Ärzte bezeichnen diese Entwicklung als chronische Niereninsuffizienz (CNI)oder auch als chronisches Nierenversagen. Davon zu unterscheiden ist das plötzliche Aussetzen der Nierenfunktion. Dies bezeichnet man respektive als akutes Nierenversagen (ANV). Die Niereninsuffizienz oder Nierenschwäche führt zu einer Reihe von Folgeerkrankungen und Symptomen. Diese führen schließlich beim Totalausfall der Nierenfunktion ohne Behandlung zum Tod.
Menschen mit terminaler Niereninsuffizienz sind immer dialysepflichtig und können ihre Lebensqualität langfristig nur durch eine Nierentransplantation (Nierenspende) erhöhen. Doch was sind eigentlich die wesentlichen Aufgaben der Nieren? Können sie mehr als nur den Urin bilden?
Und ob – die wichtigsten Aufgaben der Nieren im Körper:
- Ausscheidung harnpflichtiger, oft giftiger Stoffwechselprodukte oder Medikamente
- Regulierung des Wasserhaushaltes
- Regulierung des Elektrolythaushaltes (Homöostasis)
- Regulierung des Säure-Basen-Haushalte
- Bildung von Hormonen (z.B. Erythropoetin, Renin)
- Beteiligung am Vitamin-D-Stoffwechsel
- Regulation des Blutdruckes
Die Nieren bilden eine sehr wichtige Filterstation innerhalb des Blutkreislaufes des Menschen. Sie erhält ihr Blut über die Nierenarterie. Innerhalb der Niere teilt sich diese Arterie in immer kleinere Blutgefäße auf, die schließlich ein Kapillarknäuel bilden. Diese kleinsten Blutgefäße mit dem geringsten Durchmesser nennt man Glomeruli, was im Lateinischen so viel wie Knäuel bedeutet.
Jede Niere hat in ihrer sogenannten Nierenrinde mehr als eine Million solcher Glomeruli. Die Glomeruli wiederum sind von feinsten Harnkanälchen, den Tubuli, umgeben. Durch die dünne Kapillarwand der Glomeruli wird das Blut aus den Gefäßen gefiltert. Es gelangt als sogenannter Primärharn in die Harnkanälchen. Täglich entstehen durch diesen Prozess bis zu 180 Liter des Primärharns! Abgegeben werden jedoch lediglich 1 bis 1,5 Liter am Tag. Was passiert jedoch mit dem Rest des gefilterten Primärharns?
Die Lösung des Geheimnisses lautet Rückresorption. In den sich an die Glomeruli anschließenden Tubulus-Strukturen wird über mehrere Schritte hinweg aus dem Primärharn der Endharn gebildet. Dieser Endharn (Urin) fließt letztlich über Harnleiter, Harnblase und Harnröhre nach außen ab. Die ursprünglichen 180 Liter Primärharn werden durch die Rückresorption von Mineralien und Wasser auf circa zwei Liter Urin am Tag konzentriert.
Arbeitet die Niere schlecht, ist nicht nur die Harnbildung davon betroffen. Vielmehr zeigen sich Auswirkungen einer Niereninsuffizienz in einer Vielzahl weiterer Organe. Durch die mangelnde Wasserausscheidung aus dem Körper können sich Ödeme bilden. Bevorzugt passiert dies in den Beinen, im Bauchraum sowie in der Lunge.
Darüber hinaus leiden Personen mit chronischem Nierenversagen häufig unter Bluthochdruck (Hypertonie). Ein besonderes Risiko für die Niereninsuffizienz ist die Arteriosklerose. Werden die Gefäße des Körpers zunehmend durch Ablagerungen verengt, kann das ebenfalls zu Bluthochdruck führen. Auch kann es zur Schädigung der feinen Nierenkapillaren in den Glomeruli kommen. Sehr häufig entsteht durch eine Arteriosklerose auch die koronare Herzkrankheit.
Bei einer sich entwickelnden Niereninsuffizienz scheidet der Körper harnpflichtige Substanzen und Giftstoffe nicht mehr ausreichend aus. Er vergiftet sich dadurch langsam selbst. Bei chronischem Nierenversagen kommt es daher im Verlauf ebenso zu einer Schädigung des Gehirns, einzelner Nerven sowie des Muskelgewebes.
Zusätzlich ist das Immunsystem mit den Giften überfordert und arbeitet deutlich eingeschränkt. Die Konzentration der harnpflichtigen Stoffe kann durch eine Anpassung der Ernährung reguliert werden. In der Folge sind Personen mit Nierenversagen häufig sehr viel anfälliger für Krankheiten. Bereits durch die Niereninsuffizienz kann es zu einer Blutarmut, der sogenannten Anämie, kommen.
In jedem Fall typisch sind Anämien auch bei Dialysepatienten. Das sind Patienten, die sich bereits in einem sehr weit fortgeschrittenen Stadium der Niereninsuffizienz befinden. Anämien bilden sich heraus, da eine gestörte Niere weniger Erythropoetin bildet, ein Hormon, welches die Bildung der roten Blutkörperchen (Erythrozyten) anregt.
Die Niereninsuffizienz zeigt den langsamen Verlust der Nierenfunktion an. Der Begriff Insuffizienz bedeutet dabei, dass die Nieren nur noch unzureichend ihre Arbeit tun; kurz: Die Niere bringt nicht mehr genug Leistung. Das Wörtchen chronisch heißt wiederum, dass die Zerstörung des Nierengewebes über Jahre hinweg immer weiter zunimmt.
Als Ursachen für chronisches Nierenversagen gelten
Das chronische Nierenversagen entwickelt sich langsam und läuft in verschiedenen Stadien ab, die dem Arzt eine Klassifizierung der Patienten erlauben.
Das chronische Nierenversagen entwickelt sich in der Regel langsam in fünf Stadien, welche nach dem Schweregrad der Erkrankung unterschieden werden. Mit größer werdender Zahl des Stadiums ist die chronische Niereninsuffizienz umso weiter fortgeschritten.
Die Einteilung der Stadien erfolgt nicht willkürlich, sondern basiert auf einem bei den Patienten gemessenen Laborwert, der sogenannten Glomerulären Filtrationsrate (GFR). Die GFR zeigt an, wie gut die Nieren darin sind, die harnpflichtigen und giftigen Stoffe auszuscheiden.
Funktioniert die Ausscheidung dieser Stoffe nicht mehr ausreichend, reichern sich die harnpflichtigen Stoffe im Blut an. Da diese häufig als Gifte wirken, beeinträchtigen sie zunehmend die Funktionen weiterer Organe im Körper. Doch was sind eigentlich alles harnpflichtige Stoffe? Zu den harnpflichtigen Substanzen zählen beispielsweise:
- Kreatinin aus dem Muskelstoffwechsel,
- Harnstoff als Endprodukt des Proteinstoffwechsels sowie
- Harnsäure, die als ein Endprodukt des Zellstoffwechsels auftritt.
Chronische Niereninsuffizienz bzw. Chronisches Nierenversagen entwickelt sich im Wesentlichen entlang der folgenden Parameter:
kompensiertes Stadium: Bei erster leichter Einschränkung der Filterleistung ist der Kreatininspiegel im Blut anfangs noch normal.
- kompensierte Retention: Der Kreatininspiegel im Blut steigt langsam an. Der Patient leidet aber noch immer nicht unter Beschwerden.
- präterminale Niereninsuffizienz: Der Kreatininspiegel erhöht sich weiter. Außerdem treten erste typische Symptome der Niereninsuffizienz auf. Dazu gehören Übelkeit, Erbrechen, Leistungsabnahme, Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Juckreiz, Konzentrationsschwäche, Atemnot, Missempfindungen sowie Krämpfe.
- terminale Niereninsuffizienz: Der Kreatininspiegel steigt infolge des Ausfalls der Nieren dramatisch an. Das Blut übersäuert zunehmend, da chemisch sauer reagierende Stoffe nicht mehr über die Niere ausgeschieden werden. Es treten nun alle typischen Symptome der Niereninsuffizienz im Spätstadium auf. Dazu gehören sehr tiefe Atmung oder auch die sogenannte Kussmaul-Atmung, sinkender Blutdruck und möglicherweise eine Schock-Symptomatik. Ohne Dialyse muss der betroffene Patient in diesem Stadium der Erkrankung unweigerlich sterben.
Der Normalwert der GFR für Kreatinin beträgt zwischen 95 und 110 ml pro Minute. Eine gesunde Niere reinigt demnach pro Minute mindestens 95 ml Blut von Kreatinin, welches dann mit dem Urin ausgeschieden werden kann. Wird dieser Wert deutlich unterschritten, steigt auch der Kreatinin-Wert im Blut des Patienten an.
Die Messung der GFR ist existenziell wichtig. Damit lässt sich die Niereninsuffizienz frühzeitig diagnostizieren und eine Behandlung oder Therapie einleiten. Würde nur das Kreatinin im Blut bestimmt, ließe dies erst viel später erkennen, dass die Nieren fehlerhaft arbeiteten. Im Einzelnen werden die 5 Stadien der Niereninsuffizienz wie folgt definiert:
Stadium 1: Blutwerte im Normalbereich
Die GFR ist noch größer als 90 ml/min.
Dieser Wert zeigt an, dass die Nieren noch normal funktionieren. Anfangs sind die Blutwerte der harnpflichtigen Substanzen noch im Normalbereich. In einigen Fällen wird bei beginnender Niereninsuffizienz bereits Eiweiß mit dem Urin ausgeschieden. Im Stadium 1 gilt es herauszufinden, warum sie nicht mehr vollständig arbeiten.
Wird die Krankheitsursache schließlich behandelt, kann man in diesem Stadium der Niereninsuffizienz einer weiteren Verschlechterung noch vorbeugen. Die Diagnose der Niereninsuffizienz in diesem Anfangsstadium ist häufig nur ein Zufallsbefund, denn noch haben die Untersuchten keinerlei Symptome.
Stadium 2: Erste kleinere Anzeichen für eine Niereninsuffizienz
Die GFR tendiert zwischen 60 und 89 ml/min.
Auch im Stadium 2 ist Nierenversagen nicht immer gut zu diagnostizieren. Eine Blutuntersuchung kann erste Hinweise liefern. Die Nieren arbeiten noch ausreichend. Doch werden bei genauerer nephrologischer Untersuchung schnell Defizite bei der GFR sichtbar.
Bluthochdruck und Diabetes sind die beiden Erkrankungen, welche regelmäßig in einer Nierenschädigung enden können. Die schnelle Behandlung bzw. Therapie dieser Erkrankungen ist wichtig, um ein Voranschreiten der Niereninsuffizienz aufzuhalten. Besonders bei Diabetes ist auch auf die Ernährung zu achten.
Stadium 3: Nierenschäden erkennbar
Die GFR sinkt auf 30 bis 59 ml/min ab.
Die Nierenschädigung ist weiter fortgeschritten und im Blut finden sich erhöhte Kreatinin- und Harnstoffwerte. Symptome der Niereninsuffizienz treten auf: Betroffene leiden unter Bluthochdruck (Hypertonie), Leistungsabfall und Müdigkeit. Diese Symptome sind meist noch viel zu unspezifisch, um den Patienten auf ein Problem mit den Nieren zu weisen.
In diesem Stadium ist ebenfalls das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich erhöht. Medikamente, die normalerweise über die Niere ausgeschieden werden, müssen niedriger dosiert werden, um keine Nebenwirkungen zu provozieren.
Stadium 4: Fortschreitende Niereninsuffizienz
Die GFR fällt auf 15 bis 29 ml/min.
Die Niereninsuffizienz entwickelt sich weiter und gleichzeitig nehmen auch die Beschwerden zu: Die Erkrankten leiden unter Appetitlosigkeit, Erbrechen, Übelkeit, Nervenschmerzen, Juckreiz und oft auch Knochenschmerzen. Der Organismus scheidet weniger Salze und Wasser aus. Dadurch kommt es zur Einlagerung von Wasser in die Gewebe. Es bilden sich Ödeme, z. B. an den Beinen oder im Gesicht.
Im Stadium 4 ist der Schaden an den Nierenzellen bereits sehr groß. Der gesamte Körper ist von der mangelhaften Ausscheidung der harnpflichtigen Stoffe betroffen. Die Symptome der Niereninsuffizienz werden jedoch nicht einzig und allein von den sich anreichernden Giftstoffen bewirkt. Vielmehr geht die eingeschränkte Nierenfunktion mit dem Verlust wichtiger Hormone und Mineralstoffe einher.
Eine Ursache für die Müdigkeit liegt beispielsweise im Mangel an roten Blutkörperchen. Neben ihrer Aufgabe als Filteranlage stellt die Niere Hormone und Botenstoffe her. Das Erythropoetin (EPO), das auch oft als Doping-Mittel im Sport eingesetzt wurde, verstärkt die Bildung der roten Blutkörperchen. Ohne sie gelangt weniger lebensnotwendiger Sauerstoff in die Körperzellen, sodass deren Leistungsfähigkeit sinkt.
Spätestens seit dem Stadium 3 muss ein Nierenspezialist mit in die Behandlung einbezogen werden. Durch Medikamente und eine Änderung der Ernährung und des Trinkverhaltens ist eine Verlangsamung der Niereninsuffizienz zu erreichen. Bei der Ernährung sollte genau auf den Konsum von Eiweiß geachtet werden. Sobald aber die Medikamente nicht eingenommen werden, oder sogar Infektionen auf diese Organe zukommen, schreitet die Niereninsuffizienz weiter voran.
Stadium 5: Dialysepflicht
Die GFR sinkt unter 15 ml/min.
Fallen sie schließlich vollständig aus, spricht der Nephrologe von der terminalen Niereninsuffizienz. Dabei handelt es sich um die Niereninsuffizienz im Stadium 5. Schnelle Gegenmaßnahmen sind dann zwingend notwendig, da sich der Organismus sonst rasch selbst vergiftet. Um harnpflichtige Substanzen zu filtern, stehen unterschiedliche Verfahren zur Verfügung:
Generell stehen viel zu wenige Spendernieren für die vielen Dialysepatienten zur Verfügung. Lange Wartezeiten bis zur rettenden Nierentransplantation sind daher unumgänglich. Alternativ kann eine Nierentransplantation bereits vor dem Stadium 5 geplant werden, wenn ein Lebendspender aus dem Familienkreis als Spender infrage kommt.
Trotz der bis zu täglich durchgeführten Dialyse hat die terminale Niereninsuffizienz Auswirkungen auf den Organismus. Es kommt zur Gelbfärbung der Haut oder zu gesteigertem Juckreiz. Beides geht auf die Einlagerung von harnpflichtigen Substanzen in die Haut zurück. Darüber hinaus gibt es weitere Probleme bei terminaler Niereninsuffizienz, so z.B.:
- starke Einschränkung der täglichen Trinkmenge
- Blutdruckschwankungen
- Muskelkrämpfe
- Sensibilitäts- oder Herzrhythmusstörungen
Dies zeigt, dass auch eine regelmäßige Dialyse die Nierenfunktion nicht komplett ersetzen kann. Ohne Dialyse auf der anderen Seite können Menschen mit terminaler Niereninsuffizienz aber keinesfalls überleben.
Personen, die eine chronische Niereninsuffizienz haben, haben ein deutlich erhöhtes Schlaganfallrisiko. Darüber hinaus haben sie auch eine im Vergleich zu Gesunden eine schlechtere Prognose nach einem Schlaganfall.
Insgesamt betrachtet kommt die chronische Niereninsuffizienz heutzutage etwa doppelt so häufig vor wie noch vor zehn Jahren. In den Industrienationen liegt die Rate für Niereninsuffizienz zwischen 10 und 20 %. Bei den Patienten 70+ erreicht sie sogar beinahe 40 %. Diese hohe Prävalenz hat auch Auswirkungen auf die Schlaganfallrate. So steigt das Schlaganfallrisiko bei einer glomerulären Filtrationsrate (GFR) von weniger als 30 ml/min um das Dreifache an. Bei dialysepflichtigen Menschen steigt es sogar um das Sechsfache.
Auch nach einem überstandenen Schlaganfall stehen Personen mit chronischer Niereninsuffizienz schlechter da: Zwei Jahre danach sind durchschnittlich bis zu 15 % der Patienten ohne Nierenversagen gestorben, aber über 40 % derer mit Niereninsuffizienz. Patienten, die Hämodialyse-pflichtig waren, starben sogar in über 60 % der Fälle.
Von den Schlaganfall-Patienten mit einer terminalen Niereninsuffizienz sind nach zwei Jahren bis zu drei Viertel tot. Von denen ohne Dialyse betrifft das etwas mehr als die Hälfte. Demgegenüber beträgt die Zweijahressterberate bei gesunden Nieren nur circa 30 %. Bestätigt werden diese Daten durch eine Registeranalyse von über 132.000 Patienten mit Vorhofflimmern (VHF): Hier zeigte sich, dass Personen mit Niereninsuffizienz ein deutlich höheres Risiko für thrombotische Infarkte, aber ebenso für Blutungen, hatten.