„Ich möchte gute Medizin machen!“ Das sagt Prof. Dr. med. Dr. phil. Dr. med. habil. Michael K. Stehling, der in seinem Fachbereich eine Reputation besitzt, die weit über die Landesgrenzen hinausgeht: Vor allem wenn es um Fragen zur Prostata geht, gilt er als genau der richtige Facharzt. Die hohe Expertise kommt nicht von ungefähr – Professor Stehling hat eine umfangreiche nationale und internationale Ausbildung genossen. Er war unter anderem Clinical Fellow an der Harvard Medical School in Boston, Associate Professor of Radiology an der Boston University, Visiting Scholar an der Universität Berkeley in Kalifornien, und hat als wissenschaftlicher Mitarbeiter mit Sir Peter Mansfield gearbeitet, Professor für Physik und Gewinner des Medizinnobelpreises 2003. 2010 gründete Prof. Stehling das Prostata-Center in Offenbach, heute VITUS Privatklinik. Das Center gilt als weltweit führend in der minimal-invasiven Therapie von Prostatakrebs, insbesondere mit den IRE/NanoKnife®-Verfahren.
Leading Medicine Guide: Herr Professor Stehling, vor über zehn Jahren haben Sie das Prostata-Center in Offenbach, das heute VITUS Prostata Center heißt, gegründet. Hat sich in den letzten zehn Jahren das Bewusstsein bei Männern verändert, was die Themen Prostatakrebs und Vorsorge angeht?
Prof. Dr. Michael Stehling: Die Antwort dazu ist komplex. Allgemein kann man sagen, dass immer mehr Männer – und deren Frauen – sich unabhängig von ärztlichen Empfehlungen im Internet informieren. Und das ist gut so. Denn was in Deutschland als Standard in der Prostatakrebsvorsorge angeboten wird, ist mittelalterlich: Nur die digitale rektale Untersuchung, also die Abtastung, wird von den Krankenkassen bezahlt. Und diese ist, einfach zusammengefasst, nutzlos. Es gibt Studien, die zeigen, dass der Zeigefinger von 97 Prozent aller Urologen zu kurz ist, um die gesamte Prostata abzutasten – und keine Studie, die irgendeinen Überlebensvorteil der Abtastuntersuchung nachweist.
Leading Medicine Guide: Das sind keine guten Nachrichten …
Prof. Dr. Michael Stehling: Ja, und auch der PSA-Test alleine verursacht mehr Probleme als er löst. Denn in den meisten Fällen ist ein erhöhter PSA-Spiegel eben nicht durch ein Prostatakarzinom bedingt, sondern durch andere Ursachen, etwa durch Entzündungen. Allerdings werden bei erhöhtem PSA dann Gewebeproben entnommen, im Standardverfahren durch den Enddarm, also durch transrektale ultraschallgesteuerte Biopsie, woran ein bis zwei von tausend Männern versterben, und zwar an antibiotikaresistenten Keimen. In einigen Ländern wird daher zurzeit ein Verbot der TRUS-Biopsie diskutiert.
Leading Medicine Guide: Dabei gibt es ein aussagekräftiges Diagnoseverfahren, das aber hierzulande kaum Anwendung findet.
Prof. Dr. Michael Stehling: Ja. Die Kernspintomographie der Prostata, auch Magnetresonanztomografie, kurz MRT genannt. Die Prostata-MRT ermöglicht es, klinisch relevante Prostatakarzinome mit über 90prozentiger Sicherheit nachzuweisen bzw. auszuschließen. Und das schon seit rund 15 bis 20 Jahren. Experten sind sich heute sicher, dass mit der Prostata-MRT viele unnötige Biopsien vermieden werden können. In England und den USA gibt es Studien, die die Überlegenheit der Prostata-MRT gegenüber dem PSA-Test und der Biopsie ganz klar nachweisen. Und die Prostata-MRT ist sogar kosteneffizienter als die herkömmlichen Vorsorgeuntersuchungen für Prostatakrebs.
Die Kernspintomographie (MRT) hat gegenüber anderen bildgebenden Verfahren, etwa dem Ultraschall, den Vorteil, dass präzise Bilder in hoher Auflösung und exzellentem multi-parametrischem Weichteilkontrast von der Prostata und den sie umgebenden Organen aufgenommen werden können. Die MRT ist daher ein ganz exzellentes Diagnoseverfahren, um Veränderungen an der Prostata frühzeitig zu erkennen und genau zu klassifizieren, also insbesondere zwischen gutartigen Veränderungen und Krebs zu unterscheiden.
Zudem ist die Untersuchung völlig schmerzfrei und ohne Strahlenbelastung. Das Körperinnere wird mithilfe von Magnetfeldern Schicht für Schicht sichtbar gemacht.
Leading Medicine Guide: Sie waren einige Zeit wissenschaftlicher Mitarbeiter von Sir Peter Mansfield, der 2003 für die Entwicklung der Magnetresonanztomographie mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Heute gehören Sie weltweit zu den erfahrensten Experten im Bereich der klinischen MRT. Zur Früherkennung von Prostatakrebs setzt sich die MRT in Deutschland aber erst langsam als Untersuchungsmethode durch.
Prof. Dr. Michael Stehling: Die MRT-Untersuchung der Prostata ist schon seit vielen Jahren die präziseste und aussagekräftigste Diagnosemethode für Prostatakrebs, auch im Bereich Prostatakrebsfrüherkennung. Wir machen das seit 15 Jahren und sagen, dass kein Weg daran vorbeiführt, wenn man gute Medizin machen will. Inzwischen hat es die MRT-Diagnostik der Prostata endlich auch in die medizinischen Leitlinien geschafft, wenn auch nur begrenzt, damit etablierte Methoden wie die Abtastung, Ultraschall und die Biopsie noch eine Weile erhalten bleiben – manche wollen das einfach nicht aufgeben.
Natürlich lassen sich mit der MRT auch alle anderen Gewebe und Organe des Körpers exakt darstellen, wie beispielsweise die Wirbelsäule, Gelenke und das Gehirn, aber auch das Herz und die Gefäße. Bei der Brustkrebsvorsorge der Frau hat die MR-Mammographie die Röntgenmammographie, die ja in Deutschland immer noch zum Brustkrebsscreening angewendet wird, weit überholt – das ist das Pendant zur Prostatavorsorge beim Mann.
In unserer Radiologie sind wir in der Lage, auf die jeweilige Fragestellung hin „maßgeschneiderte“ MRT-Untersuchungen anzubieten, um die richtige Diagnose zu erbringen. Das gibt es, soweit ich das überblicke, nur bei uns.
Leading Medicine Guide: Sie haben einen Doktor in Physik und zwei in Medizin. Um bei Sir Peter Mansfield wissenschaftlicher Mitarbeiter zu werden, muss man schon genau wissen, was man will, oder?
Prof. Dr. Michael Stehling: Ich bin ein sehr neugieriger Mensch und natürlich war ich als junger Mann auch sehr ehrgeizig. Nach meinem Studium der Medizin und Physik in Frankfurt war für mich der wichtigste Schritt, aus Deutschland rauszukommen. In England gelandet, verstand ich plötzlich, wie Universitäten wirklich funktionieren sollten und was ich in Deutschland alles verpasst hatte. Insbesondere persönliche Förderung. Ich hatte zunächst das Glück, in Manchester durch Prof. Ian Isherwood unterstützt zu werden. Er stellt mich dann Sir Peter Mansfield vor, dem Physiker und späteren Nobelpreisträger für Medizin. Peter Mansfield hat sich dann tatsächlich intensiv mit mir auseinandergesetzt und mir eine Position als Doktorand angeboten. So konnte ich bei ihm als Forschungsassistent an der technischen Entwicklung der Kernspintomographie teilnehmen. Peter Mansfield ist neben Paul Lauterbur einer der beiden Erfinder der Kernspintomographie. Auch in den USA, wo ich an der Harvard Medical School, der Boston University und zuletzt an der UC Berkeley tätig war, habe ich dieses spezielle, anglo-amerikanische akademische Umfeld sehr genossen.
Leading Medicine Guide: Im VITUS Prostata Center wenden Sie nicht nur modernste Diagnostik an, Sie therapieren auch mit besonderen Verfahren, eines davon ist das IRE, auch NanoKnife® Verfahren genannt. Könnten Sie das etwas näher erklären?
Prof. Dr. Michael Stehling: IRE – Irreversible Elektroporation – auch nach dem Hersteller als NanoKnife® bekannt – ist ein Verfahren, mit dem man Krebs sehr gewebe- und organschonend behandeln kann. Es wurde vor gut 15 Jahren von Prof. Boris Rubinsky an der Universität Berkeley in den USA erfunden. Boris und ich sind zwischenzeitlich gute Freunde. Unsere gemeinsame Forschung und Entwicklung im Bereich Elektroporation – aus der mehrere Medizintechnik Startups entstanden sind – hat uns geholfen, die IRE gründlich zu verstehen und erfolgreich zur Behandlung von Prostatakrebs einzusetzen. Mit über 1.500 erfolgreich behandelten Patienten sind wir heute in der VITUS Privatklinik weltweit führend auf diesem Gebiet.
Um zu verstehen, warum man überhaupt eine neue Methode zur Behandlung von Prostatakrebs braucht, muss man sich die etablierten Methoden anschauen: OP und Strahlentherapie. Diese sind nicht nur ineffektiv, d.h. sie können Prostatakrebs in den wenigsten Fällen heilen, sondern sie haben auch starke Nebenwirkungen, die die Lebensqualität unwiderruflich beeinträchtigen. Bei der radikalen Prostatektomie (RPE) wird die gesamte Prostata chirurgisch entfernt, herausgeschnitten. Leider geht dabei – salopp gesagt – eine Menge kaputt: Nach der OP sind daher bis zu 50 Prozent aller Männer inkontinent – sie verlieren unkontrolliert Urin – und 70 bis 80 Prozent sind impotent – sie verlieren die Erektionsfähigkeit des Penis.
Im Gegensatz dazu treten bei den von uns in der VITUS Privatklinik angewendeten Elektroporationsverfahren – also zum Beispiel der IRE – kaum Nebenwirkungen auf. Dabei entfernt die IRE den Krebs mit vergleichbarer Zuverlässigkeit wie die Operation. Allerdings werden durch Elektroporationsverfahren noch zusätzliche Immuneffekte ausgelöst, die das körpereigene Immunsystem anregen, Krebszellen im ganzen Körper zu identifizieren und abzutöten.
Die IRE ist ein interventionelles Verfahren, kommt also ohne OP aus. Es werden lediglich dünne Elektroden über den Beckenboden in die Prostata eingebracht, über die dann elektrische Impulse an das Gewebe abgegeben werden. Diese zerstören Zellen gezielt und selektiv. Andere Gewebeanteile, die nicht aus Zellen bestehen, etwa aus Fasern, bleiben erhalten. Es gibt allerdings verschiedene Elektroporationsverfrahren: IRE steht für Irreversible Elektroporation, was bedeutet, dass die behandelten Zellen irreversibel, also endgültig zerstört werden. Die reversible Elektroporation (RE) hingegen erzeugt nur vorübergehend Poren in Zellmembranen und tötet die Zellen nicht ab. Allerdings können die Poren genutzt werden, Medikamente in die geöffneten Zellen einzuschleusen. Das ist die Grundlage der Elektrochemotherapie (ECT), die wir auch einsetzen. Sie ist noch selektiver und schonender als die IRE.
Bei allen Elektroporationsbehandlungen besteht eine geringere Wahrscheinlichkeit für Nebenwirkungen als bei der operativen Entferung der Prostata, da essentielle anatomische Strukturen wie der Schließmuskel und das Gefäßnervenbündel, das für die Erektion zuständig ist, nicht beschädigt werden. Bei über 1.500 behandelten Patienten, auch mit fortgeschrittenen Tumoren, haben wir bei VITUS nie eine Inkontinenz ausgelöst und die Impotenzrate liegt unter zehn Prozent.
Leading Medicine Guide: Das klingt nach einem guten Verfahren. In der Behandlung von Brustkrebs beispielsweise entfernt man ja heute auch in den meisten Fällen nicht mehr die gesamte Brust. Bis zu welchem Stadium können Sie Prostatakarzinome mit dem IRE therapieren?
Prof. Dr. Michael Stehling: Wir können damit kleine Karzinome behandeln, aber genauso gut auch inoperable T4-Tumore, die sich schon in umliegende Organe ausgebreitet haben. Gerade auf Grund dieses breiten Behandlungsspektrums und der inzwischen über 1.500 erfolgreich behandelten Patienten gelten wir weltweit als führend auf diesem Gebiet. So bekommen wir beispielsweise von Prof. Mark Emberton aus London – einem der führenden Urologen weltweit – regelmäßig Patienten geschickt, die in London nicht mehr behandelt werden können.
Auch zur Behandlung von Rezidiven nach radikaler Prostatektomie und nach Strahlentherapie ist die IRE sehr gut geeignet. Nach einer vorausgegangenen Strahlentherapie ist das Gewebe so brüchig, dass weitere Eingriffe fast nicht mehr möglich sind. Die IRE dient hier oft als Problemlöser, mit der Rezidive im Bestrahlungsfeld fast nebenwirkungsfrei behandelt werden können. Das gilt auch für Prostatakarzinomrezidive nach einer Brachytherapie oder HiFU-Behandlung (High energy Focussed Ultrasound).
Ein weiterer genereller Vorteil der IRE ist die Tatsache, dass sie beliebig oft wiederholt werden kann. Das ist bei den gängigen Behandlungsverfahren für Prostatakrebs, wie der chirurgische Entfernung der Prostata, der Strahlen- und der Hormonentzugstherapie, nicht möglich: Sie können jeweils nur einmal angewendet werden.
Leading Medicine Guide: Ein großer Teil Ihrer Arbeit ist die umfassende Aufklärung, Sie nehmen sich für jeden Patienten ein bis zwei Stunden Zeit. Denn die Studienergebnisse bei Prostatakrebs zeigen, dass – kurzgefasst – die klassischen Therapien wie Operation und/oder Strahlenbehandlung bei gering aggressiven Prostatakarzinomen die Lebenserwartung nur selten – und bei aggressiven Karzinomen, nach den vorliegenden Statistiken, bei vielen Männern auch nicht erhöhen. Gleichzeitig haben die klassischen Behandlungen schwere Nebenwirkungen wie Erektionsstörungen, Impotenz und Inkontinenz.
Prof. Dr. Michael Stehling: Aus meiner Sicht ist hier viel Aufklärung nötig. Prostatakrebs ist enorm komplex. Und leider muss ich immer wieder feststellen, dass auch die breite Ärzteschaft oft wenig Ahnung davon hat, und schon gar nicht von medizinischen Fortschritten bei Diagnose- und Therapieverfahren.
Diese Probleme führen dazu, dass die meisten Patienten entweder unzureichend oder falsch über das Thema Prostatakrebs informiert sind. Manche sind in Panik, da man ihnen vermittelt hat, dass nach der Diagnose Prostatakrebs die Prostata sofort und ohne Verzögerung entfernt werden muss, um Metastasen und den Tod abzuwenden. Das ist natürlich kompletter Blödsinn. Prostatakrebs entwickelt sich extrem langsam. Die meisten Männer tragen das Prostatakarzinom fünf bis zehn Jahre mit sich herum, bevor es entdeckt wird. Die wichtigste Empfehlung an Männer mit der Diagnose Prostatakrebs ist: Sie haben Zeit, um sich gründlich zu informieren, zumeist Monate. Tatsächlich sterben die meisten Männer mit Prostatakrebs an Herzinfarkt, Schlaganfall oder anderen Krebserkrankungen – aber nicht an ihrem Prostatakarzinom! Und bei Männern mit einem niedriggradigen Karzinom ist meist überhaupt keine Behandlung notwendig. Die Wahrscheinlichkeit, an einem Gleason 6 Karzinom innerhalb der nächsten fünfzehn Jahre zu versterben, beträgt weniger als ein Prozent!
Es gibt also für Betroffene viel zu lernen und zu entscheiden. Das sollte nicht überstürzt werden. Und neben Methoden wie der IRE gibt es heute eine Reihe fortschrittlicher Therapieverfahren, wie z.B. die photodynamische Therapie, die Lutetium-177-Radioligandentherapie oder die Cyberknife-Bestrahlung (nicht mit NanoKnife® zu verwechseln), aber auch immuntherapeutische Verfahren, die je nach Situation eine effektive und schonende Behandlung ermöglichen. Meist müssen diese neueren Therapien jedoch von den Patienten selbst bezahlt werden. Nur langsam übernehmen private Krankenkassen beispielsweise die IRE-Behandlung.
Leading Medicine Guide: Mit dem VITUS Prostata Center und der VITUS Privatklinik können Sie also die Medizin machen, die Ihnen am Herzen liegt.
Prof. Dr. Michael Stehling: Genau, ich möchte gute Medizin machen. Dazu müssen Sie professionell sein und wissenschaftlich immer auf dem neuesten Stand bleiben. Sie müssen aber auch auf den Patienten eingehen, auf seinen Informationsstand, seine Sorgen und Bedenken. Und dann müssen Sie das Optimale für den Patienten tun, das passende Behandlungskonzept für ihn entwickeln und ihn mit den bestmöglichen Methoden behandeln.
Wir bedanken uns herzlich für diese hochinteressanten Einsichten in ein so wichtiges Feld der Medizin – und für den Blick auf die innovativen Lösungen, die uns die moderne Hochleistungsmedizin schon heute bietet. Wer direkten Kontakt mit Prof. Dr. med. Dr. phil. Dr. med. habil. Michael K. Stehling aufnehmen möchte, kann dies ganz einfach über seine Profilseite im Leading Medicine Guide tun.