Circa eines von 1.000 Neugeborenen wird mit einer arteriovenösen Malformation geboren.
Prinzipiell kann jedes Organsystem von einem solchen Gefäßkurzschluss betroffen sein. Die Anomalie tritt aber gehäuft im Bereich des Gehirns oder des Gesichtsschädels auf.
Bei Kindern unter 15 Jahren sind arteriovenöse Malformationen zudem häufigste Ursache von Hirnblutungen (intrakranielle Blutungen).
Arteriovenöse Malformationen entstehen bereits zwischen der 4. und 8. Schwangerschaftswoche aus primitiveren Blutgefäßanlagen.
Was genau die Kurzschlüsse in den Blutgefäßen auslöst, ist noch unklar. Möglicherweise fördern genetische Prädispositionen oder auch äußere Einflüsse während der Schwangerschaft arteriovenöse Malformationen.
Die eigentliche arteriovenöse Malformation wird in der Medizin auch kurz als Nidus bezeichnet. Das ist der Kern der Anomalie. Mehrere, häufig erweiterte Arterien führen dem Nidus Blut zu, das danach an erweiterte Venen weitergegeben wird.
Das Blut aus den Arterien unterliegt einem höheren Blutdruck. Daher kommt es in den Venen in der Regel zu Stauungen und Aussackungen. Solche Venenerweiterungen können in venöse Aneurysmen münden oder auch zu Stenosen (Verengungen von Blutgefäßen) führen.

Bei einer arteriovenösen Malformation fehlt das Kapillarnetz zwischen einer Arterie und einer Vene © rumruay | AdobeStock
Diese Gefäßveränderungen werden schließlich entlang der arteriovenösen Malformation sichtbar.
Gefäßshunts (unnatürliche Verbindungen zwischen Gefäßen) wie die arteriovenösen Malformationen können ein Leben lang symptomlos bleiben.
Bei vielen Patienten kommt es aber zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr zu ersten Symptomen, während sich die Erkrankung weiter manifestiert. Dazu gehören etwa:
Bei den meisten Patienten finden sich pulsierende Gefäßgeräusche im Bereich des Schädels. Sie entstehen, weil das Blut mit höherer Geschwindigkeit von den Arterien in die kurzgeschlossenen Venen einfließt.
Normalerweise ermöglicht das Kapillarnetz im Organbereich den Stoff- und Gasaustausch und bremst das Blut ab. Dieses Kapillarnetz fehlt bei der arteriovenösen Malformation. Deswegen fließt das Blut mit hohem arteriellen Druck direkt in eine kurzgeschlossene Vene. Diese höhere Flussgeschwindigkeit des Blutes lässt sich mittels transkranieller Doppler- bzw. Farbduplexsonographie darstellen.
Der Verdacht auf arteriovenöse Shunts wird anschließend mithilfe der
bestätigt. Diese beiden Diagnoseverfahren erlauben es den Spezialisten, die genaue Lage der arteriovenösen Malformation zu bestimmen.
Die Computertomographie (CT) hat in der Bildgebung der Gefäßkurzschlüsse eigentlich keine Bedeutung. Sie kommt aber in der Notfalldiagnostik, z. B. bei Bewusstseinsverlust nach Hirnblutung, zum Einsatz.
Von entscheidender diagnostischer und therapeutischer Bedeutung ist die sogenannte invasive Angiographie mit Kontrastmittel. Darüber hinaus lassen sich arteriovenöse Malformationen je nach Schweregrad und Ausprägung klassifizieren (Klassifikation nach Spetzler & Martin; nach Pittsburgh-Skala). Auch diese Einordnung der Erkrankung ist therapie- und prognoserelevant.
Die Therapie der Gefäß-Shunts ist oft schwierig und mit ernsten Risiken behaftet. Aus diesem Grund wird jeder Fall in der Spezialklinik individuell in einem interdisziplinären Entscheidungsgremium besprochen.
Je nach Lage der arteriovenösen Malformation ist eine Operation oder Bestrahlung möglicherweise nicht gefahrlos durchführbar. In diesen Fällen wird konservativ behandelt: Es geht um die Milderung der Symptome, etwa Epilepsie durch Antiepileptika.
Für operable arteriovenöse Malformationen gibt es derzeit drei minimal-invasive Operationsmethoden:
- Katheterbasiert versuchen die Spezialisten in das Shuntsystem des Nidus vorzudringen. Dort versuchen sie, die beteiligten Gefäße teilweise oder ganz zu verschließen (= endovaskuläre Embolisation).
- Die vollständige Resektion der arteriovenösen Malformation (= operative mikroneurochirurgische Resektion). Das heißt, der Chirurg entfernt den Nidus.
- Eine radiochirurgische Therapie, z. B. mit dem sogenannten Gamma-Knife, im Bereich der tiefer gelegenen Hirnareale, wie des Hirnstamms.
Ziel jeder Operation ist, das Blutungsrisiko und auch die Rezidivneigung der arteriovenösen Malformationen zu senken.
Die Therapie der arteriovenösen Malformation schließt verschiedene Disziplinen der Medizin mit ein, so z. B. Fachärzte aus
Die konservative Therapie kann an spezialisierten Zentren und in Fachpraxen erfolgen. Für die operativen Verfahren ist eine Behandlung an einer spezialisierten Klinik durch Spezialisten für Neurochirurgie notwendig.
Entscheidend für die Prognose der Gefäßshunts ist insbesondere das Blutungsrisiko. Im Normalfall liegt es pro Jahr bei etwa 2–3 %. Allerdings ist die Sterblichkeit unter einer Blutung mit bis zu 10 % recht hoch. Bei jedem dritten Patienten bleiben zudem neurologische Ausfallerscheinungen bestehen.
Wer darüber hinaus eine erste Blutung aufgrund einer arteriovenösen Malformation hatte, wird mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 25 % innerhalb der Folgejahre ein weiteres Blutungsereignis erleben.
Ohne Behandlung versterben 23 % der betroffenen Patienten in einem Zeitraum von 10 Jahren an ihrer arteriovenösen Malformation.