Eine In-Vitro-Fertilisation (IVF) oder eine intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) werden umgangssprachlich auch als künstliche Befruchtung (assistierte Reproduktion) bezeichnet. Sowohl bei der In-Vitro-Fertilisation (IVF) als auch bei der intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) findet die Befruchtung nicht im Körper der Frau statt, sondern wird künstlich im Labor erzeugt. Beide Techniken sind Teil der sogenannten Reproduktionsmedizin. Eine künstliche Befruchtung stellt nach einer ausführlichen Sterilitätsdiagnostik für manche Paare die einzige Möglichkeit dar, das Thema Kinderlosigkeit anzugehen und ihren Kinderwunsch zu erfüllen.
Während zu Beginn der Reproduktionsmedizin die In-Vitro-Fertilisation zum Einsatz kam, wird mittlerweile in 75 Prozent der Fälle die intrazytoplasmatische Spermieninjektion angewendet. Bei der In-Vitro-Fertilisation werden Ei- und Samenzellen in einem Laborglas zusammengeführt. Im Gegensatz dazu wird bei der intrazytoplasmatischen Spermieninjektion eine einzelne Samenzelle mit einer sehr feinen Nadel direkt in eine Eizelle gespritzt (injiziert).
Während bei der In-Vitro-Fertilisation Eizelle und Spermien alleine zueinander finden müssen, erfolgt bei der intrazytoplasmatischen Spermieninjektion meist aufgrund von eingeschränkter Spermienqualität die Injektion der Samenzelle direkt in die Eizelle. Bei beiden Verfahren werden die Eizellen zuerst aus den Eierstöcken der Frau entnommen, nachdem zuvor eine Hormonbehandlung durchgeführt wurde. Nach gelungener Befruchtung und wenn sich die befruchtete Eizelle entwickelt, wird diese in die Gebärmutter übertragen.

Obgleich es verständlich ist, dass Paare, die sich ein Kind wünschen und es auf natürliche Weise bisher nicht bekommen haben, sich eine möglichst rasche Behandlung mittels künstlicher Befruchtung wünschen, sollten vor der künstlichen Befruchtung einige Untersuchungen stattfinden. In erster Linie sollte der Frage nachgegangen werden, warum es zu der „Fruchtbarkeitsstörung“ gekommen ist. Hierzu sind vor der künstlichen Befruchtung Fruchtbarkeitsuntersuchungen im Rahmen der Sterilitätsdiagnostik sowohl bei der Frau als auch beim Mann durchzuführen.
Voruntersuchungen bei der Frau
Diese beinhalten bei der Frau neben der Erhebung einer ausführlichen Krankengeschichte und einer eingehenden körperlichen Untersuchung in der Regel
- eine Ultraschalluntersuchung,
- Zyklusbeobachtungen,
- Hormonuntersuchungen aus dem Blut und
- unter Umständen eine Gebärmutter- beziehungsweise Bauchspiegelung.
Voruntersuchungen beim Mann
Beim Mann wird neben der Erhebung der Krankengeschichte und einer körperlichen Untersuchung der Samen untersucht (Spermiogramm). Es erfolgen bei Besonderheiten gegebenenfalls weitere Untersuchungen, wie
- Hormonuntersuchungen aus dem Blut
- und ein Ultraschall des Hodens.
Unter Umständen kann auch die Entnahme einer Gewebeprobe aus dem Hoden und Nebenhoden sinnvoll sein.
Aufklärung zur künstlichen Befruchtung
In jedem Fall sollte nach den Fruchtbarkeitsuntersuchungen und einer eingehenden Aufklärung zur künstlichen Befruchtung eine ausreichende Bedenkzeit eingeräumt und ausreichend Raum und Zeit für offene Fragen und Zweifel zur Verfügung gestellt werden. Es ist immer zu Bedenken, dass eine künstliche Befruchtung einen Eingriff in den weiblichen Körper darstellt.
Weitere Untersuchungen vor einer künstlichen Befruchtung
In jedem Fall sollten beide Partner vor der Entscheidung für eine künstliche Befruchtung einen HIV- und Hepatitis (B und C)-Test durchführen lassen. Bei der Frau ist wie vor jeder natürlichen Schwangerschaft auch im Rahmen einer künstlichen Befruchtung der Rötelnschutz abzuklären. Weitere Untersuchungen, die vor einer künstlichen Befruchtung sinnvoll sein könnten, sind Untersuchungen auf Toxoplasmose und Chlamydien.
Da für eine künstliche Befruchtung mittels der intrazytoplasmatischen Spermieninjektion pro gewonnener Eizelle nur jeweils eine Samenzelle erforderlich ist, bietet sich dieses Verfahren auch dann an, wenn die Fruchtbarkeit beim Mann stark beeinträchtigt ist. Bei der In-Vitro-Fertilisation hingegen braucht es mehrere Samenzellen, die überdies ihren „Weg“ in die Eizelle alleine finden müssen. Das bedeutet auch, dass vor der Entscheidung, ob als Verfahren der künstlichen Befruchtung die intrazytoplasmatische Spermieninjektion oder die In-Vitro-Fertilisation gewählt wird, ein Spermiogramm des Mannes angefertigt werden muss. Dieses beinhaltet Werte und Angaben bezüglich
- der Anzahl der Spermien in der Samenflüssigkeit,
- ihrer Form und Beweglichkeit,
- des pH-Wertes der Samenflüssigkeit sowie
- zahlreicher weiterer Eigenschaften.
Mittlerweile wird die intrazytoplasmatische Spermieninjektion aber wie gesagt nicht nur bei Fruchtbarkeitsstörungen des Mannes angewendet, sondern sie kann auch die bevorzugte Methode der künstlichen Befruchtung sein, wenn die In-Vitro-Fertilisation keinen Erfolg hatte (ausbleibende Befruchtung).
Hormonbehandlung und Eizellentnahme
Für eine künstliche Befruchtung - sei es mittels In-Vitro-Fertilisation (IVF) oder intrazytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI) – erfolgt eine hormonelle Stimulation der Eierstöcke, um auf diese Weise die Eierstöcke dazu anzuregen, mehrere Eibläschen (Follikel) gleichzeitig reifen zu lassen. Dies erhöht die Chancen, mehrere befruchtungsfähige Eizellen für die künstliche Befruchtung zu erhalten.
Damit ein vorzeitiger Eisprung während der hormonellen Stimulation verhindert wird, muss medikamentös die körpereigene Hormonausschüttung gebremst werden (Agonistenprotokoll mit sogenannter Downregulation ca. 14 Tage vor Beginn der Stimulation oder Antagonistenprotokoll mit parallelen Gaben des sogenannten Antagonisten ab dem ca. 6. Stimulationstag).
Während der Stimulationsbehandlung erfolgen Kontrolluntersuchungen, die dazu dienen, zu prüfen, ob eine oder mehrere Eizellen ausreichend herangereift sind. Ist dies der Fall, wird der Eisprung medikamentös ausgelöst. Ca. 36 Stunden danach werden die Eizellen aus den Eierstöcken entnommen. Dies erfolgt unter einer leichten Narkose oder Analgosedierung. Es handelt sich um einen ambulanten Eingriff, bei dem die Frau nach etwa zwei Stunden wieder nach Hause gehen kann.
Bereitstellung von Spermien für die künstliche Befruchtung
Für die künstliche Befruchtung der entnommenen Eizellen am Tag der Eizellentnahme selbst, sind eine oder mehrere Samenzellen erforderlich. Diese sollten möglichst „frisch“ sein, was bedeutet, dass der Mann am Tag der Eizellbefruchtung in einem speziellen Raum des Zentrums masturbiert. Alternativ kann er dies zu Hause tun, sofern die Entfernung zur Klinik nicht zu weit ist und zum Transport der Samenzellen ein spezielles Behältnis verwendet wird. Sollten beide Möglichkeiten nicht in Frage kommen, weil die Klinik zu weit entfernt ist und manche Männer nicht „auf Befehl“ masturbieren können, muss gemeinsam mit dem Arzt eine andere Lösung gefunden werden.
Bevor Samen- und Eizelle allerdings zusammengebracht werden (In-Vitro-Fertilisation) oder die Samenzelle in die Eizelle gespritzt wird (intrazytoplasmatische Spermieninjektion) muss die Samenflüssigkeit im Labor aufbereitet werden, um die Befruchtungsfähigkeit des Samens zu verbessern.

Samenspende für die künstliche Befruchtung
Ist der Mann unfruchtbar oder nur eingeschränkt zeugungsfähig und hatten alle bisherigen Versuche einer künstlichen Befruchtung keinen Erfolg, so kann die Übertragung von Spendersamen, sowohl im Rahmen einer In-Vitro-Fertilisation als auch im Rahmen einer intrazytoplasmatischen Spermieninjektion in Erwägung gezogen werden. Dies ist auch möglich, wenn der Partner an einer Erbkrankheit leidet, die nicht auf das Kind übertragen werden soll. In Deutschland werden als Samenspender nur Männer zwischen achtzehn und vierzig zugelassen, die körperlich und geistig gesund sind. Alle Spender werden auf Infektionskrankheiten hin untersucht (z.B. HIV, Hepatitis, Chlamydien).
Eine Samenspende kann aber nicht nur im Rahmen einer In-Vitro-Fertilisation oder einer intrazytoplasmatischen Spermieninjektion zum Einsatz kommen, sondern auch als sogenannte intrauterine Insemination, bei der der Spendersamen über einen dünnen Katheter in die Gebärmutter eingeführt wird.
Spendersamen für eine künstliche Befruchtung zu nehmen, ist mit zahlreichen Belastungen verbunden, weswegen neben der ausführlichen Aufklärung und Beratung durch Ärzte auch eine psychologische Beratung in Anspruch genommen werden kann. Ebenso sollte zuvor unter Hinzuziehung eines Juristen die rechtliche Seite geklärt werden. Es empfiehlt sich der Abschluss eines Behandlungsvertrages.
Künstliche Befruchtung im Labor
Nachdem die Eizellen entnommen wurden und der Samen aufbereitet wurde, bringt man beide zusammen (In-Vitro-Fertilisation) oder injiziert die Samen- in die Eizelle (intrazytoplasmatische Spermieninjektion). Danach werden die behandelten Eizellen im Brutschrank unter optimalen Bedingungen kultiviert. Nach ca. 24 Stunden wird man die Eizellen unter dem Mikroskop untersuchen und feststellen, ob jeweils eine Befruchtung eingetreten ist.
Sofern die Befruchtung Erfolg hatte, wird die befruchtete Eizelle nach 2-5 Tagen in die Gebärmutter übertragen. Bereits am Tag der Eizellentnahme wird mit dem Paar zusammen festgelegt, welche Dauer der Kultivierung im Brutschrank zu empfehlen ist und wieviele Eizellen übertragen werden sollen. Die Eizellen werden bei erfolgreicher Befruchtung zwei bis fünf Tage nach der Eizellentnahme mithilfe eines dünnen Katheters durch die Scheide in die Gebärmutter eingebracht – ein weitgehend schmerzloser Vorgang (Embryotransfer).
Mögliche weitere befruchtete Eizellen können tief gefroren (kryokonserviert) werden.Für den Fall, dass die Behandlung nicht erfolgreich war,können diese aufgetaut und als nächstes eingesetzt werden, ohne dass die ganze zuvor genannte Prozedur wiederholt werden müsste.
Schwangerschaftstest und Ultraschalluntersuchung
Etwa vierzehn Tage nach der Übertragung der befruchteten Eizellen in die Gebärmutter (Embryotransfer) lässt sich anhand des Schwangerschaftshormons (HCG) im Blut - wie bei jeder anderen Schwangerschaft auch – feststellen, ob die Behandlung erfolgreich war und eine Schwangerschaft begonnen hat. Und etwa weitere zwei Wochen später lässt sich mittels Ultraschall sagen, ob es sich um ein Kind handelt, dass im Mutterleib heranwächst oder um Zwillinge, beziehungsweise Mehrlinge.
Die Erfolgsaussichten einer künstlichen Befruchtung sind von unterschiedlichen Faktoren abhängig, wie beispielsweise
- der Art der Fruchtbarkeitsstörung,
- der Dauer der ungewollten Kinderlosigkeit,
- dem Alter der Frau und
- dem Alter des Mannes,
- der Anzahl der befruchteten Eizellen und
- den psychischen Belastungen vor und durch die Behandlung selbst sowie
- bestehende Erkrankungen des Mannes bzw. der Frau.
Pro Embryotransfer liegen die durchschnittlichen Geburtenraten bei der In-Vitro-Fertilisation als auch der intrazytoplasmatischen Spermieninjektion zwischen 22-24%. Pro Behandlungszyklus liegen die Geburtenraten bei ca. 20%, da es jeder zehnten Behandlung im Rahmen einer künstlichen Befruchtung erst gar nicht zu einer erfolgreichen Befruchtung kommt.
Nach einer künstlichen Befruchtung kommt es bei jeder zwölften Schwangerschaft zu einer kindlichen Fehlbildung, während es bei einer normalen Schwangerschaft bei jeder fünfzehnten Schwangerschaft zu einer kindlichen Fehlbildung kommt. Dies mag zum einen mit der künstlichen Befruchtung selbst in Zusammenhang stehen und zum anderen möglicherweise mit den Risikofaktoren, die die Eltern mitbringen und die eine natürliche Schwangerschaft verhindert haben.
Das Fehlbildungsrisiko ist bei der In-Vitro-Fertilisation etwas geringer als bei der intrazytoplasmatischen Spermieninjektion. Mögliche Fehlbildungen können Lippen- und Gaumenspalten, Herzfehler und Fehlbildungen von Magen- und Darmtrakt sein. Ebenso erhöht sich sowohl durch die In-Vitro-Fertilisation als auch durch die intrazytoplasmatische Spermieninjektion die Häufigkeit von Mehrlingsschwangerschaften, welche wiederum ein erhöhtes Risiko für eine Frühgeburt darstellen, welche mit einem größeren Risiko für körperliche und geistige Beeinträchtigungen einhergeht, wenn diese in einer sehr frühen Schwangerschaftswoche erfolgt.
Zudem ist zu bedenken, dass die Aussichten, durch künstliche Befruchtung ein Kind zu bekommen, mit fünfzehn bis zwanzig Prozent pro Versuch nicht gerade hoch sind und es sein kann, dass es mehrerer Zyklen bedarf, bis eine künstliche Befruchtung erfolgreich ist. Da jeder erneute Zyklus auch eine große Belastung darstellt, bedarf es bei einer künstlichen Befruchtung eines gewissen Durchhaltevermögens des Paares. Mitunter kann es hilfreich sein, nach einigen erfolglosen Versuchen eine Pause einzulegen, um ein wenig zu regenerieren.
Für eine erfolgreiche Einnistung des Embryos in die Gebärmutterschleimhaut muss der Embryo zunächst aus seiner schützenden Hüllmembran, der sogenannten Zona pellucida (Glashaut) schlüpfen. Dieser Einnistungsprozess kann in der Reproduktionsmedizin durch das sogenannte Assisted hatching unterstützt werden und stellt eine Art Schlüpfhilfe für den Embryo dar. Hierbei wird im Rahmen einer künstlichen Befruchtung das Verlassen der Zona pellucida erleichtert, indem man diese ausdünnt oder durchlöchert. Das „Assisted hatching“ kann mit einem Laser erfolgen, einer Glasnadel oder einer sogenannten enzymatischen Ausdünnung der Glashaut, wobei in der modernen Reproduktionsmedizin die Lasertechnik das Mittel der Wahl ist.
Auch wenn durch die Anwendung der präzisen Lasertechnik die Gefahr, den Embryo zu verletzen, gering ist, sollte vor dem Einsatz des Verfahrens im Rahmen einer künstlichen Befruchtung eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen. Ein möglicher Einsatzbereich des „Assisted hatching“ könnte im Rahmen der künstlichen Befruchtung bei Paaren liegen, die bereits mehrere erfolglose Behandlungszyklen mit IVF oder ICSI durchlaufen haben.
Im Rahmen der künstlichen Befruchtung wird durch eine hormonelle Behandlung das Heranreifen mehrerer Follikel in einem Zyklus ermöglicht. Nach der Follikelpunktion werden dann alle gewonnenen Eizellen für die Spermieninjektionen (ICSI) oder Eizellinsemination (IVF) verwendet. Sollten am nächsten Tag mehr Eizellen befruchtet sein, als für den Transfer vorgesehen sind, so können diese überzähligen Vorkernstadien kryokonserviert werden. Hierdurch kann der Patientin eine weitere Stimulation und Eizellentnahme (Follikelpunktion) ggf. erspart werden.