Neuritis vestibularis - Medizinische Experten

13.09.2021
Leading Medicine Guide Redaktion
Autor des Fachartikels
Leading Medicine Guide Redaktion

Bei einer Neuritis vestibularis ist der Gleichgewichtsnerv (Nervus vestibularis) entzündet. Die Folge sind Drehschwindelattacken, die häufig mit Übelkeit, Erbrechen und einem Nystagmus einhergehen. Im Folgenden finden Sie weitere Informationen zu Symptomen, Diagnose und Therapie der Neuritis vestibularis sowie Spezialisten für die Behandlung dieser Entzündung des Gleichgewichtsnervs.

ICD-Codes für diese Krankheit: H81.2

Empfohlene Spezialisten für Neuritis vestibularis

Neuritis Vestibularis Fälle in Deutschland

39.636 Fälle im Jahr 2020
40.182 Fälle im Jahr 2023 ( Prognose )

Das prognostizierte Fallzahlwachstum basiert auf Angaben zur Bevölkerungsentwicklung der statistischen Bundes- & Landesämter. Die Berechnung erfolgt je Altersklasse, sodass demographische Effekte berücksichtigt werden. Die Fallzahlen basieren aus einer Vernetzung von unterschiedlichen öffentlich zugänglichen Quellen. Mittels Datenanalyseverfahren werden diese Zahlen aufbereitet und unseren Usern zugänglich gemacht.

Artikelübersicht

Was ist eine Neuritis vestibularis?

Ein anhaltender oder periodisch auftretender starker Drehschwindel kann durch eine Neuritis vestibularis verursacht sein. Es handelt sich dabei um eine Entzündung des Gleichgewichtsnervs (Nervus vestibularis). Dieser kann deshalb die Impulse unseres Gleichgewichtsorgans im Innenohr nicht mehr korrekt an das Bewegungszentrum in unserem Gehirn weiterleiten. Es entstehen dadurch völlig unkontrollierbare Bewegungsempfindungen, die in der Regel einen starken und anhaltenden Drehschwindel beinhalten.

Unser Gleichgewichtsorgan, Vestibularapparat genannt, besteht aus je drei, etwa 6 Millimeter großen, Bogengängen, die mit einer speziellen Lymphflüssigkeit gefüllt sind. Die drei Bogengänge stehen jeweils senkrecht aufeinander. Jeder einzelne Bogengang verkörpert eine der drei Drehrichtungen um die Hoch-, Quer- und Längsachse im dreidimensionalen Raum. Die drei Bogengänge melden „echte“ Drehbeschleunigungen an den Gleichgewichtsnerv. Eine kleine Ampulle am Boden der Bogengänge ist für die Erkennung und „Messung“ von Linearbeschleunigungen verantwortlich wie wir sie beispielsweise im Auto bei Beschleunigungen und beim Bremsen empfinden.

Typische Symptome einer Neuritis vestibularis

Die durch die Erkrankung ausgelöste Drehschwindelattacke ist für die Betroffenen meist sehr unangenehm und kann in Einzelfällen bis zu sieben Tage oder länger anhalten. Die Drehschwindelattacken werden häufig von starker Übelkeit, Erbrechen und von einem Nystagmus begleitet. Die betroffenen Menschen entwickeln meist ein stärkeres Krankheitsgefühl. Zudem besteht meist eine Fallneigung zu der betroffenen Seite hin. Wenn der Gleichgewichtssinn des linken Innenohrs betroffen ist, besteht Fallneigung zur linken Seite.

Als Nystagmus bezeichnen Mediziner eine besondere Form von unkontrollierbaren Augenbewegungen (Augenzittern). Bei einer schnellen Drehung um die Hochachse, bei der die Umgebung nur noch unscharf wahrgenommen wird, versuchen die Augen, reflexartig der Drehung zu folgen und dann ruckartig wieder zurückzuspringen (vestibulo-okulärer Reflex, VOR). Dadurch kann die Umgebung bei einer schnellen Drehung besser fixiert werden. Der Nystagmus läuft meist völlig unbemerkt ab. Auch der Drehschwindel kann einen Nystagmus auslösen, der allerdings analog zur Heftigkeit der Schwindelattacke ebenfalls stark ausgeprägt sein kann. Das Bewegungszentrum in unserem Gehirn weiß ja nicht, dass die starke Drehempfindung nicht echt ist und reagiert darauf mit der Initiierung eines „echten“ Nystagmus wie bei einer realen Drehbeschleunigung.

Was sind die Ursachen der Neuritis vestibularis?

Als Ursache für die Erkrankung an Neuritis vestibularis vermuten Mediziner eine virale Infektion oder eine Reaktivierung von Herpes simplex Typ 1 Viren. Die Vermutung lässt sich durch den Nachweis von Erbsubstanz (DNA) dieses Virustyps in degenerativen Entzündungen des Vestibularnervs untermauern. Statistisch tritt eine auffällige Häufung der Erkrankung beim Menschen im Alter zwischen 50 und 60 Jahren auf.

Von allen Patienten, die sich aufgrund eines Drehschwindels in ärztliche Behandlung begeben, sind nur etwa 7 Prozent an der Neuritis vestibularis. Bei den übrigen Patienten haben ihre Drehschwindelattacken andere Ursachen. Direkte Risikofaktoren, die eine Erkrankung an Neuritis vestibularis begünstigen, sind keine bekannt.

Wie lässt sich eine Neuritis vestibularis sicher diagnostizieren?

Die typischen, meist länger anhaltenden Drehschwindelattacken im Verlauf der Neuritis vestibularis reichen für eine sichere Diagnose der Erkrankung nicht aus. Es gibt zu viele andere Ursachen für die Auslösung von Schwindelattacken, so dass weitere Diagnoseverfahren notwendig sind. Auch moderne, bildgebende Verfahren wie CT und MRT bieten keine Gewähr für eine abgesicherte Diagnose. Einfache Tests wie der Kopfimpulstest und eine rotatorische und thermische Prüfung des Vestibularapparates sowie einige wenige Ausschlusskriterien erlauben dagegen eine sichere Diagnose.

Der Kopfimpulstest ist ganz einfach ohne fremde Hilfsmittel durchführbar. Der Arzt hält den Patienten an, mit den Augen einen fernen Punkt zu fixieren. Der Arzt nimmt den Kopf des Patienten in beide Hände und dreht ihn ein wenig ruckartig nach rechts und nach links. Anhand der jetzt erfolgenden, reflexartigen Augenbewegungen kann der Arzt eine sichere Aussage treffen, ob und welches der beiden Gleichgewichtsorgane nicht funktioniert. Ein wichtiger Hinweis besteht darin, dass die Neuritis vestibularis niemals zusammen mit einem Tinnitus auftritt. Und an einem eventuell angefertigten Audiogramm zeigen sich keinerlei Auffälligkeiten. Eine eventuelle Störung des Vestibularapparates beeinträchtigt nicht das Hören und die Erkrankung löst auch keinen Tinnitus aus.

Welche Therapien stehen für die Behandlung der Neuritis vestibularis zur Verfügung?

Begleitsymptome der Neuritis vestibularis wie häufiges Erbrechen erfordern zunächst eine Behandlung der Symptome und der Begleitsymptome. Das bedeutet, dass der behandelnde Arzt in den meisten Fällen zunächst Arzneimittel zur Vermeidung weiteren Erbrechens (Antiemetika) verabreicht. Falls es durch häufiges Erbrechen zu einem starken Flüssigkeits- und Elektrolytverlust gekommen ist, kann dieser durch eine intravenöse Infusion ausgeglichen werden.

Zur Dämpfung des akuten Drehschwindels stehen Anticholinergika sowie Antihistaminika und Benzodiazepine zur Verfügung. Die Arzneimittel dämpfen die Weiterleitung nervlicher Reize, was sich allerdings nicht nur auf den erkrankten Gleichgewichtsnerv beschränkt. Auch eine Kortikoid-Stoßtherapie kommt infrage. Dabei handelt es sich um eine kurzzeitige Behandlung mit Kortison oder kortisonähnlichen Arzneistoffen (Kortikoide) über einen Zeitraum von etwa drei Tagen. Kortison entfaltet eine entzündungshemmende Wirkung.

Alle Therapieformen sollten durch Bewegungs- und Gleichgewichtsübungen (Physiotherapie) begleitet werden. Die empfohlene Physiotherapie umfasst auch Augentraining wie Blickstabilisierungen und das Training des vestibulo-okulären Effektes.

Verlauf und Prognose

Bei entsprechender medikamentöser Behandlung wie oben beschrieben klingt die akute Phase nach 3 bis 4 Tagen ab. Die Patienten können dann wieder ohne Hilfe gehen. Bis zum völligen Verschwinden der Symptome und der Wiederherstellung der Fitness wie vor der Erkrankung kann es allerdings bis zu 7 Wochen dauern. Prinzipiell ist die Prognose als gut einzustufen. Falls das Gleichgewichtsorgan oder der Nervus vestibularis nicht vollständig regenerieren, hat das Gehirn Kompensationsmöglichkeiten, so dass subjektiv meist keine Beeinträchtigungen des Gleichgewichtssinns zurückbleiben.

Zusammenfassung

Die Neuritis Vestibularis ist eine entzündliche Erkrankung des Gleichgewichtsnervs oder des Gleichgewichtsorgans im Innenohr. Die Erkrankung wird mit großer Wahrscheinlichkeit von bestimmten Herpes-Viren ausgelöst und wird von heftigem Drehschwindel begleitet, der über längere Zeit bis zu sieben Wochen anhalten kann. Begleitsymptome sind meist Übelkeit mit Erbrechen und eine Neigung zum Fallen sowie reflexartige Augenbewegungen (Nystagmus). Das Hörvermögen wird durch die Krankheit nicht beeinträchtigt.

Eine medikamentöse Behandlung der Symptome und der Ursachen sollte immer von einer speziellen Physiotherapie einschließlich Augentraining begleitet werden. Grundsätzlich ist die Verlaufsprognose günstig.

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