Professor Dr. med. Christoph Wiese ist einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Schmerzmedizin in Deutschland. Als Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin sowie Leiter des Zentrums für Interdisziplinäre Schmerzmedizin (ZIS-HEH) am Herzogin Elisabeth Hospital in Braunschweig hat er eine Einrichtung mit aufgebaut, die überregional Maßstäbe setzt. Seine außergewöhnlich breite Ausbildung und seine zahlreichen Zusatzqualifikationen ermöglichen es ihm, über klassische Fachgrenzen hinauszudenken und individuelle Therapieansätze für jeden einzelnen Patienten zu entwickeln. Ob Akutschmerz nach einer Operation, chronische Schmerzsyndrome oder komplexe Schmerzerkrankungen mit psychosomatischer Komponente – Prof. Dr. Wiese begegnet seinen Patienten mit einem ganzheitlichen Blick, der körperliche, emotionale und soziale Faktoren gleichermaßen berücksichtigt.
Ein besonderes Markenzeichen von Prof. Dr. Wiese ist sein interdisziplinärer Ansatz. Unter seiner Leitung arbeiten Ärzte verschiedener Fachrichtungen, Pflegekräfte, Physiotherapeuten, Psychologen und Ergotherapeuten eng zusammen – stets mit dem Ziel, die Lebensqualität der Betroffenen nachhaltig zu verbessern. Das gelingt vor allem durch das individuell angepasste multimodale Therapiekonzept, bei dem neben medikamentösen Verfahren auch Akupunktur, Stoßwellentherapie, Hypnotherapie oder spezielle Infusionen zum Einsatz kommen können. Dabei wird stets darauf geachtet, dass der Patient selbst in den Behandlungsprozess eingebunden ist. Denn für Prof. Dr. Wiese steht fest: Nur wer aktiv mitarbeitet, kann nachhaltige Verbesserungen im Umgang mit chronischen Schmerzen erreichen.
Dass Prof. Dr. Wiese nicht nur über eine enorme klinische Erfahrung verfügt, sondern auch forschend und lehrend tätig ist, zeigt seine Professur an der Universität Regensburg. Die Verbindung von praktischer Arbeit mit wissenschaftlichem Anspruch und der Ausbildung des ärztlichen Nachwuchses unterstreicht seine Haltung: Schmerzmedizin muss immer weiterentwickelt, hinterfragt und neu gedacht werden – zum Wohl der Patienten. Mit seiner Fachkompetenz, seinem Einfühlungsvermögen und seinem klaren Blick auf moderne, ganzheitliche Schmerztherapie hat Prof. Dr. med. Christoph Wiese einen Ort geschaffen, an dem Menschen mit Schmerzen echte Hoffnung finden können.
Im Rahmen der Schmerzmedizin kommen auch Co-Enzyme zum Einsatz. Was es damit auf sich hat, erfuhr die Redaktion des Leading Medicine Guide in einem Gespräch mit dem Spezialisten für Schmerzmedizin.
Die Schmerzmedizin befindet sich in einem stetigen Wandel – neue wissenschaftliche Erkenntnisse und therapeutische Ansätze eröffnen immer wieder vielversprechende Möglichkeiten, chronische und akute Schmerzen effektiver zu behandeln. In diesem Zusammenhang rückt ein bislang vor allem aus der Zellforschung bekannter Wirkstoff zunehmend in den Fokus: NAD⁺ (Nicotinamidadenindinukleotid). Dieses körpereigene Coenzym, das eine zentrale Rolle im Energiestoffwechsel und bei zellulären Reparaturprozessen spielt, wird inzwischen auch in der Schmerztherapie diskutiert. Der mögliche Einsatz von NAD⁺ und anderen Coenzymen eröffnet eine neue Perspektive – insbesondere im Hinblick auf die Behandlung chronischer Schmerzsyndrome, die mit mitochondrialer Dysfunktion, oxidativem Stress oder Entzündungsprozessen einhergehen.
NAD⁺ (Nikotinamidadenindinukleotid) ist ein essentielles Coenzym, das in nahezu allen lebenden Zellen eine zentrale Rolle im Energiestoffwechsel spielt. Es fungiert als entscheidender Elektronenträger in biochemischen Redoxreaktionen, vor allem in der Zellatmung, bei der Glukose und andere Nährstoffe in Adenosintriphosphat (ATP) umgewandelt werden – die Hauptenergiequelle für zelluläre Prozesse.
„Die NAD⁺-Therapie basiert auf einem Molekül, das als Coenzym bereits seit den 1930er-Jahren bekannt ist. Die erste wissenschaftliche Beschreibung stammt aus dem Jahr 1936 aus den USA. NAD⁺, chemisch betrachtet eine Form des Vitamin B3 (Niacin), ist entscheidend für die Energieproduktion im Körper. Damit der Körper NAD⁺ herstellen kann, braucht er Niacin als Ausgangsstoff. Lange Zeit spielte dieses Molekül in der klinischen Medizin kaum eine Rolle, bis es in den letzten zehn Jahren – insbesondere im Bereich der sogenannten Longevity-Medizin – wieder stärker in den Fokus rückte. Frühere Studien, die mittlerweile mehr als 20 Jahre zurückliegen, zeigen, dass NAD⁺ eine zentrale Bedeutung für zelluläre Prozesse hat.
Es wirkt im Bereich der Glykolyse, also dem Zuckerstoffwechsel, bei der Oxidation von Fettsäuren und im bekannten Zitronensäurezyklus – einem Schlüsselschritt der Energiegewinnung in den Zellen. Dadurch wurde klar, dass NAD⁺ eine tragende Rolle im Energiestoffwechsel spielt. Untersuchungen zum NAD⁺-Verlauf über das Lebensalter hinweg zeigen, dass die körpereigenen Speicher mit den Jahren stark abnehmen. Während junge Erwachsene bis zum 20. Lebensjahr noch über volle NAD⁺-Kapazität verfügen, sinkt diese im Laufe der Jahrzehnte stetig. Im Alter von 50 Jahren beträgt sie nur noch etwa 40 % des Ausgangsniveaus, bei über 70-Jährigen sogar nur noch 20 bis 25 %. Diese Erkenntnis brachte das Molekül in Zusammenhang mit Alterungsprozessen und regte neue Forschungsansätze an“, erklärt Prof. Dr. Wiese und führt weiter aus:
„Einem breiteren Publikum wurde NAD⁺ durch den Sänger Justin Bieber bekannt, der sich öffentlich Infusionen verabreichen ließ und damit mediale Aufmerksamkeit erzeugte. Ob die gezeigten Reaktionen echt oder inszeniert waren, bleibt dahingestellt – der Effekt war dennoch, dass NAD⁺ in aller Munde war. In der Schmerzmedizin ist die Suche nach innovativen Ansätzen stetig präsent, da sich in den letzten 25 Jahren – trotz zahlreicher Verfahren wie Medikation, Gesprächstherapien, Verhaltenstherapien und Infiltrationstechniken – kaum wirklich neue, durchschlagende Entwicklungen ergeben haben. Vor diesem Hintergrund entstand bei mir die Idee, NAD⁺ aus dem Lifestyle-Kontext herauszulösen und gezielt auf sein Potenzial in der Schmerztherapie hin zu untersuchen. Die Therapie verfolgt den Ansatz, durch gezielte NAD⁺-Zufuhr auf zellulärer Ebene den Energiestoffwechsel zu stabilisieren, die Regeneration zu fördern und damit auch Schmerzen positiv zu beeinflussen. In der praktischen Umsetzung geht es darum, ein etabliertes körpereigenes System gezielt zu unterstützen – mit dem Ziel, den Patienten spürbare Verbesserungen zu ermöglichen, gerade dort, wo herkömmliche Therapien an ihre Grenzen stoßen“.
NAD⁺ ist an der Aktivierung bestimmter Enzyme beteiligt, wie den Sirtuinen, bzw. Substrat für Sirtuine, die eine Schlüsselrolle bei der Zellregulation, Entzündungshemmung und Reparatur von DNA-Schäden spielen. Sirtuine modulieren entzündliche Signalwege, welche bei chronischen Schmerzen häufig überaktiviert sind.
„Als sogenannter Mitochondrien Transporter trägt NAD⁺ dazu bei, dass die Elektronentransportketten in den Mitochondrien – den Kraftwerken der Zelle – reibungslos funktionieren. In der Folge wird die ATP-Synthese unterstützt, ein Prozess, der zur Bildung von Adenosintriphosphat (ATP) führt – einem der wichtigsten Energieträger im Körper. Darüber hinaus dient NAD⁺ als Substrat für bestimmte Eiweißgruppen, die sogenannten Sirtuine. Diese Enzyme regulieren wichtige Stoffwechselprozesse und tragen dazu bei, den Energiehaushalt zu stabilisieren sowie oxidativen Stress zu reduzieren. Letzteres ist beispielsweise auch aus dem Wirkmechanismus von Vitamin C bekannt, das ebenfalls antioxidativ wirkt – ein Ansatz, der gerade im Zusammenhang mit nervenbezogenen (neuropathischen) Schmerzen schon länger therapeutisch genutzt wird. Die Beobachtung, dass auch NAD⁺ in der Lage ist, oxidativen Stress zu beeinflussen, war ein weiterer Ausgangspunkt, das Potenzial dieses Moleküls in der Schmerzmedizin genauer zu betrachten. NAD⁺ ist auch an der Zellgesundheit beteiligt – insbesondere bei der RNA-Synthese, bei Reparaturvorgängen innerhalb der Zellen sowie bei Prozessen der sogenannten Apoptose. Apoptose beschreibt das gezielte, kontrollierte Absterben alter oder beschädigter Zellen, ein notwendiger Vorgang für den Erhalt eines funktionierenden Zellgleichgewichts im Körper. NAD⁺ trägt hier zur Ordnung dieser Prozesse bei: Es fördert nicht nur die Entstehung neuer Zellen, sondern unterstützt auch das korrekte Abschalten überalterter Zellstrukturen. Besonders interessant ist der Einfluss von NAD⁺ auf Sirtuin 1, 3 und 6. Diese Enzyme übernehmen wesentliche Aufgaben in der Regulation von Entzündungsprozessen. Darüber hinaus haben sie eine Bedeutung für die sogenannte neuronale Plastizität – also die Fähigkeit des Nervensystems, sich anzupassen und zu regenerieren. Diese neuroprotektive Wirkung, also der Schutz und die Förderung gesunder Nervenzellen, ist ein besonders vielversprechender Aspekt für die Anwendung in der Schmerzmedizin, da sie sowohl entzündungshemmend als auch strukturerhaltend wirkt“, erläutert Prof. Dr. Wiese.
Wenn NAD⁺ in der Lage ist, Zellsterbeprozesse zu beeinflussen, liegt die Vermutung nahe, dass es auch in der Tumorschmerztherapie – etwa durch eine Beeinflussung von Tumorzellen – eine Rolle spielen könnte. Gleichzeitig zeigt sich Potenzial bei neuroinflammatorischen Prozessen, insbesondere durch eine Stärkung der neuronalen Plastizität. Damit erschien es plausibel, dass NAD⁺ auch bei Nervenschmerzen eine therapeutische Wirkung entfalten könnte.
Prof. Dr. Wiese schildert seine weitere Recherche: „Daraufhin begann die Recherche in der medizinischen Fachliteratur, konkret in PubMed bzw. Medline. Dort finden sich mittlerweile eine Vielzahl tierexperimenteller Studien, die die Wirkung von NAD⁺ belegen. Diese Erkenntnisse werden zunehmend auch auf den Menschen übertragen. Zwar stehen viele Studien noch auf zellulärer oder tierexperimenteller Ebene, doch es gibt bereits erste klinische Daten, die das Potenzial im menschlichen Einsatz bestätigen. Aus diesen Überlegungen heraus entstand der Entschluss, NAD⁺ auch selbst therapeutisch anzuwenden. Die Umsetzung stellte sich jedoch als schwierig heraus. Eine NAD⁺-Infusion ist nicht einfach über den regulären Apothekenweg erhältlich – man kann sie also nicht einfach kaufen und anwenden. Zwar existieren zahlreiche Nahrungsergänzungsmittel auf dem Markt, unter anderem mit NMN (Nicotinamid-Mononucleotid), NADH oder sogar NAD⁺ selbst, etwa in Tabletten- oder Pulverform. Doch diese entsprechen nicht der hochwirksamen Infusionsform, die für eine gezielte medizinische Anwendung notwendig ist. Letztlich konnte über eine deutsche Apotheke eine geeignete Lösung gefunden werden. Diese stellt NAD⁺ als sogenanntes Lyophilisat her – also als gefriergetrocknete Substanz, die sich durch die Zugabe von Flüssigkeit wieder in ihre wirksame Ausgangsform überführen lässt. Auf diesem Weg war es möglich, an NAD⁺ in Infusionsform zu gelangen, was schließlich die Grundlage für die ersten patientenbezogenen Anwendungen bildete. Im nächsten Schritt folgte eine Auseinandersetzung mit den Erfahrungen anderer Anwender. Auffällig war dabei, dass die meisten Anbieter – etwa eine große englische NAD-Klinik – das Produkt überwiegend im Lifestyle-Bereich einsetzen. Auch in Deutschland bieten einzelne Praxen NAD⁺ an, allerdings ebenfalls mit dem Fokus auf Vitalität, Leistungssteigerung oder Anti-Aging. Eine gezielte Anwendung im medizinischen Bereich, etwa zur Schmerztherapie, war bislang kaum zu finden. Das erforderte ein schrittweises Herantasten an die richtige Dosierung. In der Lifestyle-Medizin liegt die Dosis pro Infusion üblicherweise zwischen 250 und 500 mg NAD⁺, meist über 10 Sitzungen verteilt. Damit wird ein vollständiger Jahresbedarf abgedeckt. Dieser Ansatz ist jedoch auf gesunde Menschen ausgerichtet – etwa auf Sportler, Manager oder Menschen, die eine allgemeine Leistungssteigerung anstreben. Für den Einsatz in der Schmerzmedizin, also bei bereits erkrankten oder stark belasteten Personen, bedurfte es daher einer eigenen Vorgehensweise“.
Im Herzogin-Elisabeth-Hospital – Zentrum für Interdisziplinäre Schmerzmedizin werden keine gesunden Menschen behandelt, sondern Patienten mit teils komplexen Grunderkrankungen und zahlreichen Begleiterkrankungen. Das erforderte ein besonders vorsichtiges Vorgehen bei der Einführung der NAD⁺-Therapie.
„Zunächst stand die Frage im Raum, welche potenziellen Nebenwirkungen NAD⁺ haben kann. Daher wurde ein vorsichtiger Einstieg gewählt. Gestartet wurde mit einer Dosis von 125 mg NAD⁺ in Infusionsform, verabreicht unter kontinuierlicher Herz-Kreislauf-Überwachung. Ziel war es, die Reaktion der Patienten genau zu beobachten und Rückschlüsse auf die Verträglichkeit zu ziehen. Dieses Vorgehen entspricht auch den ersten Empfehlungen für die Anwendung von NAD⁺ in der Schmerztherapie – nämlich niedrig dosiert zu beginnen und schrittweise zu steigern. In dieser niedrigen Dosierung und bei langsamer Infusionsgeschwindigkeit – über mindestens 60 bis 90 Minuten – zeigten sich keine relevanten Nebenwirkungen. Wurde die Infusion jedoch schneller verabreicht oder eine höhere Dosis eingesetzt, kam es bei einigen Patienten zu vegetativen Reaktionen wie einem Anstieg der Herzfrequenz oder des Blutdrucks. Diese Effekte traten unabhängig vom subjektiven Empfinden auf, also ohne, dass die Patienten vorab wussten, welche Dosis sie erhalten würden. Diese Testungen waren nur möglich, weil ein vertrauensvolles Verhältnis zu den Patienten besteht, viele davon in kontinuierlicher Betreuung. So konnte beobachtet werden, dass etwa 250 mg NAD⁺ für viele Betroffene bereits zu hoch dosiert sind, insbesondere bei zu schneller Infusionsgeschwindigkeit. Die Verträglichkeit hing also stark von der Geschwindigkeit der Gabe ab“, so Prof. Dr. Wiese.
Bei 125 mg über mindestens 60 Minuten oder 250 mg über mindestens 90 Minuten treten keine vegetativen oder sonstigen Nebenwirkungen mehr auf. Der Körper ist bei zu schneller Gabe schlichtweg überfordert mit der Aufnahme, da NAD⁺ in der Infusionsform sehr rasch in den Zellstoffwechsel eingreift und verarbeitet wird. Diese schnelle Verstoffwechselung führt bei zu hoher Geschwindigkeit zu einer Überlastung der zellulären Verarbeitungskapazitäten.
Hierzu kommentiert Prof. Dr. Wiese: „Die Tablettenform hingegen zeigt diese Effekte nicht. Sie ist deutlich langsamer und weniger wirksam. Der Grund dafür liegt in der unterschiedlichen Bioverfügbarkeit. In Tablettenform liegt NAD⁺ entweder direkt oder in Vorstufen wie NMN vor, die erst noch in der Leber und im Zellstoffwechsel umgewandelt werden müssen. Der Körper kann NAD⁺ selbst in dieser Form oft nicht direkt verwerten, sondern ist auf Vorstufen angewiesen – ähnlich wie beim Vitamin-B3-Stoffwechsel. Die Infusionslösung hingegen liefert die aktive Form des Moleküls direkt und ermöglicht dadurch eine sofortige, gezielte Integration in die Zellbiologie. Genau darin liegen die therapeutische Wirkung und der Vorteil gegenüber der oralen Gabe“.
Patienten melden sich telefonisch an und erhalten zunächst einen Schmerzfragebogen der Deutschen Schmerzgesellschaft, ergänzt um einige eigene Zusatzbögen, die Aspekte wie Lebensqualität und Lebensstruktur abfragen.
„Anhand dieser Unterlagen wird dann eine erste Einordnung vorgenommen: Welche Art von Schmerzen liegt vor, und in welche Richtung geht die Problematik? Daraufhin erfolgt die Einladung zum Erstgespräch und zur ausführlichen Erstuntersuchung, die etwa 90 bis 120 Minuten dauert. Bereits in diesem ersten Termin prüfen wir, ob die Patienten grundsätzlich für eine NAD⁺-Therapie infrage kommen. Ein wichtiger Punkt bei uns ist, dass wir verstärkt Patienten mit chronischer, schmerzbedingter Müdigkeit, dem sogenannten Fatigue-Syndrom, berücksichtigen. Viele Schmerzpatienten leiden darunter, insbesondere wenn neuropathische Schmerzen vorliegen. Dazu zählen Erkrankungen wie das Komplexe Regionale Schmerzsyndrom (CRPS), Chronische Postherpetische Schmerzsyndrom (CHPS) oder Zosterneuropathien, die alle mit nervenbezogenen Schmerzstrukturen zu tun haben. Auch Patienten mit muskulären Schmerzen, beispielsweise bei Fibromyalgie, kommen häufig in die engere Auswahl. Im Gespräch klären wir zudem, welche Therapien bereits durchgeführt wurden. In der Regel haben die Patienten bereits einen langen Weg hinter sich mit diversen Maßnahmen. Entscheidend ist dann auch, ob sie bereit sind, sich auf neue Behandlungsansätze einzulassen. Im Anschluss wird die NAD⁺-Therapie als ein mögliches Konzept vorgestellt. Ziel ist es, die Energiespeicher der Zellen wieder aufzufüllen und somit eine optimale Grundlage zu schaffen, um neuropathische Schmerzen besser behandeln zu können – im Rahmen der etablierten Standardtherapien. Wir haben uns dahingehend weiterentwickelt, NAD⁺ nicht erst sehr spät und als letzte Option einzusetzen, sondern frühzeitig in die Therapie mit einzubeziehen. So schaffen wir bessere Voraussetzungen für die weitere schmerztherapeutische Betreuung der Patienten“, macht Prof. Dr. Wiese deutlich.
Wenn keine zusätzlichen Beschwerden wie chronische Schmerzen oder andere Probleme vorliegen, würde der NAD⁺-Speicher theoretisch für das ganze Leben ausreichen. Allerdings spielen Alterungsprozesse eine wichtige Rolle. Gerade im Bereich der Altersmedizin oder Longevity gewinnt die Unterstützung durch NAD⁺ zunehmend an Bedeutung, besonders bei älteren Menschen mit chronischen Erkrankungen.
Prof. Dr. Wiese nennt einen weiteren Patientenschwerpunkt: „Ein weiterer Schwerpunkt liegt bei Patienten mit Begleiterkrankungen wie Multipler Sklerose oder Parkinson, die häufig nervenbedingte Schmerzen haben. Diese Patientengruppe erhält bei uns relativ schnell das Angebot einer NAD⁺-Therapie. Die Behandlung besteht in der Regel aus einer sogenannten Staatstherapie mit zehn Infusionen, die sich als sinnvoll erwiesen hat. Je nach Patient und akuter Situation variiert das Infusionsschema. Bei CRPS-Patienten (Complex Regional Pain Syndrome) zum Beispiel setzen wir meist auf drei Infusionen pro Woche. Nach etwa drei Wochen ist die Serie abgeschlossen, und anschließend wird der Effekt überprüft. Ältere Patienten mit chronischen Schmerzen erhalten die Infusionen langsamer: ein- bis zweimal pro Woche über fünf bis zehn Wochen. Danach erfolgt eine Erhaltungsinfusion etwa alle sechs Wochen. Im Gegensatz zum Lifestyle-Bereich, wo meist innerhalb von zwei Wochen zehn Infusionen verabreicht werden und dann ein Jahr Pause folgt, setzen wir auf eine schonendere und kontinuierlichere Betreuung. Für viele unserer Patienten wäre das intensive Lifestyle-Schema zu hoch dosiert und zu schnell. Chronische Schmerzpatienten erhalten eine langsame Aufbauphase mit Booster-Infusionen und anschließend regelmäßige Erhaltungsinfusionen, ohne die wiederholte Gabe von ganzen Serien. Patienten mit akuten Schmerzsyndromen, die sich bessern, können nach etwa einem Jahr eine neue Serie erhalten. Die Therapie wird individuell angepasst, basierend auf der jeweiligen Grunderkrankung, deren Ursache und Schweregrad. So behandeln wir auch Tumorpatienten, die sich in aktiver Chemotherapie befinden und unter Tumorschmerzen oder Chemotherapie induzierten Polyneuropathien leiden. Diese Patienten bekommen zur Unterstützung NAD⁺-Infusionen, um ihre Energiespeicher zu füllen und besser mit der Chemotherapie umgehen zu können. Während der Chemotherapie erhalten sie alle vier bis sechs Wochen eine Aufbauinfusion, bei Bedarf auch alle zwei Wochen. So profitieren beispielsweise Patienten mit Pankreaskarzinomen von regelmäßigen Infusionen zur Verbesserung ihrer Lebensqualität“.
Der Erfolg der Therapie wird daran gemessen, ob sich Schmerzen reduzieren, die Lebensqualität steigt und Beschwerden wie Müdigkeit oder Hautsymptome besser werden. Eine Therapie mit NAD+ ersetzt keine anderen Behandlungsformen, sondern unterstützt sie.
Die Kosten für die NAD⁺-Infusionen werden von den gesetzlichen Krankenkassen in der Regel nicht übernommen. Private Krankenversicherungen zahlen meist die Infusionsleistungen und die damit verbundenen ärztlichen Leistungen, jedoch ist es von Versicherung zu Versicherung unterschiedlich, ob auch das NAD⁺-Präparat als Medikament anerkannt wird.
Hierzu erklärt Prof. Dr. Wiese: „Da es sich bei der Infusionslösung um ein apothekenpflichtiges und verschreibungspflichtiges Medikament handelt – kein Nahrungsergänzungsmittel –, sollte dies im Vorfeld mit der jeweiligen privaten Versicherung geklärt werden. Interessanterweise übernehmen Beihilfestellen die Kosten meist problemlos. Berufsgenossenschaften sind bereit, Kosten nach Rücksprache zu tragen. Allerdings behandeln wir keine Berufskrankheiten-Ambulanz im großen Stil, sondern bekommen solche Patienten nur auf Einzelzuweisung. Wenn wir der Meinung sind, dass eine NAD⁺-Therapie für einen Patienten sinnvoll ist, schlagen wir dies der Berufsgenossenschaft vor und klären gemeinsam die Kostenfrage.
Bisher wurden alle diese Anträge von der Berufsgenossenschaft bewilligt. Im Lifestyle-Bereich liegen die Kosten pro Infusion derzeit zwischen etwa 349 und 499 Euro, je nach Dosis und Anbieter. Beispielsweise bietet auch das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf diese Therapie an. Wir konnten die Kosten durch eine Kooperation mit der NAD Clinic deutlich reduzieren. Früher lagen die Materialkostenpreise bei 100 bis 200 Euro pro Infusion, je nach Dosierung (125 mg oder 250 mg NAD⁺). Aktuell beziehen wir das NAD⁺ für etwa 50 bis 60 Euro pro Infusion. Für Patienten, die die Behandlung als Selbstzahler wünschen, liegen die Kosten ungefähr bei 199 Euro pro Infusion. Das bedeutet, Sie könnten die Behandlung ähnlich unkompliziert buchen, wie Sie beispielsweise an der Tankstelle tanken, natürlich nur wenn Sie dafür geeignet sind. Im Gegensatz zu Orten wie Dubai, wo NAD⁺-Infusionen direkt aufs Hotelzimmer bestellt werden können und dort um die 700 Euro pro Infusion kosten, bieten wir eine seriöse und medizinisch begleitete Behandlung zu deutlich niedrigeren Preisen an“ und ergänzt noch eine wichtige Information zur Infusion in der Praxis:
„Nach einer 90-minütigen Infusion kann der Patient in der Regel direkt nach Hause gehen. Je nach Befinden besteht die Möglichkeit, noch eine Tasse Kaffee zu trinken und sich eine halbe Stunde zu entspannen. Die meisten Patienten verlassen die Praxis jedoch unmittelbar nach der Infusion und fahren selbstständig mit dem Auto nach Hause. Dieses Vorgehen lässt sich als ,Energy to go´ beschreiben. Bei Long-Covid-Patienten ist jedoch besondere Vorsicht geboten. Auch wenn sie nach der Infusion ein erhöhtes Energiepotenzial spüren, sollten sie sparsam mit ihren Kräften umgehen. Häufig fällt bei Long-Covid-Betroffenen nach einer Phase gesteigerter Aktivität eine starke Erschöpfung ein. Daher ist es wichtig, diese Patienten behutsam zu begleiten und ihnen zu vermitteln, dass sie ihr gesteigertes Energiegefühl nicht überstrapazieren sollten, um Rückfälle oder Verschlechterungen zu vermeiden“.
Die Mehrheit der Patienten berichtet von einer spürbaren Veränderung nach der dritten bis fünften Infusion. Darüber hinaus können sich auch weitere Aspekte wie Wachheit und Schlafqualität verbessern. Obwohl dies auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinen mag, treten beide Effekte häufig gemeinsam auf.
„Außerdem nehmen Angehörige oft wahr, dass der Patient ,wacher wirkt´, ,mobiler´ ist oder ,ganz anders erscheint. Manchmal können sie es nicht genau in Worte fassen, aber spüren eine allgemeine Steigerung der Lebensqualität. Das berichten überwiegend Angehörige, nicht immer die Patienten selbst. Bei chronischen Müdigkeitssyndromen, Parkinson- oder MS-Patienten ist es ebenfalls gut messbar: Sie erleben meist weniger Krankheitsschübe oder eine Stabilisierung ihres Zustands. Wichtig ist jedoch zu betonen, dass NAD⁺ keine Heilung bietet – es ist keine Zauberei. Parkinson oder MS werden dadurch nicht geheilt. Es ist eine unterstützende Option, um die Erkrankung zu verbessern oder zumindest stabil zu halten.
Patienten merken selbst, dass ihre Nervenschmerzen oder Polyneuropathie schwächer werden, dass die Schmerzen ein anderes, meist niedrigeres Niveau erreichen. Diese Rückmeldungen sammeln wir auch bei den Kontrollterminen. Eine interessante Beobachtung ist, dass viele Menschen ihre Verbesserungen irgendwann gar nicht mehr bewusst wahrnehmen – die Besserung wird zur ,neuen Normalität´. Deshalb ist es wichtig, diese Veränderungen ehrlich zu dokumentieren und regelmäßig gemeinsam zu überprüfen. So sieht man klar, dass eine Verbesserung erreicht wurde, auch wenn der Patient selbst das Gefühl hat, nichts mehr zu spüren. Manchmal ist es einfach so, dass keine weitere Besserung mehr möglich ist, aber zumindest das erreichte Niveau gehalten werden kann“, konstatiert Prof. Dr. Wiese.
Bei Kindern und Jugendlichen wird die Therapie zurückhaltend eingesetzt. Bei schweren Erkrankungen wie ausgeprägtem CRPS oder Multipler Sklerose kann sie jedoch in Einzelfällen empfohlen werden, auch wenn der Speicher vermutlich noch ausreichend gefüllt ist. Die Entscheidung erfolgt individuell in Absprache mit den Betroffenen und deren Eltern, um den möglichen Nutzen der Behandlung zu prüfen.
Es muss unbedingt interdisziplinär zusammengearbeitet werden – übergreifend und zum Wohl des Patienten. Es darf nicht um persönliche Rivalitäten oder Profilneurosen gehen, sondern darum, immer eine exzellente Patientenversorgung zu gewährleisten.
„Gerade habe ich eine Patientin mit Bronchialkarzinom, die uns sehr vertraut, den Onkologen aber noch skeptisch gegenübersteht. Sie zweifelt an der empfohlenen Chemotherapie. Medizinisch weiß ich, dass die Chemotherapie zwar eine Herausforderung für sie wird, aber auch eine gute Chance auf Lebensqualität bietet und als unterstützende Therapie sinnvoll ist. Ich würde ihr nie raten, die Chemotherapie abzulehnen und medizinisch nur auf alternative Behandlungen zu setzen. Stattdessen biete ich ihr an, sie während der Chemotherapie bestmöglich zu begleiten. Das ist das Ziel – Hand in Hand zum Wohle des Patienten. Leider ist das in Deutschland manchmal schwierig, weil jeder seine eigenen ,Süppchen kocht´ und man anderen nicht in die Karten schauen oder mitentscheiden lässt. Dadurch geht das gemeinsame Ziel oft verloren. Das ist eine Problematik, die mir sehr am Herzen liegt. Wenn es jemanden gibt, der eine Behandlung besser durchführt, empfehle ich gerne, diese Person zu konsultieren. Im OP verhalte ich mich genauso: Es gibt Kollegen, die bestimmte Verfahren besser beherrschen, und ich frage den Patienten, ob er nicht lieber möchte, dass dieser Kollege die Behandlung übernimmt. Bisher hat das immer auf Zustimmung gestoßen“, verdeutlicht Prof. Dr. Wiese mit Nachdruck, und damit beenden wir dieses interessante Gespräch.
Herzlichen Dank, Professor Dr. Wiese, für die Informationen zu dieser so vielversprechenden Schmerztherapie!