Schmerzmittelabhängigkeit - Spezialisten und Informationen

05.01.2022
Leading Medicine Guide Redaktion
Autor des Fachartikels
Leading Medicine Guide Redaktion

Nicht nur Alkohol und Drogen können süchtig machen, auch Medikamente können zu einer Abhängigkeit führen. Eine Schmerzmittelabhängigkeit entwickelt sich zum Beispiel bei langfristiger Einnahme oder zu hoher Dosierung eines bestimmten Schmerzmittels. Die Betroffenen verspüren dann ein kaum beherrschbares Verlangen nach der Arznei. Alles Wissenswerte zur Schmerzmittelabhängigkeit lesen Sie im folgenden Artikel. Finden Sie außerdem ausgewählte Spezialisten für die Behandlung einer Schmerzmittelabhängigkeit.

ICD-Codes für diese Krankheit: F55

Empfohlene Spezialisten für Schmerzmittelabhängigkeit

Artikelübersicht

Definition: Was ist eine Schmerzmittelabhängigkeit?

Eine Schmerzmittelabhängigkeit, auch Schmerzmittelsucht genannt, meint die Abhängigkeit von Medikamenten gegen Schmerzen. Fachsprachlich Analgetika genannt, teilen Experten diese Medikamentengruppe in drei Kategorien ein:

  • Opioide Analgetika
  • Nicht-opioide Analgetika
  • Cannabinoide

In Deutschland spielen vor allem opioide und nicht-opioide Analgetika eine Rolle. Zu den nicht-opioiden Analgetika gehören beispielsweise

  • Ibuprofen,
  • Paracetamol,
  • ASS oder
  • Diclofenac,

die (in niedriger Dosis) rezeptfrei in der Apotheke erhältlich sind. Zu den opioiden Schmerzmitteln, die verschreibungspflichtig sind und zum Teil dem Betäubungsmittelgesetz unterliegen, gehören

  • Morphin,
  • Tramadol,
  • Oxycodon,
  • Tilidin und
  • Fentanyl.

Die drei Gruppen von Schmerzmitteln entfalten unterschiedliche Wirkung. So basiert die Wirksamkeit von Ibuprofen vor allem auf der Blockade von Enzymtätigkeiten. Opioid-Schmerzmittel dagegen binden an bestimmte Rezeptoren im zentralen Nervensystem an und beeinflussen so das chemische Gleichgewicht im Gehirn. Parallel zu ihren schmerzstillenden Eigenschaften haben Opiate daher auch eine psychoaktive Wirkung und rufen euphorisierende Effekte hervor. Dies erhöht das Suchtpotenzial dieser Medikamente und damit die Gefahr des Missbrauchs.

Rund 16 Millionen Deutsche nutzen regelmäßig rezeptfreie Schmerzmittel. Doch auch die Zahl verschreibungspflichtiger Medikamente steigt: Bei den Opioiden ist die verordnete Menge allein zwischen 2006 und 2015 um etwa ein Drittel gestiegen. Süchtig nach Medikamenten sind hierzulande rund 1,9 Millionen Menschen. Neben der Schmerzmittelabhängigkeit spielt auch die Abhängigkeit von Benzodiazepinen, also Schlafmitteln, eine große Rolle in unserer Gesellschaft.

Symptome einer Schmerzmittelabhängigkeit

Eine Schmerzmittelabhängigkeit stellt sich in der Regel schleichend ein und wird daher häufig erst dann entdeckt, wenn es bereits zu spät ist. Durch das Absetzen der betreffenden Medikamente entwickeln die Betroffenen körperliche und/oder psychische Entzugserscheinungen. Eine weitere Ursache für die Sucht - beziehungsweise ein verstärkender Faktor - ist die missbräuchliche Nutzung eines Medikaments.

Hinsichtlich der Symptome lässt sich zwischen zwei Arten der Schmerzmittelsucht unterscheiden. Denn Menschen, die starke Opioide einnehmen, leiden meist bereits nach wenigen Wochen oder sogar Tagen an einer psychischen und körperlichen Abhängigkeit.

Ist jemand von leichten Schmerzmitteln wie Ibuprofen abhängig, kommt es üblicherweise nicht zu schwerwiegenden körperlichen Symptomen. Die Sucht macht sich eher im Rahmen einer psychischen Abhängigkeit bemerkbar. Die Betroffene sind überzeugt, dass sie die Schmerzen ohne das Medikament nicht aushalten können beziehungsweise dass die Schmerzen sofort zurückkehren werden. Aus diesem Grund nehmen sie die entsprechenden Präparate - ohne medizinische Indikation - weiter.

Die Sucht nach Opiaten dagegen äußert sich anhand verschiedener, gravierender psychischer und physischer Symptome. So entwickeln Betroffene zum Beispiel körperliche Entzugserscheinungen wie

wenn sie sie die Dosis herabsetzen. Psychische Entzugserscheinungen können sich in

äußern. Betroffene, die die Schmerzmittel absetzen oder einen Entzug beginnen wollen, sollten dies daher stets unter ärztlicher Aufsicht tun.

Eine Medikamentensucht lässt sich auch daran erkennen, dass die jeweilige Person die regelmäßige Einnahme der Medikamente immer stärker fokussiert. Schon der Gedanke, einmal auf die Einnahme verzichten zu müssen, kann dann Angst und Panik auslösen. Häufig erhöhen die Betroffenen die tägliche Dosis eigenmächtig oder suchen sich einen Arzt, der ihnen eine höhere Dosis verordnet. Körperliche und psychische Nebenwirkungen reden sie klein, um die Tabletteneinnahme nicht beenden zu müssen. Bis Schmerzmittelabhängige sich eingestehen, dass ihr Medikamentenkonsum ungesund ist, hat sich die Sucht meist schon so weit entwickelt, dass der einzige Ausweg ein Entzug ist.

Ursachen und Risikofaktoren für die Entstehung einer Schmerzmittelabhängigkiet

Meist ist die dauerhafte Einnahme von verschreibungspflichtigen Opioiden für die Schmerzmittelabhängigkeit verantwortlich. Denn: Sie werden nicht gleich süchtig, weil sie ab und zu Schmerzmittel wie Ibuprofen oder Paracetamol verwenden, um zum Beispiel Kopfschmerzen zu vertreiben. Bei Mitteln wie Oxycodon oder Fentanyl sieht das schon anders aus: Diese Präparate machen bei Langzeit-Gebrauch auch schon in niedrigen Dosen abhängig.

Um den Einfluss der Schmerzmittel auf die Konzentration der Botenstoffe im Gehirn gering zu halten, sollten sie nur für kurze Zeit und in möglichst niedriger Dosierung eingenommen werden. Andernfalls stuft das Gehirn ihre schmerzstillende Wirkung und die ausgelösten euphorischen Gefühle als Belohnung ein.

Dies wiederum führt dazu, dass das Gehirn ein sogenanntes "Suchtgedächtnis" ausbildet und immer wieder nach dieser Belohnung verlangt. Wenn diese ausbleibt, reagieren Körper und Psyche mit Entzugserscheinungen. Gewöhnt sich das Gehirn dagegen an die Belohnung, haben die Betroffenen das Bedürfnis, höhere Dosen einzunehmen um die wahrgenommene Wirkung zu erhalten.

Ein Gewöhnungseffekt kann auch bei harmloseren Schmerzmitteln und Wirkstoffen wie Ibuprofen, Paracetamol oder ASS eintreten. Die Mittel lösen irgendwann nicht mehr dieselbe Wirkung aus: Während anfangs noch eine Tablette ausreicht, um den Schmerz zu lindern, müssen es später mehrere sein.

Ein weiteres Problem - gerade bei Kopfschmerzen - tritt auf, wenn sich die Schmerzen trotz Einnahme der Medikamente verschlimmern. Die Ursache ist häufig ein sogenannter "medikamenteninduzierter" Kopfschmerz, den die Betroffenen mit dem eigentlichen Kopfschmerz verwechseln. Zudem können viele der genannten Medikamente Nebenwirkungen auslösen.

Untersuchung und Diagnose einer Schmerzmittelabhängigkeit

Für die Untersuchung und Feststellung einer Schmerzmittelabhängigkeit hat die WHO sechs Kriterien aufgestellt:

  • starker Wunsch bzw. Zwang nach dem Konsum
  • verminderte Kontrollfähigkeit hinsichtlich Beginn, Menge und/oder Beendigung der Einnahme
  • körperliche Entzugserscheinungen
  • Toleranzentwicklung/Wirkverlust oder Dosissteigerung
  • erhöhter Zeitaufwand für die Beschaffung
  • Fortsetzung des Konsums trotz Folgeschäden

Bei der Diagnose haben Ärzte das Problem, dass die Symptome einer Medikamentenabhängigkeit häufig erst dann auftreten, wenn die Betroffenen die gewohnte Dosis reduzieren. Erst dann reagiert der Körper mit Entzugserscheinungen als deutlichem Hinweis auf die körperliche Abhängigkeit. Hinzu kommt, dass viele Symptome den Beschwerden ähneln, wegen derer die Betroffenen überhaupt mit der Einnahme der Medikamente angefangen haben.

Allgemeines zur Behandlung der Schmerzmittelabhängigkeit

Um eine Schmerzmittelabhängigkeit zu überwinden, ist am besten ein Entzug geeignet. Diesen sollten die zuständigen Ärzte allerdings immer an die individuelle Suchthistorie anpassen. Die Behandlung von Patienten mit einer Opioid-Sucht sollte zum Beispiel nicht ohne einen betreuenden Arzt erfolgen. Warum? Die Entzugserscheinungen können körperlich wie psychisch sehr belastend sein. Daher empfehlen Experten Suchtkranken, einen Entzug immer in einer speziellen Suchtklinik durchzuführen.

Ziel ist eine möglichst ganzheitliche Behandlung der Betroffenen. So geht der körperliche Entzug geht mit dem Ausschleichen der jeweiligen Präparate einher. Die Ärzte reduzieren die Dosis Schritt für Schritt und begrenzen damit die Schwere der Entzugserscheinungen. So haben Körper und Psyche Zeit, um sich an den Verzicht zu gewöhnen. Häufig nehmen die Patienten zudem psychotherapeutische Angebote wahr, beschäftigen sich mit den Ursachen ihrer Sucht und entwickeln neue Bewältigungsstrategien für den Umgang mit belastenden Situationen sowie mit Medikamenten.

Verlauf und Prognose

Da die Sucht oft lange unbemerkt bleibt, nehmen die meisten Schmerzmittelabhängigkeiten einen langsamen, schleichenden Verlauf. Mit therapeutischer Hilfe aber ist die Bewältigung der Suchterkrankung in der Regel möglich. Wichtig für Betroffene und ihre Angehörigen ist es, die Therapie - gegebenenfalls auch in einer Klinik - nicht zu lange hinauszuzögern. Die Genesung gelingt einfacher und schneller, wenn die Sucht noch nicht so weit fortgeschritten ist.

Fazit

Verschreibungspflichtige, aber auch frei verkäufliche Schmerzmittel können süchtig machen. Während nicht-opioide Mittel wie Paracetamol aber nur eine psychische Abhängigkeit verursachen, sind bei opioiden Präparaten körperliche Entzugserscheinungen möglich. Die Diagnose einer Schmerzmittelsucht ist schwierig. Dabei zieht die Medikamentensucht physische und psychische Probleme nach sich, unter denen die Betroffenen oft jahrelang zu leiden haben. Ärzte erkennen die Symptome der Sucht allerdings oft erst dann als das, was sie sind, wenn es bereits zu spät ist. Zu diesem Zeitpunkt hilft meist nur noch ein Entzug.

Quellen

https://www.mywaybettyford.de/suchtkompendium/schmerzmittelabhaengigkeit/
https://www.medikamente-und-sucht.de/behandler-und-berater/medikamentensicherheit/missbrauch-und-abhaengigkeit/abhaengigkeit-diagnosekriterien.html
https://dassuchtportal.de/medikamentensucht/symptome/
https://www.median-kliniken.de/de/behandlungsgebiete/abhaengigkeitserkrankungen/medikamentenabhaengigkeit/
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