Die Vena iliaca befindet sich im Bauchraum etwa auf Höhe des Kreuzbeins. In ihr vereint sich das zum Herzen zurückströmende Blut aus Beinen sowie Becken- und Gesäßbereich. Die linke und rechte Kreuzbeinvene werden wiederum zur unteren Hohlvene, die direkt zum Herzen führt. Parallel zur Vena iliaca verläuft die gleichnamige Arteria iliaca. Auf der linken Seite überkreuzt die Arterie die Vene kurz vor deren Einmündung und übt dadurch Druck auf diese aus. Durch ihre Lage direkt an der Wirbelsäule kann sie auch nicht ausweichen und es entsteht unter Umständen eine Engstelle in der Vene.
Führt der Druck durch die Arterie zu einer Venenverengung, werden die Gefäßwände an dieser Stelle besonders beansprucht. Auch das Pulsieren der Arterie sorgt dafür, dass die sogenannte Endothelschicht übermäßig belastet und teilweise sogar leicht beschädigt wird. Durch häufige Reparaturen verdickt sich die Venenwand mit der Zeit und das Gefäß wird immer enger, was die Problematik zusätzlich verschärft. Hoher Blutdruck, auch bekannt als Hypertonie, fördert ebenfalls Verletzungen und Abnutzungserscheinungen an den Gefäßwänden durch das durchfließende Blut.
Phlebologen sind Spezialisten für das May-Thurner-Syndrom und andere Venenerkrankungen. Sie kennen sich bestens mit den Aufbau und der Gesundheit von Blutgefäßen aus und führen sowohl die Diagnostik als auch die Therapie bei der Erkrankung durch. Muss operiert werden, ziehen die Phlebologen Gefäßchirurgen hinzu.
Das May-Thurner-Syndrom verläuft in der Regel lange Zeit asymptomatisch. Die bloße Anlage einer Engstelle im Bereich der Kreuzbeinvenen ist noch nicht problematisch. Durch die unweigerlich zunehmende Verengung kann das Blut aus dem linken Bein mit der Zeit jedoch immer schwerer abfließen. Es staut sich in den Venen und wird vom Körper zumindest teilweise über andere Gefäße zur Hohlvene geleitet. Diese werden durch die erhöhte Last unter Umständen allerdings auch beschädigt. Im fortgeschrittenen Stadium zeigt sich das Cockett-Syndrom mit einer Schwellung des linken Beins, der vermehrten Entstehung von Krampfadern sowie den damit einhergehenden Schmerzen im Bein und an der verengten Stelle.
Die schlimmste Folge des Vena-iliaca-Kompressionssyndroms ist eine tiefe Venenthrombose. Durch den Blutstau und andere Folgen der Venenverengung steigt das Thromboserisiko signifikant an. Durch die verminderte Flußgeschwindigkeit kann das Blut dort gerinnen und einen Thrombus ausbilden, der das ganze Gefäß verstopft. So leidet mindestens jeder fünfte Patient mit einer tiefen Venenthrombose am May-Thurner-Syndrom. Meist wird dieses auch erst nach Auftreten der Symptome einer Thrombose erkannt. Diese sind:
- Schwellung des Beins mit Spannungsgefühl
- Haut ist gerötet, eventuell auch mit Verfärbung ins Bläuliche
- Überwärmung und Wärmegefühl im Bein
- Schmerzen, die durch Hochlagerung gemildert werden können
Eine tiefe Venenthrombose führt im schlimmsten Fall zu einer Lungenembolie. Dies ist der Fall, wenn sich das Blutgerinnsel von der Gefäßwand löst und im Blutkreislauf weiter bis zur Lunge wandert. Weil die Venen dort sehr klein und eng sind, bleibt es hier in der Regel stecken und verursacht dadurch lebensbedrohliche Atemnot und starke Schmerzen.
Venenverschlüsse sind dann ein Notfall, wenn der verbleibende Durchfluss so gering ist, dass das Thromboserisiko stark erhöht ist und es zu starken Schmerzen und Schwellungen kommt. Bei einem May-Thurner-Syndrom im Anfangsstadium sind die Symptome nur leicht, da die Vene noch nicht zu stark verengt ist. Im weiteren Verlauf nimmt die Durchflusskapazität aber immer mehr ab, sodass die Beschwerden immer akuter werden und eine Behandlung immer dringlicher wird. Eine Thrombose oder ein (fast) vollständiger Venenverschluss ist immer ein medizinischer Notfall. Durch den Blutstau und den dadurch auftretenden Druck wird das gesamte Gewebe des Beins geschädigt. Außerdem besteht die Gefahr einer lebensgefährlichen Lungenembolie, sodass sofortiges Handeln gefragt ist.
Bei Verdacht auf eine Verengung der Vena iliaca können Spezialisten im Bereich der Blutgefäße dies mittels eines Ultraschalls überprüfen. Oft kommt auch die sogenannte Venographie zum Einsatz. Bei dem auch als Phlebographie bekannten Verfahren injiziert ein Arzt ein starkes Röntgenkontrastmittel in die oberflächlichen Venen. Anschließend fertigt er Röntgenaufnahmen des Beins an. Auf diesen ist durch das Kontrastmittel der Verlauf der Venen sichtbar. Durch das Anfertigen mehrerer Aufnahmen in regelmäßigen Abständen können außerdem der Durchfluss in den Venen und damit auch bestehende Engstellen abgebildet werden.
Aufgrund der Strahlenbelastung darf eine Venographie nicht bei heranwachsenden, schwangeren oder niereninsuffizienten Patienten durchgeführt werden. Hier stehen zur Diagnose des May-Thurner-Syndroms lediglich der Ultraschall oder die Anfertigung eines MRTs zur Verfügung. Gerade für die Abbildung großer Venen sind diese Verfahren überlegen, da sie weitere zusätzliche Informationen über die Beschaffenheit des Gewebes liefern.
Bei einem leichten Vena-iliaca-Kompressionssyndrom, das sich höchstens durch eine leichte Schwellung des linken Beins bemerkbar macht, verschreibt der behandelnde Arzt in der Regel das Tragen eines Kompressionsstrumpfs. Dieser verhindert den Blutstau im Bein und senkt das Thromboserisiko, weil sich die Venen im Bein nicht erweitern können.
Hat sich bereits eine Thrombose gebildet und wird das May-Thurner-Syndrom in diesem Zusammenhang diagnostiziert, steht erst einmal die Therapie der Thrombose im Vordergrund. Durch spezielle Medikamente, die die Blutgerinnung hemmen, löst sich der sogenannte Thrombus wieder auf. Ist die akute Gefahr gebannt, erfolgt die Anamnese der Risikofaktoren für eine Thrombose und wie genau es zu deren Entstehung kommen konnte.
Bei einer starken Schädigung oder Verengung der Vena iliaca im Rahmen des Cockett-Syndroms besteht ein deutlich erhöhtes Thromboserisiko. Im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung ist das Tragen eines Kompressionsstrumpfs nicht mehr ausreichend, um die Venenerweiterung vollständig zu verhindern. Außerdem verengt sich die betroffene Stelle immer weiter und weitere Komplikationen können nur durch eine Operation verhindert werden. Bei dieser setzen die Ärzte sogenannte Stents in die Venen ein. Die kleinen Röhrchen aus Metallgeflecht unterstützen die Gefäßwand und sorgen dafür, dass diese sich nicht mehr verengen kann. Sie verbleiben lebenslang im Körper und werden von diesem in der Regel nicht als Fremdkörper angegriffen.
Beim May-Thurner-Syndrom handelt es sich um die Folge einer leichten anatomischen Auffälligkeit, die im Laufe der Zeit aber zu schweren Schäden führen kann. Ärzte erkennen die Erkrankung selten bei den ersten Symptomen, sondern meist erst, wenn eine Thrombose auftritt. Mittels Kompressionsstrümpfen und Venenstents können sie die Engpasssyndrom aber gut therapieren.