Typisch für die Infantile Cerebralparese ist die abnorme Muskelspannung, die sich in erhöhtem, vermindertem oder stark schwankendem Muskeltonus äußert. Die Mehrzahl der Kinder entwickeln eine Spastik.
Im 19. Jahrhundert wurde die ICP erstmals von dem englischen Orthopäden und Kinderarzt William John Little beschrieben. Unter Medizinern ist die Krankheit deshalb auch als „Little Disease“ bekannt. Durch die erlittene Hirnschädigung ist der Kreislauf der Motorik, der aus der Signalweiterleitung des Gehirns an den Bewegungsapparat und wieder zurück besteht, gestört.
Neben der Bewegungsstörung mögliche Symptome sind epileptische Anfälle, eine verminderte Intelligenz, Sinnes- und Wahrnehmungsstörungen oder Teilleistungsschwächen. Einige Kinder zeigen auch Hör-, Seh- oder Sprachprobleme.
Im internationalen Vergleich kommen auf 1000 lebend geborene Kinder 1,5 bis 2,5 Kinder mit Infantiler Cerebralparese. Besonders häufig betroffen sind Frühgeborene, das Risiko steigt mit sinkendem Geburtsgewicht.
Die ICP kann vor der Geburt (pränatal), während der Geburt (perinatal) oder nach der Geburt (postnatal) entstehen und hat unterschiedliche Ursachen:
- Sauerstoffunterversorgung während der Schwangerschaft
- Thrombosen oder Embolien (intrauterin oder im Säuglingsalter)
- vorzeitige Ablösung der Plazenta
- Infektionskrankheiten der Mutter während der Schwangerschaft
- geburtstraumatische Schädigung
- Vergiftung im Mutterleib durch Alkohol, Drogen, Medikamente oder Kohlenmonoxid
- Unterversorgung durch eine Plazentainsuffizienz
- genetische Störung
- Blutgruppenunverträglichkeit
- Infektionskrankheiten im Säuglingsalter
- Schädel-Hirn-Trauma
Eine eindeutige Ursache für die Hirnschädigung kann aber nur in etwa der Hälfte der Fälle festgestellt werden. Es handelt sich dabei häufig um Sauerstoffmangel während des Geburtsvorganges. Erreicht das Neugeborene beim Apgarscore (Punkteschema zur Beurteilung des Zustands von Neugeborenen) vier oder weniger Punkte, ist das Risiko einer Infantilen Cerebralparese erhöht.
Die bei der ICP auftretenden Krankheitszeichen variieren, je nachdem welche Region des Gehirns beeinträchtigt ist. Am häufigsten treten Bewegungsstörungen auf, die betroffenen Kinder können ihre Muskeln nicht ausreichend kontrollieren. An Säuglingen sind die Bewegungsstörungen üblicherweise zunächst nicht zu bemerken. Eine geringe Körpersteifheit beim Hochheben kann ein erstes Indiz sein, zumeist wird die Erkrankung aber erst erkannt, wenn die Babys Schwierigkeiten haben, sich zu drehen, zu krabbeln oder zu gehen. Mediziner fassen die Symptome zu Syndromen zusammen, die den gesamten Körper (Tetraparese), eine Körperhälfte (Hemiparese) oder nur einen Körperteil (Diparese) betreffen können:
- spastische Syndrome (starke Verkrampfungen, unwillkürliche Bewegungen, Lähmungserscheinungen bis hin zu Bewegungsunfähigkeit aufgrund erhöhter Muskelspannung)
- dyskinetische Syndrome (unwillkürliche und unkontrollierte Bewegungen infolge von abwechselndem Anspannen und Entspannen der Muskeln)
- kongenitale Ataxie-Syndrome (Mangel an grobmotorischen Fähigkeiten, gezielte Bewegungen können nicht ausgeführt werden)
- Hypotonie-Syndrome (verminderte Muskelspannung, die zu epileptischen Anfällen, Sehnen- und Muskelverkürzungen sowie Verformungen von Knochen und Gelenken führen kann)
Kinder, die an Infantiler Cerebralparese erkrankt sind, leiden besonders häufig unter einer verkürzten Achillessehne, was die sogenannte Spitzfußstellung nach sich zieht. Für die Krankheit typisch sind zudem nach innen gedrehte und gebeugte Hüften und Arme sowie im Verlauf eine Wirbelsäuleverkrümmung. Außerdem können betroffene Kinder Verhaltensauffälligkeiten und eine verminderte Intelligenz zeigen. 30 bis 50 Prozent der Kinder entwickeln eine symptomatische Epilepsie.

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Besteht der Verdacht auf ICP, werden zuerst andere Erkrankungen ausgeschlossen und eine detaillierte Anamnese über die Schwangerschaft, die Geburt und die bisherige Entwicklung des Kindes durchgeführt. Anschließend folgen eine körperliche Untersuchung und eine genaue Beobachtung des Kindes. Der Arzt achtet dabei insbesondere auf die Körperhaltung und die Bewegungsmuster des Kindes. Weiterführende Untersuchungen wie eine Schädelsonographie oder eine Magnetresonanztomografie (MRT) können den Verdacht bestätigen.
Für die ICP gibt es keine Heilung, aber durch gezielte Therapien können die Symptome gelindert werden. Die Behandlung findet auf multidisziplinärer Ebene statt und involviert neben dem Patienten und seinen Angehörigen den Kinderarzt, einen Kinderneurologen (Neuropädiater), einen Neuroorthopäden, einen Orthopädietechniker, und Therapeuten wie Physiotherapeuten (Krankengymnasten) und Ergotherapeuten. Folgende Therapien werden in der Regel durchgeführt:
- Physiotherapie nach Vojta oder nach Bobath, um die Muskeln zu lockern und die Muskelbewegung zu verbessern
- Ergotherapie
- bei Bedarf Logopädie
- evtl. Medikamente zur Reduktion des Muskeltonus
- orthopädische Gehhilfen
- evtl. psychologische Beratung
Kinder, die während des Geburtsvorganges unter Sauerstoffmangel litten, werden seit einigen Jahren sofort in ein Kältebett gelegt. Die Herabsetzung der Körpertemperatur auf rund 32 Grad soll verhindern, dass weitere Gehirnzellen absterben (therapeutische Hypothermie). Die Kältetherapie zeigt beachtliche Erfolge.
Bringen konservative Behandlungsmethoden keinen zufriedenstellenden Erfolg oder zeigen sich gar Rückschritte, können chirurgische Eingriffe notwendig werden, beispielsweise werden verkürzte Sehnen verlängert, um die Muskelspannung herabzusetzen und Gelenke wieder beweglich zu machen. Es besteht zudem die Möglichkeit, eine Medikamentenpumpe in der Nähe des Rückenmarks zu implantieren (Baclofenpumpe). Damit kann das Medikament direkt im zentralen Nervensystem wirken und eine Spastik besser reduzieren. Für einige Kinder, insbesondere gehfähige Patienten, kommt auch ein operativer Eingriff am Rücken in Frage, die selektive dorsale Rhizotomie. Dabei werden gezielt die Nervenfasern, die die spastischen Muskelverkrampfungen in den Beinen verursachen, durchtrennt.
Sind die kognitiven Fähigkeiten bei einem ICP-Kind nicht beeinträchtigt, steht einem
Besuch der Regelschule im Grunde nichts im Wege. Dennoch ist es für die Eltern zumeist ein langwieriger Prozess, denn für den Umgang mit Kindern mit einer Körperbehinderung sind viele Lehrer nicht ausgebildet. Ein
Integrationshelfer kann das Kind im Schulalltag unterstützen. Die Genehmigung ist oft mit großem bürokratischem Aufwand verbunden. Kommt der Besuch einer Regelschule nicht infrage, ist neben der motorischen auch die kognitive Förderung bei Kindern mit ICP von besonderer Bedeutung. Ein
möglichst früher Theapiebeginn (schon im Säuglingsalter) beeinflusst die Entwicklung des Kindes in jedem Fall positiv.