Evolutionär gesehen ist die Wirbelsäule im Bauplan der Natur für das Laufen auf vier Beinen vorgesehen. Der Rücken ist noch nicht optimal an den aufrechten Gang des Menschen angepasst.
Wir belasten die Wirbelsäule beim aufrechten Gang durch das Körpergewicht in Längsrichtung von oben nach unten.
Beim Tragen und Heben von Lasten wirken zusätzliche Hebelkräfte auf die Wirbelsäule und die Bandscheiben ein.
Besonders beansprucht sind die Bandscheiben dort, wo ein beweglicher Wirbelsäulenabschnitt in einen weniger beweglichen Abschnitt übergeht: Halswirbel - Brustwirbel und Lendenwirbel - Kreuzbein.
Eine Bandscheibe besteht aus einem Faserring und dem elastischen Kern. Schon sehr früh entstehen kleinere Einrisse im Faserring, der Kern verliert Elastizität und Volumen.
Schließlich kann der Faserring komplett einreißen. Das Kernmaterial und die Faserringanteile dringen als Bandscheibenvorfall nach außen.
Dieser Verschleiß bzw. die Degeneration der Bandscheiben beginnt häufig schon um das 20. Lebensjahr.
Die am stärksten belasteten Bandscheiben der unteren Lendenwirbelsäule sind besonders betroffen, aber auch die mittlere und untere Halswirbelsäule. Im 40. Lebensjahr sind diese Prozesse häufig schon sehr weit fortgeschritten.
Weicht die Form der Wirbelsäule von der Doppel-S-Form deutlich ab oder bei starker Biegungen zur Seite, bestehen örtliche Belastungsspitzen.
Weitere Risikofaktoren für einen vorzeitigen Verschleiß sind:
- starkes Hohlkreuz
- zu starke Krümmung der Brustwirbelsäule (Kyphose) oder
- kräftige Seitausbiegung (Skoliose)
Durch fortschreitenden Verschleiß verliert die Bandscheibe ihre Pufferfunktion und sinkt zusammen.
Die an den Dornfortsätzen und den hinteren Bögen ansetzende Rückenstreckmuskulatur versucht dann, die Wirbelsäule aufzurichten.
Die Muskeln verkrampfen sich und es entstehen Blockierungen, die Rückenschmerzen verursachen. Diese Blockierungen lösen sich nur mühsam wieder auf.
Rückenschmerzen treten häufig im unteren Teil des Rückens auf © BigBlueStudio | AdobeStock
Je aufgelockerter das Bandscheibengewebe ist, desto instabiler wird der Wirbelsäulenabschnitt.
Die Rückenschmerzen treten erst gelegentlich auf, manchmal intensiv und hochakut (Hexenschuss). Sie klingen wieder ab, wiederholen sich dann öfter und schließlich kann es zu Dauerschmerzen kommen.
Rückenschmerzen durch eine Wirbelgelenkarthrose
Die Last der Aufrichtung der Wirbelsäule ruht auf den Wirbelgelenken. Diese sind beim Verschleiß der Bandscheiben zunehmend be- und überlastet.
Ein langfristig überlastetes Gelenk nutzt sich ebenfalls ab. Es entsteht eine Arthrose. Sie kann schließlich nach Belastung und auch in Ruhe schmerzen.
Die zunehmende Lockerung der Bandscheiben lässt sich durch einen natürlichen Reparaturmechanismus ausgleichen.
Um die zerschlissenen Bandscheiben herum entstehen Kalkeinlagerungen in den verbindenden Bandstrukturen. Sie bilden Spangen, um den gelockerten Bandscheibenzwischenraum zu überbrücken.
Die Instabilität weicht einer wieder zunehmenden Stabilität. Die Wirbelsäule verliert zwar einen Teil ihrer Beweglichkeit, gewinnt dafür aber deutlich an Belastbarkeit.
Die ermüdbare und häufig schmerzende Haltemuskulatur ist entlastet, die Rückenschmerzen lassen nach.
Darstellung des Gelenkverschleißes an der Wirbelsäule © bilderzwerg | AdobeStock
Rückenschmerzen durch einen Bandscheibenvorfall
Besonders intensive Rückenschmerzen entstehen, wenn es durch einen Bandscheibenvorfall zum Druck auf eine Nervenwurzel kommt.
Die Wirbelsäule umschließt den Rückenmarkskanal mit dem Rückenmark und den Nervenwurzeln. Auf Höhe jeder Bandscheibe verlässt nach beiden Seiten je eine Nervenwurzel den Rückenmarkskanal.
Sie zieht durch den Nervenkanal, der aus folgenden Strukturen besteht:
- Wirbelbogenwurzel
- Wirbelkörperhinterkante
- Bandscheibe und
- Gelenkfortsätze
Die Nervenwurzeln versorgen Arme, Rumpf und Beine. Sowohl die Informationen über die Gefühlsqualitäten wie auch Impulse für die Steuerung der Muskeln laufen durch diese Nervenbahnen.
Kommt es in diesem Bereich zu einer Bandscheibenvorwölbung oder einem Vorfall, können folgende Beschwerden auftreten:
- Schmerzen
- Gefühlsstörungen und
- Muskelschwächen
Verschiedene Schweregrade eines Bandscheibenvorfalls © bilderzwerg | AdobeStock
Entstehung des Wurzelreizsyndrom
Im unteren Lendenbereich entsteht durch die Reizung der Wurzeln des Ischiasnervs die Ischialgie. Durch Dehnung des Nervs (durch Anheben des gestreckten Beines aus der Rückenlage) entsteht ein Schmerz im Verlauf des Ischiasnervs.
Bei stärkerem Druck im Nervenkanal treten Missempfindungen im Fußes und am Unter- und Oberschenkel auf. Teilbereiche sind dann gefühllos oder überempfindlich. Schließlich verlieren die Muskeln ihre Kraft.
An der unteren Halswirbelsäule strahlen Schmerzen und Gefühlsstörungen in den Arm bis in die Hand aus. Auch umschriebene Muskelschwächen können auftreten.
Bei akuten Rückenschmerzen ist zunächst Entlastung und Schmerzbekämpfung notwendig.
Sinnvoll sind:
- entspannende Rücken- oder Seitenlagerung mit gebeugten Beinen zur Entlastung der gereizten Ischiasnerven,
- Wärme für die verkrampfte Rückenmuskulatur (Wärmflasche, Heizkissen, erwärmter Körnersack)
- Ergänzend sind Medikamente zur Schmerzlinderung und Abschwellung notwendig.
Lassen die akuten Rückenschmerzen nicht nach, treten Gefühlsstörungen oder Muskellähmungen auf. Es empfiehlt sich, einen Arzt aufzusuchen.
Bei Störungen der Blasen- oder Darmkontrolle ist schnelles Handeln erforderlich. Die stationäre Aufnahme in einer operativen Krankenhausabteilung für Neurochirurgie oder Wirbelsäulenorthopädie könnte erforderlich sein.
Operation bei Rückenschmerzen
Eine Operation ist nur dann erforderlich, wenn ein kräftiger Vorfall zu einer Störung der Blasen- und Darmkontrolle vorliegt.
Treten hier Störungen oder Kontrollverluste auf, ist kurzfristiges Handeln notwendig.
Eine Operation ist sinnvoll, wenn:
- die ins Bein ausstrahlenden Schmerzen (Ischias) nicht nachlassen und
- der Ausfall der Gefühlsqualitäten und insbesondere die Muskelschwäche, Tage und Wochen bestehen.
Bei einer Bandscheibenoperation entfernen Ärzte von einem kleinen Schnitt am Rücken aus das vorgefallene Bandscheibenmaterial. So können sie die Nervenwurzel entlasten.
Zusätzlich entfernen sie aus dem zugehörigen Bandscheibenzwischenraum lockeres Material. Nach einigen Wochen bildet sich Narbengewebe im Bandscheibenzwischenraum.
Die Belastbarkeit der Wirbelsäule nimmt wieder zu.
Medikamente gegen Rückenschmerzen
Medikamente für Rheumaschmerzen sind besonders wirksam, wie:
- Ibuprofen
- Diclofenac oder
- Coxibe
Sie lindern den Schmerz und führen im Bereich der Nervenwurzeln zu einer Abschwellung. Oft spritzen Ärzte diese Medikamente auch in Kombination mit Kortison in den Muskel.
Bei einer solchen Spritze in den Gesäßmuskel besteht immer die Gefahr, dass der Ischiasnerv selbst langfristig Schaden nimmt. Dies kann vorkommen, wenn der Arzt das Medikament versehentlich in den Nerv selbst spritzt.
Sitz des Ischiasnerven (rot) © Nathan Devery com | AdobeStock
Bei akuten Rückenschmerzen, die auf Schmerztabletten nicht ansprechen, ist die örtliche Betäubung der Nerven am Bandscheibenvorfall nötig. Sie erfolgt durch Umspritzung mit einem örtlichen Betäubungsmittel.
Machen Sie Ihren Rücken stark! Erhalten bzw. verbessern Sie die Muskelkraft der Wirbelsäule, um eine dynamische Steuerung und Stabilisierung zu ermöglichen. Dafür ist es wichtig, trotz Rückenschmerzen in Bewegung zu bleiben.
Ungeeignet sind jedoch:
- Übungen, die kraftvoll die Beweglichkeit erzwingen
- Spitzenbelastungen durch Springen oder Stoßen sowie
- Sportarten, die plötzliche Ausweichbewegungen erfordern (Kampfsportarten, Handball, Fußball)
Schwimmen, Rad fahren, oder auch Nordic Walking sind sinnvoll. Wichtige Tipps und Informationen über den Umgang mit Rückenschmerzen erhalten Sie in der Rückenschule.
Motivation sich zu bewegen, ohne sich zu überlasten, vermittelt das Funktionstraining der Rheuma-Liga.
Bleiben Sie locker! Schmerzen und Ängste verstärken sich gegenseitig. Techniken der Entspannung, wie autogenes Training oder progressive Muskelentspannung nach Jacobsen oder ein Schmerzbewältigungstraining sind oft hilfreich.
Auch eine individuelle psychotherapeutische Behandlung kann Stress mindern.
Wenn es um Schmerzen oder Beschwerden am Rücken geht, ist in der Regel ein orthopädischer Facharzt der erste Ansprechpartner. Gibt es Hinweise, dass die Nerven des Rückenmarks betroffen sind, kann es auch sinnvoll sein, einen Neurologen aufzusuchen.
Rückenspezialisten sind in der Regel Mitglied in Fachgesellschaften, beispielsweise der Deutschen Wirbelsäulengesellschaft.
In vielen Städten gibt es auch spezielle Wirbelsäulen- oder Rückenzentren.
Dort arbeiten:
Sie arbeiten Hand in Hand, um Patienten Diagnose, Therapie und Rehabilitation an einem Ort zu bieten.
Vor allem bei unspezifischen Rückenschmerzen, für die Ärzte keine Ursache finden, ist der Einsatz alternativer Heilmethoden möglich.
Osteopathen, Chiropraktiker oder Heiltechniken der traditionell chinesischen Medizin lindern unter Umständen die Beschwerden.