Professor Dr. med. Marco Domenico Caversaccio ist ein hochqualifizierter Spezialist für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, der sich auf Kopf- und Hals-Tumore sowie die Behandlung von Schwerhörigkeit spezialisiert hat. Als Klinikdirektor und Chefarzt der Universitätsklinik für HNO, Kopf- und Halschirurgie am Inselspital Bern bringt er umfassende Expertise und Erfahrung in den Bereichen der Chirurgie und modernen medizintechnischen Verfahren ein. Mit besonderem Fokus auf minimal-invasive Techniken und computerassistierte Chirurgie hat Prof. Dr. Caversaccio internationale Anerkennung erlangt.
Er ist bekannt für seine innovativen Methoden, die sowohl die Behandlung von Tumoren im Kopf- und Halsbereich als auch die Verbesserung von Hörfähigkeit durch Cochlea- und Mittelohr-Implantate betreffen. Besonders hervorzuheben ist seine Arbeit in der robotergestützten Cochlea-Implantation, bei der er bei Patienten mit hochgradiger Schwerhörigkeit außergewöhnliche Erfolge erzielt hat. Neben der Chirurgie führt Prof. Dr. Caversaccio auch spezialisierte Operationen wie die Erhaltung der Stimme bei Kehlkopf-Tumor-OPs durch und setzt sich für die Weiterentwicklung der HNO-Chirurgie im Bereich der endoskopischen Nasen- und Nasennebenhöhlenchirurgie ein.
Durch enge interdisziplinäre Zusammenarbeit mit anderen Fachbereichen wie Neurochirurgie und Augenheilkunde gewährleistet er eine ganzheitliche und hochmoderne Behandlung seiner Patienten. Mit einem starken Engagement in der Forschung und Entwicklung hat Prof. Dr. Caversaccio auch zur Entwicklung von Implantaten beigetragen, die die Lebensqualität vieler Patienten verbessern. Die Expertise und das Engagement von Prof. Dr. Caversaccio sowie sein Team bieten Patienten im Inselspital Bern eine hervorragende medizinische Betreuung auf dem neuesten Stand der Wissenschaft und Technik.
Zum Thema „Roboter assistierte Cochlea-Implantation bei hochgradiger Schwerhörigkeit“ erfuhr die Redaktion des Leading Medicine Guide mehr in einem Gespräch mit dem HNO-Spezialisten Prof. Dr. Caversaccio.
Die roboterassistierte Cochlea-Implantation stellt einen bedeutenden Fortschritt in der Behandlung hochgradiger Schwerhörigkeit dar. Diese innovative Methode ermöglicht eine besonders präzise und minimal-invasive Platzierung des Implantats in das Innenohr, wodurch das Hörvermögen betroffener Patienten nachhaltig verbessert werden kann. Durch den Einsatz modernster Robotik-Technologie werden Eingriffe mit höchster Genauigkeit durchgeführt, wodurch das Risiko von Komplikationen minimiert und die Schonung empfindlicher Strukturen im Ohr maximiert wird. Diese Technik eröffnet neue Möglichkeiten in der Hörrehabilitation und trägt dazu bei, die Lebensqualität von schwerhörigen Patienten entscheidend zu verbessern.
Ein Cochlea-Implantat (CI) ist eine hochentwickelte Hörprothese, die Menschen mit hochgradiger bis an Taubheit grenzender Innenohrschwerhörigkeit ermöglicht, wieder akustische Signale wahrzunehmen.
Es kommt für Patienten infrage, bei denen herkömmliche Hörgeräte keinen ausreichenden Nutzen mehr bringen, da der Hörverlust so stark ist, dass eine Verstärkung des Schalls allein nicht mehr ausreicht. „Geeignete Kandidaten für eine Implantation sind sowohl Erwachsene als auch Kinder, die aufgrund einer angeborenen oder erworbenen Innenohrschwerhörigkeit erhebliche Einschränkungen beim Sprachverstehen haben. Besonders vorteilhaft ist ein Cochleaimplantat für Menschen, die auf beiden Ohren stark schwerhörig oder ertaubt sind. Dann gibt es natürlich auch die unfallbedingte Schwerhörigkeit, wenn die Cochlear Schaden genommen hat“, erklärt Prof. Dr. Caversaccio zu Beginn unseres Gesprächs.
Die Eignung für ein Cochlea-Implantat wird durch eine umfassende medizinische, audiologische und psychologische Diagnostik festgestellt. Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Zunächst muss überprüft werden, ob der Hörnerv intakt ist, da er die elektrischen Signale des Implantats an das Gehirn weiterleiten muss. Schäden oder Fehlbildungen des Hörnervs können dazu führen, dass das Implantat nicht wirksam ist. Auch der Zustand der Cochlea selbst wird untersucht, da die Elektrode des Implantats in die Hörschnecke eingeführt wird. „Bei schwerwiegenden Missbildungen oder Verknöcherungen der Cochlea kann es technisch schwierig oder gar unmöglich sein, das Implantat korrekt zu positionieren. Wenn ein Patient beispielsweise eine Hirnhautentzündung hatte, so kann es passieren, dass innerhalb kürzester Zeit eine beidseitige Verknöcherung des Innenohrs stattfindet, in das man ein Cochlea-Implantat dann nicht mehr implantieren kann. Glücklicherweise kommt dies immer seltener vor. Darüber hinaus gibt es die Neurofibromatose Typ 1 und Typ 2 – genetisch bedingte Erkrankungen, die hauptsächlich das Nervensystem betreffen und zur Bildung von Tumoren entlang der Nerven führen. Bei diesen Patienten würde man eher Hirnstammimplantate einsetzen, um das Gehör zu verbessern. Und wenn Menschen eine besonders ausgeprägte Malformation im Innenohr haben, oder wenn bei Neugeborenen der Nervus cochlearis fehlt, ist auch dann ein Hirnstammimplantat effektiver“, macht Prof. Dr. Caversaccio deutlich.
Ein Hirnstammimplantat, auch Auditory Brainstem Implant (ABI) genannt, ist ein spezielles Hörimplantat, das direkt am Gehirn, genauer gesagt am Hör-Kern im Hirnstamm, eingesetzt wird. Es kommt dann zum Einsatz, wenn ein herkömmliches Cochlea-Implantat (CI) nicht möglich ist – etwa, weil der Hörnerv fehlt, beschädigt ist oder nicht funktioniert. Während ein Cochlea-Implantat die Hörnerven in der Hörschnecke (Cochlea) elektrisch stimuliert, umgeht ein Hirnstammimplantat diesen Nerv komplett. Es wird stattdessen operativ an der Stelle angebracht, wo die Hörinformationen im Hirnstamm verarbeitet werden. So kann das Gehirn direkt elektrische Signale empfangen. Typische Kandidaten für ein Hirnstammimplantat sind Menschen mit Neurofibromatose Typ 2, bei der beidseitig Tumore an den Hörnerven (sogenannte Vestibularisschwannome) auftreten und diese zerstören können. Auch bei anderen angeborenen oder erworbenen Fehlbildungen des Innenohrs oder Hörnervs kann ein ABI eine Alternative sein. Der Höreindruck durch ein Hirnstammimplantat ist allerdings meist weniger differenziert als bei einem Cochlea-Implantat. Das Sprachverstehen kann eingeschränkt sein, doch viele Patienten gewinnen zumindest wichtige Umgebungsgeräusche zurück oder verbessern ihr Lippenlesen durch die zusätzliche Hörwahrnehmung.
Kinder sind eine besondere Patientengruppe, für die ein Cochlea-Implantat oft besonders vielversprechend ist. Je früher ein schwerhöriges oder gehörloses Kind ein Implantat erhält, desto besser sind die Chancen, eine normale Sprachentwicklung zu ermöglichen. Idealerweise wird eine Implantation bereits im Kleinkindalter durchgeführt, da das Gehirn in dieser Phase besonders anpassungsfähig ist. Auch hier ist jedoch eine intensive Therapie erforderlich, bei der Logopäden und Hörspezialisten das Kind und seine Familie begleiten.
Die roboterassistierte Cochlea-Implantation stellt einen bedeutenden Fortschritt in der Hörimplantat-Chirurgie dar und bietet mehrere Vorteile gegenüber herkömmlichen Operationsmethoden.
Einer der wesentlichsten Vorteile ist die außerordentliche Präzision, mit der der Roboter das Implantat in die empfindliche Struktur der Cochlea einführt. Da die Hörschnecke ein äußerst kleines und empfindliches Organ ist, kann selbst eine minimal falsche Platzierung der Elektrode langfristige Auswirkungen auf das Hörvermögen haben. „Wir haben hierzu seit 2016 Studien durchgeführt und arbeiten bereits seit 2020 mit dem sogenannten HEARO-Roboter und haben die roboterassistierte Cochlea-Implantation sozusagen erfunden. Der Roboter kommt zum Einsatz, um eine minimal-invasive Bohrung durch den Schädelknochen zum Innenohr vorzunehmen. Dabei ermöglicht er eine mikrometergenaue Navigation, sodass empfindliche Strukturen wie der Gesichtsnerv, Blutgefäße oder das Gleichgewichtsorgan sicher umgangen werden können. Ziel ist es, das Elektrodenbündel des Cochlea-Implantats so schonend wie möglich in die Hörschnecke (Cochlea) einzuführen, um das bestmögliche Hörergebnis zu erzielen. Die Operation stellt eine große Herausforderung dar, die höchste Expertise benötigt und dauert ca. drei Stunden“, so Prof. Dr. Caversaccio und informiert über neue Möglichkeiten, um ein Restgehör bei Patienten zu erhalten:
„Aktuell sind die Bestrebungen, Cochlea-Implantate bzw. die nötigen Elektroden auch bei Restgehör einzusetzen, beispielsweise bei Patienten, die im Tiefton noch normale Höhen haben, aber im Hochton einen Abfall. Ziel ist dabei, das Restgehör zu erhalten, was mit der Weiterentwicklung des Cochlea-Implantats, dem Otodrive-Verfahren möglich ist. Es handelt sich um einen vollautomatisierten chirurgischen Ablauf, bei dem der Roboter auf der Basis von präoperativen Bilddaten (z. B. CT-Scans) und einem vorgeplanten Bohrpfad eigenständig die präzise Bohrung zum Innenohr durchführt, ohne dass der Chirurg die Bohrung manuell steuert. Der HEARO-Roboter nutzt diese Informationen, um millimetergenau – teils sogar im Bereich von Zehntelmillimetern – eine Bohrung zu setzen, die exakt zur Cochlea führt. Dabei werden kritische anatomische Strukturen wie der Nervus facialis (Gesichtsnerv), Blutgefäße oder das Gleichgewichtsorgan sicher umgangen“.
Die Schweiz – insbesondere das Inselspital Bern – gehört zu den weltweit führenden Standorten in der Entwicklung und Anwendung robotischer Mikrochirurgie im Ohr-Bereich. Mit der Industrie wurde der HEARO-Roboter maßgeblich mitentwickelt, und die erste vollautomatische Cochlea-Implantation mithilfe des Otodrive-Verfahrens wurde erfolgreich durchgeführt. Der Oto-Drive hilft, die Elektrode mit 0,1 mm in die Cochlea automatisch einzubringen, um bei Restgehör gehörerhaltend und strukturerhaltend zu sein.
Während der traditionellen Cochlea-Implantation muss der Chirurg die Elektrode manuell in die Cochlea einführen, was mit einer gewissen mechanischen Belastung des empfindlichen Gewebes verbunden sein kann. Die roboterassistierte Technik nutzt hochpräzise Algorithmen, um die Einführung mit kontrolliertem Druck und optimaler Geschwindigkeit durchzuführen.
„Mit dem Roboter führen wir eine sogenannte Tunnel-Chirurgie durch, bei der ein Roboter eine kleine, gezielte Bohrung (Tunnel) durch den Schädelknochen bis zur Cochlea (Hörschnecke) anlegt. Der Tunnel verläuft direkt vom Schädelknochen zur Cochlea, wodurch keine wichtigen Strukturen wie der Gesichtsnerv, Gleichgewichtsnerven oder Blutgefäße verletzt werden können – ein Tunnel-to-Tunnel-Procedure. Das ist bei der herkömmlichen Operation ohne Roboter nicht möglich. Allerdings muss zwischen den empfindlichen Strukturen ausreichend Platz sein, um den Tunnel risikofrei anzulegen, damit der Roboter sicher und präzise bohren kann. Es geht um Millimeter – oder sogar Bruchteile davon. Für die geplante Bohrung muss zwischen den Nerven mindestens 2,5 bis 3 mm Platz sein, da der Bohrkanal 1,8 mm dick ist und zu beiden Seiten je 0,4–0,5 mm Sicherheitsabstand braucht. Ist der Durchgang zu eng, kann die minimalinvasive Methode nicht angewendet werden – stattdessen wird eine konventionelle Operation mit größerem Zugang durchgeführt, um die Nerven intraoperativ unter Sicht zu schützen. Daher machen wir mit dem Patienten ein sogenanntes ,staging´, um zu sehen, ob der Eingriff mit Roboter möglich ist oder nicht“, macht Prof. Dr. Caversaccio klar.
Nach einer roboterassistierten Cochlea-Implantation verläuft die postoperative Heilungsphase oft vergleichbar mit herkömmlichen Methoden, weist jedoch einige feine, aber bedeutsame Unterschiede auf, die letztlich den Erfolg des Eingriffs beeinflussen können.
Nach der operativen Phase beginnt in der Regel eine umfangreiche Rehabilitationsphase, die für den langfristigen Erfolg entscheidend ist. Während dieser Phase werden regelmäßig die Funktion des Implantats und die Hörwahrnehmung überprüft und angepasst. Durch eine individuell abgestimmte audiologische Nachsorge, einschließlich Sprach- und Hörtraining, kann das Gehirn optimal an die neuen elektrischen Stimuli adaptiert werden, was insbesondere für Kinder und ältere Patienten von großer Bedeutung ist.
„Nach dem Einsatz eines Cochlea-Implantats im Inselspital Bern beginnt speziell bei Kindern, die taub auf die Welt gekommen sind, das Sprachtraining mit der Aktivierung des Implantats, die einige Wochen nach der Operation erfolgt. In dieser ersten Phase wird das Gerät auf die individuellen Bedürfnisse des Kindes angepasst. Anschließend folgt eine gezielte Hörtherapie, bei der das Kind lernt, Geräusche und Sprache wahrzunehmen. Während des gesamten Prozesses wird das Implantat regelmäßig überprüft und angepasst, um sicherzustellen, dass es optimal funktioniert. Eltern werden aktiv in den Trainingsprozess einbezogen und erhalten Unterstützung, wie sie das Hör- und Sprachtraining zu Hause fördern können. Ziel des gesamten Trainings ist es, das Kind dabei zu unterstützen, Sprache zu verstehen und selbst zu sprechen, um im Alltag und in der Schule kommunizieren zu können. Wir haben hierfür eine Sprachheilschule bei Bern, wo auch die Gebärdensprache erlernt werden kann. Hier sind wir in der gesamten Organisation behilflich“, schildert Prof. Dr. Caversaccio und erklärt noch einiges zur nötigen Rehabilitation bei Erwachsenen:
„Ca. drei Wochen nach der Operation findet für den Patienten ein ,first fitting´ bei uns in der Klinik statt. Nach weiteren 3-4 Wochen findet bei uns dann das zweite ,fitting´ statt, bei dem die individuellen Einstellungen angepasst werden. Viele Patienten nehmen parallel an Sprach- oder auch Lippenlesekursen teil. Gleichzeitig muss die gesamte Handhabung mit dem neuen Gerät geübt werden. Hier ist etwas Geschick gefragt, und es kommt ganz darauf an, in welchem Alter welcher Patient fit ist. Die Menschen müssen gewillt sein, sich damit zu beschäftigen – das Training ist ganz wichtig! Denn am Ende geht es darum, dass die Menschen wieder mehr und aktiver am Leben teilnehmen, sich nicht länger in einer isolierten Situation befinden und damit auch einer möglichen Demenz vorbeugen“, appelliert Prof. Dr. Caversaccio, und damit beenden wir unser Gespräch.
Herzlichen Dank, Professor Dr. Caversaccio, für diese wichtige Aufklärung über den Einsatz von Cochlea-Implantaten!