Präzise Diagnostik, innovative Therapien, vernetzte Expertise: Experteninterview mit Prof. Heußel

10.03.2025

Prof. Dr. med. Claus Peter Heußel ist seit 2006 Chefarzt der Abteilung für Diagnostische und Interventionelle Radiologie mit Nuklearmedizin an der renommierten Thoraxklinik Heidelberg. Als ausgewiesener Experte auf seinem Gebiet verbindet er modernste bildgebende Diagnostik mit interventionellen Verfahren und trägt so maßgeblich zur erstklassigen medizinischen Versorgung der Patienten bei. Unter seiner Leitung werden innovative Methoden und Technologien angewandt, die nicht nur präzise Diagnosen ermöglichen, sondern auch gezielte therapeutische Eingriffe.

Die Thoraxklinik Heidelberg, eine der größten Spezialkliniken Europas für Lungenerkrankungen, bietet mit ihrer über 100-jährigen Tradition und ihrer engen Anbindung an das Universitätsklinikum Heidelberg einen optimalen Rahmen für die Tätigkeit von Prof. Dr. Heußel. Hier trifft modernste Wissenschaft auf klinische Praxis, was besonders in der Diagnostik und Therapie von Lungenkrebs, interstitiellen Lungenerkrankungen und anderen thorakalen Erkrankungen von zentraler Bedeutung ist.

Die diagnostischen Schwerpunkte von Prof. Dr. Heußel umfassen ein breites Spektrum an bildgebenden Verfahren, darunter Computertomografie (CT), Magnetresonanztomografie (MRT), nuklearmedizinische Methoden wie Szintigrafie sowie Röntgen und Ultraschall. Besondere Expertise hat er in der hochauflösenden CT zur Untersuchung von Lungengerüsterkrankungen sowie in der dynamischen CT der Atemwege zur Kollapsdiagnostik. Auch CT-gestützte Biopsien und Tumorablationen gehören zu seinem Leistungsspektrum. Mit der MRT der Lunge können spezielle Fragestellungen wie Lungendurchblutung, Lungenembolie oder Herzerkrankungen strahlungsfrei untersucht werden, was insbesondere bei strahlenempfindlichen Patientengruppen wie Schwangeren oder Kindern von großem Vorteil ist. Auch spezielle chirurgische Fragestellungen wie die Beziehung von z.B. Thymustumoren z.B. zu den großen Gefäßen und dem Herzen sowie Zwerchfellbewegung können mit der dynamischen MRT beantwortet werden.

Ein besonderer Schwerpunkt seiner Arbeit liegt in der interventionellen Radiologie, die minimalinvasive Eingriffe wie Tumorablationen und Biopsien zur Gewebegewinnung ermöglicht. Diese Verfahren tragen dazu bei, Diagnosen zu präzisieren und Behandlungen wie moderne Immuntherapien gezielt einzuleiten. Mit modernster Technik und interdisziplinärer Zusammenarbeit, etwa mit der Thoraxchirurgie, Onkologie und Pneumologie, leistet Prof. Dr. Heußel einen wesentlichen Beitrag zur individualisierten Patientenversorgung.

Neben seiner klinischen Tätigkeit ist Prof. Dr. Heußel z.B. im Deutschen Zentrum für Lungenforschung aktiv an wissenschaftlichen Projekten beteiligt und wirkt z.B. für die deutsche Röntgengesellschaft an der Erstellung medizinischer Leitlinien mit. Dies unterstreicht seinen Anspruch, die neuesten Erkenntnisse der Forschung in die tägliche Praxis zu integrieren und damit höchste Standards in der Patientenversorgung zu setzen. Die Thoraxklinik Heidelberg profitiert von seiner langjährigen Erfahrung und seiner Expertise in der bildgebenden Diagnostik und Intervention. Patienten finden in Prof. Dr. Heußel einen engagierten und hochqualifizierten Arzt, der sich mit großem Einsatz für die bestmögliche medizinische Betreuung einsetzt.

Auch in der Aus- und Weiterbildung wird in der Radiologie der Thoraxklinik Heidelberg ein erfolgreiches Konzept integriert. Die erhaltene Weiterbildungsermächtigung für Radiologie und Vollbesetzung des vorhandenen Personalschlüssels für Ärzte und MTRA zeigen das große Interesse junger Mitarbeiter, sich in der Radiologie der Thoraxklinik Heidelberg ausbilden lassen zu wollen. Mit ihm sprach die Redaktion des Leading Medicine Guide und erfuhr anhand des Beispiels von Lungenkarzinomen mehr zur diagnostischen und interventionellen Radiologie.

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Rauchen ist eine Katastrophe!

Bevor wir thematisch in die Radiologie gehen, gebe ich vorab den wichtigsten Appell überhaupt: Bitte nicht rauchen! Wenn man nicht raucht, dann ist alles gut. Wenn man geraucht und aufgehört hat, muss man ungefähr 15 Jahre warten, und dann ist in der Lunge auch wieder alles halbwegs gut. Dies betrifft natürlich nicht nur den Lungenkrebs, sondern auch fast alle anderen schlimmen Erkrankungen, die wir in der Thoraxklinik sehen. Keiner darf rauchen – egal was, egal wie, ob klassisch oder elektronisch – kein Glimmstängel! Dann braucht man nichts weiter tun. Man braucht kein Screening, keine Früherkennung, denn es gibt nur ganz wenige Bronchialkarzinome oder schwere Lungenerkrankungen, wenn das Rauchen wegbleibt. Dass das Rauchen in unserer Gesellschaft noch immer weitgehend akzeptiert wird, ist problematisch! Wir bieten in unserer Klinik eine Raucherentwöhnung mit unserer Kollegin Dr. Claudia Bauer-Kemény, die Leiterin der Abteilung für Prävention und Tabakentwöhnung“, mahnt Prof. Dr. Heußel deutlich zum Beginn unseres Gesprächs.

Das Lungenkarzinom ist eine der häufigsten und schwerwiegendsten Krebserkrankungen, das oft lange unbemerkt bleibt. Da frühe Symptome meist ausbleiben, wird die Diagnose häufig erst in einem fortgeschrittenen Stadium gestellt, wenn z.B. Nachbarorgane bereits infiltriert sind. Dann sind jedoch die Heilungschancen erheblich schlechter. Eine frühzeitige Erkennung ist daher entscheidend, um die Therapiechancen zu verbessern. Besonders bildgebende Verfahren der Radiologie, wie die Niedrigdosis-CT, spielen eine zentrale Rolle in der Diagnostik, da sie kleinste Veränderungen im Lungengewebe frühzeitig sichtbar machen können. Durch regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen bei Risikopatienten, lässt sich das Fortschreiten der Erkrankung oft rechtzeitig verhindern oder wirksam behandeln. Die diagnostische und interventionelle Radiologie ist ein Fachgebiet der Medizin, das sich mit der Anwendung bildgebender Verfahren zur Diagnostik und Therapie von Krankheiten befasst. Während die diagnostische Radiologie sich darauf konzentriert, detaillierte Bilder des Körpers zu erstellen, um Krankheiten oder Verletzungen zu erkennen, nutzt die interventionelle Radiologie diese Bildgebung, um minimalinvasive, therapeutische Eingriffe durchzuführen.

Die Radiologie bietet eine Vielzahl diagnostischer Möglichkeiten, um Erkrankungen wie Lungenkrebs und andere thorakale Pathologien frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. 

Ungefähr bei zwei Drittel der Patienten fällt der Lungenkrebs auf, weil die Patienten Symptome haben, weil sie Bluthusten oder Luftnot haben. Der Patient ist zu diesem Zeitpunkt in der Regel in einem so fortgeschrittenen Stadium, dass der Lungenkrebs nicht mehr zu sanieren ist. Denn der Tumor ist zu diesem Zeitpunkt meistens schon in zentrale Strukturen eingewachsen, aus denen man den Tumor nicht mehr wegschneiden kann. Das heißt, dass zwei Drittel der Patienten mit Symptomen nicht mehr geheilt werden können. Bei dem restlichen Drittel sind es Zufallsbefunde, wenn etwa ein Bauch- oder Kardio-CT-Scan gemacht wird“, erklärt Prof. Dr. Heußel und ergänzt:

Bei der Lungenkrebsfrüherkennung wird die Computertomografie angewendet. Die hat eine gewisse Strahlenbelastung, weswegen sie nur bei einem triftigen Grund und nur bei Risikopersonen gemacht wird. Hier in Heidelberg haben wir glücklicherweise zusätzlich die Option, strahlenempfindliche Menschen z.B. unter 40 Jahren mit MR auch strahlenfrei zu untersuchen. Die Schwierigkeit bei der Früherkennung besteht darin, dass die CT ein sehr sensitives Verfahren ist, sodass es auch eine Menge falsch positive Ergebnisse liefert. Das bedeutet, dass man häufig einen sogenannten Rundherd findet, der aber kein Bronchialkarzinom, also kein Malignom, sondern gutartig ist. Dies trifft auf ca. 97% der Patienten zu. Für diese ist es oft schwer zu verstehen, dass da ein Rundherd ist, der aber nicht gleich operiert wird. Dieser wird dann mit einem bestimmten Algorithmus verlaufskontrolliert. Die tatsächlich bösartigen Herde zu identifizieren braucht eine gute Technik und viel Erfahrung. Manche Patienten haben dann so viel Angst, dass sie sich den Rundherd von einem anderen Arzt rausoperieren lassen, der aber zum Beispiel nicht in einem Lungenkrebszentrum ist. In Deutschland gibt es momentan 96 von der Deutschen Lungenkrebsgesellschaft zertifizierte Lungenkrebszentren, und da sollte man auch unbedingt hingehen, weil die Qualität in diesen einfach dramatisch viel besser ist (www.oncomap.de)“.


2022 verstarben circa 1,8 Millionen Menschen an Lungenkrebs, allein in Deutschland waren dies circa 45.000 Tote. Lungenkrebs verursacht rund 15 % der Gesundheitskosten in Europa. Die Prognose, eine Lungenkrebserkrankung zu überleben, ist umso besser, je früher die Erkrankung erkannt wird. Eine Früherkennung mit Niedrigdosis-CT (LDCT) der Lunge kann die lungenkrebsassoziierte Mortalität senken. Lungenkrebs gehört zu den prognostisch ungünstigen Tumoren, die 5-Jahres-Überlebensrate bei Frauen beträgt circa 25 %, bei Männern etwa 19 %. Histologisch werden vor allem 3 Haupttypen unterschieden: Circa 44 % der Fälle sind Adenokarzinome, etwa 21 % sind Plattenepithelkarzinome und rund 15 % sind kleinzellige Bronchialkarzinome, welche wegen der frühen Metastasierungsneigung die schlechteste Prognose haben.


Die interdisziplinäre Vernetzung zwischen Radiologen und anderen Fachbereichen ist ein essenzieller Bestandteil moderner Medizin und spielt eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung individueller Behandlungsstrategien sowie der Optimierung der Patientenversorgung. 

Die Radiologie liefert die grundlegenden diagnostischen Informationen, die für die Planung und Steuerung von Therapien unerlässlich sind. Durch den Einsatz hochpräziser Bildgebung können nicht nur die Lokalisation, Ausdehnung und der Typ einer Erkrankung bestimmt werden, sondern es ergeben sich auch Hinweise auf die Tumorbiologie und das Ansprechen auf Therapien. Die enge Zusammenarbeit mit der Chirurgie, Strahlentherapie und Onkologie ermöglicht es, auf Basis radiologischer Befunde maßgeschneiderte Behandlungspläne zu erstellen. Beispielsweise können mithilfe funktioneller Bildgebung wie der PET-CT Tumorstadien präzise bestimmt und metastatische Ausbreitungen frühzeitig erkannt werden. Diese Informationen sind entscheidend für die Wahl der Therapie, sei es eine Operation, Bestrahlung, Immun- oder Chemotherapie. Durch die tägliche gemeinsame Diskussion von Befunden in Tumorboards, die in der Regel in der Radiologie stattfinden, können alle Fachdisziplinen ihre Expertise direkt einbringen und komplexe Fälle aus unterschiedlichen Blickwinkeln analysieren, was zu einer fundierteren Entscheidungsfindung beiträgt.

Die interdisziplinäre Zusammenarbeit in unserer Thoraxklinik in Heidelberg ist sehr gut etabliert, da wir eine Fachklinik sind und alle Disziplinen unter einem Dach haben. Wir tauschen uns täglich mehrfach in verschiedenen Besprechungen aus. Dadurch haben wir einen Regelkreis, der für eine konstant gute Qualität sorgt. Wenn also mal der Krankheitsverlauf eines Patienten suboptimal verläuft, dann wird das gegenseitig gespiegelt, sodass wir den Verlauf wieder optimieren können. Dies geht nur so gut, weil wir eben unter einem Dach sind. Es gibt da auch Studien, die belegen, dass Patienten, die `Doktor-Hopping´ betreiben (müssen), auch früher sterben, weil in den einzelnen Befunden nie alles drinstehen kann. Da gibt es keinen `Push-Button´ – auch ein CT hat das nicht. Die Bildgebung hat so viele Einstellungsmöglichkeiten wie ein Flugzeug – die richtige Interpretation erfordert die enge Zusammenarbeit der Ärzte“, verdeutlicht Prof. Dr. Heußel, der dann aber auch auf ein großes Problem hinweist:

Leider gibt es ein Problem mit der Erstattung der Kosten für einige der erforderlichen ambulanten und stationären Leistungen. Diese werden nicht oder nicht kostendeckend von bestimmten Kostenträgern erstattet. Wir können es uns aber nicht leisten, hunderte Euro drauf zu zahlen und sind darauf angewiesen, dass sich die Patienten diese Leistungen anderswo besorgen und die Ergebnisse mitbringen. Das bedeutet für die Patienten zusätzliche Termine, Fahrten und Organisation. Zudem ist dann das Ergebnis nicht immer so, wie wir es für die Behandlung eigentlich benötigen. Das ist für die Patienten nicht leicht zu verstehen“.

Logistische Herausforderungen in der Patientenversorgung:  Wenn ambulante Behandlungen an ihre Grenzen stoßen

Unsere Thoraxklinik in Heidelberg ist in Europa und in Deutschland die mit Abstand größte Lungenfachklinik. Es kommen Patienten von weit her zu uns. Oft ist es so, dass ein Patient es einfach nicht schafft, morgens um 8 Uhr von zuhause in die Klinik zu kommen, um eine Therapie zu beginnen, weil die Anfahrt zu lange dauert. Wenn ein Patient beispielsweise aber erst um 12 Uhr mittags zu uns kommen kann, bleibt zu wenig vom Tag übrig, sodass wir nicht mehr viel schaffen. Eine Operation oder Intervention können wir dann schon wegen der erforderlichen Nüchternheit nicht mehr durchführen. Dann müssen die Patienten am Vortag in ein benachbartes Hotel gehen, denn wir dürfen sie nicht am Vortag aufnehmen. Eventuelle Hotelkosten müssen die Patienten natürlich selbst tragen. Hinzu kommt, dass wir viele ältere Patienten haben, die auf die Hilfe von Angehörigen oder Freunden angewiesen sind. Auch für sie entstehen finanzielle und zeitliche Belastungen. Das alles stellt eine große logistische Herausforderung dar. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass die medizinische Versorgung, so wie sie heute in Deutschland stattfindet, eine Menge Geld kostet und man zusätzlich auf sein soziales Netz angewiesen ist“, beklagt Prof. Dr. Heußel.

Die interventionelle Radiologie spielt eine zunehmend zentrale Rolle bei der Behandlung komplexer Erkrankungen wie Lungenkrebs und Gefäßerkrankungen, da sie minimalinvasive Verfahren bereitstellt, die oft eine präzise und schonende Alternative zu herkömmlichen chirurgischen Eingriffen bieten. 

Unter interventioneller Radiologie versteht man landläufig vor allem Gefäßinterventionen, was sich in den letzten Jahren stark gewandelt hat. Noch vor 15–20 Jahren waren die meisten interventionellen radiologischen Untersuchungen eher therapeutisch, etwa im Rahmen einer Gefäßerweiterung oder Tumorembolisation – eine Methode, die wir hier in der Thoraxklinik gar nicht mehr durchführen. Wir machen ca. 1.500 Interventionen pro Jahr in der Thoraxklinik. Dabei handelt es sich vor allem um CT-gesteuerte Biopsien zur Gewebegewinnung, aber auch um Tumorablationen zur Abtötung von Tumorgewebe in der Lunge. Wenn zum Beispiel ein Patient aus der Früherkennung mit einem Rundherd kommt, der in der Verlaufskontrolle leicht gewachsen ist, muss das natürlich abgeklärt werden. Früher wurden diese Rundherde operativ entfernt, die aber eben zu ca. einem Drittel gutartig sind und eine Operation mit relevantem Verlust von Lungengewebe eigentlich nicht nötig ist. Oder es stellte sich bei der späteren Aufarbeitung des Gewebes aus der Operation heraus, dass es sich um ein Bronchialkarzinom handelt – dann war oftmals eine zweite Operation erforderlich, da dann der gesamte Lungenlappen entfernt werden musste. Durch eine CT-gesteuerte Biopsie des Rundherds kann in der Pathologie unter dem Mikroskop abgeklärt werden, ob und was für eine Operation tatsächlich notwendig wird. Und durch die Tumorablation bieten wir hier vor allem den vorerkrankten und dadurch eingeschränkten Patienten mit nur einzelnen kleinen Herden eine schonende Methode an, um das Tumorgewebe z. B. mit Mikrowellen zu zerstören, für die lediglich eine ganz leichte Sedierung ohne Narkose erforderlich ist“, schildert Prof. Dr. Heußel.

Radiologen spielen eine zentrale Rolle bei der Entwicklung medizinischer Leitlinien, da sie durch ihre Expertise in bildgebender Diagnostik und interventionellen Verfahren entscheidend zur Festlegung evidenzbasierter Diagnostik- und Behandlungsstrategien beitragen. 

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Die Radiologie macht ein Bild der Erkrankung und ist damit oft einer der ersten Schritte bei jeder medizinischen Behandlung. Medizinische Leitlinien sind systematisch entwickelte Empfehlungen für Ärzte, die auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren. Sie dienen dazu, die bestmögliche Behandlung für Patienten sicherzustellen, indem sie evidenzbasierte Diagnostik- und Therapieansätze vorgeben. Diese Leitlinien werden von Fachgesellschaften erstellt und regelmäßig aktualisiert. Sie sind keine verpflichtenden Vorschriften, sondern Orientierungshilfen, die den Ärzten eine Entscheidungsgrundlage bieten. Dabei berücksichtigen sie nicht nur die Wirksamkeit medizinischer Maßnahmen, sondern auch deren Nutzen-Risiko-Verhältnis und Wirtschaftlichkeit.

Die Thoraxklinik in Heidelberg ist bei der Entwicklung der Leitlinien immer mit dabei und das an vorderster Stelle. Persönlich wurde ich von der Deutschen Röntgengesellschaft zur Vertretung in den Leitlinien Lungenkrebs, Mesotheliom, Pneumonie, Emphysem usw. beauftragt. Die Thoraxklinik Heidelberg ist als größte deutsche Lungenfachklinik beim Thema Lunge immer in führender Position“, kommentiert Prof. Dr. Heußel.

Technologische Innovationen und neue Therapiekonzepte beeinflussen die diagnostische und interventionelle Radiologie in einem tiefgreifenden und umfassenden Maß und tragen dazu bei, ihre Rolle in interdisziplinären Behandlungszentren weiter zu stärken. 

Wenn man die letzten Jahre vor Augen hat, so sticht die Immuntherapie hervor. Sie ist ein echter Segen und hat in den letzten 15 Jahren eine dramatische Verbesserung der Überlebensrate ermöglicht. Das kostet aber eben auch sehr viel Geld. Wir können heutzutage auch ein Langzeitüberleben von fortgeschrittenem Lungenkrebs verzeichnen. Der Erfolg ist so überwältigend, dass man geneigt ist daran zu glauben, den Lungenkrebs medikamentös potenziell heilen zu können. Zunächst braucht die Immuntherapie eine genaue Analyse am Feingewebe, also aus der Biopsie. Im Verlauf einer Tumorbehandlung benötigt man immer wieder frisches Tumorgewebe, um die nächsten Schritte der Behandlung optimieren und abstimmen zu können. Denn nur durch fortlaufende aktuelle Untersuchungen kann man neue Ansätze für die fortlaufende Immuntherapie herausarbeiten. Und genau hier kommt die interventionelle Radiologie wieder ins Spiel. Aber auch bei der reinen bildgebenden Diagnostik gibt es derzeit eine Entwicklung in der CT-Technologie: das sogenannte Photon-Counting-CT (PCCT), eine innovative Weiterentwicklung der Computertomographie (CT), die eine höhere Bildqualität oder geringere Strahlenbelastung ermöglicht. Hier kann entweder die Ortsauflösung fast um den Faktor 10 vergrößert, die Strahlendosis auf 1/10 reduziert werden, und gleichzeitig besteht die Möglichkeit, die Strahlenqualität zu messen. Damit kann man verschiedene Kontrastmittel gleichzeitig anwenden, z. B. auf Basis von Jod, Barium, Eisen oder Gold, die jeweils verschiedene Organe markieren. Das PCCT ist dann in der Lage, die verschiedenen Signale gleichzeitig aufzunehmen und in der Zukunft die verschiedenen Kontrastmittel zu differenzieren und Bilder zu errechnen, die z. B. gleichzeitig Organe, Tumore, Gefäße separat darstellen. Diese technische Entwicklung ist noch lange nicht abgeschlossen, und einige der Kontrastmittel gibt es noch gar nicht. Aber die CT-Technologie gibt es an einigen, wenigen Stellen in Deutschland schon. Diese Entwicklung wird in den nächsten Jahren die CT-Technik maßgeblich beeinflussen“, konstatiert Prof. Dr. Heußel.


Photon-Counting-CT: Die Zukunft der Bildgebung

Das Photon-Counting-CT (PCCT) ist eine bahnbrechende Weiterentwicklung der herkömmlichen Computertomographie. Es ermöglicht eine höhere Bildqualität bei geringerer Strahlenbelastung, da es einzelne Röntgenphotonen zählt und ihre Energie analysiert. Dadurch bietet es eine höhere Auflösung, eine präzisere Materialunterscheidung und eine effizientere Nutzung von Kontrastmitteln. Besonders für die Onkologie, Kardiologie und Pulmologie verbessert PCCT die Diagnostik erheblich. Die Technologie wird bereits in ersten Kliniken eingesetzt und hat das Potenzial, die CT-Diagnostik in den kommenden Jahren zu revolutionieren.


Mein größter Wunsch ist, dass die Menschheit nicht mehr raucht! Das würde mit Abstand auch den größten Effekt haben. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hat da sehr gute Tipps und Hilfestellungen. Seit 2024 gibt es das Lungenkrebsfrüherkennungsprogramm, das allerdings jeden Patienten ca. 300 Euro kostet. Ich beobachte jedoch, dass die meisten Raucher gar nicht aufhören wollen. Sie wollen einen `Persilschein´ erhalten, dass sie weiterrauchen dürfen. Viele Raucher haben erfolgreich mit dem Rauchen aufgehört und möchten durch ein Screening sicherstellen, dass sie keinen Rundherd haben. Die meisten Menschen aus der Hauptrisikogruppe jedoch wollen weder mit dem Rauchen aufhören noch am Screening teilnehmen. Optimistisch gerechnet, werden 5 % der Risikogruppe als Teilnehmer bei der Früherkennung erwartet – ich persönlich schätze, dass es eher 2–3 % sein werden. Also kommen 95% der Risikopersonen nicht zur Früherkennung. Es wird noch bis weit ins nächste Jahr dauern, bis das Screening Kassenleistung werden könnte, obwohl es fraglich ist, ob sich das lohnt. Denn am Ende führt das auch zu den bereits erwähnten falsch-positiven Ergebnissen, sodass wieder unnötig operiert wird und ein Stück Lunge entfernt wird, das möglicherweise hätte erhalten werden können. Um einen Rundherd beurteilen zu können, braucht man eine sehr hohe Expertise! Die gibt es an den derzeit 96 deutschen Lungenkrebszentren. Die Konfrontation mit einem eigenen festgestellten Rundherd kann allerdings dann auch Raucher persönlich motivieren, das Rauchen doch besser einzustellen, weil dies doch eine andere Wirkung hat, als die `Schock-Bilder´ auf Zigarettenpackungen“, hält Prof. Dr. Heußel fest, und damit schließen wir unser Gespräch.

Herzlichen Dank, Herr Professor Dr. Heußel, für dieses offene und kritische Gespräch!

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