Das Immunsystem ist die beste Waffe zur Bekämpfung von Keimen und Krebszellen. Tumorzellen und pathogene Zellen sind jedoch sehr erfinderisch, wenn es darum geht, die Immunabwehr des Organismus zu umgehen.
- Zu den bösartigsten Gehirntumoren zählen die Glioblastome, da sie sich durch ein aggressives Wachstum und therapieresistente Stammzellen auszeichnen. Neuroimmunologische Forscher fanden heraus, dass sich Glioblastome vor dem körpereigenen Abwehrsystem verstecken können. Das Immunsystem greift nicht und kann daher den Tumor nicht bekämpfen. Neuroimmunologen setzen bei der Therapie von Hirntumoren hier an. Sie versuchen, das Immunsystem gezielt zu aktivieren.
- Die Neuroimmunologie untersucht die Mechanismen, die sich hinter dem Verhalten der Zellen des Zentralnervensystems stecken. Die Neuroimmunologie untersucht, welchen Einfluss das ZNS auf das Immunsystem hat und wie die Wechselwirkungen zwischen beiden Systemen sind.
- Ein weiterer Schwerpunkt der Neuroimmunologie ist die Erforschung der Multiplen Sklerose.
- Ebenfalls untersucht sie die Immunologie von Hirntumoren, die eng mit der Neuropathologie und Neuroradiologie zusammenhängt.
Durch den Zusammenschluss der beiden Fachgebiete Allgemeine Neurologie und Neuroonkologie kann die Patientenversorgung insgesamt deutlich verbessert werden.
Ziele der neuroimmunologischen Forschung:
- Verbesserung der Diagnose von neuroimmunologischen Erkrankungen
- Verbesserung der Therapie und der Etablierung neuer Konzepte
- Identifizierung von Autoantikörper-Markern
Die Neuroimmunologie gehört zur klinischen Neurologie und entwickelt sich extrem dynamisch. Fachärzte für Neuroimmunologie sind Neurologen. In neurologischen Zentren wie Kopfschmerzzentren, Multiple-Sklerose-Zentren, Epilepsiezentren oder Schlaganfallzentren arbeiten sie eng mit Spezialisten anderer Fachrichtungen zusammen.
Die neuroimmunologische Therapie konzentriert sich auf Patienten mit fehlregulierten Immunsystem. Es handelt sich um autoimmune Krankheitsbilder. Dazu gehören Multiple Sklerose (MS), Immunneuropathien und entzündliche Myopathien.
Dank langjähriger Forschung verstehen Mediziner heute viel besser, wie Autoimmunerkrankungen entstehen. Es gibt viele Ursachen, auch genetische.
- Bekannt ist, dass die familiäre Veranlagung bei Morbus Crohn, Rheuma und Multipler Sklerose eine wichtige Rolle spielt.
- Ebenso beeinflussen Ernährung, Lebensstil und Umweltfaktoren das Ausbrechen einer Autoimmunerkrankung.
- Auch chemische Stoffe können die Immunabwehr stören.
- Häufig bricht die Krankheit in angespannten oder ereignisreichen Lebensphasen aus. Dann bildet das eigene Immunsystem Autoantikörper, die Antigene entwickeln, die sich gegen gesunde Körperzellen richten.
Die Bestimmung der Autoantikörper ist für die Diagnose einer Autoimmunerkrankung essentiell. Denn häufig sind sie schon viele Jahre vor Ausbruch der Krankheit nachweisbar.
Die Entschlüsselung von Immunreaktionen im Körper hat auch neue Erkenntnisse in der Krebsforschung gebracht.
Multiple Sklerose (Enzephalomyelitis disseminata) ist eine chronische-entzündliche Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems. MS verläuft von Patient zu Patient sehr unterschiedlich, schreitet aber immer fort.
Normalerweise hat das Immunsystem die Aufgabe, fremde Stoffe wie Viren und Bakterien abzuwehren. Bei einer Autoimmunerkrankung richtet sich das Immunsystem vereinfacht gesagt gegen den eigenen Körper. Bei MS kommt es im Gehirn und im Rückenmark zu Entzündungen an den Nervenfasern.
Infolge der Entzündungen werden Botenstoffe nicht mehr richtig übertragen. Treten mehrere Entzündungsherde rasch hintereinander auf, spricht man von einem Schub. Die akuten Beschwerden klingen nach einigen Stunden oder Tagen wieder ab. Das entzündete Gewebe vernarbt.
Neben der schubweisen Multiplen Sklerose gibt es auch eine schleichende MS. Hier zeigt sich eine schleichende Verschlechterung ohne Schübe.
Multiple Sklerose ist die häufigste chronische-entzündliche Erkrankung bei jungen Erwachsenen. Patienten zeigen Symptome wie schlechte Koordination, Lähmungen in den Extremitäten sowie Gefühls- und Sehstörungen.
Mittlerweile gibt es viele Medikamente, die den Krankheitsverlauf günstig beeinflussen. Der Therapieerfolg hängt jedoch von der Art der Krankheit ab. Die schleichende Variante ist nur schwer zu behandeln.
Multiple Sklerose ist bisher nicht heilbar. Therapien helfen, das Fortschreiten der Erkrankung zu bremsen @ freshidea /AdobeStock
Zur Diagnose zieht man neben der Kernspintomographie auch neurophysiologische Verfahren heran.
Seit einigen Jahren kann man so den Aquaporin-4-Antikörper nachweisen und die Multiple Sklerose gegen die ähnliche Euromyelitis optica abgrenzen. Ein für die MS typischer Befund in der Kernspintomographie ist das RIS (radiologisch isoliertes Syndrom). Es zeigt noch keine klinischen Symptome, ist aber bei der Untersuchung nachweisbar.
Erst das klinisch isolierte Syndrom (KIS) zeigt die typischen, aktiven Entzündungsherde. Bei der Therapie mit Interferonen (Immunmodulation) sind pharmakologische Substanzen (Medikamente) in der Lage, das Immunsystem zu beeinflussen. Sie nehmen Einfluss auf die Immunantwort des Körpers genauso wie physikalische Reize (Wärme und Kälte).
Ärzte verabreichen immunmodulierende Substanzen häufig in Kombinationstherapien. Patienten müssen zusätzlich eine intensive Physiotherapie durchführen. Sich dafür zu motivieren, fällt vielen schwer, da sie sich häufig schwach und müde fühlen.
Multiple Sklerose: Das Immunsystem greift Nervenfasern in Gehirn und Rückenmark an @ designua /AdobeStock
Zur Abklärung der Symptome wenden die Mediziner elektrophysiologische, klinisch-chemische und molekularbiologische Analyseverfahren an.
Bei der Therapie kommen diverse Immuntherapeutika sowie symptomabhängige Behandlungsverfahren zum Einsatz.
Ziel ist immer die neuroprotektive Therapie, die den Schutz von Nervenzellen verfolgt. Dazu zählen ambulante Therapien wie die tiefe Hirnstimulation, Infusionen und Baclofenpumpen. Die Baclofenpumpe ist ein Implantat, das Arzneimitteln in den Rückenmarkskanal abgibt. Diese Pumpe wird unter Vollnarkose implantiert.
Autoimmunerkrankungen sind nicht heilbar, können aber einen deutlich milderen Verlauf annehmen. Vor allem durch die Erkenntnisse der Neuroimmunologie sind Behandlungserfolge nachweisbar.
Bei Multipler Sklerose greift das Immunsystem die Schutzschicht der einzelnen Nervenfasern an. Das Immunsystem ist für die Schübe verantwortlich, gegen die der Arzt antientzündliche Medikamente verschreibt. Die schubartige Multiple Sklerose ist die häufigste Form von MS.
Die seltenere und schleichende MS lässt sich weniger gut therapieren. Trotzdem ist eine schnelle Behandlung wichtig, da hier Nervenzellen absterben. Je besser die individuelle Betreuung, desto positiver die Prognose.
Eine neue Therapiemethode scheint momentan sehr vielversprechend: Die Reparatur der angegriffenen Nervenfasern. Bei Mäuseversuchen konnten Experten nachweisen, dass die Myelinschicht schneller nachwächst, wenn Mäuse das Protein Lingo erhalten haben.