menschen tatsächlich ein großes Thema, das durch soziale Medien verstärkt wird“, und fügt an:

In der Schweiz ist es so, dass Hausärzte manchmal mit Wegovy beginnen und es den Patienten ermöglichen, das Medikament auf eigene Kosten zu beziehen. Nach ein bis zwei Monaten der Anwendung überweisen sie die Patienten dann zu uns. Das stellt uns jedoch vor administrative Herausforderungen, da wir für eine Kostenübernahme durch die Krankenkassen eine nachweisliche Gewichtsreduktion nach 16 Wochen benötigen. Es kommt vor, dass eine Patientin nach 14 Wochen bei uns vorstellig wurde und eine Kostenzusage abgelehnt wurde, weil sie die vorgeschriebenen 16 Wochen nicht abgewartet hatte. Die Krankenkassen verlangen, dass die Gewichtsreduktion regelmäßig überprüft wird, was einen hohen administrativen Aufwand verursacht. Aus diesem Grund bin ich nicht der Befürworter, das Medikament auf Wunsch des Patienten ohne medizinische Notwendigkeit zu verschreiben, da dies zu zusätzlichen bürokratischen Hürden führt“.

Die Behandlung mit Wegovy bietet eine Möglichkeit zur Gewichtsreduktion, erfordert jedoch mehr als nur das Spritzen des Medikaments. Erfolgreich ist sie nur mit einer begleitenden Ernährungsberatung und Lebensstiländerung. Dr. von der Groeben betont, dass für stark übergewichtige Patienten die bariatrische Chirurgie langfristig die bessere Lösung bleibt. Zudem kritisiert er die irreführende Kennzeichnung von Lebensmitteln und plädiert für mehr Aufklärung in Schulen zu Ernährung und Bewegung.

Die monatlichen Kosten für die Behandlung mit Wegovy betragen 183 Franken, was keine geringe Summe ist. Es ist wichtig, dass Patienten verstehen, dass die Therapie nicht nur aus dem Spritzen der Medikamente besteht, sondern dass eine begleitende Ernährungsberatung und eine Veränderung des Lebensstils entscheidend für den Erfolg sind. Dies hat sich auch bei den Patienten gezeigt, die die Behandlung im Spital Muri seit einem Jahr durchführen. Viele nehmen zwar gut ab, jedoch gibt es auch Patienten, die aufgrund von Nebenwirkungen oder der Unfähigkeit, weiterhin Spritzen zu setzen, die Behandlung beenden möchten. In meinem beruflichen Kontext als Chirurg sehe ich die Abnehmspritzen nicht als dauerhafte Lösung für stark übergewichtige Patienten an. Für diese Patienten bleibt die bariatrische Chirurgie die einzige langfristige Möglichkeit, um signifikante Gewichtsreduktionen zu erzielen und die Gesundheit zu verbessern. Patienten, die nicht extrem übergewichtig sind, können durch Medikamente wie Wegovy eine gute Gewichtsreduktion erreichen, aber für wirklich schwere Fälle halte ich die Operation für die nachhaltigere Lösung. Es gibt Patienten, die sich nach einem aufklärenden Gespräch bewusst für eine Operation entscheiden, da sie die Aussicht, das Medikament ein Leben lang zu nehmen, als zu aufwendig empfinden. Sie bevorzugen eine einmalige Operation und möchten sich nicht dauerhaft mit Medikamenten auseinandersetzen. Die Patienten, die ich operiere, sind in der Regel Menschen, die schon seit ihrer Kindheit übergewichtig sind und bereits viele Diäten ausprobiert haben. Diese Patienten sehen die Operation als eine langfristige Lösung. Die bariatrische Chirurgie hat sich als sehr sicher erwiesen. Patienten werden nach der Operation in der Regel nur drei Tage im Krankenhaus behandelt und können dann nach Hause gehen. Wir haben eine sehr niedrige Komplikationsrate. Die Nachsorge umfasst regelmäßige Kontrollen, um sicherzustellen, dass die Patienten ihre Vitamine und Nährstoffe ausreichend aufnehmen, da insbesondere nach einem Magenbypass ein erhöhtes Risiko für Mängel besteht. Die Patienten erhalten dann hochdosierte Multivitamine, um Mangelerscheinungen zu vermeiden, da nach der Operation bestimmte Vitamine und Nährstoffe nicht mehr richtig aufgenommen werden können“, konstatiert Dr. von der Groeben und kritisiert im Zusammenhang mit dem Essverhalten auch die Nahrungsmittelindustrie und fehlende Aufklärung:

Es sollte weniger Zucker in den Lebensmitteln enthalten sein, da viele Produkte, die als ,fettarm´ oder ,zuckerfrei´ beworben werden, tatsächlich noch zu viel Zucker enthalten. Die Kennzeichnung von Nahrungsmitteln ist oft irreführend, was den Verbrauchern den Eindruck vermittelt, sie konsumieren gesunde Produkte, obwohl sie in Wirklichkeit viel Zucker zu sich nehmen. Dies betrifft insbesondere Produkte, die für Kinder vermarktet werden, wie zum Beispiel Süßigkeiten, die mit gesundheitsfördernden Zusatzstoffen wie Milch beworben werden. Schließlich müssen wir auch in der Schule eine stärkere Betonung auf Ernährung und Bewegung legen. Kochkurse und mehr Sport könnten dazu beitragen, dass Kinder lernen, sich gesund zu ernähren und aktiv zu bleiben. Die gesunde Ernährung ist häufig teurer und zeitaufwändiger, und schnelle, ungesunde Mahlzeiten sind eine praktische Lösung, besonders für berufstätige Eltern. Daher ist es wichtig, dass die Gesellschaft die richtige Balance zwischen der Förderung einer gesunden Ernährung und der Berücksichtigung des alltäglichen Lebens der Familien findet“.

Sehr geehrter Herr Dr. von der Groeben, herzlichen Dank für die umfassende und anschauliche Erläuterung der Abnehmspritzen!

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