Teilstationäre Psychotherapie: Infos & spezialisierte Kliniken

Die teilstationäre Psychotherapie in einer Psychosomatischen Tagesklinik ist eine noch relativ junge Entwicklung in der Psychotherapie. Es handelt sich dabei um eine kostengünstigere, eigenständige und wirkungsvolle Behandlungsalternative zur vollstationären Behandlung. Die teilstationäre Psychotherapie soll die soziale Reintegration erleichtern. Sie schließt sinnvoll die Lücke zwischen ambulanter und vollstationärer Therapie.

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Teilstationäre Psychotherapie - Weitere Informationen

In der medizinschen Betreuung unterscheidet man ambulant und stationär.

Eine ambulante Therapie bedeutet nur einen kurzzeitigen Besuch des Patienten in einer Praxis oder Klinik. Er nimmt einen Termin wahr und geht danach wieder nach Hause. Er bleibt nicht über Nacht in der Klinik.

Eine stationäre Aufnahme bezeichnet dagegen einen längeren Aufenthalt. Der Patient erhält in der Klinik ein Bett und wird mit Mahlzeiten versorgt. Eine stationäre Therapie bedeutet für den Patienten bis zum Abschluss der Therapie einen Umzug in die Klinik. Der Vorteil einer stationären Aufnahme ist die rund-um-die-Uhr-Betreuung für den Patienten. Demgegenüber stehen höhere Kosten.

Eine teilstationäre Therapie ist eine Mischung aus ambulant und stationär. Der Patient verbringt mehr Zeit in der Klinik als bei ambulanten Terminen. Gleichzeitig verlagert er nicht sein ganzes Leben in die Klinik. Das wäre bei einer stationären Aufnahme der Fall.

Häufig ist der Patient montags bis freitags täglich 8 Stunden in der Psychotherapeutischen Tagesklinik. Nachts und am Wochenende ist er zu Hause in seinem vertrauten Umfeld.

Geschichte der teilstationären Psychotherapie

Die Anfänge tagesklinischer Psychotherapie liegen in der Behandlung traumatisierter britischer Soldaten während des 2. Weltkrieges. Deswegen befinden sich hier auch wesentliche Wurzeln unserer heutigen analytischen Gruppenpsychotherapie.

In Deutschland scheiterten erste Versuche einer Tagesklinik bis in die 1980er Jahre noch. Eine Ausnahme ist die Düsseldorfer Psychosomatische Tagesklinik, die seit 1982 besteht. Sie wurde unter dem Titel „Die Vierzigstundenwoche für Patienten“ bekannt. Diese Klinik ist bis heute der Prototyp einer psychoanalytisch ausgerichteten Tagesklinik.

Erst 10 bis 15 Jahre später kam es zu einem Aufschwung in der Entwicklung teilstationärer Psychotherapien in Deutschland. Die erste Psychosomatische Tagesklinik in München nahm im Dezember 1999 ihren Betrieb auf.

Wesentliche Anstöße sind auf den allgemeinen Kostendruck im Gesundheitswesen zurückzuführen. Teilstationäre Behandlungen in einer Psychosomatischen Tagesklinik gelten als kostengünstiger.

Vorteile der teilstationären Psychotherapie gegenüber einer vollstationären Behandlung:

  • Durch Übergangsbehandlung („step down care“) Verkürzung lang andauernder stationärer Therapien
  • Anbahnung und Erleichterung der sozialen Reintegration
  • Vermeidung der Nachteile einer vollstationären Behandlung: ungünstige Regressionen unter der „Klinik-Käseglocke“, Stigmatisierung
  • Mündige, körperlich gesunde Patienten benötigen kein Krankenhausbett
  • Patienten leben lieber in gewohnter Umgebung, können so aber dennoch die Vorteile einer intensiven multimodalen Psychotherapie nutzen.

Das Angebot psychosomatischer Tageskliniken

Die teilstationäre psychothreapeutische Betreuung ist wenig homogen. Psychosomatische Tageskliniken orientieren sich mehr an klassisch-psychiatrischen Vorgehensweisen. Sie können auch die Psychotherapie in den Mittelpunkt stellen. Hier wird nochmals grob unterschieden nach

Teilweise sind die Unterschiede der Psychosomatischen Tageskliniken störungsbezogen, d. h. auf Diagnosegruppen spezialisiert sind, wie etwa:

Andere Differenzierungen adressieren bestimmte Zielgruppen nach Lebenskontexten.

Beispiele sind Mütter mit Kindern. Sie wären häufig von einer an sich indizierten intensiven stationären Behandlung ausgeschlossen.

Auch die ältere Generation („60 plus“) nimmt wenig Psychotherapie in Anspruch, bekommt aber reichlich Psychopharmaka verordnet. Letzteres kann als Indiz dafür genommen werden, dass auch in dieser Personengruppe ein umfassender seelischer Behandlungsbedarf besteht.

Begrifflich und inhaltlich wären von den Psychosomatischen Tageskliniken noch Einrichtungen der

  • Suchtkrankenhilfe,
  • Jugendhilfe,
  • Altenhilfe etc. und
  • Tagesstätten insgesamt

abzugrenzen.

Ebenfalls abzugrenzen sind Nachtkliniken. Ihre Patienten stehen tagsüber in Ausbildung oder Beruf. Die Nacht und das Wochenende verbringen sie im sozial beschützten Rahmen einer Klinik.

Wie die psychosomatische Tagesklinik arbeitet und wie sie hilft

Was sich in der vollstationären Behandlung bewährt, sollte auch in der teilstationären Psychotherapie zur Anwendung kommen. Das ist etwa ein multiprofessionelles Team aus therapeutisch geschulten

  • Ärzten,
  • Psychologen,
  • Schwestern bzw. Pflegern und
  • Sozialpädagogen.

Auch die Therapien von Spezialtherapeuten einer oder auch mehrerer Richtungen sollten angeboten werden, z.B.

  • Konzentrative Bewegungstherapie
  • Kunsttherapie
  • Musiktherapie
  • Sport- und Bewegungstherapie
  • Physiotherapie
  • Entspannungstherapie
  • Ergotherapie
  • Milieutherapie

Wichtig dabei sind

  • die Fokussierung auf angemessene und meist begrenzte Therapieziele,
  • die regelmäßige Abstimmung darüber mit dem Patienten und innerhalb des Teams und
  • die rechtzeitige Vorbereitung der Entlassung mit der Klärung einer sich anschließenden ambulanten Therapie.

Täglicher Wechsel zwischen Psychosomatischer Tagesklinik und Alltagsumwelt

Patienten einer Tagesklinik erleben täglich den Wechsel von der Familie/der Alltagsumwelt ins Milieu der therapeutischen Gemeinschaft und zurück. Das ist mit

  • Trennungsprozessen,
  • Nähe-Distanz-Regulationen,
  • verschärften Loyalitätskonflikten usw.

verbunden. Konflikte von draußen werden in die psychosomatische Tagesklinik hineingetragen, manchmal auch umgekehrt. Dadurch erlebt der Patient die Konfliktbereiche des Alltags außerhalb der Klinik. Diese kann er gleich mit in die Therapie einbringen.

Erarbeitete Veränderungsschritte können allabendlich und am Wochenende auf ihre Brauchbarkeit hin untersucht werden. Das ist ein entschiedener Vorteil gegenüber der vollstationären Aufnahme. Die stationäre Therapie ermöglicht durch die Entlastung („Ferien vom Alltag“) eine schnelle Besserung. Konflikte des Alltags geraten hier in den Hintergrund. Nach der Entlassung folgt dann aber oft ein böses Erwachen.

In der teilstationären Psychotherapie lassen sich wichtige Kontakte in der Außenwelt leichter aufrechterhalten. Das kann auch ein seelisch stützendes Haustier sein.

Wegen des täglichen Wechsels kann auch eine frühzeitige Hinzunahme der Familie bzw. eines Teils der Familie sinnvoll sein.

Gruppentherapie in der Psychosomatischen Tagesklinik

Besondere Bedeutung erlangen Erfahrungen mit anderen, etwa im Rahmen von Gruppentherapien. Heilsame Impulse aus der Gruppe können bspw. sein:

  • sich gegenseitig unterstützen
  • Hinweise auf Sachverhalte, die man selbst nicht sieht
  • sehen, dass man mit einem Problem nicht allein ist
  • Verständnis finden
  • sich ohne Kritik, Bewertung oder Häme mitteilen können

Viele Patienten scheuen jedoch zunächst eine gruppentherapeutische Behandlung. Eigene Probleme vor fremden Personen zu beschreiben und diese Menschen darüber diskutieren zu lassen erscheint ihnen unangenehm. Nach der Gruppentherapie geben viele jedoch an, dass die Gruppe mit am hilfreichsten für sie war.

Gruppentherapie
Gruppentherapie kostet Überwindung, hilft oft aber am meisten © RFBSIP | AdobeStock

Therapeuten begrüßen die Gruppenarbeit. In der Gruppe können die Patienten sich selbst und andere besser verstehen lernen.

Eine in Psychosomatischen Tageskliniken viel diskutierte Frage ist, ob nicht eine störungsbezogene Therapie generell überlegen ist. Entsprechende Konzepte liegen sehr im Trend. Psychosomatische Tageskliniken können aber aus organisatorischen Gründen oft keine speziellen Gruppen anbieten. Beweise für bessere Ergebnisse störungsbezogener Therapien in diesem Kontext fehlen.

Wichtig ist die Vermeidung der Isolation Einzelner innerhalb der Gruppe. Hier kann das sogenannte „Arche-Noah-Prinzip“ bei der Gruppenzusammenstellung helfen.

Tägliche Morgen- und Abschlussrunden in der Psychosomatischen Tagesklinik

Ein weiteres typisches Element der teilstationären Therapie in einer Psychosomatischen Tagesklinik sind tägliche Morgen- und Abschlussrunden. Sie dienen als Einstimmungs-/Begrüßungs- und Abschiedsrituale. Sie helfen auch mit, dem Einzelnen und der Gruppe Halt und einen festen Rahmen zu geben.

Therapeutisch gesteckter Rahmen in der Psychosomatischen Tagesklinik

Die Psychosomatische Tagesklinik dient als Schnittstelle von Alltagswelt und Therapieraum. Hier bilden sich gerne Verhaltensmuster ab, die auch sonst unter Umständen problematisch in Erscheinung treten. Sie sollten beachtet, thematisiert und therapeutisch durchgearbeitet werden. Dadurch kommt es zum verstärkten Erleben verdrängter Selbstanteile und abgewehrter Gefühle. Das dient in der Folge zur verbesserten Selbst- und Fremdwahrnehmung und Konfliktlösung.

Das ist kein prinzipieller Unterschied zur anderweitigen klinischen Psychotherapie. Es besteht jedoch eine besondere Intensität von Konfliktsituation, da der Patient sie aktuell erlebt. In der stationären Psychotherapie berichtet er sie nur aus dem Gedächtnis.

Als „Teilzeit-Therapie“ bietet die Psychosomatische Tagesklinik mit ihrem Tagesprogramm Hilfen zur Strukturierung von außen an. Gleichzeitig erfordert sie auch Eigenaktivität zum Sich-selbst-Strukturieren in den verbleibenden Zeiträumen. Das fördert die Selbständigkeit des Patienten und erleichtert den Übergang in die Zeit nach der Entlassung aus der Klinik.

Der tagesklinisch behandelte Patient wird für die Dauer der teilstationären Psychotherapie krankgeschrieben. Dagegen ist z.B. in der Endphase der Behandlung eine tagesklinisch begleitete stufenweise Wiedereingliederung am Arbeitsplatz möglich.

Möglichkeiten der teilstationären Psychotherapie

Die Voraussetzungen für die Teilnahme an einer teilstationären Psychotherapie sollten individuell geprüft werden.

Grundsätzlich muss ein Krankheitsbild so schwer sein, dass eine rein ambulante Psychotherapie nicht mehr ausreicht. Andererseits darf der Patient keine 24-Stunden-Versorgung benötigen. Die meist etwa 8-stündige Behandlung von Montag bis Freitag in einer Psychosomatischen Tagesklinik muss ausreichen.

Geeigneter Personenkreis

Die Psychosomatische Tagesklinik erfordert eine stabile Motivation für die Therapie. Der Patient muss sich täglich aufraffen und sich für die Klinik entscheiden. Der Antrieb darf daher nicht zu stark gedämpft sein. Der tägliche Weg in die Klinik sollte körperlich und seelisch möglich sein.

Am Abend und Wochenende muss so viel innere (Selbststrukturierung) oder äußere Stabilität (Umfeld) vorhanden sein, dass es nicht zu Überforderungen oder Abrutschen in Sucht oder andere Arten von Destruktivität kommt. Vergleichbares gilt für die Nahrungsaufnahme bei Essstörungen.

Die teilstationäre Psychotherapie hat eine in etwa gleiche Wirkstärke wie die vollstationäre Therapie. Dazu gibt es bereits wissenschaftliche Erkenntnisse. Demnach profitieren schwer persönlichkeitsgestörte Menschen von einer tagesklinischen Behandlung anhaltend. Allerdings befanden sich diese Probanden in mehrjähriger Behandlung.

Im Vergleich dazu dauern Behandlungen in der BRD meist zwischen 4 und 12 Wochen, häufig zwischen 6 und 8 Wochen. Im Anschluss daran werden die Patienten dann nach Möglichkeit in eine ambulante Therapie übergeführt.

Nicht geeigneter Personenkreis

Eine Psychosomatisch-psychotherapeutische Tagesklinik eignet sich nicht für

  • (noch) Substanzabhängige,
  • psychotisch Erkrankte oder
  • Selbstgefährdete (Suizidalität, traumatisierendes oder besonders destruktives Umfeld), oder
  • wenn die Kombination der mitunter belastenden Therapie mit familiären Rollen zu einer Überforderung führt.

Mit familiären Rollen sind etwa Kinderbetreuung oder die Pflege von Familienangehörigen u.ä. gemeint. Hier können ggf. Hilfen im Haushalt (mit finanzieller Unterstützung durch die Kassen) notwendig werden.

Fazit zur teilstationären Psychotherapie

Die teilstationäre Psychotherapie stellt eine noch relativ junge Entwicklung im Rahmen einer sich mehr und mehr differenzierenden Psychotherapie dar.

Grundlagen und Methoden der Behandlung stammen zu großen Teilen aus der stationären multimodalen Psychotherapie. Ihre Entstehung verdankt die teilstationäre Psychotherapie zum Teil deren Nachteilen, zu denen

  • hohe Behandlungskosten,
  • ungünstige Regression oder
  • soziale Ächtung

gehören.

Sie hat sich andererseits zwischenzeitlich zu einer eigenständigen, wirkungsvollen und kostengünstigen Therapieform entwickelt. Zudem vermag sie die Lücke zwischen ambulanter und vollstationärer Therapie sinnvoll zu schließen.

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