Professor Dr. med. Philipp Drees, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Orthopädische Rheumatologie und Spezielle Orthopädische Chirurgie, ist seit 2014 Leiter der Orthopädie und Rheumaorthopädie sowie seit April 2020 Direktor des Zentrums für Orthopädie und Unfallchirurgie (ZOU) der Universitätsmedizin in der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Hier wird die gesamte Bandbreite der Diagnostik, Behandlung und Nachbehandlung von Erkrankungen und Verletzungen des Bewegungsapparates abgedeckt.
Besonders hervorzuheben ist Prof. Dr. Drees Engagement für die Optimierung der Versorgungsqualität bei Hüft- und Knieendoprothesen. Das von ihm initiierte Projekt PROMISE ("Patient Reported Outcome Measures in Surgery and Medicine" – Patientenberichtete Ergebnismaße in Chirurgie und Medizin) setzt darauf, die gesamte Prozesskette von der Erstuntersuchung bis zur Entlassung zu verbessern.
Durch schonendere chirurgische Verfahren, innovative Narkosetechniken und eine beschleunigte Mobilisierung der Patienten kann eine schnellere Rehabilitation realisiert werden. Dank dieser Maßnahmen wurde das Zentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie der Universitätsmedizin Mainz als erstes deutsches Universitätsklinikum zum „Rapid Recovery-Krankenhaus“ ernannt. Die Universitätsmedizin der Johannes- Gutenberg-Universität Mainz ist als einzige medizinische Einrichtung der Supramaximalversorgung in Rheinland-Pfalz international anerkannt und mit über 60 Kliniken, Instituten und Abteilungen sowie mehr als 7,500 Mitarbeitern auch einer der größten Arbeitgeber in der Region.
Die Redaktion des Leading Medicine Guide konnte mit Prof. Dr. Drees sprechen, um mehr zum Thema Hüft- und Knieendoprothetik zu erfahren.
Die Hüft- und Knieendoprothetik stellt einen entscheidenden Bereich der orthopädischen Chirurgie dar, der sich in den letzten Jahren rasant weiterentwickelt hat und eine transformative Wirkung auf das Leben vieler Menschen hat. Diese spezialisierte medizinische Disziplin konzentriert sich darauf, durch den Einsatz von künstlichen Gelenken die Funktion und Mobilität der Hüfte und des Knies und damit des Patienten wiederherzustellen. Ob durch degenerative Erkrankungen, fortgeschrittene Arthrose oder schwere Verletzungen bedingt, können Hüft- und Knie Endoprothesen dabei helfen, Schmerzen zu lindern, die Lebensqualität zu verbessern und die Beweglichkeit der Patienten wiederherzustellen.
Hüft- und Knieoperationen sind essenzielle orthopädische Eingriffe, die bei verschiedenen Erkrankungen und Verletzungen der Gelenke erforderlich sein können.
„Grundsätzlich gilt es natürlich immer, einen chirurgischen Eingriff zu vermeiden. Es gibt aber bei den verschiedenen Gelenkerkrankungen unterschiedliche Stufen. Angefangen von der Hüftarthrose, eine degenerative Veränderung des Hüftgelenks, die in einem späteren Stadium zu erheblichen Schmerzen und eingeschränkter Beweglichkeit führt. In solchen Fällen ist die Implantation einer Hüftendoprothese eine häufig angewandte Lösung“, beginnt Prof. Dr. Drees in unserem Gespräch und erklärt: „Der Befund setzt sich aus der jeweiligen Bildgebung, verbunden mit den Schilderungen des Patienten selbst und der medizinischen Untersuchung zusammen. Hüftfrakturen, besonders bei älteren Menschen durch Osteoporose bedingt, sind fast immer Indikationen für operative Eingriffe. Hier kann eine operative Reposition und Fixierung des Knochenbruchs oder im Fall schwerwiegender Frakturen sogar die Implantation einer Hüftendoprothese notwendig sein. Es gibt zahlreiche operative Versorgungsformen und nicht alle eignen sich für jede Versorgung und manche sind auch wieder vom Markt verschwunden. Daher gilt es individuell zu entscheiden, ob bspw. eine Kurz- oder Normalschaft-Endoprothese eingesetzt wird, mit oder ohne Zement, und das in der Regel minimal-invasiv“, so Prof. Dr. Drees.
Degenerative Veränderungen im Kniegelenk führen zu erheblichen Schmerzen und Bewegungseinschränkungen. Die Implantation einer Knieendoprothese, sei es als Total- oder Teilprothese, bietet hier eine wirksame Therapieoption. Alternativ können bei weniger fortgeschrittenen Fällen auch Knorpelersatzverfahren oder arthroskopische Eingriffe in Betracht gezogen werden. Knieverletzungen wie Kreuzband- oder Meniskusrisse erfordern oft operative Eingriffe wie Kreuzbandrekonstruktion oder Meniskusrefixation. In einigen Fällen kann auch eine Meniskustransplantation erwogen werden. Kniefrakturen, die durch Unfälle oder Trauma verursacht werden, erfordern je nach Schweregrad operative Reposition und Fixierung oder in extremen Fällen die Implantation einer Knieendoprothese.
Die Entscheidung zwischen minimal-invasiver und konventioneller Endoprothetik-Chirurgie bei Hüft- und Knieoperationen ist komplex und wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst.
„Wir hier in der Universitätsklinik Mainz operieren Hüften bei Primäroperationen ausschließlich minimal-invasiv – wir kennen gar kein anderes Verfahren bei der Implantation mehr. Die Kurzschaftprothese, die sich auch bei älteren Menschen eignet, hat den Vorteil, dass diese knochenerhaltender implantiert werden kann. Sie hat eine bessere anatomische Rekonstruktion und, je nach Zugangsform, kommt man mit der Kurzschaftprothese einfach besser `um die Ecke´, wodurch das Trauma für den Patienten nochmal etwas geringer ist. Aber es nicht so, dass eine minimal-invasive Operation bei Normalschaft-Prothesen nicht möglich ist“, erläutert Prof. Dr. Drees, der auf die Frage, warum dann überhaupt noch Prothesen in konventioneller Endoprothetik-Chirurgie durchgeführt werden, antwortet: „Es gibt da unterschiedliche Philosophien. Am Ende geht es darum, was am besten funktioniert, und da darf man sich nicht an der Schnittgröße für den Eingriff festhalten. Und dann ist es so, dass eine Firma, die beispielsweise zementierfähige Kurzschaftprothesen hat, gar nicht im Portfolio jeden Krankenhauses ist. Das entscheiden heutzutage in der Regel nicht die Chirurgen, sondern die Einkaufsgemeinschaften der Krankenhäuser oder die Klinikleitung, die dann oft festlegt, alles bei einer Firma zu bestellen, da dies dann im Einkauf günstiger ist. Wir sind in Mainz privilegiert, da wir die Produkte nehmen können, die für den Patienten nach unserer Meinung dann auch am besten geeignet sind. Und daher erhält bei uns beispielsweise die 80-jährige Patientin, bei der nur eine zementierte Kurzschaftprothese wirklich Sinn macht, diese auch. Was aber nicht heißt, dass Patienten woanders schlechter versorgt sind – sie sind nur anders versorgt. An erster Stelle steht immer die Erfahrung des Operateurs“. Die Präferenzen und Erwartungen des Patienten spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Der allgemeine Gesundheitszustand und etwaige Begleiterkrankungen müssen ebenfalls berücksichtigt werden, um das Risiko von Komplikationen zu minimieren.
Die Knie-TEP, eine totale Endoprothese für das Knie, ist ein chirurgischer Eingriff, der in der Regel erfolgreich zur Behandlung von fortgeschrittener Kniearthrose eingesetzt wird.
„In Deutschland implantieren wir in Mainz die meisten individualisierten Knie-TEP an einer Universitätsklinik und sind dabei die erste Universitätsklinik, die als `Rapid Recovery House´ (Haus für schnelle Erholung) zertifiziert worden ist. Gleichzeitig haben wir über das PROMISE-Projekt vom GBA (Gemeinsamer Bundesausschuss des Bundesministeriums für Gesundheit) die Bedingungen für die Qualitätsverträge entwickelt und bieten individualisierte Knieendoprothetik in Ergänzung an“, hebt Prof. Dr. Drees hervor und geht noch näher auf den möglichen Vorteil der individualisierten Prothesen ein:
„Das handhaben wir so wie in der Bekleidungsindustrie. Da gibt es die Größen XS, S, M, L, XL usw., und dennoch passt nicht jedem die gleiche Größe – dem einen passt die Größe M besser als dem anderen. Und so ist es auch beim Knie. Die Anatomie ist so vielfältig, sodass trotz gleicher Größe das Implantat nicht immer gleich gut sitzt. So erlebt jeder Chirurg, der operiert, dass man gezwungen ist, Kompromisse zu machen. Man muss bei der Operation bei einer Normalprothese ein bisschen mehr basteln, um den Knochen an das Implantat anzupassen (beim individualisierten Implantat wird an den Knochen angepasst, bei der Standardprothese der Knochen an das Implantat). Man kann dennoch sagen, dass die `of the shelve´-Prothetik (vom Regal) gut funktioniert. Die individualisierten Prothesen haben in unseren Untersuchungen aber nochmal bessere Ergebnisse. Denn hier kommt es bei den meisten Patienten nach ca. einem Jahr im sogenannten `forgotten knie score´ zu sehr guten Ergebnissen, d. h. die Patienten vergessen, dass sie eine Prothese haben. Damit die Untersuchungsergebnisse noch aussagekräftiger werden, machen wir derzeit eine Doppel-Blind-Studie, bei der der Patient nicht weiß, welche Art Prothese er bekommt, um in seiner geäußerten Zufriedenheit nach dem Eingriff nicht voreingenommen zu sein und somit der Unterschied noch besser messbar sein wird. Auf diese Studie wartet die Fachwelt, und wir suchen für jede Gruppe 100 Patienten. So finden wir heraus, ob die individualisierte Prothese objektiv tatsächlich besser ist oder ob es ein rein subjektives Gefühl ist. Wir bauen hier in Mainz die meisten individualisierten Prothesen an einer Universitätsklinik ein, ca. 100 pro Jahr. Dafür haben wir einen Ruf von Hamburg bis Oberammergau!“.
Das PROMISE-Projekt in Krankenhäusern steht für „Patient Reported Outcome Measures in Surgery and Medicine" (Patientenberichtete Ergebnismaße in Chirurgie und Medizin). Es ist eine Initiative, die darauf abzielt, die Qualität der Gesundheitsversorgung zu verbessern, indem sie die Perspektive der Patienten in den Mittelpunkt stellt. Dabei werden Patienten gebeten, ihre eigenen Gesundheitsergebnisse und Erfahrungen mit der medizinischen Behandlung zu bewerten und zu berichten. Diese Informationen können verwendet werden, um die Qualität der Versorgung zu überwachen, Bereiche für Verbesserungen zu identifizieren und letztendlich die Patientenzufriedenheit zu erhöhen.
Ein Prothesenwechsel bei einer Knie-TEP wird notwendig, wenn die bestehende Prothese nicht mehr effektiv funktioniert oder verschiedene Probleme wie Lockerung, Abnutzung, Infektion, Fehlstellung oder Prothesenbruch verursacht werden.
Die besondere Herausforderung bei einer Prothesenwechseloperation liegt in ihrer Komplexität im Vergleich zur Erstimplantation. Der Chirurg steht vor der Aufgabe, die alte Prothese präzise zu entfernen, wobei möglicherweise Knochenverlust oder Komplikationen berücksichtigt werden müssen. Der Schutz anatomischer Strukturen und die genaue Platzierung der neuen Prothese sind entscheidend. Die Wiederherstellung der Weichteile und die Gewährleistung einer stabilen Verankerung der neuen Prothese erfordern eine sorgfältige Vorgehensweise. Die genaue Ausrichtung der Komponenten ist entscheidend für die optimale Funktion und Langlebigkeit der Prothese.
„Auch wenn die Wechseloperationen in Bezug auf Implantatversagen insgesamt abgenommen haben, so kommen sie noch vor. Aufgrund der zunehmenden Implantationen in den letzten zwei Dekaden nehmen die Wechseloperationen insgesamt zu. Der häufigste Grund ist die aseptische Lockerung, also ohne Bakterien. Dies meint, dass es entweder zu einer mangelnden Verbindung von Knochen und Zement kommt oder aufgrund des Alters der Prothese eine Lockerung entsteht. Gleich danach folgt als Grund ein Infekt, wobei man hier zwischen einem Frühinfekt (4-8 Wochen nach der Operation) und einem Spätinfekt (auch 10 Jahre nach der Operation, etwa durch Keime in der Blutbahn bspw. durch eine aufwändige Zahnoperation). Wir sind hier ja auch eine Unfallchirurgie, sodass wir auch nach einer traumatischen Lockerung etwa nach einem Unfall oder Sturz entsprechend handeln können“, so Prof. Dr. Drees zu den Gründen einer Wechsel-Operation und fügt an:
„Was wir bei `versagenden´ Hüftprothesen mit schwersten Defekten am Becken machen, ist ein individualisierter Beckenteilersatz. Dem Patienten muss erklärt werden, dass dieser Eingriff dann aufwändig ist und eine etwas schwierige Zeit auf ihn zukommt, da er 6-8 Wochen lang kein Hüftgelenk hat (wir müssen alles entfernen, um zu sanieren), das Ergebnis am Ende aber gut ist und den gesamten Defekt ausgleicht. Der Beckenteilersatz stellt aber die letzte Möglichkeit des Gelenkerhalts dar und ist von hoher operativer Komplexität. Bei weniger schweren Defekten gibt es auch weniger komplizierte Lösungen der Implantathersteller. Beim Kniegelenk kann es auch sein, dass wir einen Platzhalter einbauen, bevor wir eine Revisionsprothese implantieren können. Dies gelingt heute aufgrund der vielfältigen Möglichkeiten deutlich besser als noch vor 10 Jahren“, macht Prof. Dr. Drees deutlich.
Natürlich ist es absolut entscheidend, dass der Operateur über eine möglichst hohe Erfahrung verfügt, um auch eine Wechsel-Operation durchzuführen, da sie eine sehr viel aufwändigere Operation ist. „Es kommt aber nicht nur auf den Operateur an, sondern auch auf die Möglichkeiten der jeweiligen Klinik. Wir als Universitätsklinikum haben ja alles, über uns kommt nichts mehr, wohin wir einen Patienten weiterschicken könnten. So können wir eben auch einen Beckenteilersatz anfertigen, und dafür muss man mindestens ein zertifiziertes Zentrum sein und auch nicht nur 5 Wechselprothesen pro Jahr machen, sondern eben 30 oder 50. Denn hier sind wirklich Erfahrung und Expertise gefragt. Hinzu kommt, dass ein solcher Revisionseingriff teuer ist und Zeit kostet. Ein niedergelassener Arzt kann sich das einfach nicht leisten, und auch die anästhesiologischen Voraussetzungen sind gar nicht vorhanden. Es ist daher in jedem Fall besser, Revisionsoperationen in Zentren zu konzentrieren. In Mainz haben wir als Zentrum zum Beispiel auch eine große Tumorchirurgie und implantieren auch Tumorprothesen“, stellt Prof. Dr. Drees mit Nachdruck klar.
Moderne Materialien spielen eine entscheidende Rolle in der Langlebigkeit von Prothesen, insbesondere bei Knie-TEP (Totale Endoprothese) und Hüft-TEP.
Fortschritte in der Materialwissenschaft haben dazu beigetragen, die Funktionalität, Haltbarkeit und biologische Verträglichkeit von Prothesen zu verbessern. Die wichtigsten Materialien, die in modernen Prothesen verwendet werden, sind Metalle, Kunststoffe und Keramik. Prof. Dr. Drees äußert sich positiv zur Gesamtentwicklung: „Was sich vor allem in der letzten Zeit positiv geändert hat, ist die veränderte Gleitpaarung. Früher wurde oft Metall auf Metall verwendet, sodass sowohl der Kopf des Schaftes als auch das Inlay der Pfanne aus Metall bestanden. Dies führte zu einem sehr hohen Abrieb und zu einer erhöhten Konzentration von Metallionen im Blut. Heute wird der Kopf aus Keramik hergestellt, was um ein Vielfaches besser ist. Hinzu kommt, dass das Inlay zusätzlich mit Vitamin E versetzt ist, um Oxidantien abzufangen, was es früher so nicht gab und der Abrieb mit Polyethylen ein Desaster war. Dadurch wird das Inlay nicht mehr spröde, und wir haben seit 10-15 Jahren eigentlich keinen Kunststoffverschleiß mehr“.
Keramische Materialien wie Aluminiumoxid und Zirkonoxid werden in einigen Prothesenkomponenten, insbesondere bei Hüft-TEP, verwendet. Keramik zeichnet sich durch hohe Härte, Glätte und geringe Abnutzung aus. Dies trägt dazu bei, den Verschleiß der Prothese zu minimieren und ihre Lebensdauer zu verlängern. „Es gibt auch die Keramik auf Keramik-Artikulation, die am wenigsten Abrieb hat. Allerdings kann es passieren, dass die Prothese dann quietscht oder sogar ein Teil abbrechen kann. Daher wird bei der Hüfte in über 90% der Fälle die Kombination Polyethylen und Keramik gewählt und beim Knie Polyethyleninlay und Metall. In den Prothesen sind in der Regel Bestandteile von Nickel enthalten. Für Allergiker gibt es in Deutschland daher auch Implantate, deren Oberfläche ohne Nickel beschichtet ist, auch wenn eine Allergie nur bei Hautkontakt (und nicht beim Kontakt mit dem Knochen) besteht. Aber wenn sich das Implantat bei einem Allergiker aus irgendwelchen Gründen lockert, dann würde man in der Beweispflicht stehen zu sagen, dass dies bestimmt nicht am Nickel liegen kann. Daher wählt man dann die nickelfreie Oberfläche, einfach um ganz sicher zu gehen“, erklärt Prof. Dr. Drees.
Die Rehabilitationsmaßnahmen nach einer Hüft- oder Knieoperation sind entscheidend für eine erfolgreiche Genesung.
„In unserer Klinik wird der Patient für die Operation vorbereitet. Er kommt ca. zwei Wochen vor dem Eingriff zu uns, hat idealerweise einen Trainer (in Form des Partners, eines Freundes oder Familienmitglieds) dabei und macht ein dreistündiges Seminar. Hierin erklärt jeweils ein Mitarbeitender aus der Chirurgie, Pflege, Physiotherapie, Anästhesie und dem sozialen Dienst, was auf den Patienten zukommt. Das baut bereits viele Ängste ab, und es wird dem Patienten klargemacht, dass er zwei Stunden nach der Operation wieder auf den Füßen stehen wird“, verdeutlicht Prof. Dr. Drees die Vorbereitung des Patienten.
„Unsere Patienten erhalten am Ende der Operation eine Lokalanästhesie sowie ein gerinnungshemmendes Medikament in das Gelenk und die Muskulatur, und der Physiotherapeut gibt zwei Stunden nach der Operation und dem Aufwachen ein kleines Speiseeis als Glukosezufuhr. Dies schenkt kurzfristige Energie, und schließlich wollen wir jede Form von Kanülen vermeiden, denn dann wäre der Patient sozusagen `angebunden´ und nicht selbstständig. Es gibt auch keine Drainagen mehr. Der Patient wird dann auf die Beine gestellt und soll ein paar Schritte laufen. Nach oft nur einer Nacht kann so mancher Patient bereits wieder nach Hause. Denjenigen, die ein paar Tage länger im Krankenhaus sind, bieten wir eine Outdoorgruppe auf dem Universitätsgelände an, bei der die Patienten mithilfe des Physiotherapeuten spazieren gehen. Dieses Programm ist extrem erfolgreich, da die Patienten durch die Bewegung sehr viel weniger Thrombosen oder Embolien entwickeln können“, schildert Prof. Dr. Drees den Verlauf kurz vor und kurz nach der Operation.
Die modernen Fortschritte in der Hüft- und Knieendoprothetik haben erhebliche Verbesserungen in Bezug auf Beweglichkeit und Stabilität nach den Operationen hervorgebracht.
Robotergestützte Chirurgie revolutioniert die Präzision von Schnitten und Platzierung der Knieprothese, was zu einer verbesserten Ausrichtung und letztendlich zu einer stabilen Prothesenpositionierung führt. „Wir überlegen, ob wir uns auch einen Roboter zulegen, einfach um unser Angebot zu erweitern. Denn vermutlich optimal ist die individualisierte Prothese, die dann mithilfe eines Roboters operiert wird“, visualisiert Prof. Dr. Drees.
Innovative Entwicklungen tragen maßgeblich dazu bei, die Rehabilitationszeit zu verkürzen, die Patientenmobilität zu verbessern und letztendlich die Lebensqualität nach Hüft- oder Knieendoprothesen-Operationen erheblich zu steigern. „Als nächstes haben wir jetzt die weltweit größte internationale Multicenter Studie begonnen, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit einer Summe von über 2 Million Euro gefördert wird (das ist die höchste Förderung überhaupt). Diese Studie ist von uns und unseren Partnern an der Universitätsmedizin Mainz entwickelt worden und hat zahlreiche Partner. Dennoch suchen wir weitere Kliniken, die sich an dieser innovativen Studie beteiligen möchten. Hierin soll der Sinn oder Unsinn der Gabe der Heparin Spritze untersucht werden. Denn bisher ist es so geregelt, dass Patienten nach einer Hüftoperation 30 Tage lang Heparin spritzen müssen, um die Bildung von Blutgerinnseln zu vermeiden. Wir sind aber der Meinung, dass die Patienten derart mobilisiert sind, dass dies im Zweifelsfall nicht notwendig ist. 2000 Patienten sind für die Studie erforderlich, bei der die Patienten entweder orale Anti-Thrombose-Medikamente für 30 Tage erhalten oder für 5 Tage und dann Placebo. Patienten, die teilnehmen möchten, müssen aber innerhalb einer Klinik behandelt werden, die dem `Enhanced Recovery Concept´ (schnelles Genesungskonzept) folgt. Hierbei ist es wichtig zu betonen, dass der Patient aktiv an seiner eigenen Gesundung teilnimmt. Auch deshalb machen wir ja vor der Operation die Patientenschule, damit der Patient uns Ärzte nicht als die Führung im weißen Kittel wahrnimmt, sondern eben selbst eine aktive Rolle im Genesungsprozess spielt“, betont Prof. Dr. Drees, was die Rolle des Patienten selbst betrifft.
„Das `Enhacend Recovery Prinzip´ zur Frühmobilisation des Patienten ist ein absoluter Gamechanger für eine bessere Patientenversorgung. Alle sollten diesem Prinzip folgen – anderen sollte man die Behandlung eigentlich einfach nicht mehr gestatten. Persönlich bin ich ein großer Freund von der Zentralisierung von Leistungen. Und es ist nun einmal so, dass ein Chirurg, der oft operiert, auch besser operiert. Man muss daher weg von der Option, eine solche Behandlung überall bekommen zu können. Die Evidenz basierte Standardisierung ist daher ein ganz wichtiges Thema. Was ich mir darüber hinaus wünschen würde, wäre eine noch kritischere Überprüfung der Indikation, um im Zweifelsfall nicht notwendige Operationen zu vermeiden. Am Ende gilt es, Evidenzen zu schaffen und nicht Eminenzen“, hält Prof. Dr. Drees energisch fest, und mit diesem Wunsch beenden wir unser Gespräch.
Herzlichen Dank, Professor Dr. Drees für den intensiven Einblick und die zukunftsweisende Entwicklung im Bereich der Hüft- und Knieendoprothetik!