PD Dr. med. Patrick Vavken ist ein führender Orthopäde und Traumatologe an der ADUS-Klinik in Dielsdorf, wo er als Chefarzt tätig ist. Mit einer umfassenden Ausbildung in Österreich, den USA und der Schweiz hat er sich auf die Behandlung von Schulter- und Ellenbogenbeschwerden sowie auf die Sportmedizin spezialisiert. Seine Expertise umfasst sowohl minimalinvasive als auch gelenkerhaltende Verfahren, mit einem besonderen Schwerpunkt auf der Behandlung von Gelenkinstabilitäten und Hypermobilität, die oft bei Kindern und Jugendlichen auftreten.
PD Dr. Vavken bringt eine besondere Leidenschaft für die regenerative und gelenkerhaltende Chirurgie mit, insbesondere in der Behandlung von Knorpelschäden. Seine Arbeit zielt darauf ab, die Funktionalität der Gelenke zu bewahren und die Lebensqualität seiner Patienten nachhaltig zu verbessern.
Seine internationale Ausbildung und die enge Zusammenarbeit mit führenden medizinischen Einrichtungen, darunter das Boston Children’s Hospital und die Harvard Medical School, haben ihm eine einzigartige Perspektive und tiefe Kenntnisse in der Sportmedizin und der Behandlung von Wachstumsverletzungen vermittelt. Dieses Wissen wendet er nicht nur bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen an, sondern auch bei erwachsenen Patienten, die von seiner Expertise profitieren.
Unter Dr. Vavkens Leitung steht die ADUS-Klinik für eine erstklassige medizinische Versorgung, die sich durch ein patientenzentriertes und ganzheitliches Behandlungskonzept auszeichnet. Sein Engagement für die kontinuierliche Verbesserung von Behandlungsprozessen und Patientensicherheit gewährleistet, dass die Klinik weiterhin auf höchstem Niveau arbeitet und ihre Patienten optimal versorgt.
Die Redaktion des Leading Medicine Guide sprach mit Dr. Vavken über eine optimale ambulante Orthopädie.
Erkrankungen im Bereich der Orthopädie betreffen den Bewegungsapparat des menschlichen Körpers, zu dem Knochen, Gelenke, Muskeln, Sehnen und Bänder gehören. Häufige orthopädische Beschwerden umfassen Verletzungen durch Unfälle oder sportliche Aktivitäten, aber auch degenerative Erkrankungen wie Arthrose oder Osteoporose, die im Laufe des Lebens entstehen können. Diese Beschwerden führen oft zu Schmerzen, Bewegungseinschränkungen und einer verminderten Lebensqualität. Dank moderner medizinischer Fortschritte gibt es heute eine Vielzahl ambulanter Behandlungsoptionen, die es ermöglichen, viele orthopädische Erkrankungen effektiv und schonend zu behandeln. Dazu zählen minimalinvasive Eingriffe, physikalische Therapien, sowie regenerative Methoden, die darauf abzielen, die natürliche Heilung des Körpers zu unterstützen und chirurgische Eingriffe, wenn möglich, zu vermeiden.
In den letzten 10-15 Jahren hat sich die Medizin erheblich verändert, was dazu geführt hat, dass eine zunehmende Anzahl von Eingriffen ambulant durchgeführt werden kann.
Ambulante Behandlungen in der Schweiz
In der Schweiz werden ambulante Behandlung komplett von den Krankenkassen bezahlt. Die Kosten von stationären Aufenthalten teilen sich die Versicherungen (45%) und Kantone (55%). Es liegt daher auf der Hand, dass seitens der Politik ein großes Interesse an der Ambulantisierung besteht.
„Festhalten kann man in jedem Fall, dass die meisten Patienten eine ambulante Behandlung begrüßen. Sie wollen nur ungerne Zeit in einem Krankenhaus verbringen, begleitet von den Bedenken, sich dort womöglich einen Infekt zu holen. Möglich sind ambulante Behandlungen ja auch. So war ich eine ganze Zeit in den USA, und dort wurden 99,99 % der Behandlungen ambulant durchgeführt, was auch für uns Ärzte toll war, da man nach dem letzten Patienten des Tages einfach nach Hause gegangen ist, ohne noch lange Visiten oder stationäre Geschichten einplanen zu müssen“, erklärt Dr. Vavken, bevor wir richtig ins Thema einsteigen und der Frage nachgehen, warum mittlerweile so viele Behandlungen ambulant überhaupt möglich sind:
„In der Summe sind wir Ärzte alle viel besser geworden. So können wir eine tiefe Narkose machen und den Patienten punktgenau aufwachen lassen, ohne dass es ihm tagelang aufgrund der Narkosemenge schlecht geht. Auch haben wir ein sehr viel besseres Verständnis und mehr Möglichkeiten für eine gute Schmerztherapie. So kann bei der Schmerztherapie mit Kathetern das Elastomer, ein flexibles, gummiartiges Material, als elastischer Ballon innerhalb der Schmerzpumpe fungieren, der das Medikament gleichmäßig in den Katheter und somit in den Körper des Patienten abgibt. Rein chirurgisch betrachtet hat sich natürlich sehr viel verändert. Allein, wenn man überlegt, wie vor 15 Jahren zum Beispiel ein Kreuzband operiert wurde – da war von der Hüfte bis zum Knöchel das ganze Bein aufgeschnitten. Heute hat man nur noch zwei kleine Löcher, und die Operation dauert auch nicht mehr vier Stunden, sondern nur noch 45 Minuten. Durch all diese Verbesserungen, was OP-Dauer, Schmerz usw. betrifft, ist ein operativer Eingriff nicht mehr eine solche traumatische und dramatische Erfahrung wie noch vor 10-15 Jahren. Dann kommt eben noch hinzu, dass jeder Mensch am Ende lieber Zuhause ist als in einer Klinik. Schließlich kann man sich auch auf der eigenen Couch im persönlichen Umfeld auskurieren“.
Technologien wie endoskopische Verfahren und robotergestützte Chirurgie haben es ermöglicht, Operationen präziser und weniger invasiv durchzuführen. Diese Fortschritte werden durch verbesserte Anästhesietechnologien unterstützt, die eine sichere und schnelle Erholung ermöglichen, oft ohne, dass immer eine Vollnarkose nötig ist. Darüber hinaus haben sich die Heilungstechniken verbessert. Neue Wundversorgungsprodukte wie fortschrittliche Wundkleber und schnell heilende Nähte tragen dazu bei, dass die Patienten sich schneller erholen können. Die verbesserten Patientenmanagement-Strategien ermöglichen eine effektive Überwachung auch nach dem Eingriff, was die Durchführung ambulanter Eingriffe sicherer macht.
In der Orthopädie können zahlreiche Operationen ambulant durchgeführt werden, was durch den Einsatz minimal-invasiver Techniken und Fortschritte in der medizinischen Versorgung ermöglicht wird.
„Es kann fast jede orthopädische Operation ambulant durchgeführt werden, aber nicht automatisch an jedem Patienten. Wenn beispielsweise ein junger und fitter Sportler eine neue Hüfte braucht, so ist theoretisch ein tagesambulanter Eingriff möglich. Um es konkret darzustellen: Der Patient würde mittwochs um 10 Uhr morgens im Krankenhaus sein, um 15 Uhr wäre die Operation, und am Donnerstag könnte er um 15 Uhr das Krankenhaus verlassen. Das entspräche dann der 23-Stunden Regelung, wonach dieser Eingriff noch als ambulant bezeichnet werden würde. Bei einem übergewichtigen Patienten oder jemandem mit Herzproblemen wäre ein solches Verfahren nicht möglich, nicht einmal, wenn nur eine kleine Meniskus Operation anstehen würde“, verdeutlicht Dr. Vavken.
Um die Komplikationsrate und das Risiko von Wiedereinweisungen nach ambulanten orthopädischen Eingriffen zu minimieren, können sowohl präoperative als auch postoperative Managementstrategien optimiert werden.
Vor dem Eingriff ist eine gründliche präoperative Planung entscheidend. Dies beginnt mit einer umfassenden Patientenbewertung, bei der gesundheitliche Vorgeschichte, bestehende Erkrankungen und mögliche Risikofaktoren genau untersucht werden. Eine individuelle Risikoanalyse hilft dabei, Patienten zu identifizieren, bei denen zusätzliche Vorsichtsmaßnahmen oder alternative Behandlungsmöglichkeiten in Betracht gezogen werden sollten. Auch eine detaillierte Aufklärung des Patienten über den Eingriff, die postoperative Pflege und mögliche Risiken trägt dazu bei, dass der Patient besser vorbereitet ist und die postoperativen Anweisungen genau befolgt.
„Es ist wichtig sicherzustellen, dass der Patient weiß, was er machen muss und was er machen kann, wenn er nach der ambulanten Operation zuhause ist. Und man muss als Arzt dem Patienten dies auch zutrauen. Das erfordert eine lückenlose Aufklärung vor dem Eingriff. Was in der Ambulanz natürlich am Ende fehlt, ist die Empathie, insofern muss man hier vorausschauend denken. Und da geht es dann auch um vermeintlich kleine Dinge. So sollte der Patient nicht in einer engen Jeans zur ambulanten Knieoperation antreten, weil er nach dem Eingriff da zunächst nicht wieder reinkommen würde. Hier muss sichergestellt sein, dass solche Dinge dem Patienten vorher erklärt werden. Für mich als Chirurg, um von der anderen Seite aus zu sprechen, ist es egal, ob ich ambulant, stationär oder kurzstationär operiere. Ich muss am Ende sicherstellen, dass ich alles richtig gemacht habe und entscheiden, ob ich den Patienten auch wirklich nach Hause schicken kann. Hier muss tatsächlich der Anästhesist an mehr denken und ist mehr gefordert, da er für die Stabilisierung des Patienten verantwortlich ist und auch schauen muss, dass er den Patienten dann wieder gut aufwachen lässt und die oft begleitende Übelkeit unter Kontrolle ist. Der Patient selbst hat natürlich auch eine Erwartungshaltung – schließlich zahlt er seine Beiträge an die Krankenversicherung. Andersherum ist es oftmals so, dass ich Patienten wirklich überzeugen muss, wenn es darum geht, diesen doch auf die Station zu legen, falls Unsicherheiten bestehen“, erläutert Dr. Vavken.
Postoperativ sind mehrere Strategien von Bedeutung.
„Typischerweise erfolgt bei uns die erste Kontrolle nach der Operation, auch zum Fäden ziehen, ca. zwei Wochen nach der Operation. Das Fäden ziehen kann auch der jeweilige Hausarzt übernehmen, denn es ist medizinisch völlig ausreichend, wenn ich den Patienten erst nach sechs Wochen wiedersehe. Denn bis dahin sollte der Patient die erste Zeit des Heilungsschmerzes überstanden haben und war vielleicht sogar schon ein paar Mal bei der Physiotherapie – dann habe ich mit dem Patienten eine viel ergiebigere Gesprächsgrundlage. Sollte es zwischendurch zu kleineren Wundblutungen oder Irritationen kommen, kann der Patient selbstverständlich kurzfristig einbestellt werden. Wir stellen für unsere Patienten sogenannte `Pakete´ zusammen, sodass sie wissen, wie sie was wann machen sollen oder können. Innerhalb einer PDF erhält jeder Patient kompakt die Informationen, die er braucht. Das fängt bei dem Anmeldeformular für die Operation an, dann kommt ein Part zur Aufklärung, ein Arztzeugnis für den Krankenstatus ist dabei, die Verordnung für die Krankenkasse, eine Anleitung für die Physiotherapie sowie ein empfohlener Verhaltenscodex für den Patienten. So weiß der Patient genau, wie er mit Pflastern oder auch Schmerzmitteln zum Beispiel umgehen soll, wann er duschen, Auto fahren darf usw. Ca. 90% aller Fragen sind in diesen Paketen beantwortet. Auch eine Liste mit Notfallrufnummern ist in dem Paket enthalten. Es ist wichtig, dass der Patient sich nicht alleine gelassen fühlt. Oftmals sind es ja oft ganz simple und menschliche Fragen, die ein Patient hat“, schildert Dr. Vavken.
Das postoperative Schmerz- und Entzündungsmanagement spielt eine zentrale Rolle. Eine effektive Schmerzkontrolle, die auf die Bedürfnisse des Patienten abgestimmt ist, kann helfen, die Genesung zu erleichtern und das Risiko von Komplikationen zu reduzieren. Es kann aber immer mal passieren, dass ein Patient nach einer Operation doch stationär aufgenommen werden muss.
Zu möglichen Komplikationen kommentiert Dr. Vavken: „Einige Patienten haben nach der Operation Kreislaufprobleme, gerade die älteren. Dann ist der Blutdruck zu hoch oder zu tief. Patienten mit einer solchen Blutdruckkrise schicken wir natürlich nicht nach Hause. Andere Patienten, auch die jüngeren, erleiden manchmal einen Apnoe-Anfall als Reaktion auf die Narkose. Diese Patienten müssen dann 24 Stunden lang beobachtet werden und bleiben auf der Station. Als ich früher in den USA in Harvard (Boston) tätig war, hatten wir 1000 Eingriffe pro Jahr – von diesen Patienten wurden zwei bis drei stationär aufgenommen, alle anderen wurden ambulant behandelt und nach Hause geschickt“.
Der Vergleich zwischen ambulanten und stationären Eingriffen zeigt, dass beide Ansätze Vorteile bieten, jedoch unterschiedliche Auswirkungen auf den Heilungsprozess und die Lebensqualität haben können.
Ambulante Operationen sind seitens des Bundesgesundheitsministeriums in Deutschland erwünscht, und auch in der Schweiz finden bereits viele Operationen ambulant statt. „Ich habe allerdings den Eindruck, dass für die Ambulantisierung seitens der Politik noch keine gute Lösung existiert und dass der Umgang mit der Problematik immer noch ein Stück weit weggeschoben wird. Es geht ja auch um die Patienten, die akut versorgt werden und über die sogenannten `Kurz-DRGs´ abgerechnet werden. Dann ist für die Krankenhäuser noch immer unklar, wie man mit den zeitlich kurz- oder mittelfristig betreuten Patienten umgeht. Solange ein Krankenhaus mit stationär aufgenommenen Patienten mehr verdient als mit denen, die ambulant behandelt werden, wird das Krankhaus nichts unternehmen, um eine Ambulantisierung zu fördern. Dann würde es meiner Meinung nach viel Sinn machen, stationäre und ambulante Aufenthalte auch rein baulich voneinander zu trennen. Es braucht eine konkrete ambulante Infrastruktur. Hier in der Schweiz haben wir teilweise riesige Krankenhäuser – das braucht man für ambulante Behandlungen nicht. Das muss alles besser organisiert werden, auch was den Abrechnungsmodus betrifft. Auch die Verteilung der jeweiligen Patienten sollte verbessert werden, sodass diejenigen mit leichten Eingriffen nur noch ambulant behandelt werden, diejenigen mit schweren Eingriffen in ein entsprechendes Universitätsspital kommen und die mit mittelschweren Eingriffen ganz normal im Krankenhaus bleiben. Insofern wären spezialisierte Zentren ebenfalls wichtig, denn der Mix, verschiedene Schweregrade von Erkrankungen in einem Haus zu behandeln, ist anspruchsvoll. Ein Problem besteht jedoch darin, dass alle alles machen wollen, was auch an der Finanzierung liegt und die Glaubwürdigkeit bezüglich der jeweiligen Kompetenzen durchaus infrage stellt“, macht Dr. Vavken deutlich und fügt an:
„Bei uns in der ADUS-Klinik werden 15-20% aller Eingriffe ambulant durchgeführt. Jetzt wurde in der Schweiz (nach 15 Jahren Diskussion) vom Bundesrat ein einheitliches Finanzierungskonzept für ambulante Eingriffe verabschiedet. Die Krankenhäuser allerdings sind stationär unterfinanziert, was zu einem Liquiditätsproblem führt. Durch das neue Finanzierungskonzept soll ein Teil des gesparten Geldes in bessere stationäre Konzepte investiert werden. Die Ambulanz macht definitiv Sinn! Sowohl Patienten als auch Ärzte finden das gut. Hier muss ein nachhaltiges Konzept her, denn man kann die Gesundheitskosten nicht mit einem Schlag senken. Es muss ambulante Zentren geben – in anderen Ländern funktioniert das sehr gut!“. Mit diesem Wunsch schließen wir unser Gespräch.
Vielen Dank, Dr. Vavken, für diese interessanten Aspekte der Ambulantisierung!