Unter der bronchopulmonalen Dysplasie (BPD) wird eine chronische Lungenkrankheit verstanden, welche bei Frühgeborenen auftritt.
Frühgeborene sind Säuglinge, die vor Vollendung der 37. Schwangerschaftswoche (SSW) geboren werden. Vor der 32. SSW spricht man von „sehr früh“ und vor der 28. SSW von „extrem früh“.
Bronchien sind die Äste der Luftröhre, die ins Lungengewebe führen und sich dort immer weiter aufteilen. Jeder Lungenlappen hat einen Hauptbronchus mit vielen Nebenästen. Pulmo ist der medizinische Ausdruck für Lunge. Unter der BPD versteht man folglich eine Schädigung von Luftröhren und Lungengewebe. Betroffen sind meistens Frühgeborene, was mehrere Gründe hat:
- Die Entwicklung der Lunge und der Luftröhre ist sehr komplex und meist erst gegen Ende der Schwangerschaft abgeschlossen. Meistens ist dies bei Frühgeborenen noch nicht komplett abgeschlossen, weshalb oft eine künstliche Beatmung notwendig ist
- Die künstliche Beatmung selbst ist ein Risikofaktoren für die Entwicklung einer BPD
Die typischen Anzeichen für die Krankheit sind:
- erhöhte Atemfrequenz
- Husten
- pfeifendes Atmen
- Absonderung von großen Mengen an Bronchialsekret
- bläuliche Verfärbung der Haut
- gestörte Nahrungsaufnahme sowie Erbrechen
- Störungen in der Entwicklung des Säuglings
Von der Erkrankung betroffene Säuglinge atmen in der Regel zu schnell und können in der Folge leicht in Atemnot geraten. Die dadurch bedingte geringe Sauerstoffsättigung des Blutes bewirkt eine bläuliche Verfärbung der Haut.
Andere Frühgeborene haben Schwierigkeiten, die Luft aus den Lungen zu drücken, das Ausatmen verlangsamt sich. Infolge dieser Verzögerung verbleibt oft Luft in der Lunge, was zu einer Überdehnung des Organs führt.
Darüber hinaus kann es durch eine verstärkte Atemtätigkeit zu Störungen der Herzfrequenz und zu einer Überforderung des Pumpvermögens in der rechten Herzkammer kommen.
Die bronchopulmonale Dysplasie ist eine Lungenkrankheit bei Neugeborenen, die durch den Einsatz eines Beatmungsgeräts entstehen kann @ Tobilander /AdobeStock
In der Hauptsache ist eine zu frühe Geburt mit einem sehr geringen Geburtsgewicht für die bronchopulmonale Dysplasie (BPD) verantwortlich. Als besonders gefährdet gelten Babys, die vor der 32. Schwangerschaftswoche mit einem Gewicht von weniger als 1500 Gramm zur Welt kommen. Bei diesen kleinen Frühgeborenen ist die Lunge oftmals noch nicht komplett entwickelt. Infolgedessen ist die unreife Lunge nicht in der Lage, den für die Atmung wichtigen Surfactant zu bilden.
Diese körpereigene Substanz benötigen Säuglinge jedoch, um selbstständig atmen zu können. Surfactant steht den Babys erst ab der 35. Schwangerschaftswoche (oder später ausreichend zur Verfügung. Dabei handelt es sich um eine Flüssigkeit, die das Innere der Lunge (die sogenannten Lungenbläschen) auskleidet. Sie hat die Aufgabe, die Oberflächenspannung der Lungenbläschen herabzusetzen und die Atemwege offen zu halten.
Man muss es sich so vorstellen: beim Einatmen entsteht ein Unterdruck, wodurch die Lungenbläschen zusammenfallen (= kollabieren). Durch den Surfactant werden die Lungenbläschen von innen am Zusammenfallen gehindert und können somit weiter am Gasaustausch teilnehmen. Auf diese Weise können Säuglinge (und übrigens auch Erwachsene) normal atmen. Frühgeborene verfügen noch nicht über eine ausreichende Menge an Surfactant und müssen daher nicht selten künstlich beatmet werden.
Die künstliche Beatmung ist einer der wichtigsten Risikofaktoren für die Schädigung der Lungenbläschen und Entstehung beziehungsweise Verschlechterung einer BPD. Dies wird auch darin ersichtlich, dass in den aktuellen Definitionen und Empfehlungen die Notwendigkeit einer künstlichen Beatmung mit Sauerstoffzufuhr innerhalb der ersten 28 Tage nach der Geburt Hauptmerkmal der BPD ist. Die Zufuhr von Sauerstoff erfolgt mit einem immensen Beatmungsdruck sowie einer hohen Sauerstoffkonzentration und über einen längeren Zeitraum hinweg.
Dadurch kann zum einen Lungengewebe verletzt werden, zum anderen steigt die Gefahr für Infektionen, insbesondere Lungenentzündungen. Eine weitere Komplikation besteht in der Ansammlung von Flüssigkeit im Lungengewebe, die ein sogenanntes Lungenödem verursachen kann. Eine künstliche Beatmung sollte, wenn immer möglich, verhindert werden. Bei Frühgeborenen ist sie aber in aller Regel lebensnotwendig und -rettend, somit nicht Ursache, sondern Folge der Lungenunreife.
Für die Diagnose der bronchopulmonalen Dysplasie (BPD) ist es zunächst wichtig, die Sauerstoffsättigung im Blut des Säuglings zu bestimmen. Je niedriger diese ist, desto schwerer ist die Lungenerkrankung. Mittlerweile gibt es auch die Möglichkeit, durch die Bestimmung spezieller Laborparameter und Proteine die Verdachtsdiagnose einer BDP zu erhärten oder zu widerlegen. Auf diesem Gebiet laufen die Forschungen auf Hochtouren und mit weiteren Ergebnissen und Möglichkeiten der frühzeitigen Diagnosestellung wird gerechnet. Die Blutuntersucuhungen sind vielfach noch experimentell, also im Klinikalltag wenig verbreitet.
Weiterhin wird ein Röntgenbild oder eine Computertomographie angefertigt, um das Ausmaß der Lungenschädigung zu beurteilen. Hier sieht man das Ausmaß der Lungenschädigung, wenn die Lungenbläschen überbläht sind und Lungengewebe geschädigt ist.
Sollte die Herztätigkeit des Frühgeborenen eingeschränkt sein, ist zudem eine Ultraschalluntersuchung des Herzens notwendig. Hiermit kann auch indirekt eine Aussage über die Funktion der Lunge getroffen werden.
Sämtliche Maßnahmen haben das Ziel, eine weitere Schädigung der Lunge zu vermeiden und die Lungenfunktion des Babys zu stabilisieren. Da ein Mangel an Surfactant-Faktor vordergründig in der Entstehung einer BPD ist, wird dieser nach der Entbindung über die Luftröhre verabreicht. Auch Koffein gehört zur Therapie einer BPD, da hierdurch der Atemantrieb des Säuglings gesteigert werden kann. Neben der Gabe von Sauerstoff steht die Behandlung von Entzündungen im Vordergrund. Einen wichtigen Platz nimmt hierbei die zeitlich begrenzte Verabreichung von Kortison ein.
Falls eine Verengung der Atemwege vorliegt, kann eine Inhalationstherapie mittels Medikamenten erfolgen, die eine Erweiterung der Bronchien bewirken und die Atemwege freihalten. Sollten Wassereinlagerungen (Lungenödeme) auftreten, kommen entwässernde Arzneimittel zum Einsatz. Ein eventuell auftretender erhöhter Lungendruck wird mit gefäßerweiternden Medikamenten behandelt.
Ist das Kleinstkind dazu in der Lage, kann möglichst frühzeitig auch eine physiotherapeutische Behandlung in Betracht gezogen werden. Dazu zählt in erster Linie Atemgymnastik, weiterhin kommen besondere Lagerungen zur Anwendung. Zudem wird der Gewichtsverlust der Frühgeborenen durch eine erhöhte Energiezufuhr ausgeglichen.
Als besonders wichtig erweist sich die Gabe von Calcium, Phosphat und Vitamin D. Dadurch wird einer Knochenerweichung und damit verbundenen Brüchigkeit (Instabilität) des Brustkorbes vorgebeugt.
Für den Fall, dass das Frühgeborene über einen längeren Zeitraum künstlich beatmet werden muss, wird meistens ein Niederdruck-Beatmungsgerät verwendet. Damit kann der Säugling später auch langsam vom Beatmungsgerät entwöhnt werden.
Vor der Entlassung des Kindes aus der Klinik sollten die ersten Impfungen, vorzugsweise gegen Keuchhusten und Pneumokokken, durchgeführt werden. Nach dem sechsten Monat ist eine weitere Schutzimpfung gegen Influenza ratsam. Außerdem besteht die Möglichkeit einer speziellen Impfung gegen das RS-Virus, das für die meisten Atemwegsinfektionen bei Säuglingen verantwortlich ist.
Um einer bronchopulmonalen Dysplasie (BPD) vorzubeugen, sind Frühgeburten möglichst zu vermeiden. Schwangere, bei denen das Risiko einer Frühgeburt besteht, erhalten deshalb Kortikosteroide, um die Reifung der kindlichen Lunge anzuregen und Entzündungen zu vermeiden. Diese Vorsorge ist unter dem Begriff Lungenreifeinduktion bekannt.
Die künstliche Beatmung ist ein großer Eingriff in den Körper, der zu langfristigen Schäden an Lunge und Gehirn führen kann @ Mark /AdobeStock
Aufgrund der Fortschritte in der modernen Medizin haben Frühgeborene heute eine hohe Chance, die Erkrankung zu überleben. Nur in wenigen Fällen mit schweren Verläufen und ausgeprägter Schädigung der Lunge oder des Herzens trifft das nicht zu. Viele Babys erholen sich sogar vollständig von der Lungenerkrankung. Die deutlichste Besserung wird zumeist innerhalb des ersten Lebensjahres erreicht.
Es besteht aber weiterhin die Neigung, Atemwegserkrankungen zu entwickeln. Hierzu gehören vor allem Bronchitis und Lungenentzündung. Deshalb ist es wichtig, die Ansteckungsgefahr für das Kind zu verringern. So sollten vor allem in den Wintermonaten große Menschenansammlungen, etwa in Wartezimmern, vermieden werden. Einen weiteren Risikofaktor stellt Tabakrauch dar, der Entzündungsreaktionen hervorrufen oder bereits bestehende Entzündungen verstärken kann. Dasselbe gilt für die Emissionen von Heizgeräten und Holzkaminen.
Nach einer überstandenen BPD muss das Kind in regelmäßigen Abständen Nachuntersuchungen wahrnehmen, um die Lungenfunktion zu überprüfen und gegebenenfalls notwendige Therapien einzuleiten. In manchen Fällen sind ehemalige Frühgeborene bis ins Erwachsenenalter hinein verstärkt anfällig für Atemwegserkrankungen.