Dr. med. Garri Tchartchian über Myome: Erfolg durch spezielle OP-Technik

07.02.2022
Claudia Dechamps
Redakteurin

Viele Frauen leiden an Myomen – bis zu fünfzig Prozent. Die Zahlen, die von Experten angegeben werden, schwanken sehr, weil viele Frauen Myome gar nicht bemerken. Myome sind gutartige Geschwülste in der Muskelschicht der Gebärmutter, also Knoten, die je nach Lage und Größe durchaus heftige Beschwerden verursachen können. Dr. med. Garri Tchartchian ist als erfahrener Facharzt ein absoluter Spezialist in der minimal-invasiven Myombehandlung: Der Leiter des Myomzentrums an der Klinik für Minimal Invasive Chirurgie (MIC) in Berlin führt deutschlandweit die meisten Myom-Eingriffe durch. Jahr für Jahr sind das rund tausend minimal-invasive Operationen – eine beeindruckende Zahl! Dr. Tchartchian hat zudem zahlreiche wissenschaftliche Publikationen zum Thema veröffentlicht und eine spezielle Operationstechnik entwickelt, die nach ihm benannt ist: die „Change over nach Tchartchian“-Methode. Wir sprachen mit dem Myom-Spezialisten über die moderne Behandlung dieser Erkrankung.

Dr. Tchartchian.jpgLeading Medicine Guide: Viele Frauen sind von Myomen betroffen. Wann ist eine Behandlung notwendig?

Dr. med. Garri Tchartchian: Myome sind zu 99,94 Prozent gutartige Tumore in der Muskelwand der Gebärmutter. In den meisten Fällen machen die Myome keine Beschwerden. Je nach Lokalisation und Größe sollte man aber medizinisch eingreifen. Es gibt Myome, die sitzen so unglücklich, dass wir schon bei einer Größe von ein bis zwei Zentimetern etwas unternehmen. Andere können wir auch bei einer Größe von sechs bis acht Zentimetern noch beobachten. Wenn die Myome allerdings starke Blutungen verursachen oder wenn ein unerfüllter Kinderwunsch besteht, dann greifen wir medizinisch ein.

Frauenheilkunde

Leading Medicine Guide: Gibt es außer der operativen Behandlung noch andere Methoden?

Dr. med. Garri Tchartchian: Ja, uns stehen konservative Alternativen zur Verfügung. Das ist zum ersten die Embolisation – die Verödung der Gefäße. Diese Methode hat aber den Nachteil, dass sie heftige Schmerzsyndrome hervorrufen kann. Die zweite Möglichkeit ist eine MRgFUS-Behandlung: Das ist eine Magnetresonanz-gestützte, fokussierte Ultraschallbehandlung. Dabei wird das Myom mit Ultraschallwellen behandelt und zum Schrumpfen gebracht. Diese Methode verursacht keine Schmerzen, aber die Myome können nach einem Jahr wieder nachwachsen. Und wir empfehlen diese Methode nicht, wenn noch ein Kinderwunsch besteht. Die dritte Methode ist die hormonelle Therapie mit Esmya. Es gab in der Vergangenheit schwere Komplikationen, deshalb verwenden wir am MIC diese Methode nicht.

Leading Medicine Guide: Sie sind deutschlandweit Spezialist für die minimal-invasive Operation von Myomen. Es gibt sogar eine Operationsmethode, die nach Ihnen benannt wurde!

Dr. med. Garri Tchartchian: Am MIC Berlin führen wir jährlich rund 1.500 Myom-Eingriffe durch, ich selbst etwa tausend. Dadurch besitze ich inzwischen eine jahrelange Erfahrung auf diesem Fachgebiet und habe im Laufe der Zeit meine eigenen OP-Techniken ständig verbessert und weiterentwickelt. 99,7 Prozent der Myom-Operationen, die wir am MIC Berlin durchführen, sind minimal-invasive OPs. Selbst große Myome können wir mit der Methode „Change over nach Tchartchian“ operieren – so heißt das Verfahren, das inzwischen auch international angewendet wird. Die Gebärmutter mit dem Myom, die wir komplikationslos minimal-invasiv operiert haben, wog über 4065 Gramm.

Gebärmutter

Leading Medicine Guide: Wir haben uns vorbereitet: Myome entwickeln sich in der Muskelschicht der Gebärmutter. Sie sind also nicht einfach so wegzuschneiden. Können Sie uns das Verfahren näher erklären?

Dr. med. Garri Tchartchian: Je nach Lokalisation des Myoms kann über die Scheide operiert werden. Die meisten Myome werden allerdings minimal-invasiv behandelt. Wir nennen das „plastische Uterus-Rekonstruktion“ (PUR), denn dabei werden die Besonderheiten der Muskelschichten der Gebärmutter berücksichtigt – gerade, wenn es sich um Patientinnen mit Kinderwunsch handelt. Das Operationsfeld wird erschlossen über zwei kleine Arbeitsschnitte im Unterbauch und einen Schnitt im Bauchnabel. Dann wird die Gebärmutter Schicht für Schicht eröffnet und das Myom freigelegt. Die Gebärmutterschichten werden dabei maximal geschont, sie bleiben intakt. Es wird Schicht für Schicht vernäht, mit resorbierbarem Material, das sich also nach einiger Zeit auflöst.

Leading Medicine Guide: Dann können die Patientinnen nach diesem Eingriff noch schwanger werden, oder?

Dr. med. Garri Tchartchian: Mit unserem Verfahren werden die tragenden, funktionellen Schichten der Gebärmutter, die für die Schwangerschaft wichtig sind, so wenig wie möglich verletzt. Die Narben werden ganz klein gehalten, so dass die Gebärmutterwand der Belastung einer Schwangerschaft durchaus gewachsen ist. Wenn wir etwa sechs Monate nach dem Eingriff mit einer Bauchspiegelung das Operationsgebiet noch einmal kontrollieren würden, sind die behandelten Stellen nahezu unsichtbar.

Leading Medicine Guide: Könnten Frauen denn nicht auch trotz Myom ein Kind bekommen?

Dr. med. Garri Tchartchian: Das birgt verschiedene Risiken: Myome könne Blutungen verursachen, vorzeitige Wehen auslösen und zu einer Früh- oder Fehlgeburt führen. Wir empfehlen den Myom-Patientinnen, sich mit uns in Verbindung zu setzen, damit wir alle möglichen Behandlungsschritte gemeinsam erörtern können. 

Leading Medicine Guide: Wenn eine Patientin die Diagnose Myom bekommt, was sollte sie dann tun? Ist es sinnvoll, einfach ins nächste Krankenhaus zu gehen oder soll man sich an ein spezialisiertes Zentrum wenden?

Dr. med. Garri Tchartchian: Ich rate, unbedingt zu einem Fachzentrum zu gehen, denn dort gibt es die meiste Erfahrung. Jedes Zentrum in Deutschland hat seine eigene Ausrichtung. Unser Myomzentrum ist spezialisiert auf minimal-invasive Eingriffe bei Myomen.

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Leading Medicine Guide: Kann man auch als Kassenpatientin zu Ihnen ins MIC Berlin kommen?

Dr. med. Garri Tchartchian: Aber sicher, wir behandeln alle Kassen und wir haben eigene Sprechstunden zu schwierigen Fällen – Difficult Cases. Wir können auch als Zweitmeinung zu einer Diagnose und einem Therapieplan angefragt werden – als „Second Opinion“ also. Dadurch bekommen wir viele Patientinnen von außerhalb. Dazu gehören auch rund 400 Patientinnen jährlich, denen ein Bauchschnitt angeboten wurde – die wir dann aber minimal-invasiv behandeln können. Ein großer Schnitt quer im Unterbauch oder ein großer Längsschnitt verletzt die Bauchdecke stark und sind extrem belastend. Mit unseren kleinen Schnitten ist die Gefahr der Verwachsungen erheblich reduziert, die Patientinnen haben weniger Schmerzen, sind schneller wieder fit, von kosmetischen Aspekten ganz zu schweigen.

Leading Medicine Guide: Früher wurde bei Myom-Eingriffen oft gleich die ganze Gebärmutter mitentfernt. Wie stehen Sie dazu?

Dr. med. Garri Tchartchian: Diese Zeiten sind bei uns zum Glück vorbei. Ich finde, dass man mit dem Wunsch einer Frau, die Gebärmutter auch im Alter behalten zu wollen, sehr respektvoll umgehen sollte. Wir waren die ersten, die auch bei großen Myomen und älteren Patientinnen organerhaltend operiert haben. Der Beckenboden und der Intimbereich bleiben dadurch intakt, die Frauen erholen sich schneller wieder.

Herr Dr. Tchartchian, wir danken Ihnen für das interessante Interview! 


Was ist ein Myom?

Myome sind gutartige Tumore, die sich in der Muskelschicht der Gebärmutter bilden können. Meist bleiben sie unbemerkt. Erst wenn sie Beschwerden wie heftige Blutungen oder dauerhafte Unfruchtbarkeit verursachen, wird man auf sie aufmerksam. Durch Tastuntersuchung und Ultraschall kann der Arzt ihre Lage und Größe feststellen. Eine richtige Entfernung der Myome gelingt nur durch Operation. Die Gefahr eines erneuten Auftretens liegt bei etwa fünfzehn Prozent.

Myome der Gebärmutter: Entscheidungshilfen

Wenn Sie eine Myom-Diagnose bekommen haben und sich unsicher sind, welche Entscheidung Sie bezüglich Ihrer Therapie treffen sollen, hilft Ihnen diese Seite vielleicht weiter:


Über seine Profilseite können Sie direkt Kontakt zu Dr. Tchartchian aufnehmen.

Bildquellen: nerudol, Erica Smit, Tierney – Adobe Stock. 

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