Psychische Störungen bei Kindern: Informationen & Spezialisten

25.11.2022
Dr. Gitta Jacob
Autor des Fachartikels

Psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen können andere Merkmale zeigen als Störungen im Erwachsenenalter. Zwei wichtige Gruppen psychischer Störungen im Kindes- und Jugendalter sind die Entwicklungsstörungen und die Intelligenzminderung.

Hier finden Sie weiterführende Informationen zu häufigen psychischen Störungen bei Kindern sowie ausgewählte Spezialisten und Zentren.

ICD-Codes für diese Krankheit: F90, F91, F92, F93, F94, F95, F98

Artikelübersicht

Wann liegt eine psychische Störung bei Kindern und Jugendlichen vor?

Die Deutung einer Symptomatik als "Störung" hängt auch vom Entwicklungsstand des Kindes ab. So sind beispielsweise gelegentliche Alpträume im Vorschulalter ganz normal. Auch Ängste und Unsicherheit in der frühen Pubertät sind keine Störung und legen sich meistens wieder.

Eine psychische Störung liegt vor, wenn die Problematik über das im entsprechenden Entwicklungsstadium Normale deutlich hinausgeht und zu Leid führt.

In der Kinder- und Jugendpsychiatrie (KJP) haben Eltern und Familie sowie entsprechende Bezugspersonen (auch Lehrer) eine große Bedeutung. Sie sind sowohl in der Befunderhebung als auch in der Behandlung der Störungen zu berücksichtigen.

Was für psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen gibt es?

Es lassen sich verschiedene psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen unterscheiden. Zu den häufigsten gehören die folgenden Verhaltensstörungen bzw. emotionalen Störungen im Kindes- und Jugendalter:

ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung)

ADHS ist gekennzeichnet durch eine extreme motorische (bewegungsbezogene) Unruhe und Getriebenheit. Betroffene Kinder haben häufiger als normal das Bedürfnis,

  • herumzulaufen,
  • zu reden,
  • zu lärmen und
  • zu zappeln.

Daneben zeigen die Betroffenen eine gestörte Aufmerksamkeit in Form von

  • extrem leichter Ablenkbarkeit,
  • geringer Konzentrationsfähigkeit und
  • häufigem Wechsel der Tätigkeit.

Dazu kommt eine gestörte Impulskontrolle: Die Kinder können sich in jeder Hinsicht schwer „zusammenreißen“ und haben wenig Frustrationstoleranz.

Die Symptome beginnen in den ersten fünf Lebensjahren und überdauern zeitlich. Bei ca. einem Drittel besteht die Störung auch noch im Erwachsenenalter. Etwa 3 bis 5 Prozent aller Kinder sind betroffen, Jungen etwa 3- bis 8-mal so häufig wie Mädchen.

Durch die Unaufmerksamkeit kommt es relativ häufig zu Gefährdungen und Unfällen. Außerdem bekommen die betroffenen Kinder häufig soziale Probleme, da sie in Konflikte mit Mitschülern, Lehrern etc. geraten.

Im Jugendalter verringert sich meistens die motorische Unruhe. Die erhöhte Impulsivität und verringerte Aufmerksamkeit bleiben aber bestehen. So haben Betroffene ein erhöhtes Risiko für Drogenkonsum, Verkehrsunfälle und Delinquenz (straffällig werden).

Die Herkunft der Störung ist nicht ganz klar. Neben genetischen Faktoren spielen möglicherweise Geburtskomplikationen und Veränderungen im Gehirnstoffwechsel eine Rolle.

Mutter und Kind mit ADHS in der Therapie
ADHS ist eine häufige psychische Störung bei Kindern © Photographee.eu | AdobeStock

Therapiert wird die ADHS zum einen durch einen konsequenten Erziehungsstil und entsprechende pädagogische Maßnahmen. Daneben kommt häufig als Medikament Methylphenidat (Ritalin®) zur Anwendung.

Fallbeispiel zu ADHS

Der 9-jährige Andreas wird in der Kinderambulanz wegen ständiger disziplinarischer Probleme in der Schule vorgestellt. Er gehe in die dritte Klasse, könne nicht sitzen bleiben und laufe deshalb ständig in der Klasse herum. Er melde sich fast nie, rufe häufig dazwischen und müsse auch wegen seines Schwätzens dauernd ermahnt werden. In den Pausen komme es immer wieder zu Prügeleien. Zu Hause sei Andreas ebenfalls extrem anstrengend, die Hausaufgaben würden sich unter großen Streitereien meist über den ganzen Nachmittag hinziehen. Er habe auch viele Konflikte mit seinen Geschwistern, weil er ihnen auf die Nerven gehe. Darüber hinaus zerstöre er immer wieder Dinge der Geschwister, teils aus Versehen, teils im Impuls mit Absicht.

Störung des Sozialverhaltens bei Kindern

Diese Störung ist ein andauerndes Muster von dissozialem, aggressivem oder aufsässigem Verhalten. Die betroffenen Kinder

  • streiten z.B. häufig, auch mit massiven Wutausbrüchen,
  • treten ihren Bezugspersonen gegenüber aggressiv auf,
  • lügen und halten sich nicht an Versprechungen oder
  • sind grausam gegenüber anderen Kindern oder Tieren.

Es kann zur

  • absichtlichen Zerstörung fremden Eigentums,
  • absichtlichem Feuerlegen,
  • Diebstahl und
  • disziplinarischen Problemen in der Schule einschließlich Schuleschwänzen

kommen.

Die Störung des Sozialverhaltens tritt häufig gemeinsam mit anderen psychischen Störungen bei Kindern und Jugendlichen auf, z.B

Betroffen sind zwischen 2 und 10 Prozent aller Kinder, darunter vorwiegend Jungen. Die Störung zeigt sich häufig über viele Jahre sehr stabil.

Betroffene begehen häufiger strafbare Handlungen (Delinquenz). Ein wichtiges Ziel der Therapie besteht darin, dem und der darauf häufig folgenden Gefängniskarriere vorzubeugen.

Therapeutisch können Einzeltherapien der Kinder oder Familientherapien durchgeführt werden. Daneben spielen kommunale Maßnahmen (z.B. Jugendarbeit in „Problemvierteln“) eine Rolle.

Die Stabilität der Störung im Sozialverhalten ist sehr hoch. Das heißt, dass die Störung auch über die Jugendzeit hinaus oft bestehen bleibt. Wenn die Kinder schon im jungen Alter aggressive Auffälligkeiten zeigen, ist davon auszugehen, dass 40 Prozent dieser Grundschüler noch Störungen des Sozialverhaltens im Erwachsenenalter zeigen.

In einzelnen Fällen können Medikamente wie z.B. Lithium oder Carbamazepin mit Erfolg eingesetzt werden. Sie kommen etwa beim Vorliegen schwerer impulsiver aggressiver Verhaltensweisen zum Einsatz.

Psychosoziale Präventionsmaßnahmen sind zweifellos die entscheidenden Kriterien zur Verbesserung des Schicksals der Kinder.

Angststörungen im Kindes- und Jugendalter

Ängste sind v.a. im Kindesalter ein relativ häufiges Phänomen. Viele Kinder zeigen Angst vor bestimmten Situationen oder Objekten (sog. „phobische Ängste“), z.B.

  • vor Gewittern,
  • vor Hunden oder
  • vor der Dunkelheit.

Bei 2 bis 9 Prozent aller Kinder sind die phobischen Ängste so stark ausgeprägt, dass die Diagnose einer psychischen Störung gestellt werden kann.

Neben den phobischen Ängsten ist die Trennungsangst die wichtigste Angststörung des Kindes- und Jugendalters. 3 bis 5 Prozent aller Kinder leiden darunter.

Die betroffenen Kinder weigern sich, ihre Bezugspersonen zu verlassen. Sie leiden unter großen Ängsten, wenn sie dies doch tun. Das führt in der Regel zum Verweigern des Schulbesuches. Kinder mit Trennungsangst sind häufig schon im Kleinkindalter sehr anhänglich. Sie gehen z.B. nicht gerne in den Kindergarten.

Schwere Trennungsängste werden häufig ausgelöst durch

  • das Erleben eines Verlassenseins (z.B. Verlorengehen im Kaufhaus) oder
  • durch schwierige familiäre Situationen (z.B. drohende Trennung der Eltern).

Kinder mit Schulangst trennen sich zwar morgens von ihren Eltern, gehen dann jedoch eher nicht in die Schule. Diese zwei Angststörungen können leicht verwechselt werden, da u.U. bei beiden zunächst die Verweigerung des Schulbesuchs auffällt.

Psychosen bei Kindern und Jugendlichen

Schizophrenie und andere Psychosen beginnen relativ selten (in ca. 4 Prozent aller Fälle) schon vor dem 15. Lebensjahr. Nur etwa 1 Prozent beginnen schon vor dem 10. Lebensjahr. Je geringer das Ersterkrankungsalter ist, desto schwerer sind Psychosen zu erkennen, da sie sich im klinischen Bild stark von den Psychosen erwachsener Patienten unterscheiden.

Im jüngeren Alter treten häufig „hebephrene“ Verlaufsformen sowie Prodrome auf. Unter Prodromen versteht man eine Symptomatik, die vielen akuten Psychosen – manchmal über Jahre – vorausgeht und sich durch Probleme wie

  • Konzentrationsstörungen,
  • Misstrauen,
  • Leistungsknicks in der Schule,
  • Ängste und
  • sozialem Rückzug

äußern. Als „hebephren“ wird eine Psychose bezeichnet, wenn der Betroffene immer weniger emotionale Teilnahme und wenig Antrieb zeigt. Seine Stimmung wird zunehmend flach und „läppisch“.

Ticstörungen im Grundschulalter

Tics sind plötzliche, kurze, wiederholte, unwillkürliche Bewegungen oder Äußerungen. Sie haben kein spezielles Ziel oder eine Bedeutung. Die Betroffenen können Tics häufig für kurze Zeit willkürlich unterdrücken.

Es gibt einfache Tics wie

  • Schulterzucken,
  • Blinzeln,
  • Pfeifen oder
  • Schnüffeln.

Außerdem gibt es komplexe Tics wie

  • Springen,
  • Beriechen,
  • Aufstampfen und
  • das Sagen ganzer Wörter oder Sätze.

Bei einer vorübergehenden Ticstörung treten meist nur einfache Tics auf, die nicht länger als ein Jahr andauern. Bei chronischen Ticstörungen treten unter Umständen mehrere und komplexere Tics über einen längeren Zeitraum auf.

Bei einer schwerwiegenden Kombination von vokalen und motorischen Tics über einen langen Zeitraum spricht man vom sogenannten Gilles-de-la-Tourette-Syndrom.

Zwischen 4 und 12 Prozent der Kinder im Grundschulalter leiden an einer Ticstörung. Das sind ca. 10 mal so viele Betroffene wie im Erwachsenenalter. Jungen sind sehr viel häufiger betroffen.

Viele Ticstörungen geben sich mit der Zeit von selbst wieder. Chronische und komplexe Ticstörungen haben auch mit verhaltenstherapeutischer und medikamentöser Behandlung eine relativ schlechte Prognose.

Essstörungen im Kindes- und Jugendalter

Im Kindes- und Jugendalter gibt es einige Besonderheiten bei der Symptomatik der verschiedenen Essstörungen.

Die Adipositas (krankhafte Fettleibigkeit) im Kindes- und Jugendalter ist ein wachsendes Problem in unserer Gesellschaft. Kinder aus niedrigeren Gesellschaftsschichten sind stärker betroffen. Adipöse Kinder bleiben meist auch als Erwachsene übergewichtig. Die Folge von Adipositas sind oft

Die Anorexia nervosa (Magersucht) beginnt sehr häufig im Jugendalter. Viele kinder- und jugendpsychiatrische Einrichtungen sind auf die Behandlung dieser Störung spezialisiert.

Die Bulimie (Ess-Brechsucht) dagegen tritt oft erst in der Folge einer Anorexie auf. Sie wird daher schwerpunktmäßig in der Erwachsenenpsychiatrie behandelt.

Enuresis (unwillkürliches Einnässen)

Enuresis bedeutet, dass sich Kinder im Alter von mehr als 5 Jahren ohne organische Ursachen noch regelmäßig einnässen. Dabei lassen sich die nächtliche Enuresis sowie die Enuresis tagsüber voneinander unterscheiden. Von der nächtlichen Enuresis sind ca. 11 Prozent der Kinder betroffen, wobei die Jungen überwiegen. Die Enuresis tagsüber tritt sehr viel seltener und verstärkt bei Mädchen auf.

Die Enuresis ist vermutlich zum großen Teil vererbt. Psychosozialer Stress spielt dafür jedoch auch eine Rolle.

Sie kann mit einem verhaltenstherapeutischen Programm behandelt werden. Bei der nächtlichen Enuresis werden v.a. Weckgeräte eingesetzt, die klingeln, wenn es zum Einnässen kommt. Dadurch lernen die Kinder, im richtigen Moment aufzuwachen und die Toilette aufzusuchen.

In manchen Fällen ist auch der Einsatz eines Medikamentes angezeigt, das die nächtliche Urinproduktion unterdrückt.

Enkopresis (Einkoten bei Kindern)

Enkopresis bedeutet, dass ein Kind wiederholt und unwillkürlich einkotet oder seinen Stuhl an dafür nicht vorgesehenen Stellen absetzt. Bei 7 bis 8-jährigen Schulkindern sind ca. 1,5 bis 3 Prozent betroffen, Jungen doppelt so häufig wie Mädchen.

Im Rahmen der Diagnostik muss auf jeden Fall ausgeschlossen werden, dass eine körperliche Erkrankung als Ursache vorliegt.

Viele Kinder mit Enkopresis verhalten den Stuhl so stark, dass es zu Verstopfung kommt. Ggf. müssen daher zunächst Abführmittel eingesetzt werden, um den Stuhlgang zu normalisieren.

Schlafstörungen bei Kindern

Zu den Schlafstörungen, die als psychische Störung bei Kindern häufig auftreten, gehören

  • das Schlafwandeln,
  • der Pavor nocturnus und
  • Alpträume.

Beim Schlafwandeln, das meist zu Beginn der Nacht auftritt, steht das Kind im Schlaf auf und geht umher. Es kann nur schwer geweckt werden. Nach dem Aufwachen erinnert es sich an nichts mehr.

Beim Pavor nocturnus stößt der Betroffene häufig einen Panikschrei aus und setzt sich plötzlich wach im Bett auf. Er ist dann völlig desorientiert und schläft auch sofort wieder schwer erweckbar ein. Dieser Ablauf der psychischen Störung ist auch durch Beruhigungsversuche kaum zu beeinflussen.

Im Gegensatz dazu haben die Betroffenen bei Alpträumen nach dem Aufwachen lebhafte Erinnerungen daran. Sie sind Beruhigungsversuchen zugänglich. Alpträume treten eher in der zweiten Nachthälfte auf.

Wann liegt eine psychische Störung bei Kindern und Jugendlichen vor?

Die Deutung einer Symptomatik als "Störung" hängt auch vom Entwicklungsstand des Kindes ab. So sind beispielsweise gelegentliche Alpträume im Vorschulalter ganz normal. Auch Ängste und Unsicherheit in der frühen Pubertät sind keine Störung und legen sich meistens wieder.

Eine psychische Störung liegt vor, wenn die Problematik über das im entsprechenden Entwicklungsstadium Normale deutlich hinausgeht und zu Leid führt.

In der Kinder- und Jugendpsychiatrie (KJP) haben Eltern und Familie sowie entsprechende Bezugspersonen (auch Lehrer) eine große Bedeutung. Sie sind sowohl in der Befunderhebung als auch in der Behandlung der Störungen zu berücksichtigen.

Was für psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen gibt es?

Es lassen sich verschiedene psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen unterscheiden. Zu den häufigsten gehören die folgenden Verhaltensstörungen bzw. emotionalen Störungen im Kindes- und Jugendalter:

ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung)

ADHS ist gekennzeichnet durch eine extreme motorische (bewegungsbezogene) Unruhe und Getriebenheit. Betroffene Kinder haben häufiger als normal das Bedürfnis,

  • herumzulaufen,
  • zu reden,
  • zu lärmen und
  • zu zappeln.

Daneben zeigen die Betroffenen eine gestörte Aufmerksamkeit in Form von

  • extrem leichter Ablenkbarkeit,
  • geringer Konzentrationsfähigkeit und
  • häufigem Wechsel der Tätigkeit.

Dazu kommt eine gestörte Impulskontrolle: Die Kinder können sich in jeder Hinsicht schwer „zusammenreißen“ und haben wenig Frustrationstoleranz.

Die Symptome beginnen in den ersten fünf Lebensjahren und überdauern zeitlich. Bei ca. einem Drittel besteht die Störung auch noch im Erwachsenenalter. Etwa 3 bis 5 Prozent aller Kinder sind betroffen, Jungen etwa 3- bis 8-mal so häufig wie Mädchen.

Durch die Unaufmerksamkeit kommt es relativ häufig zu Gefährdungen und Unfällen. Außerdem bekommen die betroffenen Kinder häufig soziale Probleme, da sie in Konflikte mit Mitschülern, Lehrern etc. geraten.

Im Jugendalter verringert sich meistens die motorische Unruhe. Die erhöhte Impulsivität und verringerte Aufmerksamkeit bleiben aber bestehen. So haben Betroffene ein erhöhtes Risiko für Drogenkonsum, Verkehrsunfälle und Delinquenz (straffällig werden).

Die Herkunft der Störung ist nicht ganz klar. Neben genetischen Faktoren spielen möglicherweise Geburtskomplikationen und Veränderungen im Gehirnstoffwechsel eine Rolle.

Therapiert wird die ADHS zum einen durch einen konsequenten Erziehungsstil und entsprechende pädagogische Maßnahmen. Daneben kommt häufig als Medikament Methylphenidat (Ritalin®) zur Anwendung.

Fallbeispiel zu ADHS

Der 9-jährige Andreas wird in der Kinderambulanz wegen ständiger disziplinarischer Probleme in der Schule vorgestellt. Er gehe in die dritte Klasse, könne nicht sitzen bleiben und laufe deshalb ständig in der Klasse herum. Er melde sich fast nie, rufe häufig dazwischen und müsse auch wegen seines Schwätzens dauernd ermahnt werden. In den Pausen komme es immer wieder zu Prügeleien. Zu Hause sei Andreas ebenfalls extrem anstrengend, die Hausaufgaben würden sich unter großen Streitereien meist über den ganzen Nachmittag hinziehen. Er habe auch viele Konflikte mit seinen Geschwistern, weil er ihnen auf die Nerven gehe. Darüber hinaus zerstöre er immer wieder Dinge der Geschwister, teils aus Versehen, teils im Impuls mit Absicht.

Störung des Sozialverhaltens bei Kindern

Diese Störung ist ein andauerndes Muster von dissozialem, aggressivem oder aufsässigem Verhalten. Die betroffenen Kinder

  • streiten z.B. häufig, auch mit massiven Wutausbrüchen,
  • treten ihren Bezugspersonen gegenüber aggressiv auf,
  • lügen und halten sich nicht an Versprechungen oder
  • sind grausam gegenüber anderen Kindern oder Tieren.

Es kann zur

  • absichtlichen Zerstörung fremden Eigentums,
  • absichtlichem Feuerlegen,
  • Diebstahl und
  • disziplinarischen Problemen in der Schule einschließlich Schuleschwänzen

kommen.

Die Störung des Sozialverhaltens tritt häufig gemeinsam mit anderen psychischen Störungen bei Kindern und Jugendlichen auf, z.B

Betroffen sind zwischen 2 und 10 Prozent aller Kinder, darunter vorwiegend Jungen. Die Störung zeigt sich häufig über viele Jahre sehr stabil.

Betroffene begehen häufiger strafbare Handlungen (Delinquenz). Ein wichtiges Ziel der Therapie besteht darin, dem und der darauf häufig folgenden Gefängniskarriere vorzubeugen.

Therapeutisch können Einzeltherapien der Kinder oder Familientherapien durchgeführt werden. Daneben spielen kommunale Maßnahmen (z.B. Jugendarbeit in „Problemvierteln“) eine Rolle.

Die Stabilität der Störung im Sozialverhalten ist sehr hoch. Das heißt, dass die Störung auch über die Jugendzeit hinaus oft bestehen bleibt. Wenn die Kinder schon im jungen Alter aggressive Auffälligkeiten zeigen, ist davon auszugehen, dass 40 Prozent dieser Grundschüler noch Störungen des Sozialverhaltens im Erwachsenenalter zeigen.

In einzelnen Fällen können Medikamente wie z.B. Lithium oder Carbamazepin mit Erfolg eingesetzt werden. Sie kommen etwa beim Vorliegen schwerer impulsiver aggressiver Verhaltensweisen zum Einsatz.

Psychosoziale Präventionsmaßnahmen sind zweifellos die entscheidenden Kriterien zur Verbesserung des Schicksals der Kinder.

Angststörungen im Kindes- und Jugendalter

Ängste sind v.a. im Kindesalter ein relativ häufiges Phänomen. Viele Kinder zeigen Angst vor bestimmten Situationen oder Objekten (sog. „phobische Ängste“), z.B.

  • vor Gewittern,
  • vor Hunden oder
  • vor der Dunkelheit.

Bei 2 bis 9 Prozent aller Kinder sind die phobischen Ängste so stark ausgeprägt, dass die Diagnose einer psychischen Störung gestellt werden kann.

Neben den phobischen Ängsten ist die Trennungsangst die wichtigste Angststörung des Kindes- und Jugendalters. 3 bis 5 Prozent aller Kinder leiden darunter.

Die betroffenen Kinder weigern sich, ihre Bezugspersonen zu verlassen. Sie leiden unter großen Ängsten, wenn sie dies doch tun. Das führt in der Regel zum Verweigern des Schulbesuches. Kinder mit Trennungsangst sind häufig schon im Kleinkindalter sehr anhänglich. Sie gehen z.B. nicht gerne in den Kindergarten.

Schwere Trennungsängste werden häufig ausgelöst durch

  • das Erleben eines Verlassenseins (z.B. Verlorengehen im Kaufhaus) oder
  • durch schwierige familiäre Situationen (z.B. drohende Trennung der Eltern).

Kinder mit Schulangst trennen sich zwar morgens von ihren Eltern, gehen dann jedoch eher nicht in die Schule. Diese zwei Angststörungen können leicht verwechselt werden, da u.U. bei beiden zunächst die Verweigerung des Schulbesuchs auffällt.

Psychosen bei Kindern und Jugendlichen

Schizophrenie und andere Psychosen beginnen relativ selten (in ca. 4 Prozent aller Fälle) schon vor dem 15. Lebensjahr. Nur etwa 1 Prozent beginnen schon vor dem 10. Lebensjahr. Je geringer das Ersterkrankungsalter ist, desto schwerer sind Psychosen zu erkennen, da sie sich im klinischen Bild stark von den Psychosen erwachsener Patienten unterscheiden.

Im jüngeren Alter treten häufig „hebephrene“ Verlaufsformen sowie Prodrome auf. Unter Prodromen versteht man eine Symptomatik, die vielen akuten Psychosen – manchmal über Jahre – vorausgeht und sich durch Probleme wie

  • Konzentrationsstörungen,
  • Misstrauen,
  • Leistungsknicks in der Schule,
  • Ängste und
  • sozialem Rückzug

äußern. Als „hebephren“ wird eine Psychose bezeichnet, wenn der Betroffene immer weniger emotionale Teilnahme und wenig Antrieb zeigt. Seine Stimmung wird zunehmend flach und „läppisch“.

Ticstörungen im Grundschulalter

Tics sind plötzliche, kurze, wiederholte, unwillkürliche Bewegungen oder Äußerungen. Sie haben kein spezielles Ziel oder eine Bedeutung. Die Betroffenen können Tics häufig für kurze Zeit willkürlich unterdrücken.

Es gibt einfache Tics wie

  • Schulterzucken,
  • Blinzeln,
  • Pfeifen oder
  • Schnüffeln.

Außerdem gibt es komplexe Tics wie

  • Springen,
  • Beriechen,
  • Aufstampfen und
  • das Sagen ganzer Wörter oder Sätze.

Bei einer vorübergehenden Ticstörung treten meist nur einfache Tics auf, die nicht länger als ein Jahr andauern. Bei chronischen Ticstörungen treten unter Umständen mehrere und komplexere Tics über einen längeren Zeitraum auf.

Bei einer schwerwiegenden Kombination von vokalen und motorischen Tics über einen langen Zeitraum spricht man vom sogenannten Gilles-de-la-Tourette-Syndrom.

Zwischen 4 und 12 Prozent der Kinder im Grundschulalter leiden an einer Ticstörung. Das sind ca. 10 mal so viele Betroffene wie im Erwachsenenalter. Jungen sind sehr viel häufiger betroffen.

Viele Ticstörungen geben sich mit der Zeit von selbst wieder. Chronische und komplexe Ticstörungen haben auch mit verhaltenstherapeutischer und medikamentöser Behandlung eine relativ schlechte Prognose.

Essstörungen im Kindes- und Jugendalter

Im Kindes- und Jugendalter gibt es einige Besonderheiten bei der Symptomatik der verschiedenen Essstörungen.

Die Adipositas (krankhafte Fettleibigkeit) im Kindes- und Jugendalter ist ein wachsendes Problem in unserer Gesellschaft. Kinder aus niedrigeren Gesellschaftsschichten sind stärker betroffen. Adipöse Kinder bleiben meist auch als Erwachsene übergewichtig. Die Folge von Adipositas sind oft

Die Anorexia nervosa (Magersucht) beginnt sehr häufig im Jugendalter. Viele kinder- und jugendpsychiatrische Einrichtungen sind auf die Behandlung dieser Störung spezialisiert.

Die Bulimie (Ess-Brechsucht) dagegen tritt oft erst in der Folge einer Anorexie auf. Sie wird daher schwerpunktmäßig in der Erwachsenenpsychiatrie behandelt.

Enuresis (unwillkürliches Einnässen)

Enuresis bedeutet, dass sich Kinder im Alter von mehr als 5 Jahren ohne organische Ursachen noch regelmäßig einnässen. Dabei lassen sich die nächtliche Enuresis sowie die Enuresis tagsüber voneinander unterscheiden. Von der nächtlichen Enuresis sind ca. 11 Prozent der Kinder betroffen, wobei die Jungen überwiegen. Die Enuresis tagsüber tritt sehr viel seltener und verstärkt bei Mädchen auf.

Die Enuresis ist vermutlich zum großen Teil vererbt. Psychosozialer Stress spielt dafür jedoch auch eine Rolle.

Sie kann mit einem verhaltenstherapeutischen Programm behandelt werden. Bei der nächtlichen Enuresis werden v.a. Weckgeräte eingesetzt, die klingeln, wenn es zum Einnässen kommt. Dadurch lernen die Kinder, im richtigen Moment aufzuwachen und die Toilette aufzusuchen.

In manchen Fällen ist auch der Einsatz eines Medikamentes angezeigt, das die nächtliche Urinproduktion unterdrückt.

Enkopresis (Einkoten bei Kindern)

Enkopresis bedeutet, dass ein Kind wiederholt und unwillkürlich einkotet oder seinen Stuhl an dafür nicht vorgesehenen Stellen absetzt. Bei 7 bis 8-jährigen Schulkindern sind ca. 1,5 bis 3 Prozent betroffen, Jungen doppelt so häufig wie Mädchen.

Im Rahmen der Diagnostik muss auf jeden Fall ausgeschlossen werden, dass eine körperliche Erkrankung als Ursache vorliegt.

Viele Kinder mit Enkopresis verhalten den Stuhl so stark, dass es zu Verstopfung kommt. Ggf. müssen daher zunächst Abführmittel eingesetzt werden, um den Stuhlgang zu normalisieren.

Schlafstörungen bei Kindern

Zu den Schlafstörungen, die als psychische Störung bei Kindern häufig auftreten, gehören

  • das Schlafwandeln,
  • der Pavor nocturnus und
  • Alpträume.

Beim Schlafwandeln, das meist zu Beginn der Nacht auftritt, steht das Kind im Schlaf auf und geht umher. Es kann nur schwer geweckt werden. Nach dem Aufwachen erinnert es sich an nichts mehr.

Beim Pavor nocturnus stößt der Betroffene häufig einen Panikschrei aus und setzt sich plötzlich wach im Bett auf. Er ist dann völlig desorientiert und schläft auch sofort wieder schwer erweckbar ein. Dieser Ablauf der psychischen Störung ist auch durch Beruhigungsversuche kaum zu beeinflussen.

Im Gegensatz dazu haben die Betroffenen bei Alpträumen nach dem Aufwachen lebhafte Erinnerungen daran. Sie sind Beruhigungsversuchen zugänglich. Alpträume treten eher in der zweiten Nachthälfte auf.

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