Experteninterview mit Primarius a. D. (DE) Dr. med. Wolfgang Zinser

03.06.2024

Primarius a. D. (DE) Dr. med. Wolfgang Zinser ist ein renommierter Facharzt für Orthopädie und Traumatologie, der Patienten mit orthopädischen und unfallchirurgischen Fragestellungen und Krankheitsbildern betreut. Seine besondere internationale Expertise besteht im Bereich der gelenkerhaltenden Hüftchirurgie, der Hüftarthroskopie incl. Labrum- und Knorpelrekonstruktion, Korrekturen des Beckens bei Hüftdysplasie mit minimalinvasiver PAO (periazetabulärer Osteotomie) und Korrekturosteotomien des Femurs (Oberschenkel).

Mit mehr als 2000 Knorpelzelltransplantationsbehandlungen an Knie, Hüfte und Sprunggelenk gehört er auf diesem Gebiet zu den erfahrensten orthopädischen Chirurgen weltweit. Seine moderne Ordination OrthoExpert ermöglicht eine umfassende Diagnostik und Therapie auf höchstem wissenschaftlichem Niveau und gemäß den aktuellen Leitlinien. Operationen führt er in der optimal ausgestatteten Privatklinik Graz Ragnitz (www.privatklinik-graz-ragnitz.at) durch, wo die Patienten eine hervorragende stationäre Betreuung genießen können. Sein Ziel ist es stets, seinen Patienten die bestmögliche ganzheitliche Betreuung anzubieten, damit diese eine rasche Rückkehr zu ihren normalen Aktivitäten finden.

Prim. Dr. Zinser hat sich darauf spezialisiert, Gelenke zu erhalten, wann immer es möglich ist. Seit zwei Jahrzehnten engagiert er sich national und international als Ausbilder, Referent und Ratgeber für Patienten und Kollegen in der Gelenk- und Knorpelregeneration. Dr. Zinser war von April 2007 bis Januar 2022 Chefarzt im St. Vinzenz-Hospital Dinslaken, wo jährlich etwa 1000 Patienten mit gelenkerhaltenden Operationen behandelt wurden.

Seit 1. Juli 2022 hat Prim. Dr. Zinser seinen beruflichen und privaten Lebensmittelpunkt in der Steiermark in Österreich und gründete ein Zentrum für gelenkerhaltende Orthopädie. Er ist zudem Präsident der QKG (Gesellschaft für Knorpelregeneration und Gelenkerhalt) (www.qkg-ev.de) und ermöglicht seinen Patienten dank seiner umfangreichen Erfahrung und Expertise in der Orthopädie und Sportmedizin eine bestmögliche Behandlung. Als ehemaliger Leichtathletik-Nationalkaderathlet (Dreisprung) kann er sich besonders gut in die Belange und Probleme von verletzten Sportlern hineinversetzen. Sein Fokus liegt in den oben aufgeführten operativen Spezialgebieten. Daneben bietet er zahlreiche moderne konservative Therapien an, darunter unter anderem Hyaluronsäure Injektionen, PRP-Injektionen (Platelet Rich Plasma) und knorpelschützende Physiotherapie.

Als Ärztlicher Leiter des Physikalischen Ambulatoriums Metagil kooperiert er eng mit Physiotherapeuten und niedergelassenen Kollegen, sowie dem österreichischen Skiverband (ÖSV) und stellt so sicher, dass seine Patienten eine optimale Versorgung erhalten. Prim. Dr. Zinser arbeitet als Wahlarzt und hat keinen Vertrag mit den Krankenkassen, was den großen Vorteil bietet, dass er sich ausreichend Zeit für jeden einzelnen Patienten nehmen kann. In Deutschland leiden etwa 10-15% der Bevölkerung an Hüftproblemen. Die Redaktion des Leading Medicine Guide wollte mehr zum Thema Hüftschmerzen wissen und konnte mit Prim. Dr. Zinser einige Fragen rund um Hüftbeschwerden klären.

Primarius a. D. (DE) Dr. med. Wolfgang Zinser

Hüftbeschwerden können vielfältige Ursachen haben und beeinträchtigen oft die Mobilität und Lebensqualität der Betroffenen. Typische Symptome sind Schmerzen im Bereich der Hüfte, die sich beim Gehen, Stehen oder Sitzen verstärken können. Diese Beschwerden können durch verschiedene Faktoren wie Überlastung, Verletzungen, Verschleißerscheinungen oder entzündliche Prozesse verursacht werden. Es ist wichtig, Hüftbeschwerden ernst zu nehmen und frühzeitig ärztlichen Rat einzuholen, um die Ursache zu klären und eine geeignete Behandlung einzuleiten. Dies kann konservative Maßnahmen wie Physiotherapie, Schmerztherapie oder Injektionen umfassen. In einigen Fällen kann eine Operation erforderlich sein, wenn konservative Therapien nicht ausreichend wirksam sind oder schwere strukturelle Schäden vorliegen.

Hüftschmerzen können vielfältige Ursachen haben.

Wenn wir von Hüftschmerzen sprechen, meinen wir immer Leistenschmerzen – denn dort machen sich die Schmerzen bemerkbar, die von dem Hüftgelenk ausgehen. Es gibt viele nicht-Gelenk spezifische Ursachen. Wenn es aber um das Gelenk geht, dann gibt es drei häufige Ursachen. Zum einen die Arthrose, dann das Hüftimpingement und drittens die Hüft-Dysplasie. Bei den Arthrosen haben ca. 50% eine Ursache, die entweder in der Kindheit oder in der Pubertät liegen. Und wenn man diese Ursachen rechtzeitig erkennt, kann man die Arthrose verzögern oder vermeiden. Das ist das Ziel einer vorsorglichen Therapie, was auch eine Studie aus dem Jahr 2016 ergeben hat. So wird in Deutschland und in vielen anderen Ländern Europas z.B. standardmäßig die Säuglingssonografie gemacht, sodass man rechtzeitig eine Fehlentwicklung der Hüftpfanne (eine Dysplasie) erkennen kann. Die Babys werden als Therapie dann „breit gewickelt“ oder bekommen Spreizhosen, in schweren Fällen auch aufwändigere Therapien. Damit konnte die Häufigkeit der Dysplasien, die man später hätte operieren müssen, um 1/5 gesenkt werden im Vergleich zur Zeit vor der Säuglingssonographie. Dies ist die große Errungenschaft von Univ. Prof. Prim. Dr. med. Reinhard Graf aus Österreich, der diese Sonografie Ende der 1980er Jahre entwickelt hat und von 1997 bis 2011 Ärztlicher Leiter des Allgemeinen und Orthopädischen Landeskrankenhauses Stolzalpe in Österreich war. Dies ist eine sehr effektive Methode, um die Hüftdysplasie frühzeitig schon zu beeinflussen. Denn bei einem Baby kann man die Entwicklungsstörung der Hüftpfanne aufgrund der noch weichen knorpeligen `Knochen´ sehr gut beeinflussen“, schildert Prim. Dr. Zinser zu Beginn unseres Gesprächs.


Bei der Arthrose muss man zusätzlich unterscheiden zwischen der, die aufgrund von normalem Alters-Verschleiß entsteht, was weniger als 50% der Patienten ausmacht, und der Arthrose, deren Ursache eine Arthrose verursachende Formstörung ist. Bei Letzterer kommt es dann darauf an, die Formstörung wie die Dysplasie, das Femoroazetabuläre Impingement, oder die Schenkelhalsfehldrehungen rechtzeitig zu erkennen und zu therapieren, damit die Arthrose Entstehung verhindert oder aber diese verzögert werden kann.


Die Dysplasie kommt in den Europäischen Ländern inzwischen weniger vor, dafür gibt es mehr Impingements. Das liegt u.a. auch daran, dass der Leistungssport im Jugendalter während der Pubertät immer mehr zugenommen hat. Es entwickelt sich dadurch eine präarthrotische Deformität, die eine Frühentstehung einer Arthrose begünstigt. Besonders gefährdende Sportarten sind hierbei Fußball, Eishockey, Ballett und auch Kampfsportarten – alles Sportarten, die viele endgradige Bewegungen der Hüfte fordern. In der Leichtathletik sind es der Hürdenlauf und verschiedene Sprungdisziplinen, die risikoreicher sind, weniger die Laufdisziplinen. Das heißt nicht, dass Jugendliche diesen Sportarten nicht nachgehen dürfen. Aber solange Jugendliche noch in der Pubertät sind und offene Wachstumsfugen haben, sollte ein Training nur mit orthopädischer Begleitung stattfinden“, erklärt Prim. Dr. Zinser.


Ein Hüft-Impingement, auch als Femoroacetabuläres Impingement (FAI) bekannt, bezieht sich auf eine Abnormität in der Struktur des Hüftgelenks, die zu Schmerzen, Bewegungseinschränkungen und möglicherweise zur Entwicklung von Hüftarthrose führen kann. Bei einem Hüft-Impingement kommt es zu einer ungewöhnlichen Form der Hüftknochen oder des Hüftgelenks, die dazu führt, dass sich Knochen oder Weichteile während der Bewegung des Hüftgelenks gegenseitig beeinträchtigen oder "einklemmen". Die Symptome eines Hüft-Impingements können Schmerzen in der Leistengegend, am Gesäß oder an der Außenseite der Hüfte umfassen, insbesondere bei Bewegung oder Belastung des Hüftgelenks. Die Schmerzen können sich allmählich entwickeln und bei bestimmten Bewegungen wie Hocken, Beugen oder Drehen des Hüftgelenks zunehmen. In den meisten Fällen führt ein Hüft-Impingement zu einer eingeschränkten Bewegungsfreiheit des Hüftgelenks.


Einige Warnsignale können darauf hinweisen, dass Hüftschmerzen ernsthafter Natur sind und eine umgehende ärztliche Untersuchung erforderlich machen. 

Plötzliche und intensive Schmerzen im Hüftbereich können beispielsweise auf eine akute Verletzung wie eine Fraktur oder Labrumruptur, selten Ausrenkung (= Luxation) hinweisen, insbesondere wenn sie nach einem Sturz oder Unfall auftreten. Diese Schmerzen können oft stark und unmittelbar sein, und die betroffene Person kann Schwierigkeiten haben, das Bein zu bewegen oder zu belasten. Schwellungen, Rötungen oder Überwärmung im Hüftgelenk können Anzeichen einer Entzündung oder Infektion sein. Diese Symptome können mit begleitendem Fieber und einem allgemeinen Krankheitsgefühl einhergehen. Eine Einschränkung der Beweglichkeit im Hüftgelenk oder die Unfähigkeit, das Bein zu belasten oder zu bewegen, sind ebenfalls alarmierende Warnsignale. Sie können auf strukturelle Schäden wie schwere Arthrose, Verletzungen der Bänder oder Sehnen oder andere ernsthafte Probleme im Hüftbereich hinweisen. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung können dazu beitragen, schwerwiegende Komplikationen zu vermeiden und die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen. 

Es ist erst einmal wichtig, den Patienten genau zu befragen. Wie weit kann er beschwerdefrei gehen, besteht auch in Ruhe ein Schmerz, wie eingeschränkt ist die Beweglichkeit, werden regelmäßig Schmerzmittel eingenommen? Wenn der Patient dann zum Beispiel beschreibt, dass er sich wegen Schmerzen die Strümpfe nicht mehr gut anziehen oder Schuhe nicht mehr gut zubinden kann und insgesamt schlechter beweglich ist, dann deutet dies auf Arthrose hin. Liegt etwa ein Ruheschmerz nur beim tiefen Sitzen vor, dann deutet dies eher auf ein Impingement hin, während bei einer Dysplasie eine noch gute Beweglichkeit vorhanden ist, beim längeren Gehen und Stehen aber Beschwerden auftreten, im Sitzen aber meist anfänglich nicht. Man entwickelt dann schon eine Idee der Ursache und welche speziellen Tests man bei der Untersuchung dann macht. Dann folgt die spezielle Untersuchung in Kombination mit der Diagnostik“, erklärt Prim. Dr. Zinser. 

Bei jedem Patienten, der jung ist und auch nach etwas Gelenkerhaltendem fragt und Hüftschmerzen hat, werden spezielle Röntgenbilder gemacht mit einer zentrierten Beckenübersicht OHNE Gonadenschutz, einer Rippstein II-Aufnahme oder axialen Aufnahme und einer Faux-Profilaufnahme, damit man alle Formstörungen richtig sehen kann. Diese muss man dann auch ausmessen, um sie in ihrem Schweregrad zu beziffern. Da gibt es Winkel, die man auf dem Röntgenbild berechnen muss und in den AWMF-Leitlinien zur Coxarthrose beschrieben sind. Dann braucht man noch ein MRT, und auch hier gibt es ein spezielles Hüft-MRT mit dem man die Hüfte mit speziellen Sequenzen untersucht. Hierfür gibt es ein Konsensus der europäischen Radiologie Gesellschaften, welche Diagnostik für eine Hüft-Diagnostik vorhanden sein muss. Und so einfach ist das im Ergebnis dann nicht. Es gibt in der gesamten Steiermark meines Wissens nach drei radiologische Institute, die aufgrund meiner Initiative in der Lage sind, diese komplette spezielle Röntgen- und MRT-Diagnostik leisten zu können. Die Ergebnisse der Bildgebung schaut man sich zusammen mit der Anamnese an und macht dann die Untersuchung. Es gibt für jede mögliche Ursache bestimmte Tests: einen Impingement-, Dysplasie-, Instabilitäts- und Arthrosetest. Zusammen mit der Bildgebung und der Anamnese kommt man dann zur Diagnose. Auch die angrenzenden Gelenke wie Knie oder Wirbelsäule werden untersucht. Denn es kann immer sein, dass auch da die Probleme herrühren, die die Diagnostik beeinflussen. Bei 10-20% der Patienten weiß man zunächst nicht, ob der Schmerz von der Hüfte oder von der Wirbelsäule oder woanders herkommt. Und dann macht man eine sogenannte Probeinfiltration. Unter sterilen Bedingungen wird die Hüfte mit einem Lokalanästhetikum unter Ultraschallkontrolle betäubt, und wenn der Schmerz dann weg ist, dann weiß man sicher, dass der Schmerz vom Hüftgelenk kommt“, schildert Prim. Dr. Zinser ausführlich und fügt als Empfehlung hinzu:

Wenn ein Patient jung ist und immer wieder Beschwerden in der Leiste hat, zum Beispiel nach sportlicher Belastung, dann sollte das unbedingt von einem Spezialisten abgeklärt werden. Denn diese Veränderungen sind eine tickende Zeitbombe. Und wenn man die Veränderungen frühzeitig feststellt, dann lässt sich ein künstliches Hüftgelenk sehr wahrscheinlich vermeiden, dann nämlich, wenn noch kein Knorpelschaden vorliegt. Dann sind extrem erfolgreiche Therapien möglich, über die wir gleich sprechen, und dank derer ein frühzeitiger Verschleiß vermeidbar ist“.

Nicht-operative Behandlungsansätze haben natürlich auch immer zum Ziel, Schmerzen zu lindern, Entzündungen zu reduzieren, die Beweglichkeit zu verbessern und die Lebensqualität der Patienten zu steigern. 

Wenn die Formstörung und die Beschwerden in der Hüfte milde sind, dann kann eine dreimonatige konservative Therapie mit Physiotherapie, um muskulöse Defizite zu beheben, angestrebt werden. Wichtig ist es dann für die Patienten, in der Kontrolle zu bleiben. Dies trifft in erster Linie auf jüngere Patienten zu. Bei älteren Patienten, die eine schon beginnende Arthrose haben und operative gelenkerhaltende Maßnahmen nicht mehr hilfreich wären, ist eine Physiotherapie mit Traktion (ziehen am Gelenk) zusammen mit Injektionen ins Gelenk sinnvoll. Hier hat sich neben Cortisonspritzen in der Akutphase das Plättchenreiche Plasma (PRP) bewährt. Dies ist konzentriertes Plasma mit Thrombozyten aus dem eigenen Blut, welches auch in Kombination mit Hyaluronsäure eingesetzt werden kann. Nach einer Initialbehandlung mit drei PRP/Hyaluronsäuretherapien in bestimmten Abständen kommen viele meiner Patienten halbjährlich, manche auch nur jährlich, zur Auffrischungsinjektion. Wenn die Arthrose dann nicht so sehr fortschreitet, dann kann man durchaus 5-10 Jahre gewinnen, also eine Implantation eines künstlichen Hüftgelenks hinauszögern, was erstrebenswert, aber natürlich sehr individuell ist. Wichtig ist auch hier die stete Kontrolle. Bei mir ist es oft so, dass der Physiotherapeut mir dann Bescheid gibt, wenn sich der Zustand der Hüfte eines Patienten verschlechtert, der die Patienten ja meist mehrere Jahre gut kennt und therapiert. Und wenn der Leidensdruck beim Patienten tatsächlich zu groß wird, dann erst ist es Zeit für ein neues Hüftgelenk“, erläutert Prim. Dr. Zinser eine der Möglichkeiten der konservativen Therapie. 

Eine weitere nicht-operative Option, deren Wirksamkeit wissenschaftlich noch unklar ist, ist die Stammzellentherapie. Allerdings glauben viele, dass dies so super und einfach funktioniert, indem man einfach Stammzellen injiziert, und der ganze Knorpel ist wieder heil. So einfach ist das natürlich nicht. Stammzellen, z.B. aus dem Fettgewebe gewonnen, können die Auswirkungen der Arthrose, nämlich die Entzündung und das schlechte Gelenkmilieu, positiv beeinflussen, was besonders bei den Patienten gut funktioniert, die den Knorpel noch nicht komplett verloren haben. Stammzellen können eventuell das Fortschreiten einer Arthrose verzögern und sind vor allem erfolgreich bei Patienten mit einem Arthrose Grad von 2-3, indem sie noch bestehende Knorpelzellen anregen. Es gibt aber noch zu wenig Untersuchungen darüber, ob die Stammzellentherapie wirksamer ist als die vorhin erwähnte Therapie mit Plättchen reichem Plasma. Der Kostenfaktor ist allerdings 10-20-fach höher“, so Prim. Dr. Zinser zur Stammzellentherapie und gibt noch einen zusätzlichen Hinweis, der leicht zu befolgen ist:

Nahrungsergänzungsmittel spielen nach meiner Erfahrung auch eine Rolle! Denn viele Patienten leiden auch an Vitamin-D Mangel und haben noch weitere Mangelerscheinungen, bedingt durch eine nicht angepasste ausgewogene Ernährung. Was ich gerne verwende, ist Orthomol ChondroPlus (eine Kombination aus Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, essentiellen Fettsäuren und anderen bioaktiven Substanzen), was Patienten über Zeitraum von drei Monaten einnehmen, weil der Stoffwechsel im Knorpel sehr langsam vonstattengeht. Dann ist Bewegung ein weiterer Schlüssel – laut Weltgesundheitsorganisation sollen alle Menschen sich mindestens 150 Minuten in der Woche bewegen. Hier müssen die Patienten jetzt nicht ihre schmerzende Hüfte bewegen, sie können Bewegungen auch mit den Armen ausführen. Es geht um eine reine Muskelbewegung und - beanspruchung, da die Muskeln dann Signale ausschicken, die Schmerzen reduzieren und entzündungshemmend sind“. 

Hüftoperationen können Verschleiß und Arthrose verhindern oder verzögern, insbesondere wenn strukturelle Probleme wie Hüftdysplasie, Labrumrisse oder femoroacetabuläres Impingement (FAI) vorliegen. 

Durch eine rechtzeitige chirurgische Intervention können anatomische Abnormalitäten korrigiert und die normale Funktion des Hüftgelenks wiederhergestellt werden, bevor sich Arthrose entwickelt oder verschlimmert. Die langfristigen Ergebnisse solcher frühzeitigen Hüftoperationen hängen von verschiedenen Faktoren ab, darunter die genaue Ursache der Hüftschmerzen, die individuelle Veranlagung (Genetik), der Gesundheitszustand des Patienten und die Art des durchgeführten Eingriffs. Im Allgemeinen zeigen Studien, dass frühzeitige Hüftoperationen bei strukturellen Problemen wie Hüftdysplasie oder FAI dazu beitragen können, das Fortschreiten der Arthrose zu verlangsamen oder zu verhindern und langfristige Schmerzlinderung und verbesserte Funktion des Hüftgelenks zu bieten.

Grundsätzlich muss man zwischen jungen und älteren Patienten unterscheiden. Bei den älteren Patienten geht es um die Frage nach der Lebensqualität und meist um den Gelenkersatz. Eine Hüft-Operation mit Einsetzen eines künstlichen Hüftgelenkes (Endoprothese) ist letztlich nicht „lebensnotwendig“, bietet aber die Chance, eine sehr viel bessere Lebensqualität zu erreichen, was dann wichtiger ist als das Risiko der Operation. Und es besteht zu ca. 90% die Wahrscheinlichkeit, nach der Hüft-Operation langfristig (durchschnittlich 25 Jahre) zufrieden zu sein. Die Entscheidung für oder gegen eine Operation obliegt immer dem Patienten. Wenn Schlafstörungen aufgrund von Schmerz immer schlimmer werden oder die Einnahme von Schmerzmitteln sich steigert (was langfristig auch gefährlich ist) und die Beweglichkeit sich immer weiter verschlechtert, dann sollte der Patient die Möglichkeit nutzen und sich ein künstliches Hüftgelenk einsetzen lassen. Bei den jüngeren Patienten verhält es sich so, dass wenn die Schmerzen durch eine dreimonatige konservative Therapie nicht weggehen und eine festgestellte Formstörung vorliegt, dann ist laut heutigem Stand der Wissenschaft eine gelenkerhaltende Operation zu empfehlen, um das Fortschreiten eines nicht reversiblen Gelenkknorpelschadens zu verhindern“, unterscheidet Prim. Dr. Zinser und erklärt zu den zwei Gelenk erhaltenden Hauptoperationen:

Es gibt einmal die Hüftarthroskopie, bei der die Formstörung abgeschliffen, die Gelenklippe angenäht wird und gegebenenfalls kleine Knorpeldefekte regenerativ therapiert werden können. Bei der zweiten Operationsmethode, die bei einer Dysplasie erfolgt, wenn also die Pfanne nicht richtig ausgebildet ist, muss das Becken umgestellt werden, damit die Überdachung der Pfanne verbessert wird. Es gilt bei jüngeren Patienten immer, das Gelenk so lange wie möglich zu erhalten. Die meisten kommen zum Beispiel nach dem Eingriff auch zurück zu ihrem ursprünglichen Sportlevel und darüber hinaus, was viele Patienten anfangs bezweifeln und dann eines Besseren belehrt werden. Bei der sogenannten periacetabulären Beckenosteotomie oder periacetabulären Osteotomie (PAO) zur Korrektur der Hüftpfannenposition, z. B. im Falle einer Hüftdysplasie, entwickeln über 1/3 der behandelten Patienten auch nach 30 Jahren keine Hüftarthrose, was eindeutig für eine gelenkerhaltende Operation spricht, sofern diese bei dem jeweiligen Patienten so möglich ist. Werden diese Operationen bei diesen Patienten nicht oder zu spät durchgeführt, so werden sich die Beschwerden meist rasch verschlimmern und eine Arthrose wird früh entstehen“.

Bei der Hüftendoprothese (Hüft-TEP) als Behandlungsoption für fortgeschrittene Arthrose sind die langfristigen Ergebnisse ebenfalls in der Regel positiv. Moderne Implantate und Operationstechniken haben die Haltbarkeit und Zuverlässigkeit von Hüftendoprothesen deutlich verbessert, sodass viele Patienten auch nach vielen Jahren noch eine gute Funktion und Lebensqualität genießen können.

Was eine Hüftendoprothese betrifft, so liegt die Haltbarkeit beim aktuellen Wissensstand bei durchschnittlich ca. 25 Jahren (vielleicht auch länger), sofern alles gut verläuft und gut operiert wurde und keine Infektion entsteht. Was wir heute sicher wissen ist, dass meist nach Ablauf von durchschnittlich 25 Jahren (bei manchen deutlich früher, bei manchen später!) eine Wechseloperation erfolgen muss, bei jüngeren Patienten oft früher. Und wenn diese stattgefunden hat, muss nach heutigem Kenntnisstand in über 10% der Fälle nach Ablauf von weiteren zehn Jahren erneut eine Wechseloperation erfolgen. Allerdings kann nach einer Wechseloperation fast nie das funktionelle Ergebnis und die Beschwerdefreiheit erreicht werden, wie beim ersten Einsetzen einer neuen Hüfte! Daher sollte bei jüngeren Patienten möglichst gelenkerhaltend operiert werden. Und hier liegt eine große Gefahr bei manchen operativen Entscheidungen, die für eine Prothese erfolgen, da man bei älteren Patienten die gute Funktionalität der Prothesen beobachtet und diese, meiner Meinung nach, oft zu leichtfertig bei jüngeren Patienten einsetzt. Denn was die heutigen Daten ergeben ist, dass die Wechseloperationen bei jungen Menschen überproportional ansteigen. Da ist dann der junge Mensch, der mit 20 Jahren die erste Prothese bekommen hat, der dann mit 40 vor der ersten Wechseloperation steht und mit 50 dann erneut, ohne die Garantie der immer gleichen Beschwerdefreiheit, was die Gefahr einer Invalidität in der Arbeitszeit (die ja in der Regel bis 65-67 Jahre besteht) steigert. Prothesen sind heute wirklich besser geworden, aber es werden aktuell gefährliche wirtschaftliche und gesundheitspolitische Fehlanreize für das Einsetzen künstlicher Gelenke gesetzt. Übersetzt heißt das: Wer gelenkerhaltende Operationen in seiner Klinik anbietet wird derzeit im Gesundheitssystem Deutschlands und vor allem auch Österreichs wirtschaftlich „bestraft“, da diese Operationen kostenintensiver und deshalb aktuell völlig untervergütet sind. Gelenkersatz hingegen wird weiter indirekt durch bestehende wirtschaftliche Fehlanreize gefördert. Da die gelenkerhaltende Operation viel komplexer und kostenaufwendiger als der Gelenkersatz ist, bieten viele Kliniken derartige Operationen gar nicht an. Das führt dann in der Folge dazu, dass zu wenig Ärzte in diesen Therapien ausgebildet werden können, was die Situation für die Zukunft sehr bedenklich macht. Um dieses Problem kümmere ich mich gerade in Österreich mit einer großen Expertengruppe mit Mitgliedern aller relevanten orthopädisch/unfallchirurgischen Fachgesellschaften, um beim Gesetzgeber hier ein Umdenken und die Einleitung geeigneter Gegenmaßnahmen zu erreichen. Die ersten Gespräche hierzu waren sehr positiv, und man hat das Problem erkannt. Eine nachvollziehbare Forderung der Expertengruppe ist, dass in Kliniken, in denen eine hohe Anzahl an Endoprothetik durchgeführt wird, gesetzlich verpflichtend die Gelenk-erhaltenden Therapien ebenfalls aliquot durchgeführt und ausgebildet werden müssen. Das muss sowohl für das Hüft- als auch für das Kniegelenk gelten. Außerdem müssen die Gelenk-erhaltenden Eingriffe wirtschaftlich so vergütet werden, dass eine volle Kostendeckung wie auch in der Prothetik gegeben ist! “, äußert Prim. Dr. Zinser kritisch.

Ein Appell für die Zukunft – Mehr Aufklärung ist nötig!

Ich habe mit Kollegen des Expertenkreises konkrete Forderungen: 

  1. Wie oben bereits erwähnt, muss jede Klinik, die eine hohe Anzahl an Gelenkersatz operiert, verpflichtend eine Expertise in den Leitlinien gerechten (AWMF-Leitlinien) Gelenk-erhaltenden Therapien nachweisen und diese auch ausbilden. Dies betrifft nicht nur die Hüfte, sondern auch Gelenkersatz am Knie. Denn es gibt Kliniken in Österreich, die diese OP-Techniken verlernt haben, besonders was PAO und Hüftarthroskopie betrifft, und Patienten erhalten dann im Zweifelsfall eine schlechte Therapie.
  2. Die Gelenk-erhaltenden Therapien brauchen eine kostendeckende Vergütung im Abrechnungssystem (LKF-System) welches 2025 gerade erneuert wird.
  3. Die Fachgesellschaften müssen mit Unterstützung der Gesundheitspolitik die Ausbildung für diese Therapien fördern und sowohl für Mediziner z.B. Hausärzte, als auch für die Bevölkerung bessere Aufklärung zu den erfolgreichen Gelenk-erhaltenden Therapien fördern.
  4. Die OP-Kapazitäten in den Landeskliniken müssen drastisch erhöht werden, was auch durch Prozessverbesserungen und flexible Arbeitszeitmodelle erreicht werden kann.
  5. Integration von Spezialisten im Gelenk-erhaltenden Bereich als Ausbilder in den Versorgungskliniken, um die Ausbildung zu beschleunigen.

Und so mancher Patient wartet bis zu drei Jahre auf seine elektive (=nicht akut lebensbedrohlich notwendige) Operation in Österreich. Viele sammeln dann ihr Erspartes zusammen und wenden sich Privatkliniken zu, wenn keine Zusatzversicherung besteht. In Österreich wäre ohne die Privatkliniken das Versorgungsdefizit bei den elektiven orthopädischen Operationen noch viel größer. Da besteht dringender Handlungsbedarf. In Deutschland, aber auch in Österreich, werden die Forderungen nach einer Zentralisierung bestimmter Behandlungen lauter. Das ist prinzipiell gut gedacht, aber die Expertise muss dann auch tatsächlich gegeben sein. Es könnten z.B. derzeit laut einer Studie mit 10.000 Patienten ¼ der Knieprothesen verhindert werden durch die rechtzeitige Anwendung einer Knorpelzelltransplantation. Und auch die vorhin erwähnten wichtigen gelenkerhaltenden Operationen verhindern im Zweifelsfall einen gigantischen Kostenapparat, der durch häufige Wechseloperationen und damit verbundenen Arbeitsausfällen entsteht. Das heißt, dass diese Zentren, die angestrebt werden, auch die gelenkhaltenden Operationen beherrschen müssen. Die aktuell bestehenden Struktur- und Finanzanreize in Richtung Gelenkersatz, müssen sich dringend in Richtung Gelenkerhalt gesetzlich ändern. Das sind wir unseren Patienten schuldig!“, appelliert Prim. Dr. Zinser, und damit beenden wir unser Gespräch.

Herzlichen Dank für diesen durchaus kritischen Blick auf die Hüftendoprothetik!

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