In der Medizin wird ein Shunt als Kurzschluss bezeichnet. Gemeint ist damit eine Verbindung zwischen zwei Blutgefäßen, die normalerweise getrennt sind.
Eine solche Verbindung entsteht entweder natürlich oder wird von Medizinern künstlich angelegt. Die Anlage eines Shunts dient dem Zweck, eine Therapie zu unterstützen.
Natürliche Shunts sind z.B. angeborene Fehlbildungen, die bereits im Embryonalstadium entstehen. Manche Shunts sind im Embryonalstadium normal (= physiologisch) und bilden sich nach der Geburt zurück. Ein wichtiges Beispiel hierfür ist der Shunt zwischen großer Hauptschlagader und Lungenvene, welcher wichtig für den Embryonalkreislauf ist.
Der am häufigsten chirurgisch angelegte Shunt ist der Dialyseshunt. Hierbei wird meistens am Arm (beim Rechtshänder der linke, beim Linkshänder umgekehrt der rechte Arm) eine Verbindung zwischen der Arterie am Handgelenk und einer danebenliegenden Vene hergestellt. Dieser Shunt wird nach seinem Erstbeschreiber Ciminoshunt genannt. Wenn die Blutgefäße am Unterarm allerdings zu dünn oder verkalkt sind, wird die Verbindung in der Ellenbeuge oder am Oberarm angelegt.
Darstellung eines Dialyseshunts © ひろみ きたはし| AdobeStock
Es können auch unbeabsichtigt Shunts entstehen, die in der Folge Probleme machen können. Zu nennen sind hier Shunts nach Punktion in der Leiste oder am Handgelenk im Rahmen einer Herzkatheteruntersuchung. Hierdurch kann eine Verbindung zwischen (bewußt angestochener) Schlagader und (unbeabsichtigt durchstochener) Vene entstehen, die sich im Laufe der Zeit ausdehnen. Im Extremfall führt der erhöhte Blutfluß in der Vene zu einer Belastung des rechten Herzens (hier fließt das venöse Blut hin) und es droht ein Herzversagen. Dann kann es notwendig sein, den Shunt (= arteriovenöse Fistel) durch eine Operation zu verschließen.
Bei der Dialyse muss ein Blutgefäß mit zwei dicken Nadeln angestochen werden, um über die eine Nadel das Blut aus dem Körper abzusaugen und im Dialysegerät zu reinigen. Nachdem das Dialysegerät die Funktion der Nieren übernommen und Giftstoffe aus dem Blut entfernt hat, wird das so gereinigte Blut über die andere Nadel wieder in den Körper zurückgeleitet. Diese Blutwäsche muß normalerweise 3x in der Woche durchgeführt werden und dauert jeweils ca. 3-5 Stunden.
Dialyseshunt im Einsatz © Max Tactic | AdobeStock
Damit diese Blutwäsche gut funktioniert und innerhalb weniger Stunden durchgeführt werden kann, muß das angestochene Gefäß (Shunt) bestimmte Voraussetzungen erfüllen:
- Es muss ausreichend dickwandig sein (> 0,6mm), um durch das Anstechen mit zwei dicken Nadeln nicht kaputt zu gehen.
- Es muss einen ausreichenden Fluß aufweisen (> 600ml/Minute), sonst ist die Blutwäsche nicht ausreichend und würde deutlich länger als 5 Stunden dauern.
- Es muss oberflächlich unter der Haut liegen, der Abstand zur Hautoberfläche sollte nicht > 6mm betragen. Andernfalls gäbe es Probleme beim Anstechen mit den Nadeln.
Um diese Voraussetzungen zu erfüllen, muss der Shunt „reifen“, sich also entwickeln. Dies erfolgt nach Anlage der Verbindung zwischen Schlagader (hoher Druck) und Vene aufgrund des erhöhten Blutdruckes in der Vene (normalerweise niedriger Druck). Diese Reifephase dauert ca. 4 – 8 Wochen und sollte unbedingt abgewartet werden. Während der „Reifephase“ kann ein zu frühzeitiges Anstechen der Shuntvene zu Komplikationen bis zum Verschluss des Shunts führen.
Wenn die Voraussetzungen für die Anlage eines Shunts aus körpereigenen Gefäßen (sogenannte autologe Shunts) nicht vorliegen, können auch Kunststoff-Shunts (alloplastische Shunts) eingesetzt werden. Hierbei handelt es sich um Kunststoffröhren, die zwischen einer Schlagader und einer Vene eingenäht und nach einer gewissen Zeit dann regelmäßig angestochen werden. Die heutzutage verfügbaren Kunststoff -Shunts sind sehr gut verträglich. Abstoßungsreaktionen treten so gut wie nie auf. Allerdings kann sich der Kunststoff infizieren. Zudem ist die Entwicklung von Engstellen oder Aussackungen deutlich häufiger als bei körpereigenen Gefäßen. Aus diesem Grund sollte, wenn möglich, auf alloplastische Shunts verzichtet und autologen Varianten der Vorzug gegeben werden.
Das Anlegen eines Shunts in das Gefäßsystem stellt keinen physiologischen Zustand dar. Daher treten im Shuntbereich häufig Komplikationen auf. Diese können unter Umständen einen langsam voranschreitenden oder abrupten Verschluss des Shunts bzw. seinen Verlust zur Folge haben.
Häufige Komplikationen sind:
- Unzureichender Blutfluss durch Engstellen
- Verschluss des Shunts durch die Bildung von Gerinnseln im Blut (Thromben)
- Aussackungen des Gefäßes
- Hämatome durch Fehlpunktionen, bei denen ein Gefäß durchstochen wird
- eine Shuntinfektion, die sogar eine Blutvergiftung (Sepsis) nach sich ziehen kann
- eine Durchblutungsstörung der Hand, da der Shunt zuviel Blut abzapft (sogenanntes Steal-Syndrom). Es kommt dann zu Taubheitsgefühlen, Kälteempfinden, Schmerzen und einer Blaufärbung der Finger
- eine Herzschwäche durch die vermehrte Volumenbelastung
Viele Probleme, wie Engstellen, Verschlüsse, Aussackungen oder Blutergüsse kann man behandeln, in dem man den erkrankten Anteil entsprechend erweitert oder einengt sowie Blutergüsse entfernt. Eine Shuntinfektion kann oft erfolgreich mit Antibiotika behandelt werden, teilweise muss der Shunt aber auch entfernt und an einer anderen Stelle neu angelegt werden. Wenn der Shunt zuviel Blut abzieht und zu einer Be- bzw. Überlastung des Herzens sowie einer Durchblutungsstörung der Hand führt, kann die Stillegung des Shunts (= Absetzen der Verbindung zwischen Arterie und Vene) notwendig sein.
Die Frage, wie lange ein Shunt hält, kann pauschal nicht beantwortet werden. Manche Shunts verschließen sich schon nach wenigen Wochen zum ersten Mal und haben dann in regelmäßigen Abständen immer wieder Probleme. Andere funktionieren nach 10 Jahren immer noch einwandfrei. Allgemein ist es aber so, dass Oberarmshunts länger halten als Unterarmshunts und autologe Varianten langlebiger sind als alloplastische.
Trotzdem sollte, wenn möglich, der Shunt soweit körperfern (Richtung Hand) angelegt werden wie möglich, da es sich bei der Niereninsuffizienz um eine chronische Erkrankung handelt. Bei komplett ausgefallener Nierenfunktion ist nicht mit einer Erholung zu rechnen, die Blutwäsche ist zeitlebens notwendig. Folglich sollten alle Gefäße des Armes von unten bis oben genutzt werden. Wenn ein Unterarm-Shunt im Laufe der Zeit nicht mehr funktioniert, kann anschließend ein Oberarm-Shunt angelegt werden. Wenn allerdings zuerst ein Oberarm-Shunt angelegt wird, kann im Verlauf nicht noch ein Unterarm-Shunt implantiert werden.