Zellen erneuern sich im menschlichen Körper ununterbrochen. Sie sterben ab, neue wachsen nach. Die natürliche Zellerneuerungs-Geschwindigkeit ist bei Kindern besonders hoch und nimmt bei Erwachsenen konstant ab. Erneuern sich Zellen nicht mehr in ausreichendem Tempo, führt das zu gesundheitlichen Problemen. Ein anschauliches Beispiel ist die verzögerte Wundheilung bei älteren Patienten.
Das therapeutische Ziel bei derartigen Prozessen ist, das natürliche Zellwachstum zu beschleunigen, um eine Heilung von Gewebeschäden herbeizuführen. Damit beschäftigt sich die Proliferationstherapie. Der Begriff „Proliferation“ bezeichnet die Neubildung von Zellen. Bei der Proliferationstherapie bezieht sich das angestrebte Wachstum neuer Zellen vorrangig auf das Gewebe rund um die Gelenke.
Die Proliferationstherapie besteht aus Injektionen mit Glukoselösung. Bei Glukose handelt es sich um einfachen Zucker, der auf natürliche Weise im menschlichen Körper vorkommt. Die 20-prozentige Glukoselösung, die die Proliferationstherapie verwendet, enthält eine höhere Konzentration als normalerweise im Körper vorkommt.
Die Glukoselösung erzeugt an der Injektionsstelle eine minimale Entzündung, die der Körper durch das Erschaffen neuer Zellen bekämpft.
Die Stimulierung des Zellwachstums durch das Spritzen von Glukose stellt eine sehr geringe Belastung für den Körper dar. Glukose lässt sich leichter abbauen als die meisten Medikamente. Deswegen ziehen Patienten und Ärzte die Proliferationstherapie einer konventionellen Behandlung (Cortisonspritzen) vor.
Die Proliferationstherapie findet überall dort Anwendung, wo Gelenke durch einen Rückgang oder eine Verletzung instabil sind. Hauptsächlich bei dünn gewordenen Knorpeln und Bändern, die nicht stabil genug sind, um dem Gelenk Halt zu geben.
Durch die Instabilität der Gelenke kommt es zu chronischen Schmerzen und Blockaden.
Am häufigsten wählen Patienten die Proliferationstherapie für folgende Krankheitsbilder:
- Fibromyalgie
- Sehnenprobleme wie beim Tennisellenbogen oder der Achillesferse
- Schmerzende Gelenke im Zusammenhang mit Arthrosen
- Erkrankungen der Hals- und Lendenwirbelsäule
- Diverse Arten von Rückenschmerzen
- Kopfschmerzen in Folge von Nackenproblemen
- Folgen von Verletzungen
- Altersbedingte Verschleißerscheinungen sämtlicher Gelenke, beziehungsweise deren Vorbeugung
- Schleudertrauma
- Ehlers-Danlos-Syndrom
Die Prolotherapie ist ein regenerierendes Verfahren zur Behandlung von Schmerzen aufgrund geschwächter Gelenke, Sehnen, Bänder und Nerven @ HENADZY /AdobeStock
Vor der Proliferationstherapie sind eingehende Untersuchungen nötig. Ein erfahrener Arzt erkennt durch Abtasten eine schadhafte Gewebestruktur. Einfache Funktionstests kommen zur Anwendung.
Dabei bewegt er das fragliche Gelenk, um festzustellen, wie weit die Mobilität vom Normalzustand abweicht. Die Mobilität kann eingeschränkt oder überbeweglich sein.
In manchen Fällen sind weitere Untersuchungen mit bildgebenden Verfahren wie Röntgen oder MRT nötig. Oft dienen sie dazu, andere Krankheitsursachen auszuschließen.
Sind die Voruntersuchungen abgeschlossen, lässt sich das Ergebnis zusätzlich absichern: Lässt der Schmerz Schmerz nach der Injektion eines Schmerzmittels an der fraglichen Stelle nach, ist das Gewebe richtig lokalisiert.
Nun beginnt die Proliferationstherapie. Im Abstand von etwa einer Woche erhält der Patient Spritzen mit Glukoselösung an der zuvor bestimmten Stelle. Üblich sind bis zu sechs Injektionen im Rahmen einer Behandlung.
In den meisten Fällen stellen sich 24 bis 48 Stunden nach den Injektionen mit Glukose Schmerzen ein. Der Schmerz kommt von der absichtlich herbeigeführten lokal begrenzten Entzündung, die das Wachstum neuer Zellen anregen.
Patienten dürfen ein Schmerzmittel einnehmen. Wichtig ist aber, dass das Medikament keine entzündungshemmenden Wirkstoffe enthält. Da die zellstimulierende Reaktion auf die Blutgerinnung am Ort der Injektion wirkt, sind gerinnungshemmende Wirkstoffe zu vermeiden. Schmerzmittel wie Ibuprofen oder Acetylsalicylsäure sind nicht zu empfehlen.
Das behandelte Gelenk selbst ist nach dem Spritzen zu schonen, aber nicht ruhig zu halten. Moderate Bewegung, am besten unter fachkundiger Anleitung eines Physiotherapeuten, ist hilfreich.
Die bei der Proliferationstherapie verwendete Glukoselösung ist dem menschlichen Körper bekannt. Deswegen kommen keine allergischen Reaktionen oder Unverträglichkeiten vor, nicht aber auf das lokal wirkende Betäubungsmittel.
Möglich sind Reaktionen, die im Zusammenhang mit Spritzen auftreten können:
- Lokale Infektionen an der Einstichstelle
- Blutungen
- Verletzungen des umliegenden Gewebes
Die Proliferationstherapie ist eine experimentelle Therapie, die Ärzte in den USA schon länger praktizieren als in Europa. Bisher gibt es keine wissenschaftlich gesicherte Prognose zum Behandlungserfolg. Patientenmeinungen zufolge stellte sich in den USA bei rund 90 Prozent der Patienten die gewünschte Besserung ein.
Wenn Sie Probleme mit schmerzenden Gelenken, Bändern und Sehnen haben, ist eine Proliferationstherapie eventuell die passende Lösung für Sie.
Die konventionelle Behandlung besteht oft in der Einnahme von Schmerzmitteln, die keine heilende Wirkung haben. Sie lösen das Problem nicht. Hinzu kombinieren viele Ärzte noch Cortison mit all seinen bekannten Nebenwirkungen.
Die Prolotherapie ist eine schonende Variante, die eine dauerhafte Verbesserung erreicht. Die Prolotherapie eignet sich nicht bei Gewebestrukturen, die an einer Stelle sitzen, wo eine Injektion risikoreich ist. Solche Punkte wären direkt an der Wirbelsäule.
Diese Fragen bespricht Ihr Therapeut ausführlich mit Ihnen. Erscheint das Risiko zu groß, wird er Ihnen von der Proliferationstherapie abraten.