Der Begriff Polytrauma (poly = viele, zahlreich; Trauma = Verletzung) bedeutet aus dem Griechischen übersetzt „Mehrfachverletzung“. Ein Polytrauma ist ein Sammelbegriff für mehrere, gleichzeitig erlittene Verletzungen. Mindestens eine oder mehrere der Verletzungen in Kombination stellen eine lebensbedrohliche Situation dar.
Das Traumaregister der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) berichtet von nahezu 40.000 Polytraumata (= lebensbedrohliche Verletzungen) pro Jahr. Mehrere tausend Verkehrstote werden jährlich gezählt.
Folgende Szenarien führen häufig zu einem Polytrauma:
- Schwere Verkehrsunfälle
- Arbeitsunfälle
- Stürze älterer oder kranker Menschen
- Suizidversuche
- Sportverletzungen
In den meisten Fällen sind schwere Verkehrsunfälle für ein Polytrauma verantwortlich, denn hier wirken sehr starke Kräfte: Etwa dann, wenn mehrere Fahrzeuge zusammenstoßen oder Insassen aus dem Fahrzeug geschleudert werden. Aber auch Motorrad- und Fahrradfahrer sind überdurchschnittlich häufig Opfer von schweren Verkehrsunfällen und erleiden nicht selten lebensbedrohliche bzw. tödliche Verletzungen mehrerer Organsysteme.
Arbeitsunfälle zählen ebenso zu den möglichen Auslösern von Polytraumata wie Unfälle von älteren Personen, etwa im Haushalt. Wenn ein älterer Mensch stürzt, kann er leichter sowohl Knochenbrüche als auch innere Verletzungen erleiden.
Suizidversuche, bei denen sich Menschen aus Fenstern oder von Brücken stürzen, können auch zu einem Polytrauma führen. Der Aufprall zerstört nicht nur Knochenstrukturen, sondern schädigt auch die inneren Organe. Oft enden diese Stürze tödlich.
Auch Verletzungen im Sport gehören zu den Ursachen eines Polytraumas. Wenn zum Beispiel ein Eishockeyspieler von einem Puck schwer am Kopf getroffen wird, kann sowohl ein sichtbarer Schaden am Kopf entstehen als auch eine Verletzung des Gehirns oder der Schädelknochen. Auch in diesem Fall spricht man von einem Polytrauma.
Manche Unfallopfer erleiden ein so schweres Polytrauma, dass sie mit dem Hubschrauber abtransportiert werden müssen © Spidi1981 | AdobeStock
Es gibt Verletzungen, deren Schwere teilweise auch ein Laie erkennen kann, etwa bei
- offenen Knochenbrüchen,
- tiefen und stark blutenden Stich- und Schnittwunden oder
- ausgedehnten Quetschungen.
Bei vielen schweren Unfällen kommt es auch zu Amputationsverletzungen. Dies bedeutet, dass ein Körperteil abgetrennt wird. Hierbei sind oft die Extremitäten, also Arme und Beine, betroffen. Diese können auch teilamputiert sein und durch eine mehr oder weniger große Gewebebrücke noch mit dem Körperstamm (Rumpf) verbunden sein. Bei starker Verletzung ist allerdings zum größten Teil die betroffene Extremität nicht mehr erhaltungsfähig und muss operativ entfernt werden.
Oft ist der Patient dann auch nicht ansprechbar und es ist ein deutlicher Blutverlust erkennbar. Das alles sind typische Hinweise auf eine schwere Erkrankung und können auf ein lebensgefährliches Polytrauma hindeuten.
Herbeigerufene Mediziner werden ein Polytrauma bereits am Unfallort feststellen können und entsprechend reagieren. So werden zum Beispiel die Vitalfunktionen wie
- Atmung,
- Blutdruck oder
- die Stabilität des Kreislaufs
überprüft. Auch körperliche Untersuchungen können hier bereits erste Hinweise liefern.
Im Krankenhaus können dann auch bildgebende Verfahren weiter Aufschluss über die Schwere der Verletzungen geben. Oft werden
durchgeführt, um mögliche innere Verletzungen zu erkennen. Auch eine Computertomographie kann zum Einsatz kommen.
Mittlerweile kann in den meisten Krankenhäusern ein sogenanntes "Polytrauma-CT" unmittelbar in der Notaufnahme angefertigt werden. Dies ist insbesondere bei innere Verletzungen, Hirnblutungen oder schweren Knochenbrüchen indiziert und kann innerhalb weniger Minuten sämtliche Verletzungen und Blutungsquellen von Kopf bis Fuß darstellen. Bei Polytraumen kann diese Untersuchung das Leben des Patienten retten.
Folgendes Schema kommt bei einem Polytrauma in der Regel zum Einsatz:
- Erstversorgung am Unfallort (Sicherung der Vitalfunktionen, Begutachtung)
- Transport in eine Klinik (Schockraum) oder in ein Traumazentrum
- Durchführung von lebenserhaltenden Operationen
- Behandlung oder Operation von weiteren Verletzungen
- Je nach Grad der Verletzungen: weiterer Klinikaufenthalt
- Rehabilitationsmaßnahmen
Was genau gehört zur Erstversorgung am Unfallort?
Bei einem schweren Unfall steht zunächst die Notfallbehandlung direkt am Unfallort im Fokus. Dabei ist es von entscheidender Bedeutung, Kreislauf und Atmung zu stabilisieren. Bei schweren Wunden muss der Ersthelfer bzw. Notarzt zudem die Blutungen stillen, um einen zu hohen Blutverlust zu vermeiden.
Ziel dieser Erstbehandlung ist es, den Verletzten am Unfallort zu stabilisieren, um ihn ins Krankenhaus bringen zu können. In manchen Fällen wird der Patient direkt in ein spezielles Traumazentrum eingeliefert. Dies ist ein auf schwere Unfallerkrankungen spezialisiertes Krankenhaus. In normalen Krankenhäusern hingegen steht ein sogenannter Schockraum zur Verfügung. Der Transport von Polytrauma-Patienten erfolgt oft luftgebunden mit einem Hubschrauber, um schnellstmöglich adäquate Therapie zu gewährleisten.
Was gehört zu den lebensrettenden Maßnahmen im Krankenhaus?
Die erste Behandlung erfolgt in der Notaufnahme oder auf der Intensivstation. Teilweise muss der Patient auch direkt in den Operationssaal gebracht werden. Dies ist z.B. bei schweren Blutungen notwendig, um einen Verblutungstod zu verhindern.
Im Krankenhaus werden Ärzte verschiedener Fachbereiche zusammengestellt, etwa
um den Patienten bestmöglich weiter zu versorgen.
Die Mediziner beurteilen dann nicht nur das Ausmaß des Polytraumas, sondern können auch umgehend lebensrettende Operationen durchführen. Diese haben oberste Priorität.
Liegen zum Beispiel
- schwerste innerste Verletzungen,
- eine Hirnblutung oder
- offene Knochenbrüche
vor, werden diese sofort versorgt.
Welche weiteren Verletzungen müssen anschließend versorgt werden?
Nach diesen lebensrettenden Operationen werden eventuelle weitere Verletzungen versorgt, die der Patient erlitten hat. Hierbei kann es sich um normale Knochenbrüche oder um Schäden an
- Bändern,
- Sehnen,
- Muskeln oder
- Gelenken
handeln. Diese Verletzungen sind aber in aller Regel nicht lebensbedrohlich. Deshalb werden diese Eingriffe erst dann durchgeführt, wenn der Patient stabil und außer Lebensgefahr ist.
Im weiteren Verlauf der Behandlung hängt viel vom Heilungsverlauf ab. Dieser kann sich von Patient zu Patient sehr unterschiedlich gestalten. Nach einem schwere Polytrauma müssen viele Patienten mehrere Wochen oder sogar Monate im Krankenhaus bleiben. Da in Krankenhäusern allerdings primär Notfälle und schwere Erkrankungen behandelt werden, erfolgt im Bedarfsfall im Anschluss an die Krankenhausbehandlung die Verlegung in eine "Reha-Klinik".
Diese ist unter anderem dann notwendig, wenn schwere Knochenbrüche vorlagen und die Gehfähigkeit eingeschränkt ist. In einer Rehabilitation kann der Patient genau dies wieder trainieren und unter krankengymnastischer Anleitung zurück zu einem selbstständigen Alltag finden. Auch nach schweren Gehirn- oder Rückenmarksverletzungen ist eine Rehabilitationsbehandlung sinnvoll und notwendig.
Die Prognose bei einem Polytrauma hängt immer von der Schwere der Verletzungen und dem Genesungsverlauf ab. In einigen Fällen heilen die Verletzungen folgenlos aus. Andere Patienten dagegen müssen dauerhaft mit den Folgen – oder sogar mit einer Behinderung – leben.
Auch wenn dauerhaft mit Einschränkungen zu rechnen ist, lohnt sich jede Mühe und Motivation, den Ausgangszustand vor dem Unfallereignis wieder erreichen zu wollen. Deshalb wird vielen Patienten nach einem Polytrauma, insbesondere jüngeren berufstätigen Menschen, eine psychologische Unterstützung (z.B. in Form einer Verhaltenstherapie) empfohlen. Die Mehrzahl der Patienten profitiert von dieser Behandlung und kann hieraus neuen Lebensmut finden.