Analatresie: Informationen & Analatresie-Spezialisten

08.12.2022
Leading Medicine Guide Redaktion
Autor des Fachartikels
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Bei einer Analatresie liegt eine Fehlbildung des Enddarms mit Verschluss des Analkanals vor (anorektale Fehlbildung). Der Analkanal mündet dabei nicht in einen After / Anus, sondern endet blind. Oftmal gibt es stattdessen Verbindungen (Fisteln) zwischen dem Enddarm und der Harnröhre.

Welche Ursachen dieser Fehlbildung zu Grunde liegen und wie man sie behandeln kann, erklären wir im folgenden Text. Hier finden Sie außerdem ausgewählte Analatresie-Spezialisten und Zentren.

ICD-Codes für diese Krankheit: Q42.2, Q42.3

Empfohlene Analatresie-Spezialisten

Kurzübersicht:

  • Was ist eine Analtresie? Eine anorektale Fehlbildung des Enddarms. Dabei mündet der Analkanal nicht in einen After, sondern endet blind oder ist mit dem Damm, der Blase, der Harnröhre oder Scheide verbunden.
  • Ursachen: Zugrunde liegt eine Störung in der embryonalen Entwicklung ab der vierten Schwangerschaftswoche. Die Ursache dafür wird der Einnahme diverser Medikamente, aber auch genetischen Faktoren zugeschrieben.
  • Symptome: Fehlende oder unüblich lokalisierte Analöffnung, ggf. Entleerung von Stuhl oder Luft über die Scheide oder Harnröhre. Etwa die Hälfte der betroffenen Neugeborenen weist außerdem weitere Fehlbildungen auf.
  • Behandlung: Der exakte operative Eingriff hängt von der individuellen Situation ab. Häufig wird in den ersten Lebenstagen bereits operiert, um den Neugeborenen eine gefahrlose Darmentleerung zu ermöglichen.

Artikelübersicht

Analatresien bilden ein breites Spektrum anorektaler Fehlbildungen. Sie können auch den Harn- und Geschlechtsapparat (Urogenitaltrakt) betreffen.

In den meisten Fällen ist der verschlossene Analkanal über einen Verbindungsgang (eine sogenannte Fistel) mit

verbunden. Je nach Verlauf und Mündung dieses Verbindungsgangs unterscheidet man verschiedene Formen:

  • Bei Jungen gibt es häufig einen Verbindungsgang zur Harnröhre (rektobulbäre bzw. rektoprostatische Fistel).
  • Bei Mädchen liegt meist ein Verbindungskanal zum Scheidenvorhof (rektovestibuläre Fistel) vor.

Die Angaben zur Häufigkeit der Fehlbildung schwanken stark und liegen bei etwa einem Fall pro 2500 bis 5000 Geburten. Mit dieser Häufigkeit ist die Analatresie eine seltene Erkrankung. In Deutschland sind etwa 250 Kinder pro Jahr betroffen, Jungen etwas häufiger als Mädchen.

Analatresie (anorektale Fehlbildung)
Analatresie beim Mann: Links die normale Anatomie, rechts mit in die Harnröhre verlegtem Darmausgang © rob3000 | AdobeStock

Ursachen der Analatresie

Die Analatresie ist auf eine Störung während der Embryonalentwicklung zurückzuführen. Zwischen der vierten und zwölften Schwangerschaftswoche entstehen unterschiedliche Gewebestrukturen und -schichten. Aus ihnen entwickeln sich im späteren Verlauf der Harn- und Darmtrakt. Bei einer Analatresie sind diese Strukturen fehlerhaft oder unzureichend angelegt. Dadurch bilden sich der Harn- und Darmtrakt nicht normal aus.

Die dieser Entwicklungsstörung zugrunde liegende Ursache ist bislang nicht bekannt. Es gibt aber einige Hinweise auf sogenannte teratogene Einflussfaktoren. Darunter versteht man Substanzen, die störend in die embryonale Entwicklung eingreifen können. Hierzu gehören unter anderem

  • Thalidomid (Beruhigungsmittel),
  • Insulin (Schilddrüsenhormon) und
  • Antrazykline (Antibiotikagruppe).

Darüber hinaus treten anorektale Fehlbildungen öfter im Zusammenhang mit syndromalen Fehlbildungen auf, etwa

  • dem Down-Syndrom,
  • Currarino-Syndrom oder
  • Townes-Brocks-Syndrom

auf. Daher wird auch eine genetische Komponente angenommen. Das Risiko für Personen, in deren Familie bereits Analatresien aufgetreten sind, ist gemäß einigen Studien erhöht.

Symptome der Analatresie

Die betroffenen Kinder fallen nach der Geburt durch die fehlende oder unüblich lokalisierte Analöffnung und gegebenenfalls eine vorhandene Fistel auf. In einigen Fällen entleert sich Stuhl oder auch Luft über die Scheide oder die Harnröhre oder es manifestiert sich ein Blähbauch.

Etwa die Hälfte der betroffenen Kinder zeigen zudem weitere Fehlbildungen. Diese betreffen meist den Harntrakt, aber auch anatomische Anomalien des Herzens oder des Magen-Darm-Trakts kommen vor.

Die häufigsten mit einer Analatresie vergesellschafteten Fehlbildungen werden durch das sogenannte VACTERL-Syndrom beschrieben:

  • V für vertebral (Wirbelkörper),
  • A für anal (Anus bzw. After),
  • C für cardial (Herz),
  • T für tracheal (Luftröhre),
  • E für esophageal (Speiseröhre),
  • R für renal (Nieren) und
  • L für limb (Gliedmaßen).

Therapie der anorektalen Fehlbildung

Insgesamt zeigen anorektale Fehlbildungen eine sehr breite anatomische Varianz. Deshalb müssen die Therapiemaßnahmen individuell auf die betroffenen Kinder abgestimmt werden. Die Behandlungsmaßnahmen hängen entscheidend davon ab, ob ein Verbindungsgang vorliegt und wo dieser lokalisiert ist.

Je nach Befund wird entschieden, ob im Vorfeld eines korrigierenden Eingriffs ein künstlicher Darmausgang im Dickdarmbereich erforderlich ist. Ausprägung und Form der Fehlbildung bestimmen auch die Anzahl der notwendigen Operationen (ein bis drei und mehr Eingriffe).

Ein erster Eingriff findet meist wenige Tage nach der Geburt statt. So wird bei Neugeborenen mit einer leichten Fehlbildung eine oberflächliche und heute weitgehend standardisierte Operation vorgenommen. Dabei bringt der Chirurg den Enddarm in die korrekte Position.

Anschließend sind in diesem Fall oft keine weiteren Operationen erforderlich.

Anlage eines künstlichen Darmausgangs

Neugeborene mit

  • einer komplexeren Analatresie (u. a. bei einem Verbindungsgang zum Harntrakt),
  • weiteren Fehlbildungen oder
  • einem unter der Norm liegenden Gewicht

benötigen eine umfangreichere Behandlung. Bei diesen Kindern wird am ersten oder zweiten Lebenstag vorübergehend ein künstlicher Darmausgang im Dickdarmbereich angelegt. Die Fachbegriffe dafür lauten Kolostoma oder Anus praeter.

Dafür durchtrennt der Operateur den Dickdarm. Mit den beiden Enden schafft er einen Darmausgang durch die Bauchdecke nach außen. Dieser künstliche Darmausgang bleibt in aller Regel für ein bis sechs Monate bestehen.

Der künstliche Darmausgang dient dem Schutz der darauffolgenden Korrekturoperation.

Chirurgische Wiederherstellung der Analöffnung

Die eigentliche Wiederherstellung der analen Öffnung wird Durchzugsoperation oder PSARP (posteriore sagittale anorektale Plastik) genannt. Sie wird in aller Regel im Verlauf des ersten Lebensjahres durchgeführt.

Dabei wird der nicht nach außen führende Enddarmstumpf vom Gesäß gelöst. Gegebenenfalls verschließt der Chirurg den vorliegenden Verbindungsgang. Im nächsten Schritt eröffnet er den freigelösten Enddarmstumpf und modelliert einen After.

Seit einigen Jahren kommen auch bei Analatresien immer häufiger sogenannte Techniken der Schlüssellochchirurgie zum Einsatz. Diese minimal-invasiven Methoden benötigen nur sehr kleine Schnitte. Sie verprechen insbesondere bei komplexeren Fehlbildungen bessere Ergebnisse.

Im Anschluss an die Operation wird die gelegte Analöffnung mit Metallstäben (sogenannten Hegarstiften) gedehnt. Dieser Dehnprozess wird auch als Bougieren bezeichnet. Dabei nimmt der Durchmesser der verwendeten Stäbe nach und nach zu, bis die durchschnittliche Aftergröße eines gleichaltrigen Kindes hergestellt ist.

Die chirurgische Korrektur muss nun verheilen. Ist eine angemessene Weite des Anus erreicht, kann die Stuhlkontinuität wiederhergestellt werden. Das Kind kann dann den Stuhl über den neu angelegten Anus entleeren.

Hierzu wird etwa ein bis drei Monate nach der Korrekturoperation in einem weiteren Eingriff der künstliche Darmausgang beseitigt. Dazu verlegt der Operateur die nach außen geleiteten Darmenden wieder zurück und verschließt sie unter der Bauchdecke.

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